Unbeschränkte Steuerpflicht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Vn.Nn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 23. und gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) beantragte mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 (Formular L1) die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2017. In der Beilage (Formular L 1i) stellte der Bf. den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG 1988).
Der Bf. erklärte, dass er im Jahr 2017 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte und bei einer Arbeitgeberin/einem Arbeitgeber (mit Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug in Österreich) beschäftigt gewesen sei. Er sei bei vier inländischen gehaltsauszahlenden Stellen als Bauhelfer beschäftigt gewesen. Unter Punkt 10.-tens "Werbungskosten" macht der Bf. Kosten für Familienheimfahrten und Fahrten zwischen der Unterkunft und Baustelle geltend.
Der Bf. besitzt eine Wohnung in ***2*** in T, welche er als Hauptwohnsitz nützt.
Vorhalt vom :
Das Finanzamt ersuchte mit schriftlichem Vorhalt vom den Bf. um Auskunft über seine Wohnverhältnisse im Heimatland und am Beschäftigungsort. Um Angabe der Einsatzorte und Vorlage der Fahrtaufzeichnungen wurde ersucht. Weiters wurde der Bf. um Vorlage der Familienstandsbescheinigung, der Schulbesuchsbestätigung der Kinder und des Einkommensnachweises der Ehegattin ersucht.
Antwortschreiben vom :
Im Antwortschreiben führte der Bf. aus, er habe 2017 als Bauhelfer bei 4 österreichischen Firmen gearbeitet. Lediglich vom letzten Arbeitgeber, der Fa. Name habe er eine Beschäftigungsbestätigung für den Zeitraum bis sowie eine Bestätigung über nicht steuerbare Ersätze erhalten.
Auf die beigelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen 2017 wurde verwiesen. Vorgelegt wurden - die monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen;
- der Nachweis der Lenkerberechtigung mitsamt Zulassungsbescheinigung des Fahrzeuges,
- die Melde- und Wohnsitzbescheinigung in T;
- die monatlichen Fahrtaufzeichnungen für die Monate 1 -12/2017 zum Nachweis der Familienheimfahrten und der Fahrten zwischen Unterkunft und Beschäftigungsort sowie
- der Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in ***2***/T.
Bescheid vom :
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 nicht vorliegen würden.
Beschwerde:
In der Beschwerde vom und der Begründung vom führte der Bf. aus, dass er im Jahr 2017 über einen Zeitraum von 10 Monaten bei vier österreichischen Firmen gearbeitet hat. Er habe vom Finanzamt ***2*** (T) die Bescheinigung EU 2017 (Formular E 9) erhalten, in welcher bestätigt werde, dass er in T keinerlei "Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen" bezogen habe. Er habe sein Einkommen in Österreich erarbeitet.
An Werbungskosten mache er für seine beruflich bedingten Fahrten (Familienheimfahrten, Fahrten Unterkunft-Baustelle) insgesamt Euro 12.460,66 geltend. Er sei 39mal zur Arbeit nach Österreich und 39mal wieder zurück nach Hause, nach ***2***, gefahren. Eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich sei nicht möglich. Er habe alle Verwandten und Bekannten in T.
Beschwerdevorentscheidung vom :
Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab. In der Sache verwies das Finanzamt darauf, dass der Bf. laut den vom Arbeitgeber ***1*** KG übermittelten Lohnzetteldaten im Ausland tätig gewesen ist. Für die Auslandstätigkeit habe der Bf. Einkünfte iHv mehr als Euro 11.000,00 bezogen. Wörtlich wurde schriftlich ausgeführt:
"Da die gesetzlichen Voraussetzungen zur Option in die unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 Rz 8 EStG 1988) nicht vorliegen (Haupteinkünfte in Österreich 90% des Welteinkommens oder Nichtüberschreiten der Grenze von € 11,0000,--welche nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegen) war ihre Beschwerde abzuweisen."
Vorlageantrag vom :
Im Vorlageantrag vom weist der Bf. daraufhin, dass er bei der Firma ***1*** KG in *** beschäftigt gewesen sei. Für ihn habe der damalige Arbeitgeber Beträge an die BUAK gezahlt. Es stelle sich die Frage, wohin der Arbeitgeber die Lohnsteuer abgeführt hat, wenn nicht in Österreich.
Vorlagebericht:
Das Finanzamt beantragte im Volagebericht die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist Staatsbürger der Republik T und in T wohnhaft. Er hatte im Jahr 2017 in Österreich keinen Wohnsitz und auch nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Bf. war bei vier österreichischen Firmen als Bauhelfer beschäftigt (10.01.-).
Der Bf. reichte mit Formblättern L1 und L1i beim Finanzamt die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein und machte Werbungskosten für Fahrten mit dem Privat-PKW in Höhe von Euro 12.460,44 geltend. Im Ansässigkeitsstaat erzielte der Bf. im Jahr 2017 keine Einkünfte. Er beantragte unter Punkt 6.2 der Einkommensteuererklärung gemäß § 1 Abs. 4 EStG in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden.
Der Bf. war in der Zeit von 16.03- für die ***1*** KG als Baugehilfe tätig.
Aus den vorgelegten Fahrtaufzeichnungen der Monate März bis Oktober 2017 ergibt sich, dass der Bf. für seinen österreichischen Arbeitgeber in Ausland (Ausland) tätig gewesen ist. Er fuhr von seiner Unterkunft in H nach B.W (Ausland) und nach der Arbeit wieder zurück in seine Unterkunft. Die Familienheimfahrten erfolgten zwischen ***2*** (T) und H (Ausland).
Aus dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2017 ergibt sich, dass die von der ***1*** KG einbehaltene Lohnsteuer für 2017 in Höhe von Euro 3.071,10 an das Finanzamt M. in D abgeführt wurde.
2. Beweiswürdigung
Die zu Grunde liegende Sachverhalt leitet sich aus den vorgelegten Unterlagen (Fahrtenbuch, Meldebestätigung, monatlichen Lohnzettel, Wohnungseigentumsvertrag) und den eingereichten Erklärungen zur Einkommensteuer 2017, den Bescheid über die Abweisung der Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag und Vorlagebericht, ab.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 1 EStG 1988 (in der für den Beschwerdezeitraum relevanten Fassung) normiert:
(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.
(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte. Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98, aufgezählten Einkünfte.
(4) Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.
Nach der Grundregel des Art. 15 Abs. 1 DBA-D dürfen Einkünfte aus unselbständiger (nichtselbständiger) Arbeit im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Staat ausgeführt (Tätigkeitsstaat).
Gegenständlich wurde die Arbeit für die ***1*** KG vom Beschwerdeführer in D - also nicht in Österreich - ausgeführt. Damit steht fest, dass das Besteuerungsrecht für diese Tätigkeit aufgrund des zwischen Österreich und D bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens D zugewiesen wird. Diese Einkünfte sind in Österreich von der Einkommensteuer befreit (Doppelbesteuerungsabkommen mit Befreiungsmethode). Aus dem vorgelegten Lohnzettel L8 des Arbeitgebers geht hervor, dass Lohnsteuer einbehalten und an das zuständige Finanzamt in D bezahlt wurde. Das Doppelbesteuerungsabkommen wurde angewendet.
Im Rechtssatz zur Entscheidung , hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "§ 1 Abs. 4 zweiter Satz EStG 1988 stellt auf das Welteinkommen ab (vgl. Doralt, EStG9 (2005), § 1 Tz 61, und die Bezugnahmen auf Judikatur des EuGH bei Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, 43. Lieferung (März 2009), § 1 Tz 21, Seite 39) und verlangt seine Teilung in einen der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Teil einerseits und die übrigen Einkünfte andererseits."
Für die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 fehlt die Grundvoraussetzung, nämlich das Vorliegen von entsprechend hohen Einkünften, die der österreichischen Einkommensteuer unterliegen.
Der Beschwerdeführer hat für seine Tätigkeit in D Einkünfte iHv 13.133,49 bezogen. Die Einkommensteuer wurde entsprechend dem DBA - D in D abgeführt. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 kann nur zur Anwendung kommen, wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000,00 € betragen. Die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte liegen im vorliegenden Sachverhalt über 11.000,00 €, sodass die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 nicht gegeben sind.
Aus dem Vorlagebericht des Finanzamtes ergibt sich, dass der Bf. in D Einkünfte iHv Euro 13.133,49 und in Österreich Einkünfte iHv Euro 4.078,00 erzielt hat. Von den insgesamt erzielten Einkünften iHv Euro 17.211,49 unterliegen 23,70% der österreichischen Einkommensteuer.
Soweit der Bf. nun meint, es wären auch Beiträge zur BUAK gezahlt worden, ist darauf hinzuwesen, dass es sich dabei um Beiträge zur gesetzlichen Bauarbeiter-Urlaubs-und Abfertigungskasse handelt.
Eine Optionsmöglichkeit von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht ist daher mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben.
Der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich wurde daher vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Versagung der Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 ergibt sich als Rechtsfolge mangels Vorliegen der in der genannten Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen. Eine diesbezügliche uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100558.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at