Kein Anspruch auf Familienbeihilfe in der Zeit zwischen Abbruch einer Berufsausbildung und Beginn einer weiteren Berufsausbildung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfe 06.2022-08.2022 Ordnungsbegriff ***124*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom forderte die belangte Behörde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Sohn der Beschwerdeführerin ***SohnBf***, SVNr ***125*** für den Zeitraum 06/2022 bis 08/2022 zurück. Begründet wurde dieser Bescheid mit dem Nichtvorliegen einer für den Bezug der Familienbeihilfe notwendigen Berufsausbildung.
2. Gegen diesen Bescheid wurde am Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde wie folgt begründet:
"Mein Sohn wechselte die Ausbildungsschule vom ***ZZZ*** zu ***XXX*** die Bewerbung erfolgte online im . Am wurde ihm die Zusage mitgeteilt das er zur Aufnahmekommission am um 8 Uhr eingeladen wurde dies wurde mit Aufnahme bestätigt. Die Zeit von Juni 2022 -August 2022 die von ihnen angegeben ist sind findet kein Unterricht statt da dies die Sommerferien der beiden Ausbildungsschulen sind, wobei der Schulbeginn regulär im September wieder aufgenommen wurde und er die Ausbildung nicht abgebrochen hatte sondern nur einen Wechsel der Ausbildungsstätte vorgenommen hat. Der Wechsel erfolgte wegen psychischer und persönlichen Probleme mit dem Klassenvorstand."
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde der Bescheid wie folgt:
"***D*** besuchte die Pflegefachassistenzausbildung an der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am ***ZZZ*** vom bis . Diese Ausbildung wurde mit einem vorzeitigen, freiwilligen Austritt beendet.
Am beginnt ***D*** eine 2-jährige Pflegeassistenzausbildung am ***XXX***. Vom bis befindet sich ***D*** in keiner Berufsausbildung. Die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe liegen für ***D*** im Zeitraum Juni 2022 bis August 2022 nicht vor."
4. Mit Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Ergänzend wurde wie folgt vorgebracht:
"Weiteres zu meiner Beschwerde vom möchte ich anführen das ***SohnBf*** seit Jahren die erhöhte Kinder Beihilfe bezieht aufgrund psychischer Störungen und ich aus ihrer Begründung auf das 24 Lebensjahr von ***D*** festgehalten wird jedoch sind die Psychischen Störungen weiterhin von einem Facharzt bestätigt worden. Die Begründung das von ihrer Seite ***D*** jetzt in den Ferien der Ausbildung umgestiegen ist und die im Kepler Unikum abgebrochen hat. Da es seitens Mitschüler und Lehrer zu Konflikten kam wegen seiner Geschlechtsumwandlung. Die Prüfungen im ***ZZZ*** wurden bis zu Wechsel positiv abgeschlossen inklusive Praktikum. Bei den ***XXX*** wurden gleich nach den Ferien begonnen und sind auch bis Dato die Prüfungen positiv abgeschlossen worden. Anbei möchte ich anführen, dass kein Lehrgang verloren ging. Aber es sich leider ab Mai psychisch nicht mehr ging und sofort bemühten das ***D*** eine Aufnahmeprüfung machen konnte und diesen bestand ging es ***D*** zum Glück ein wenig besser seitens der Aufnahme der Schwestern geht es ***D*** jetzt besser und er ist voll integriert trotz seiner Geschlechtsumwandlung und hat bis jetzt alles positiv abgeschlossen das psychische Problem wird laut Facharzt weiterhin bestehen. Zum Schluss möchte ich sie noch bitten dies in Augenschein zu nehmen das ***D*** die erhöhte Familienbeihilfe bezogen hat und weiterhin beziehen möchte bis zum Abschluss der Ausbildung bei den Barmherzigen Schwestern."
5. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde im September 1998 geboren. Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 06/2022 bis 08/2022 befand er sich im 24. Lebensjahr.
Er besuchte vom bis die Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am ***ZZZ*** (Pflegefachassistenzausbildung). Diese Ausbildung wurde mit einem vorzeitigen, freiwilligen Austritt beendet.
Er befand sich ab dem Austritt in einem Bewerbungsprozess um eine Pflegeassistenzausbildung am ***XXX*** (Online-Bewerbung am und Aufnahmekommission am ).
Am begann der Sohn eine 2-jährige Pflegeassistenzausbildung am ***XXX***.
Vom bis befand sich der Sohn der Beschwerdeführerin in keiner Berufsausbildung.
Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom liegt beim Sohn ein Grad der Behinderung von 50% ab Jänner 2001 und von 30 % ab September 2023 vor, wobei er nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe der Sohn im Mai 2022 nur die Ausbildungsstätte gewechselt und nicht die Ausbildung abgebrochen und eine neue Ausbildung begonnen. Die Leitung der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am ***ZZZ*** bestätigt im Schreiben vom allerdings, dass der Sohn der Beschwerdeführerin die Ausbildung mit vorzeitigem, freiwilligem Austritt beendet hat. Auch die Tatsache, dass es zu keiner Anrechnung von Ausbildungszeiten kam, spricht für die Feststellung, dass eine Ausbildung abgebrochen und eine weitere begonnen wurde und nicht nur die Ausbildungsstätte gewechselt wurde.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 06/2022 bis 08/2022.
Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967, haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe (Anm.: auf den Grundbetrag an Familienbeihilfe)
lit a) für minderjährige Kinder, ….
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschulefortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. …..
lit c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
…..
lit h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 idgF gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (ab : "mehr als 6 Monaten"). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenaus-gleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Rechtsprechung
Die Gewährung von Familienbeihilfe ist nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres und nach § 2 Abs. 1 lit h FLAG 1967 für volljährige, erheblich behinderte Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres dezidiert an die Voraussetzung der Berufsausbildung gebunden.
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG kommt es nicht nur - qualitativ - auf das "ernste und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg" an, sondern eine Berufsausbildung muss grundsätzlich auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. zB ; u.v.a.).
Der Sohn der Beschwerdeführerin hat sich vom bis unstrittig in einer Berufsausbildung befunden. Diese Ausbildung wurde allerdings mit einem vorzeitigen, freiwilligen Austritt beendet. Vom bis befand sich der Sohn der Beschwerdeführerin in keiner Berufsausbildung. Am begann der Sohn eine 2-jährige Pflegeassistenzausbildung am ***XXX*** und er befand sich wiederum in Berufsausbildung.
Die einer tatsächlichen Ausbildung vorangehenden Schritte einer Bewerbung oder eines Auswahlverfahrens einschließlich eines Tests und eines allfälligen Bewerbungsgespräches stellen für sich nach herrschender Auffassung noch keine Ausbildung dar (vgl. z.B. , und ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung basiert auf den zitierten Gesetzesstellen und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Lösung der Frage, wann oder ob eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 abgebrochen wurde, ist anhand tatsächlicher Umstände zu beurteilen. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100341.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at