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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.12.2024, RV/4100112/2024

Antrag auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ihre Erwachsenenvertreterin ***E***, diese vertreten durch ***V***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Zl. ***1***, betreffend die Abweisung der Anträge auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben.

***Bf1*** wird auf Grund der Anträge vom die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung für den Zeitraum Juli 2021 bis Dezember 2021 gewährt.

Darüber hinaus werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf), geb. am ***2*** 2001, beantragte durch ihre Erwachsenenvertreterin ***E***, am mittels den Formularen Beih 100-PDF und Beih 3-PDF die (erhöhte) Familienbeihilfe rückwirkend ab Eintritt der Behinderung.

Mit Bescheiden des Finanzamtes Österreich vom wurden die Anträge auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Familienbeihilfe für die Bf zwischen Dezember 2018 und Juni 2021 von ihren Eltern bezogen worden sei. Die Bf habe ab Juni 2021 keine Ausbildung absolviert. Laut Gutachten vom wurde rückwirkend ab ein Grad an Behinderung von 70 % festgestellt, das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit sei aber verneint worden.

Gegen diese Bescheide hat die Bf durch ihre Erwachsenenvertreterin mit Eingaben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass sie bis Februar 2022 in Ausbildung als ***3*** gestanden sei, weswegen jedenfalls ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den entsprechenden Zeitraum bestehe. Zudem sei das Gutachten Dris ***4*** vom nicht berücksichtigt worden, der der Bf dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt habe. Der Bf sei daher die Familienbeihilfe ab und der Erhöhungsbetrag ab zu gewähren.

Mit Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes Österreich vom wurde den Beschwerden teilweise Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Gutachtens des Sozialministeriumsservice vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit ab dem bejaht werde. Der Bf sei daher die Familienbeihilfe bzw. der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung von Juli bis Dezember 2021 zuzuerkennen, ab Jänner 2022 bestehe wegen einer Einkommensüberschreitung kein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe. In den Monaten März 2018 bis Juni 2021 habe der Vater und nach dessen Tod die Mutter der Bf die Familienbeihilfe bezogen, weshalb der Betrag der Bf nicht zustehe.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf im Wege ihrer Erwachsenenvertreterin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verlassenschaft erst im Juni 2023 vollständig abgeschlossen wurde, die Behinderung der Bf aber bereits seit ihrem 17. Lebensjahr bestehe. Bei den Mieteinkünften der Bf handle es sich nicht um ein Einkommen im Sinne des Gesetzes. Von den Einnahmen würden notwendige Erhaltungsmaßnahmen finanziert und stünden diese der Bf nicht zur Verfügung. Die Einkommensüberschreitung könne in den Monaten Jänner und Februar 2022 nicht höher gewesen sein als in den Vormonaten. Zudem sei der Mietvertrag mit ***5*** erst am abgeschlossen worden. Die Bf beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In der mündlichen Verhandlung vom verwies die Amtsvertreterin darauf, dass der Bezug des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung für die verstorbene Mutter der Bf von allen Erben gemeinsam beantragt hätte werden müssen. Der Vertreter der Bf erachtete hingegen die Antragstellung eines Erben für ausreichend. Die Amtsvertreterin beantragte die Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich des Zeitraumes Juli 2021 bis Dezember 2021, im Übrigen aber die Abweisung der Beschwerde. Der Vertreter der Bf beantragte, den Beschwerden Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bf die Familienbeihilfe im gesetzlichen Ausmaß ab gewährt wird und weiters den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bf der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung im gesetzlichen Ausmaß ab gewährt wird, in eventu die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Rechtssachen zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Bis Juni 2021 bezogen der am ***6*** 2019 verstorbene Vater bzw. die am ***7*** 2021 verstorbene Mutter der Bf, ***8***, die Familienbeihilfe. Der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung wurde nicht beantragt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***9*** vom , Zl. ***10***, wurde ***11*** zum einstweiligen Erwachsenenvertreter der Bf bestellt und mit der Besorgung der Vertretung der Bf im Verlassenschaftsverfahren ***12*** des Bezirksgerichtes ***9*** nach der am ***7*** 2021 verstorbenen ***8*** bestellt.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung und mit Eingabe vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe. Mit "Bescheiden" des Finanzamtes Österreich vom wurden beide Anträge für den Zeitraum ab Juli 2021 abgewiesen. Die "Bescheide" wurden an ***11*** zugestellt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***9*** vom , Zl. ***13***, wurde die Tante der Bf, ***E***, zur gerichtlichen Erwachsenenvertreterin der Bf, ua. Zur Vertretung in behördlichen Angelegenheiten, verwaltungsgerichtlichen und gerichtlichen Verfahren, bestellt.

Die Bf beantragte durch ihre Erwachsenenvertreterin am neuerlich die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung.

Die Bf bezieht eine Halbwaisenpension von ihrem Vater und hatte bis Februar 2022 eine Ausbildung zur ***3*** besucht, welche sie nicht abschloss.

Im Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, ***14***, Fachärztin für ***15***, vom wurde festgestellt, dass bei der Bf seit März 2018 ein 70 % iger Gesamtgrad an Behinderung vorliegt, die Unfähigkeit, sich selbst Unterhalt zu verschaffen, besteht seit März 2018.

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***9*** vom , Zl. ***16***, wurde die Verlassenschaft nach ***8*** je zur Hälfte ihren Töchtern ***17*** und der Bf eingeantwortet. Es wurde ein Erbteilungsübereinkommen geschlossen, die Bf übernahm Eigentumsanteile an zwei Liegenschaften.

Laut dem Einkommensteuerbescheid 2021 bezog die Bf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von € 17.208,76 (davon € 16.460,43 an Waisenpension), sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von € 13.383,90. Das Jahreseinkommen (§ 33 Abs.1 Einkommensteuergesetz (EStG)) betrug € 30.592,66.

Laut dem Einkommensteuerbescheid 2022 bezog die Bf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von € 26.480,92 (davon € 18.014,72 an Waisenpension), sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von € 20.953,59. Das Jahreseinkommen (§ 33 Abs.1 EStG) betrug € 47.989,17.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Insbesondere wird aufgrund des Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, ***14***, Fachärztin für ***15***, vom als erwiesen angenommen, dass bei der Bf seit März 2018 ein 70 % iger Gesamtgrad an Behinderung vorliegt, die Unfähigkeit, sich selbst Unterhalt zu verschaffen, besteht ebenfalls seit März 2018.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (sh. zB , und ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundesfinanzgericht für seine Entscheidungsfindung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.

Dies ist zu bejahen; die Gutachterin hat bei ihrer Einschätzung sämtliche ihr vorliegenden Unterlagen gewürdigt und hieraus die entsprechenden Schlüsse gezogen. Zur Erwerbsfähigkeit führte sie insbesondere aus, dass eine Arbeitsfähigkeit trotz vieler begonnener Arbeitsverhältnisse nicht erreicht werden konnte. Die Bf sei in den praktischen Arbeitssituationen rasch überfordert und wurde rasch gekündigt.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen sieht es das Bundesfinanzgericht als erwiesen an, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, im März 2018 eingetreten ist.

Die Einkommenssituation der Bf ist auf Grund der im Akt erliegenden Einkommensteuerbescheide 2021 und 2022 erwiesen. Die Rechtsnachfolge der Bf und ihrer Schwester je zur Hälfte nach ihrer am ***7*** 2021 verstorbenen Mutter ergibt sich aus dem Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***9*** vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Gemäß § 6 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Gemäß § 6 Abs.2 lit.d FLAG haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs.1 lit.a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Gemäß § 6 Abs.3 FLAG führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs.1 EStG 1988) einer Vollwaise bis zu einem Betrag von € 15.000,00 (Anm. 2024: € 16.455,00) in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs.1 EStG) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von € 15.000,00, so verringert sich die Familienbeihilfe die der Vollwaise nach § 8 Abs.2 einschließlich § 8 Abs.4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den € 15.000,00 übersteigenden Betrag. § 10 Abs.2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs.1 EStG) der Vollwaise bleiben außer Betracht: a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis, c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse, d) …, e)…

Gemäß § 8 Abs.4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab um € 155,90 (Anmerkung: 2023 € 164,90, 2024 € 180,90).

Gemäß § 8 Abs.5 FLAG gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs.6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Gemäß § 10 Abs.1 FLAG wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs.4) ist besonders zu beantragen.

Gemäß Abs.2 leg. cit. wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß Abs.3 leg. cit. werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs.4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. …

Zu den "Bescheiden" des Finanzamtes Österreich vom ist zu bermerken, dass diese an ***11*** zugestellt wurden. ***11*** war aber nur zum einstweiligen Erwachsenenvertreter der Bf im Verlassenschaftsverfahren nach ***8*** bestellt. Die Zustellung der "Bescheide" an ***11*** ist somit unwirksam.

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, besteht eine Bindungswirkung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichtes an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 8 Abs.6 FLAG erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig sind.

Die Schlüssigkeit des erstellten Sachverständigengutachtens ist nicht in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 6 Abs.2 lit.d FLAG muss die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, spätestens vor Vollendung des 21. Lebensjahres, in Ausnahmefällen vor Vollendung des 25. Lebensjahres vorliegen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen wurde von der Sachverständigen mit März 2018, somit vor Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt.

Die Bf gilt daher als erheblich behindertes Kind im Sinne des § 8 Abs.5 FLAG.

Die Bf verfügte im Jahre 2021 laut ihrem Einkommensteuerbescheid über ein Einkommen (§ 33 Abs.1 EStG) in Höhe von € 30.592,66, wobei € 16.460,43 Einkünfte aus ihrer Waisenpension außer Betracht bleiben. Ein zu versteuerndes Einkommen bis zu einem Betrag von € 15.000,00 führt gemäß § 6 Abs.3 erster Satz FLAG nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe.

Im Jahre 2022 verfügte die Bf laut ihrem Einkommensteuerbescheid über ein Einkommen (§ 33 Abs.1 EStG) in Höhe von € 47.989,17, wobei € 18.014,72 Einkünfte aus ihrer Waisenpension außer Betracht bleiben. Übersteigt das zu versteuerndes Einkommen den Betrag von € 15.000,00 verringert sich gemäß § 6 Abs.3 zweiter Satz FLAG die Familienbeihilfe für dieses Kalenderjahr um den € 15.000,00 übersteigenden Betrag.

Für den Zeitraum Juli 2021 bis Dezember 2021 ist der Bf daher die Familienbeihilfe zu gewähren, im Jahr 2022 verringert sich die Familienbeihilfe auf Grund der Höhe des zu versteuernden Einkommens hingegen auf Null. Eine monatliche Betrachtung gemäß § 10 Abs.2 FLAG ist nicht durchzuführen. Für das Jahr 2023 ist eine Beurteilung erst nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides möglich.

Hinsichtlich des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ist zudem der beantragte Zeitraum bis Juni 2021 zu beurteilen. Anspruch auf den Erhöhungsbetrag hat nämlich nur derjenige Antragsteller, der auch Anspruch auf den Grundbetrag für dieses Kind hat. Zwischen März 2018 und Juni 2021 haben entweder der Vater oder die Mutter der Bf den Grundbetrag an Familienbeihilfe bezogen.

Im FLAG Kommentar Lenneis/Wanke, 2. Aufl. wird dazu in Rz.7 zu § 10 dazu wörtlich folgendes ausgeführt:

"Wenn der verstorbene FB-Bezieher die FB beantragt hat und der Erhöhungsbetrag noch nicht beantragt wurde, geht im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge die Antragslegitimation auf den Rechtsnachfolger über.

Nach § 19 BAO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Bei der Gesamtrechtsnachfolge gehen somit alle Rechtspositionen eines Rechtssubjektes auf den Rechtsnachfolger über (). Dies betrifft nicht nur die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Abgabenschuld¬verhältnis (§ 4) ergeben, sondern auch die Rechte und Pflichten aus dem Abgabenpflichtverhältnis (so zB Taucher, Erbschaften und Ertragsteuern, 26; vgl auch , wonach der Gesamtrechtsnachfolger in materiell- und in verfahrensrechtlicher Hinsicht bezüglich aller Rechte und Pflichten in die gesamte Rechtsstellung des Rechtsvorgängers tritt) (siehe hiezu RV/0348-G/09 sowie § 4 Abs 7 Rz 16)."

Antragstellerin auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung vom , eingebracht am , war die Bf.

Laut Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***9*** vom wurde die Verlassenschaft nach ***8*** je zur Hälfte ihren Töchtern ***17*** und der Bf eingeantwortet. Sind mehrere eingeantwortete Erben vorhanden (Erbengemeinschaft § 550 ABGB), so kann das ererbte Recht bzw. die Antragslegitimation nur durch alle Miterben gemeinschaftlich ausgeübt werden (vgl § 810 Abs.1 letzter Satz ABGB).

Mangels Antragstellung aller eingeantworteter Erben kann der Erhöhungsbetrag für die Zeit bis Juni 2021 nicht gewährt werden.

Zu den von der Bf angebotenen Beweisen, Einvernahme von ***E*** als Zeugin, Einvernahme von ***17*** als Zeugin, und die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Liegenschaftsbewertung ist festzuhalten, dass einerseits kein konkretes Beweisthema angeführt wurde, andererseits ist, soweit die Ausführungen im Vorlageantrag die Einkommenssituation der Bf betreffen, auf § 6 Abs.3 FLAG zu verweisen, der wiederum auf das Einkommen gemäß § 33 Abs.1 EStG, und damit auf die Einkünfte gemäß § 2 Abs.3 EStG laut dem jeweiligen Einkommensteuerbescheid verweist. Somit erweisen sich sonstige unter Beweis zu stellende Tatsachen betreffend das Einkommen gemäß § 183 Abs.3 BAO überdies als unerheblich.

Gemäß § 313 BAO haben die Parteien die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenen Kosten selbst zu tragen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Die Entscheidung stützt sich auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und lässt keine Zweifelsfragen offen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100112.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at