Haftung, Geschäftsführer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H.P in der Beschwerdesache Vn.Nn, Str*4***, Ort, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung gemäß § 9 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Beschwerdeführerin wird zur Haftung für nachstehend angeführte Abgaben in Höhe von insgesamt Euro 11.569,48 herangezogen.
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | 3/5 | davon 72 % |
Umsatzsteuer | 2016 | 896,97 | 627,87 | |
Umsatzsteuer | 2017 | 1.392,58 | 1.002,65 | |
Umsatzsteuer | 08-10/2018 | 3.859,20 | 2.778,62 | |
Lohnsteuer | 2017 | 2.195,92 | 1.552,98 | |
Lohnsteuer | 08/2018 | 396,19 | 285,25 | |
Lohnsteuer | 09/2018 | 517,06 | 372,28 | |
Lohnsteuer | 10/2018 | 450,15 | 324,10 | |
Lohnsteuer | 11/2018 | 601,44 | 433,03 | |
Lohnsteuer | 11/2019 | 224,40 | 161,56 | |
Dienstgeberbeitrag | 2017 | 1.530,14 | 1.101,70 | |
Dienstgeberbeitrag | 08/2018 | 499,26 | 359,46 | |
Dienstgeberbeitrag | 09/2018 | 297,26 | 214,02 | |
Dienstgeberbeitrag | 10/2018 | 250,39 | 180,28 | |
Dienstgeberbeitrag | 11/2019 | 354,37 | 255,14 | |
Zuschlag z. DG | 2017 | 153,03 | 110,18 | |
Zuschlag z. DG | 08/2018 | 52,48 | 37,78 | |
Zuschlag z. DG | 09/2018 | 31,24 | 22,49 | |
Zuschlag z. DG | 10/2018 | 26,32 | 18,95 | |
Zuschlag z. DG | 11/2018 | 37,25 | 26,82 | |
Lohnsteuer | 11/2019 | 381,66 | 274,79 | |
Dienstgeberbeitrag | 11/2019 | 241,26 | 173,70 | |
Zuschlag z. DG | 11/2019 | 24,12 | 17,36 | |
Lohnsteuer | 12/2019 | 170,94 | 123,07 | |
Diensteberbeitrag | 12/2019 | 63,95 | 46,04 | |
Zuschlag z. DG | 12/2019 | 6,59 | 5,00 | |
Körperschaftsteuer | 2017 | 300,00 | 216,00 | |
Körperschaftsteuer | 2018 | 300,00 | 216,00 | |
Verspätungszuschlag | 05/2018 | 80,40 | 57,88 | |
Verspätungszuschlag | 06/2018 | 149,08 | 107,28 | |
Verspätungszuschlag | 07/2018 | 138,94 | 100,00 | |
Körperschaftsteuer | 07-09/2019 | 255,00 | 183,60 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2019 | 255,00 | 183,60 | |
SUMME | 11.569, 48 |
Im Übrigen wird die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) war in der Zeit vom bis Geschäftsführerin der ***2*** LTD.
Am wurde über die LTD das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ. ***1***).
Das Konkursverfahren wurde nach Annahme eines Sanierungsplanes mit Beschluss vom aufgehoben. Die Quote betrug 20%, zahlbar in vier Raten a 5%. Die erste Rate war binnen 30 Tagen nach Annahme des Sanierungsplanes, die zweite Rate bis zum , die dritte Rate bis zum und die vierte Rate bis zum fällig.
Am wurde über die Bf. das Insolvenzverfahren eröffnet (Aktenzeichen ***3***). Am wurde nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes der Konkiurs aufgehoben. Die Quote betrug 72%, zahlbar bis zum .
Das Finanzamt ersuchte mit schriftlichem Vorhalt vom die Bf. um Darlegung jener Umstände und Gründe, die zur Nichtentrichtung fälliger Abgaben geführt haben. Die Rechtslage wurde der Bf. ausführlich dargestellt. Auf die qualifizierte Mitwirkungspflicht wurde ausdrücklich hingewiesen.
Das Finanzamt zog mit Haftungsbescheid vom die Bf. zur Haftung für uneinbringliche Abngabenschuldigkeiten in Höhe von € 65.947,34 heran. Die Abgaben wurden nach Abgabenart, Fälligkeit und Höhe tabellarisch dargestellt.
Beschwerde vom :
In der Beschwerde wendete die Bf. ein, dass ihr Hotelbetrieb durch die Covidkrise stark betroffen gewesen sei. Sie habe beim Finanzamt um Stundung der Steuerschulden angesucht und sei dies genehmigt worden. Sie sei davon ausgegangen, dass die Stundung bis gelte. Sämtliche anderen Gläubiger hätten sich bei der Firma gemeldet, sodass sie Zahlungsvereinbarungen treffen habe können. Das Finanzamt habe sie nicht aufgefordert, die Insolvenzforderung zu begleichen. Sie sei daher davon ausgegangen, dass ihre Stundungsvereinbarung auch diese Forderung mitumfasse. Der Haftungsbescheid erfasse schließlich Abgaben, die gar nicht der Haftung unterliegen können.
Beschwerdevorentscheidung vom :
Das Finanzamt gab mit Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftungssumme auf Euro 55.768,37 ein. Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass Finanzamt habe eine Stundung gewährt wurde ausgeführt, dass ein Stundungsansuchen im Amt nicht aufliege. Auch eine Stundungsbewilligung sei nicht aktenkundig.
Die zweite Konkursquote in Höhe von Euro 3.392,30 sei zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr entrichtet worden. Das Finanzamt habe diesbezüglich am eine schriftliche Mahnung ausgefertigt und versendet. Die Bf. habe auf die am nachweislich zugestellte Mahnung nicht reagiert und die 2-te Quote nicht mehr entrichtet.
Den Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger habe die Bf. nicht erbracht.
Die Bf. habe weder auf den Haftungsvorhalt (Fragenvorhalt) noch auf das Mahnschreiben reagiert. Die Einkommens- und Vermögenverhältnisse wurden nicht offengelegt.
Das Finanzamt wies darauf hin, dass man nochmals die ausständigen Konkursquoten einmahne und daher in dieser Entscheidung den Sanierungsplan mit der Gesamtquote von 20% anerkenne und als aufrecht behandle.
Die Lohnabgaben 11 und 12/2019 in Höhe von Euro 1.480,57, welche nach Beendigung des Konkursverfahrens entstanden sind und nicht entrichtet wurden, wurden zusätzlich bei der Haftungssumme berücksichtigt. Die Haftung wurde für einen Betrag iHv Euro 55.768,37 ausgesprochen.
Vorlageantrag vom :
Im Vorlageantrag wies die die Bf. jede schuldhafte Pflichtverletzung von sich. Die wirtschaftliche Situation der LTD habe sich seit Jänner 2020 laufend verschlechtert. Sie habe durch das Ausbleiben der Gäste während Corona dies Entwicklung nicht beeinflussen können und war nicht in der Lage den Hotelbetrieb aufzufangen.
Eine mögliche persönliche Haftung hätte im Zuge ihres Konkursverfahrens angemeldet werden müssen.
Vorlagebericht:
Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Nichtentrichtung der Konkursquoten nicht ausschlaggebend für die Heranziehung zur Haftung gewesen wären. Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Primärschuldnerin betrieb ein Hotel mit 80 Betten. Im Zuge der Coronakrise blieben die Gäste aus (Anmerkung: ab Jänner 2020). Die Bf. geriet mit ihrem Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, welche letztlich in der Konkurseröffnung mündeten. Schließlich wurde auch über die Bf. selbst das Privatinsolvenzverfahren eröffnet.
Die Gesellschaft, deren Geschäftsführerin die Bf. gewesen ist, ging mit Beschluss des Landesgerichtes vom in Konkurs. Die Konkursquote betrug 20%, zahlbar in vier Raten. Nach der ersten Rate hat die Bf. keine weiteren Raten mehr an das Finanzamt entrichtet. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss des Landesgerichtes am aufgehoben und die Fortsetzung des Unternehmens im Firmenbuch angemerkt.
Die Bf. ging ihrerseits mit Beschluss des Landesgerichts vom in Konkurs. Die Konkursquote wurde mit 72%, zahlbar bis längstens , bemessen. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom aufgehoben.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben wurden nicht mehr entrichtet. Eine Stundung - wie in der Beschwerde vorgebracht - ist beim Finanzamt nicht aktenkundig.
2. Beweiswürdigung
Dem Verfahren liegen die oben dargestellten Schriftsätze, Bescheid und Beschwerden zugrunde, aus welchen sich das dargestellte Verwaltungsgeschehen und der dargestellte Sachverhalt ableiten lassen.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 9 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."
§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."
§ 224 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."
§ 20 BAO lautet:
"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."
§ 78 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
"Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten."
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen.
Die Inanspruchnahme als Haftender setzt daher:
- die Stellung als Vertreter(in),
- das Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen,
- die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeit,
- die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter,
- das Verschulden des Vertreters und
-die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus.
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Haftungsvoraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Primärschuldnerin. Die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenforderungen ergibt sich aufgrund des Insolvenzverfahrens, bei dem sich eine Quote von 20% ergeben hat. Die Abgabenschulden sind uneinbringlich.
Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch.
Zu den Pflichten eines Vertreters gehört die termingerechte Entrichtung der Abgaben nach Maßgabe der vorhandenen Mittel. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, die die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.
Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung aller Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ).
Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO7, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keine Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.
Ermessen:
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstellt. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweckes der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner bzw. bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist.
Das Bundesfinanzgericht hat in seiner Entscheidung vom , GZ RV/5101146/2019, ausführlich zur Ermessensübung festgehalten:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Geltendmachung der Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (). Das bedeutet, dass bei Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 BAO nicht allein und in jedem Fall nur eine volle Inanspruchnahme für jene aushaftenden Abgaben in Betracht kommt, hinsichtlich derer die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind (dies wäre nur bei einer gebundenen, kein Ermessen einräumenden Haftungsbestimmung der Fall).
"Innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens sind Ermessensentscheidungen gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. Ritz, BAO7, § 20 Tz 7 mit Judikaturnachweisen)
Die "Billigkeit" gebietet bei einer Ermessenentscheidung im Regelfall die Berücksichtigung des steuerlichen Verhaltens und auch der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen wären damit im Rahmen der Ermessenübung bei der Geltendmachung der Haftung zu beachten (Ritz, BAO, § 7 Tz 7mit Judikaturhinweisen und Hinweis auf Stoll, Ermessen, 392). Allerdings vertritt der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen."
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Die Beschwerdeführerin war im maßgeblichen Zeitraum Geschäftsführerin der Ltd (limited liability company). Über die Ltd. wurde mit Beschluss vom beim Landesgericht das Konkursverfahren eröffnet. Auf die Gläubiger entfiel eine Quote iHv 20%. Nach Entrichtung der ersten Quote iHv Euro 3.392,98 hat die Bf. dem Finanzamt keine weiteren Quoten mehr entrichtet. Die zweite Quote wäre am zu entrichten gewesen. Auf die nachweislich zugestellte Mahnung zur Bezahlung dieser Quote hat die Bf. nicht reagiert.
Abgaben deren gesetzliche Fälligkeit nach der Konkurseröffnung eingetreten sind, werden im Haftungsverfahren nicht berücksichtigt, weil die Bf. infolge Konkurseröffnung über die Ltd. nicht mehr für deren Entrichtung verantwortlich gewesen ist. Maßgebend für die jeweiligen Abgaben ist der Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit.
Anders verhält es sich mit solchen Abgabenforderungen, die nach Aufhebung des Konkursverfahrens entstanden und festgesetzt worden sind. Deren gesetzliche Fälligkeit fällt in einem Zeitraum, in welchem die Geschäftsführerin wiederum für die Gesellschaft handlungsfähig gewesen ist. Das Konkursverfahren dauerte von bis . Es sind daher jene Abgaben, deren gesetzliche Fälligkeiten in diesen Zeitraum fallen von der Haftung auszunehmen.
Die Haftung für Lohnsteuer ergibt sich aus dem Gesetz und ist verschuldensunabhängig.
Die Bf. hat im Verfahren die ihr obliegende Darlegung der Gleichbehandlung aller Gläubiger unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte der jeweiligen Abgaben nicht erbracht. Auf den Haftungsvorhalt hat sie nicht reagiert. Das Vorbringen, Gäste wären ab Jänner 2020 ausgeblieben, vermag die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers zum Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der jeweiligen Abgaben nicht nachzuweisen und die Nichtentrichtung der Abgaben in den Jahren 2016 bis 2018 nicht zu rechtfertigen.
Mit dem Beschwerdevorbringen, wurde der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung im jeweiligen Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit nicht erbracht, sodass das Finanzamt zu Recht von einer Ungleichbehandlung der Gläubiger ausgeht, die kausal für den Abgabenausfall (eingetretener Schaden) gewesen ist.
Im Beschwerdefall ist hinsichtlich der in die Haftung einbezogenen Abgabenschuldigkeiten von einer schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten und der Kausalität dieser Pflichtverletzungen für den Abgabenausfall (Schaden) auszugehen.
Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich auf das Geschehen nach Konkurseröffnung.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass Gegenstand des Haftungsbescheides Abgabenforderungen sind, die als Selbstbemessungsabgaben zu entrichten gewesen wären. Es liegt hinsichtlich dieser zum Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeiten nicht entrichteten Abgaben eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vor.
Die Haftung der Vertreterin erstreckt sich auf den von der Insolvenzquote nicht gedeckten Teil der Abgabenschulden der Primärschuldnerin.
Abgaben, deren gesetzliche Fälligkeiten in den Zeitraum bis fallen, werden zu Gunsten der Bf. von der Haftung nicht erfasst, weil davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft bereits ab zahlungsunfähig gewesen ist. Eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch die Beschwerdeführerin wird insoweit zu Gunsten der Bf. nicht angelastet.
Ermessen:
Bei der Ermessensübung ist eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Partei und dem Anspruch der Abgabenbehörde, die ihr zustehenden Abgabeansprüche durchzusetzen, vorzunehmen.
Die Beschwerdeführerin steht in einem erwerbsfähigen Lebensalter. Es ist durchaus zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin als Haftende in der Lage sein wird, den Haftungsbetrag gegenüber dem Abgabengläubiger zu bezahlen und so den eingetreten Abgabenausfall (Schaden) zu mindern.
Der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt reicht zurück in die Jahre 2016 bis 2019.
Nach herrschender Lehre kann die lange Verfahrensdauer und der Umstand, dass der abgabenrechtliche Sachverhalt bereits sechs Jahre zurückliegt, bei der Ermessensübung zu Gunsten der Haftungspflichtigen berücksichtigt werden, sodass aus der Sicht des erkennenden Richters der jeweilige Haftungsbetrag im verringerten Ausmaß von 3/5 des tatsächlich verkürzten Abgabenbetrages festzusetzen ist.
Bei der Berechnung ist das Ergebnis des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Dabei wurde eine Quote in Höhe von Euro 3.392,98 entrichtet. Dies Quote wird mit den ältestenden aushaften Abgaben aufgerechnet und vermindert insoweit die Haftungssumme. Die Haftung für die Körperschaftsteuer 2016 in Höhe von Euro 2.500,00 entfällt. Die Haftung für die Umsatzsteuer 2016 iHv Euro 2.387,94 vermindert sich dementsprechend in Höhe der Differenz von Euro 2.387,94 auf Euro 1.494,96.
Die Körperschaftsteuererklärungen wären bis 30.4. des Folgejahres einzureichen gewesen (§ 134 BAO). Wenn die Körperschaftsteuer durch Steuerbescheid festgesetzt wird, ist die Zahlung der Körperschaftsteuer einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig, soweit sie nicht schon durch die Zahlung von Körperschaftsteuervorauszahlungen ausgeglichen ist (§ 7 Abs. 1 KStG).
Die Körperschaftsteuer 2016 wäre am fällig gewesen. Die Abgabe wurde nicht mehr entrichtet. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2017 wird von einer Heranziehung zur Haftung Abstand genommen, weil deren Fälligkeit während der Dauer des anhängigen Konkursverfahrens gelegen ist. Die Körperschaftsteuer 2018 war nach Abschluss des Konkursverfahrens fällig und ist somit von der Haftung mitumfasst.
Die Körperschaftsteuernachforderungen 2016 und 2018 werden zu Gunsten der Bf. in verminderter Höhe berücksichtigt.
Folgende Abgaben sind daher Gegenstand einer möglichen Haftungsinanspruchnahme:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag | davon 3/5 |
Umsatzsteuer | 2016 | 1.494,96 | 896,97 | |
Umsatzsteuer | 2017 | 2.320,97 | 1.392,58 | |
Umsatzsteuer | 08-10/2018 | 6.432,00 | 3.859,20 | |
Lohnsteuer | 2017 | 3.659,87 | 2.195,92 | |
Lohnsteuer | 08/2018 | 660,33 | 396,19 | |
Lohnsteuer | 09/2018 | 861,78 | 517,06 | |
Lohnsteuer | 10/2018 | 750,25 | 450,15 | |
Lohnsteuer | 11/2018 | 1.002,41 | 601,44 | |
Lohnsteuer | 11/2019 | 374,00 | 224,40 | |
Dienstgeberbeitrag | 2017 | 2.550,24 | 1.530,14 | |
Dienstgeberbeitrag | 08/2018 | 832,11 | 499,26 | |
Dienstgeberbeitrag | 09/2018 | 495,44 | 297,26 | |
Dienstgeberbeitrag | 10/2018 | 417,33 | 250,39 | |
Dienstgeberbeitrag | 11/2019 | 590,63 | 354,37 | |
Zuschlag z. DG | 2017 | 255,05 | 153,03 | |
Zuschlag z. DG | 08/2018 | 87,48 | 52,48 | |
Zuschlag z. DG | 09/2018 | 52,08 | 31,24 | |
Zuschlag z. DG | 10/2018 | 43,87 | 26,32 | |
Zuschlag z. DG | 11/2018 | 62,09 | 37,25 | |
Lohnsteuer | 11/2019 | 636,11 | 381,66 | |
Dienstgeberbeitrag | 11/2019 | 402,10 | 241,26 | |
Zuschlag z. DG | 11/2019 | 40,21 | 24,12 | |
Lohnsteuer | 12/2019 | 284,90 | 170,94 | |
Diensteberbeitrag | 12/2019 | 106,59 | 63,95 | |
Zuschlag z. DG | 12/2019 | 10,66 | 6,59 | |
Körperschaftsteuer | 2016 | 500,00 | 300,00 | |
Körperschaftsteuer | 2018 | 500,00 | 300,00 | |
Verspätungszuschlag | 05/2018 | 134,00 | 80,40 | |
Verspätungszuschlag | 06/2018 | 248,48 | 149,08 | |
Verspätungszuschlag | 07/2018 | 231,52 | 138,94 | |
Körperschaftsteuer | 07-09/2019 | 425,00 | 255,00 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2019 | 425,00 | 255,00 |
Die Bf. befand sich in der Zeit vom bis wiederum als Unternehmerin in Konkurs. Mit Beschluss des Landesgerichtes vom wurde die Rechtskraft des Sanierungsplanes bestätigt und das Konkursverfahren aufgehoben. Die Quote beträgt 72%, zahlbar bis spätestens (AZ. ***3***).
Im Rahmen des Ermessens und im Sinne der Gleichbehandlung aller Gläubiger ist dem Finanzamt als geschädigten Abgabengläubiger auch der Haftungsbetrag in Höhe einer Quote von 72% zuzusprechen.
Die Nichtentrichtung der obangeführten Abgaben weist auf eine beharrliche Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten hin, sodass eine weitere Reduktion der in Haftung gezogenen Abgaben aus generalpräventiven Grünen nicht erfolgen kann. Auch die verhängten Säumniszuschläge, Barauslagen und Pfändungsgebühren deuten auf eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten hin.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100529.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at