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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.12.2024, RV/7100155/2024

Lehre Steuerassistent im Betrieb des Vaters

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Pamperl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Reinhard Stulik Stb GesmbH & Co OG, Färbergasse 3, 3150 Wilhelmsburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 03.2022-12.2022 Ordnungsbegriff ***Ord.-Beg.*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Rückforderungsbescheid vom der belangten Behörde wurde Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind ***NN*** ***Kind*** für die Zeiträume März 2022 bis Dezember 2022 rückgefordert. Begründend wurde ausgeführt, dass Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zustehe. Diese Voraussetzung treffe nicht zu, da ***Kind*** die Lehre am abgebrochen hätte.

In der Beschwerde vom wurde ausgeführt, dass ***Kind*** die Lehre nicht abgebrochen hätte und seine Lehre vertragsgemäß erfüllt hätte. Er habe die Berufsschule von - besucht und die Lehre laut Lehrvertrage ende am . Er hätte sich zur Lehrabschlussprüfung angemeldet, jedoch werde der Termin voraussichtlich erst im Sommer 2023 sein.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Absolvierung einer Lehre nur dann als Berufsausbildung zu qualifizieren sei, wenn die theoretische und praktische Ausbildung gleichzeitig absolviert werde. ***Kind*** sei laut Sozialversicherungsdatenauszug von - Angestelltenlehrling und seit Angestellter bei der Firma ***Vater*** ***NN*** Steuerberatungs GmbH & Co OG. Somit befinde sich ***Kind*** seit in keiner praktischen Lehrausbildung mehr. Die vorgelegten Unterlagen würden eine andere Person und nicht das Kind ***Kind*** betreffen. Ab März 2022 sei somit keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG mehr vorgelegen.

Mit als Vorlageantrag gem. § 264 BAO zu wertendem Schreiben vom wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich ***Kind*** in einem aufrechten Lehrverhältnis von - befunden hätte; er hätte die Berufsschule von - besucht und die Einladung zur Lehrabschlussprüfung am erhalten. Verwiesen wurde auf die Einladung zum Berufsschulbesuch und dem Zeugnis vom . Dem Schreiben waren keine Unterlagen beigelegt.

Mit Vorlagebericht vom wird die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht von der belangten Behörde vorgelegt. Im vorgelegten Familienbeihilfen-Akt befinden sich unter anderem der Lehrvertrag und ein Sozialversicherungsdatenauszug.

Gemäß Lehrvertrag vom wurde das Lehrverhältnis zwischen dem Lehrberechtigten R. ***NN*** Steuerberatungs GmbH & Co OG, Ausbilder ***Vater*** ***NN***, und ***Kind*** ***NN*** abgeschlossen. Der Lehrzeitbeginn wird mit und das Lehrzeitende mit angeführt. Die Lehrlingsentschädigung für die jeweiligen Lehrjahre wird gemäß Vertragspunkt 9. folgendermaßen angeführt:

1. 746,10 monatlich, 2. 911,90 monatlich, 3. 1104,50 monatlich, Sonderzahlungen.

Gemäß Auskunftsverfahren vom war ***Kind*** ***NN*** Angestelltenlehrling bei ***Vater*** ***NN*** Steuerberatungs GmbH & Co OG von bis und ab Angestellter ebd.

Mit Schreiben vom wurde vom Steuerberater der Beschwerdeführerin ein Versicherungsdatenauszug vom vorgelegt, wonach ***Kind*** ***NN*** von bis Angestelltenlehrling und ab Angestellter beim Dienstgeber ***Vater*** ***NN*** Steuerberatungs GmbH & Co OG war.

Mit Beschluss vom des Bundesfinanzgerichts wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, Fragen zu beantworten und Unterlagen, insbesondere Zeugnisse und Unterlagen betreffend die Lehrabschlussprüfung, Lehrbrief, Lohnzettel und die im Vorlagebericht angeführten Unterlagen vorzulegen.

Mit Eingabe vom wurden vom Steuerberater der Bf die Lohnzettel für die Jahre 2022 und 2023, der Lehrvertrag, eine Einladung zum Berufsschulbesuch der NÖ Landesberufsschule Schrems vom , Teilnahmebestätigungen von WIFI WKO NÖ, eine Prüfungseinladung und Bescheid vom der WKO NÖ, Lehrlingsstelle, wonach die Prüfung am stattfinde, ein Jahres- und Abschlusszeugnis für das Schuljahr 2022/23 für ***NN*** ***Kind***, dritte Fachklasse für den Lehrberuf Steuerassistenz vom , das Prüfungszeugnis vom , wonach die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Steuerassistent bestanden wurde, die Jahreszeugnisse für die Schuljahre 2020/21 und 2021/22 sowie ein Externistenprüfungszeugnis vom für ***Kind*** ***NN*** über die Teilprüfung Mathematik, die mit der Beurteilung "Genügend" abgeschlossen wurde.

Aufgrund der vorgelegten Lohnkonten ergaben sich für das Bundesfinanzgericht betreffend die Frage, ob ein Lehrverhältnis oder ein Angestelltenverhältnis vorliegt, Ungereimtheiten im Hinblick auf die Höhe des Einkommens von ***Kind*** ***NN***. Mit Aufforderung zur schriftlichen Zeugenaussage vom des Bundesfinanzgerichts wurde der Lehrberechtigter/Ausbilder von ***Kind*** ***NN***, ***Vater*** ***NN***, daher aufgefordert, nähere Fragen betreffend eine Verwendungszulage für ***Kind*** ***NN*** in Höhe von 400 bzw. 500 Euro monatlich in den Zeiträumen Februar 2022 bis Februar 2023 sowie eine Gewinnbeteiligung für ***Kind*** ***NN*** in Höhe von 389,10 Euro bzw. 360 Euro quartalsweise ab März 2022 zu beantworten.

In Beantwortung dieser Aufforderung zur schriftlichen Zeugenaussage gab der Zeuge an, dass er der Vater von ***Kind*** ***NN*** und Lebensgefährte der Bf sei. Alle Mitarbeiter in seinem Betrieb würden ab einem Jahr Betriebszugehörigkeit eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 60% eines Monatsgehaltes jährlich bei quartalsweiser Auszahlung erhalten. Auch Lehrlinge würden diese Gewinnbeteiligung ab dem zweiten Lehrjahr erhalten. Manche Mitarbeiter mit speziellen Aufgabenbereichen würden Verwendungszulagen erhalten - darüber würde es keine schriftliche Vereinbarungen geben. Der Sohn ***Kind*** hätte bei der Digitalisierung der Kanzlei unterstützt. Ein anderer Lehrling hätte eine Verwendungszulage in Höhe von 100 Euro erhalten - ein entsprechender Nachweis wurde übermittelt.

Mit Beschluss vom wurde der belangten Behörde der Beschluss vom sowie die Aufforderung zur schriftlichen Zeugenaussage vom sowie deren Beantwortungen mitsamt sämtlichen Unterlagen zur Stellungnahme übermittelt.

In Beantwortung dieses Beschlusses führte das Finanzamt unter anderem aus, dass an ***Kind*** ***NN*** im Jahr 2022 eine Verwendungszulage in Höhe von 400 Euro monatlich sowie eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1.556,10 Euro steuerfrei ausbezahlt sowie eine Teuerungsprämie in Höhe von 1.444 Euro steuerfrei ausbezahlt wurden. Zudem seien Überstunden mit insgesamt 874,80 Euro vergütet worden. Von Verwendungszulagen von insgesamt 17.340 Euro seien 4.800 Euro an den Sohn ausbezahlt worden. Aufgrund des übermittelten korrigierten Versicherungsdatenauszuges könne in Kombination mit dem Lehrabschluss-Zeugnis davon ausgegangen werden, dass das Lehrverhältnis bis Februar 2023 bestanden habe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf war Lehrling im Betrieb seines Vaters (Lebensgefährte der Bf) ***Vater*** ***NN*** Steuerberatungs GmbH & Co OG im Lehrberuf "Steuerassistenz" im hier strittigen Zeitraum.

Mit Rückforderungsbescheid vom wurde Familienbeihilfe für ***Kind*** für die Zeiträume März 2022 bis Dezember 2022 rückgefordert.

2. Beweiswürdigung

Im vorliegenden Fall war strittig, ob in den Zeiträumen März 2022 bis Dezember 2022 ein Lehrverhältnis vorlag oder nicht. Die belangte Behörde verneinte dies insbesondere in Hinblick auf den ihr vorliegenden Versicherungsdatenauszug, wonach ***Kind*** bis Februar 2022 als Angestelltenlehrling im Betrieb seines Vaters angestellt war, und ab März 2022 als Angestellter geführt wurde. Diesbezüglich hat die steuerliche Vertretung der Bf einen korrigierten Versicherungsdatenauszug vorgelegt, wonach ***Kind*** bis Februar 2023 als Angestelltenlehrling versichert war. Das Jahres- und Abschlusszeugnis für das Schuljahr 2022/23 wurde vorgelegt sowie das Prüfungszeugnis zur Lehrabschlussprüfung. Dass die Lehre sowohl in praktischer als auch in theoretischer Ausbildung auch im hier strittigen Zeitraum März bis Dezember 2022 stattgefunden hat, ist daher glaubwürdig. Aufgrund des korrigierten Versicherungsdatenauszuges geht nunmehr auch das Finanzamt davon aus, dass das Lehrverhältnis bis Februar 2023 angedauert hat (Stellungnahme des Finanzamtes vom ).

Es ergeben sich mehrere Ungereimtheiten aufgrund des Einkommens von ***Kind*** ***NN*** als Lehrling im Betrieb seines Vaters. So wurde ihm steuerfrei eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1.556,10 Euro im Jahr 2022 (übermittelte Lohnkonten des Lehrberechtigten) ausbezahlt. Gemäß Zeugenaussage des Lehrberechtigten und Vaters von ***Kind*** werden Gewinnbeteiligungen ab dem zweiten Jahr in Höhe von 60% eines Monatsgehaltes jährlich quartalsweise ausbezahlt. Das Monatsgehalt von ***Kind*** betrug im Jahr 2022 gemäß übermittelten Lohnkonten 1.156,40 Euro brutto. Selbst wenn man hierzu die Verwendungszulage in Höhe von 400 Euro monatlich für das Jahr 2022 hinzurechnet, ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.556,40 Euro. 60% davon wären 933,84 Euro. Ausbezahlt wurden im Jahr 2022 aber 1.556,10 Euro steuerfreie Gewinnzulage, was 99,98% eines Monatsgehaltes entspricht. Auch die Verwendungszulage in Höhe von 400 Euro monatlich im Vergleich zu einer monatlichen Verwendungszulage eines anderen Lehrlings im Jahr 2023 in Höhe von 100 Euro lässt sich nicht nachvollziehen. Dennoch kann aufgrund des vorliegenden Lehrvertrages, des Berufsschulbesuchs, die erfolgreiche Absolvierung der Lehrabschlussprüfung am , des korrigierten Versicherungsdatenauszuges und des ausbezahlten Lehrlingseinkommens in Höhe des Kollektivvertrages und dessen Anpassungen davon ausgegangen werden, dass ein Lehrverhältnis im hier streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen hat. Ob die neben dem Lehrlingseinkommen an den Sohn angewiesenen Zahlungen, i.e. einer Verwendungszulage in Höhe von 400 Euro und einer steuerfreien Gewinnbeteiligung in Höhe von 99,98% eines Monatsgehaltes sowie einer steuerfrei ausbezahlten Teuerungsprämie in Höhe von 1.444 Euro im Jahr 2022 im Hinblick auf die Angehörigenjudikatur steuerlich anzuerkennen sind, wäre allenfalls bei diesem Steuerpflichtigen (Betrieb des Vaters) im Rahmen einer steuerlichen Prüfung des Betriebes des Vaters und Lehrberechtigten von ***Kind*** durch das Finanzamt in einem eigenen Verfahren zu klären. Diese Ungereimtheiten hinsichtlich dieser Zahlungen ändern nichts an der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, dass ein Lehrverhältnis zwischen ***Kind*** und dem Lehrberechtigten im hier strittigen Zeitraum vorgelegen hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Die Berufsausbildung von Lehrlingen ist im Berufsausbildungsgesetz (BAG) geregelt. Gem. § 1 BAG sind Lehrlinge im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung tätig werden. Der Lehrberuf "Steuerassistenz" ist unstrittig eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG. Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, befand sich ***Kind*** im hier strittigen Zeitraum als Steuerassistent in Berufsausbildung im Sinne des FLAG. Der Beschwerde war daher stattzugeben. Der Rückforderungsbescheid vom der belangten Behörde war daher ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorliegt ist nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. z.B. mwN) eine Tatfrage, die von der Behörde bzw. vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zu treffen ist. Es liegt gegenständlich daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wodurch die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision zu verneinen war.

Wien, am

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