Kein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe, solange trotz Erbkrankheit (Alport Syndrom) ein guter bzw. beschwerdefreier Allgemeinzustand bei fehlender Progredienz der Erkankung vorliegt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom (***Ordnungsbegriff***) betreffend die Abweisung des Antrags vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Juli 2020 für ***Tochter*** (***SVNr_Tochter***) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (in der Folge: "Bf.") die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Juli 2020 für ihre Tochter ***Tochter*** (***SVNr_Tochter***).
In der Folge wurde die Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens betreffend die erhebliche Behinderung von der belangten Behörde angefordert. Aus der an die belangte Behörde übermittelten Bescheinigung vom geht ein Grad der Behinderung von 30% ab dem hervor, wobei der Behinderungsgrad voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern werde.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag ab, da der festgestellte Grad der Behinderung nicht mindestens 50% betrage und die Behinderung nicht nur vorübergehend sein müsse und mehr als 3 Jahre andauern müsse.
Dagegen brachte die Bf. rechtzeitig die Beschwerde vom ein:
"Aufgrund der laufenden regelmäßigen Kontrollen beim Augenarzt sowie in der Kinderambulanz, der Mikrohämaturie, dem damit verbundenen Eisenmangel den laufenden Streifentests vom Harn sowie den in Summe damit verbundenen Kosten sowie Zeitaufwand ersuche ich Sie, die Entscheidung zu überdenken. Wir sind mit der Tochter Im Bezug dessen auch laufend in Physiotherapie sowie Osteopathie um zukünftige Schäden so gut es geht zu minimieren. Grund meines Einspruches ist, dass es sich um einen familiären Gendefekt handelt, der Klasse Alport Syndrom welches im laufe der Jahre zu erheblichen Schäden von Augen, Niere sowie Gehör führen kann, weswegen die laufenden und regelmäßigen Kontrollen notwendig sind. Diese Behinderung ist im laufe der Jahre fortschreitend schlechter werdend, nicht kurierbar und nur Symptom gerichtet behandelbar. Die Erkrankung besteht seit der Geburt"
Dazu übermittelte die Bf. folgende Unterlagen:
Augenbefund vom der ***Kinderarztpraxis***
Ambulanzbericht vom vom Kepler Universitätsklinikum
Laborbefundzusammenstellung (, , )
Ambulanzbericht vom vom Kepler Universitätsklinikum
Laborbefundzusammenstellung ()
In der Folge forderte die belangte Behörde die Erstellung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens an und erhielt dazu eine Bescheinigung vom , aus welcher abermals ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% hervorgeht, wobei dieser Grad seit 07/2020 vorliege und voraussichtlich mehr als 6 Monate andauere.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen: Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung bestehe dann, wenn der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt. Laut Bescheinigung vom sei ein Behinderungsgrad von 30% ab von Tochter ***Tochter*** festgestellt worden.
Dagegen brachte die Bf. rechtzeitig eine als Vorlageantrag zu wertende Eingabe vom ein. Insbesondere brachte die Bf. darin Folgendes vor:
"In der Beschwerdevorentscheidung wurde angegeben, dass unsere Beschwerde der Ablehnung für erhöhte Familienbeihilfe unbegründet abgewiesen wird, da unsere Tochter mit 30% Behinderung eingestuft wurde. Wir haben hierfür Befunde nachgereicht, in dem sich zum Beispiel der Visus meiner Tochter im Vergleich zum Jahr 2023 etwas verschlechtert hat. Wie wird das dann begründet, dass sich die 30%Behinderung nicht ändert? Wie wird das mit 30% festgelegt? Was fehlt für 50%? Weiters ist die Behinderung auch nicht nur vorübergehend sondern dieses Kind wird ein Leben lang ständig zu Kontrollen gehen müssen. Ebenfalls haben wir mit den ganzen Untersuchungen sowie Therapien einen deutlichen Mehraufwand im Vergleich zu Familien, die Kinder ohne Behinderung groß ziehen dürfen. Wir, beide Elternteile müssen uns ständig frei nehmen für alle Termine, da wir auch einen Sohn mit der gleichen Diagnose haben, der ebenfalls zu diesen Kontrollen muss. Es ist durchaus auch eine psychische Belastung für Kinder, ständig für Kontrollen zu Ärzte laufen zu müssen, laufend in Behälter urinieren lassen zu müssen und laufend dieses Thema wieder und wieder neu zu Erläutern. Es ist nicht nur ein Zeitaufwand, sondern auch eine Kostenfrage. Welche Symptome oder Aufwände an Therapien, Kontrollen und Präventionsversuchen benötigt es also noch?Ich möchte Sie auch darauf aufmerksam machen, dass unsere Tochter am ***Tag im Juli 2020*** und nicht am geboren wurde. Wie kann also diese Behinderung vom festgestellt werden? Wie viele Formfehler liegen in unserem Fall also noch vor?"
Die belangte Behörde legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dazu folgende Stellungnahme ab:
"Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahren neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
Der Grad der Behinderung oder eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Das Finanzamt ist bei der Beurteilung des Sachverhalts gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 an die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens ausgestellten Bescheinigungen gebunden.
Bei der Tochter der Bf. wurde mittels zweier BSB-Bescheinigungen übereinstimmend lediglich ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt (Dok.6 und 7). Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter der Bf. wurde laut den beiden BSB-Bescheinigungen nicht bestätigt.
Das Finanzamt beantragt daher die Abweisung der Beschwerde."
Das Bundesfinanzgericht forderte die beiden ärztlichen Sachverständigen-Gutachten an, welche Basis für die genannten Bescheinigungen vom und vom sind und übermittelte diese den Verfahrensparteien zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.
Das ärztliche Sachverständigengutachten vom kam zu folgendem Ergebnis:
"Alport-Syndrom, sgm.; Erbkrankheit mit potentiell im Verlauf auftretenden Nierenschäden, Hörstörung oder Sehbeeinträchtigung, aktuell lediglich geringer Eisenmangel ohne spezifische Therapie bei gutem / beschwerdefreiem Allgemeinzustand, weitmaschige Kontrollen bei zufriedenstellenden Nieren- und Blutdruckwerten, kein Hinweis auf Entwicklungseinschränkung mit Behandlungsindikation oder Progredienz der Grunderkrankung, 30% aufgrund der weiterführend notwendigen Kontrollen;"
Die Stellungnahme zu Vorgutachten lautete: "Das Leiden Nummer 1 sowie der Gesamtgrad der Behinderung bleiben gleich (30%)."
Die Begründung zur rückwirkenden Vorliegen des Grades der Behinderung ab 07/2020 lautete:
"GdB 30% ab 07/2020 - trotz prinzipiell ab Geburt besteheneder Erbkrankheit ist eine Anerkennung erst ab Diagnosezeitpunkt oder Auftreten relevanter Beschwerden bzw. Therapienotwendigkeit möglich."
Die belangte Behörde gab am bekannt, keine weitere Stellungnahme abzugeben.
Die Bf. brachte mit am zur Post gegebener Eingabe vom (beim Bundesfinanzgericht eingelangt am ) zusammengefasst vor, dass aufgrund der immer wieder durchgeführten und noch erwartbar durchzuführenden Untersuchungen ein Aufwand entstehe, der nicht einem Grad der Behinderung von 30% entsprechen würde, sondern zu einem höheren Grad führen müsse, zumal nicht absehbar sei, ob in der Zukunft schwerere Symptome hinzutreten werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Betreffend ***Tochter*** (Tochter der Beschwerdeführerin), ***SVNr_Tochter***, liegt ein Grad der Behinderung in der Höhe von 30% ab dem Juli 2020 vor, wobei dieser Zustand voraussichtlich mehr als 3 Jahre bzw. nunmehr mehr als 6 Monate andauert. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter der Bf. liegt nicht vor. Die dieser Feststellung gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 zugrundeliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice und vom haben sich als schlüssig, widerspruchsfrei und ohne erkennbare Lücken oder Fehler erwiesen und berücksichtigten alle im Zuge der Erstellung der Gutachten vorgelegten Befunde. Die Beschwerdeführerin beantragte während des laufenden Bezugs der Familienbeihilfe mit Eingabe vom die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (Alport Syndrom) rückwirkend ab der Geburt der Tochter.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant und soweit im Folgenden nicht eigens darauf eingegangen wird - unstrittig, ergibt sich aus dem Akteninhalt und stützt sich auf die Angaben der Bf. sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde sowie die beiden ärztlichen Sachverständigengutachten vom und vom .
In beiden erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten wurde übereinstimmend ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% festgestellt, wobei dieser Grad seit 07/2020 vorliege und voraussichtlich mehr als 6 Monate andauere. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter der Bf. wurde jeweils ausdrücklich nicht attestiert.
Die von der Bf. im Zuge des Antrages vom sowie der Beschwerde vom vorgelegten Unterlagen (Befunde) wurden in den ärztlichen Sachverständigengutachten jeweils, soweit zum jeweiligen Erstellungs-Zeitpunkt bereits verfügbar und vorgelegt, herangezogen. Die der Beschwerde angefügten Unterlagen wurden in dem darauffolgenden 2. Sachverständigengutachten herangezogen.
Die Bf. brachte mit am zur Post gegebener Eingabe vom (beim Bundesfinanzgericht eingelangt am ) zusammengefasst vor, dass aufgrund der immer wieder durchgeführten und noch durchzuführenden Untersuchungen ein Aufwand entstehe, der nicht 30% Grad der Behinderung entsprechen würde. Dazu wurden ärztliche Befunde und Laborbefunde vorgelegt, welche entweder bereits in den ärztlichen Sachverständigengutachten erwähnt wurden oder zwar in diesen mangels Vorlage nicht erwähnt wurden, aber jeweils dieselbe Symptomatik, wie in den Gutachten bereits umfassend behandelt, beschreiben und somit keine Änderung des relevanten Sachverhalts bewirken. Die in der Eingabe vom angeführten und beigefügten Dokumente geben keinen Hinweis darauf, dass die beiden ärztlichen Sachverständigen-Gutachten widersprüchlich, unvollständig oder unschlüssig oder sonstwie fehlerhaft wären. Die Bf. erstattete diesbezüglich auch kein subtantiiertes Vorbringen im Hinblick auf die Gutachten und zeigte keine entsprechenden Mängel auf. Die Ausführungen, dass die Erkrankung (Alport Syndrom) im Laufe der Jahre zu erheblichen Schäden an Augen, Nieren und Gehör führen kann (aber nicht muss) und aus diesem Grund die laufenden Kontrollen notwendig sind, zeigen keinen vernünftigen Grund auf, die Gutachten in Frage zu stellen, zumal diese den derzeitigen konkreten bzw. allenfalls (betreffend vergangene Zeiträume bis zurück zur Geburt) den vergangenen konkreten Zustand erheben sollen. Es können nur im Zeitpunkt der Befundung vorliegende Beschwerden und Zustände befundet und begutachtet werden, hingegen keine womöglich potentiell zu erwartenden Beeinträchtigungen, zumal deren Eintrittswahrscheinlichkeit, wie in diesem konkreten Fall ärztlicherseits mehrmals ausgeführt, nicht feststeht.
Trotz des grundsätzlichen Bestehens einer Erbkrankheit liegen nach den ärztlichen Angaben derzeit als Symptome lediglich eine manchmal auftretende und auch dann nur leichte Mikrohämaturie sowie ein leichter Eisenmangel ohne spezifische Therapienotwendigkeit bei gutem bzw. beschwerdefreiem Allgemeinzustand vor, wobei von den Ärzten eine regelmäßige Harnstreifenkontrolle alle 2-3 Wochen empfohlen wird. Die Nieren- und Blutdruckwerte sind den ärztlichen Schreiben zufolge ebenfalls zufriedenstellend und unauffällig. Die Beschwerdeführerin selbst beschreibt die derzeitigen Symptome unter anderem folgendermaßen: "Bleibt es bei den lästigen aber aus jetziger Sicht ungefährlichen Symptomen oder wird sie eines Tages auf eine neue Niere angewiesen sein?" Insbesondere findet sich kein Hinweis auf eine Entwicklungseinschränkung mit Behandlungsindikation oder Progredienz der Grunderkrankung. Die Feststellung eines Grades der Behinderung von 30% erfolgte ausdrücklich (alleine) aufgrund der (wegen des bestätigten Vorliegens der Erberkrankung) weiterführend notwendigen Kontrollen und berücksichtigt somit bereits ausdrücklich das zentrale Beschwerdevorbringen, nämlich den mit den Kontrollen und Untersuchungen verbundenen (Mehr-)Aufwand.
Die beiden Gutachten des Sozialministeriumsservice erscheinen somit weder als widersprüchlich, noch fehlerhaft oder unvollständig und waren daher der Entscheidung zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs. 4 Z 3 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz 1967; in der Fassung Bundesgesetzblatt I Nr. 226/2022) erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab um EUR 155,90 (Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe) sowie für 2023 um EUR 164,90 und für 2024 um EUR 180,90 (Anmerkung 11 zu § 8 Abs. 4 FLAG 1967, vgl. BGBl. II Nr. 413/2022 und BGBl. II Nr. 328/2023).
Aufgrund von § 10 Abs. 1 FLAG 1967 (idF. BGBl. I Nr. 50/2015) wird die Familienbeihilfe (abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen des § 10a FLAG 1967) nur auf Antrag gewährt. Die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967) ist gesondert zu beantragen.
Entsprechend § 8 Abs. 5 FLAG 1967 (idF. BGBl. I Nr. 226/2022) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (bis ) bzw. sechs Monaten (ab , BGBl. I. Nr. 226/2022). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung (BGBl. II Nr. 251/2012) sowie die dazugehörige Anlage zu dieser Einschätzungsverordnung (https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40141063/BGBl_II_Nr_261_2010_Anlage_1.pdf) in der geltenden Fassung (https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40141063/BGBl_II_Nr_251_2012_Aenderung_zur_Anlage.pdf , 1. Änderung der Anlage) anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist weiters spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (idF. BGBl. I Nr. 226/2022) ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis (Bescheinigung) gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.
Entsprechend § 10 Abs. 2 FLAG 1967 (idF. BGBl. I Nr. 50/2015) wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 (idF. BGBl. I Nr. 50/2015) werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.
Nach § 279 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO; idF. BGBl. I Nr. 14/2013) hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 verlangt zum Nachweis des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grundlage eines ärztlichen Sachverständigengutachtens.
Der Beihilfenanspruch der Bf. muss somit durch eine beweiskräftige Bescheinigung qualifiziert nachgewiesen werden.
Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 700/07, ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt hat, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution (nämlich das Bundessozialamt) eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt.
Die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht sind an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur dahingehend prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und sich im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 2020 § 8 Rz 29; ; , 2010/16/0261; , 2009/16/0307; , 2011/16/0063).
Wurde von der Abgabenbehörde bereits ein solches Sachverständigengutachten eingeholt, erweist sich dieses als schlüssig und vollständig und wendet die Bf. nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (; Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 2020, § 8 Rz 29). Vielmehr sind das Finanzamt Österreich und das Bundesfinanzgericht in diesem Fall an die in den Gutachten getroffenen Feststellungen gebunden.
Die in beiden Gutachten enthaltenen Feststellungen beinhalten schlüssige und nachvollziehbare Ausführungen zu Art, Ausmaß und zeitlicher Zuordnung sowie zu den konkreten Auswirkungen der Behinderung. Auch widersprechen sie sich nicht und geben keinen Hinweis auf eventuell unterlassene, notwendige Ermittlungsschritte, zumal primär die Antragstellerin dazu verpflichtet war und ist, entsprechende Befunde im Zuge der Begutachtung durch das Sozialministeriumsservice vorzulegen und dieser Umstand in den Einladungen zu den Begutachtungsterminen regelmäßig angeführt wird.
Es liegt keine Bescheinigung vor, welche eine Erwerbsminderung bzw. einen Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von zumindest 50% im strittigen Zeitraum bestätigt.
Zum Einwand im Vorlageantrag, dass die Tochter der Bf. am ***Tag im Juli 2020*** und nicht am geboren sei und sich die Frage stelle, wie diese Behinderung "vom festgestellt" werden könne, ist festzuhalten, dass die Einschätzungen grundsätzlich in aller Regel (nur) monatsweise getroffen werden (auch die Familienbeihilfe wird monatsweise gewährt) und dies daher keinen Fehler der ausstellenden Stelle darstellt.
Es bestand daher mangels Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit der bisherigen Gutachten kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen, sondern es war von den in den Gutachten getroffenen Feststellungen auszugehen.
Der Gesamtgrad der Behinderung lag laut den Sachverständigengutachten, welche auf Basis der Einschätzungsverordnung vom Sozialministeriumsservice und somit von der dafür zuständigen Stelle erstellt wurden, aufgrund der Ergebnisse der darin erwähnten Befunde im Ausmaß von (übereinstimmend jeweils) 30% vor. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter der Bf. wurde jeweils nicht attestiert.
Da damit allerdings eine Behinderung im Ausmaß von zumindest 50% nicht nachgewiesen wurde und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, besteht für die Zeiträume, für welche die Bf. einen Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe geltend machte (ab Geburt des Kindes bis dato), kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 5 ff. FLAG 1967. Auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht wird ergänzend verwiesen.
Die Beschwerde konnte keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen und war gemäß § 279 BAO in der Folge als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen (u.a. Beurteilung der Gutachten des Sozialministeriumsservice) ab.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 Abs. 4 Z 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100714.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at