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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.11.2024, RV/7100989/2024

Wiederaufnahme auf Antrag - Hervorkommen neuer Tatsachen aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Andreas Stanek, die Richterin Mag. Gabriele Friedbacher sowie die fachkundigen Laienrichter Manfred Fiala und Mag. Andrea Prozek in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Franz Heinrich Michelitsch, Josefigasse 3, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , in Anwesenheit der Schriftführerin Christina Szabo, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) reichte am die Einkommensteuererklärung 2017 elektronisch über Finanz-Online ein und wurde mit Bescheid vom erstmalig zur Einkommensteuer 2017 veranlagt (Gutschrift € 400).

Nach Durchführung einer Außenprüfung nahm das Finanzamt am Einkommensteuerverfahren 2017 wieder auf und erließ einen die Einkommensteuer 2017 neuerlich festsetzenden Bescheid (Nachforderung € 29.713). Der gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobenen und zur GZ RV/4100487/2020 protokollierten Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom teilweise statt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Am beantragte der Bf. beim Finanzamt Österreich die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2017. Begründend führte der Bf. aus, im Zuge der Beratung mit seinem steuerlichen Vertreter sei offenkundig geworden, Spekulationseinkünfte iHv € 1.000,00 durch den An- und Verkauf einer Uhr im Jahr 2017 erzielt zu haben. Aufgrund eines Rechtsirrtums habe dieser Spekulationsgewinn keinen Eingang in die Einkommensteuererklärung 2017 gefunden. Es werde daher der Anzeigepflicht gemäß § 139 BAO nachgekommen. Es seien neue Tatsachen bekannt geworden. Ob diese Tatsachen dem Bf. bekannt waren, sei unerheblich.

Es werde der Kaufvertrag der Uhr vom , Kaufpreis € 500,00 sowie der Verkaufsvertrag vom , Verkaufspreis € 1.500,00 vorgelegt.

Der Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Einkommensteuerverfahrens für 2017 wurde am abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass bei der antragsgebundenen Wiederaufnahme das Neuhervorkommen von Tatsachen aus Sicht des Antragsstellers zu beurteilen sei (vgl. ). Der Umstand, dass die im Jahr 2017 angeschaffte Rollex im selben Jahr wieder veräußert wurde, war dem Abgabepflichtigen im Zeitpunkt der Erstbescheidausfertigung bereits bekannt, weshalb aus Sicht des Antragsstellers keine neue Tatsache iSd § 303 BAO vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Der steuerliche Vertreter führte aus, dass dem Bf. zwar bekannt gewesen sei, dass er seine Rolex innerhalb eines Jahres nach deren Kauf wieder veräußert habe, nicht aber, dass dieser Vorgang der Einkommensteuer unterliege. Es sei zudem ausschließlich maßgeblich, dass diese Umstände für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen und ihr nicht schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt gewesen seien. Wäre der Wissensstand des Abgabepflichtigen maßgeblich, wäre auch jede Außenprüfung unmöglich, da jedem Unternehmer seine Geschäftsvorgänge bekannt seien. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens würden im gegenständlichen Fall jedenfalls vorliegen. Der Bf. beantragte das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhaltung führte der steuerlichen Vertreter aus, dass der Sachverhalt hinreichend dargelegt worden sei, dennoch bleibe festzuhalten, dass Spekulationseinkünfte (der Verkauf einer Uhr) irrtümlich nicht angegeben worden seien. Mit dem Wiederaufnahmeantrag sei der Bf. seiner Anzeige und Offenlegungspflicht nachgekommen, zumal Spekulationseinkünfte nachträglich angezeigt werden müssen. Auf die Veröffentlichung des BMF auf seiner Homepage wurde durch den steuerlichen Vertreter verwiesen, wonach später hervorgekommene Tatsachen offengelegt werden müssen.

Das Finanzamt verwies darauf, dass der Bf. der Offenlegungspflicht somit nachgekommen sei, zur Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens jedoch keine Verpflichtung vorliege.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am erwarb der Bf. eine Uhr um € 500, verkaufte diese am um € 1.500 und erzielte dabei einen Spekulationsgewinn in Höhe von € 1.000.

Wegen eines (Rechts-)Irrtums des Bf. blieb dieser Spekulationsgewinn bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2017 sowohl im Erstbescheid vom als auch im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zu RV/4100487/2020 vom - als Folge der Beschwerde des Bf. gegen das Ergebnis der Außenprüfung - unberücksichtigt.

Am beantragte der Bf. die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2017 und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des bisher nicht erfassten Spekulationsgewinnes neuerlich festzusetzen.

Beweiswürdiung

Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts aus den vorgelegten Akten des Abgabenverfahrens, den Angaben des Bf. in seinem Wiederaufnahmeantrag sowie den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht getätigten Angaben. Die Nichterfassung des Spekulationsgewinnes in der Einkommensteuer 2017, dessen Höhe aus dem vorgelegten Kauf- und Verkaufsvertag ersichtlich ist, ergibt sich aus der Aussage des Bf., wonach diese Nichterfassung einem (Rechts-)Irrtum des Bf. zugrunde liegt. Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich somit zweifelsfrei, dass dem Bf. nicht nur im Zeitpunkt der erstmaligen Einkommensteuerfestsetzung sondern auch im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung durch das Bundesfinanzgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Nichterfassung dieses Spekulationsgewinnes bekannt war. Für das Bundesfinanzgericht haben sich somit weder in Wahrnehmung der amtswegigen Ermittlungspflicht noch im Rahmen der freien Beweiswürdigung Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Frage, ob das Vorbringen des Bf. eine neu hervorgekommene Tatsache darstellt, die die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2017 ermöglicht.

§ 303 BAO lautet

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des, das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden, Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (zB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 303 Anm 14).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel für den Steuerpflichtigen "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit b iVm Abs. 2 lit b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht der antragstellenden Person zu beurteilen ist.

Tatsachen, die dem Antragsteller schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, eröffnen ihm keinen Antrag auf Wiederaufnahme. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen (zB mwN).

Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme ist das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht der antragstellenden Person zu beurteilen. Tatsachen, die dem Antragsteller bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung aber unterlassen wurde, eröffnen keinen Antrag auf Wiederaufnahme (vgl. , ; , Ro 2022/15/0011, mwN).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei durch das Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag ( mwN).

Aus den Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag geht als angeführter Wiederaufnahmegrund der An- und Verkauf einer Uhr und den daraus erzielten Spekulationseinkünften des Bf. in Höhe von € 1.000,00 im Jahr 2017 hervor.

Das Finanzamt hat den Wiederaufnahmeantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei (vgl. ). Der Umstand, dass die im Jahr 2017 angeschaffte Rollex im selben Jahr wieder veräußert wurde, war dem Abgabepflichtigen im Zeitpunkt der Erstbescheidausfertigung bereits bekannt, weshalb aus Sicht des Antragsstellers keine neue Tatsache iSd § 303 BAO vorliege.

Dem Bf. war der im Wiederaufnahmeantrag angeführte Umstand, nämlich der An- und Verkauf der Uhr bekannt. Da diese Tatsache dem Bf. bekannt war und "nur" die steuerliche Berücksichtigung unterlassen wurde, aus welchem Grund auch immer, handelt es sich für den Bf. um keine neu hervorgekommene Tatsache, die eine Wiederaufnahme auf Antrag begründen könnte.

Der Kenntnisstand des Finanzamtes spielt für die Beurteilung der Streitfrage hingegen keine Rolle.

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages erweist sich somit als unbegründet.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der angefochtene Bescheid steht im Einklang mit der geltenden Rechtslage, welche durch die oben zitierte einschlägige Judikatur des VwGH fundiert bzw. gesichert ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 139 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100989.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at