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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2024, RV/7102444/2021

Außergewöhnliche Belastungen mit oder ohne Selbstbehalt für Folgeerkrankungen einer Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Bf. machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer eigenen Behinderung in Höhe von 5.299,89 Euro und außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer Behinderung der Ehegattin in Höhe von 462,02 Euro geltend. Weiters wurde die Gewährung der Freibeträge wegen einer Behinderung und der Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnlichen Belastungen für den Bf. selbst und für seine Ehegattin beantragt.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. von der belangten Behörde aufgefordert, eine genaue Kostenaufstellung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt mit folgenden Details zu übermitteln:

  • Rechnung/en inkl. Zahlungsnachweis/e

  • Bezeichnung der Aufwendung

  • Einzelpreise und Summe über alle Aufwendungen

  • Ärztliche Verordnung bzw. Behandlungspläne zu den beantragten Kosten

  • Erhaltene bzw. beantragte Kostenersätze wie z. B. Krankenkasse, Versicherung, Fonds, Land, Sozialministeriumservice usw.

  • Stellen Sie den Zusammenhang der Aufwendungen mit der Behinderung dar z.B. Arztberichte, Gutachten usw.

Dieser Aufforderung ist der Bf. mit Schreiben vom nachgekommen, wobei folgende Aufstellungen samt Belegen übermittelt wurden:

  • Eigene Arztkosten in Höhe von 213,81 Euro

  • Eigene Arzneimittel in Höhe von 461,05 Euro

  • Eigene Sonstige Kosten in Höhe von 4.215,28 Euro

  • Eigene Fahrtkosten in Höhe von 433,04 Euro

  • Arztkosten Ehegattin in Höhe von 13,09 Euro

  • Arzneimittel Ehegattin in Höhe von 182,85 Euro

  • Sonstige Kosten Ehegattin in Höhe von 242,79 Euro

Der Einkommensteuerbescheid erging am mit einer Nachforderung in Höhe von 1.399 Euro. Begründend angeführt wurde, dass aufgrund der amtsärztlich bescheinigten 35%igen Behinderung sowie Einhaltung einer Zuckerdiät Kosten in Höhe von 424,93 Euro als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anzuerkennen seien. Aufwendungen in Höhe von 3.827,77 Euro seien als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt zu gewähren. Weitere Aufwendungen in Höhe von 637,44 würden nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung gem. § 20 EStG darstellen. Die Kosten aus der Behinderung der Ehegattin sowie die Frei- und Pauschbeträge wurden antragsgemäß gewährt.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde beantragte der Bf. die Berücksichtigung sämtlicher Kosten inkl. Fahrtkosten in Höhe von 433,04 Euro als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt. Mit der Beschwerde wurden diverse Arztbriefe und Befunde übermittelt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt der Beschwerde teilweise stattgegeben und zusätzlich die Kosten für das Blutdruckmessgerät und die Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt anerkannt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einstufung von Folgeerkrankungen eines Diabetikers als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt () wurde ausgeführt, dass dem Finanzamt keine Rechnungen und Honorarnoten, die einen eindeutigen Zusammenhang der beantragten Aufwendungen mit der Diabeteserkrankung beweisen könnten, vorgelegt wurden. Die Einkommensteuer wurde in Höhe von 1.281 Euro festgesetzt.

Der Bf. beantragte fristgerecht die Vorlage seiner Beschwerde und verwies neuerlich auf die ärztlichen Unterlagen sowie darauf, dass ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel auch das Gehör schädige. Die Anschaffung des Sessels mit Aufstehhilfe sei wegen der Polyneuropathie der unteren Extremitäten und damit verbundenen Muskelschwäche notwendig gewesen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die teilweise Stattgabe im Sinne der Beschwerdevorentscheidung. Hinsichtlich der Folgeerkrankungen seien weiterhin keine ärztlichen Bestätigungen darüber vorgelegt worden, dass diese von der Diabeteserkrankung verursacht worden seien. Bezüglich der Kosten für den Fernsehsessel mit Aufstehhilfe wurde ergänzend angeführt, dass der Sessel in einem gewöhnlichen Möbelhaus gekauft und nicht speziell für Menschen mit Behinderung entwickelt worden sei. Auch sei nach der Aktenlage kein Kostenersatz der Krankenkasse geleistet worden.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden ergänzende Ermittlungen durchgeführt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***1*** geborene Bf. weist im Beschwerdejahr aufgrund der Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ 2 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 Prozent mit Erfordernis einer Zuckerdiät auf. Zudem leidet er an einer mittelgradigen beidseitigen Schwerhörigkeit und Polyneuropathie.

In der Einkommensteuererklärung hat der Bf. die Berücksichtigung folgender Aufwendungen in Höhe von 5.299,89 Euro wegen eigener Behinderung und in Höhe von 462,02 Euro wegen Behinderung seiner Ehegattin beantragt:

[...]

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung wegen Diabetes in Höhe von 424,93 Euro (Internistin, Apotheke abzüglich Nahrungsergänzungsmittel, Krankenhauskosten und Porto) anerkannt. Als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt wurden 3.827,77 Euro (HNO-Arzt, Zahnarzt, Brille, Hörgerät inkl. Batterien) berücksichtigt. Die Aufwendungen für das Blutdruckmessgerät, den Fernsehsessel und Nahrungsergänzungsmittel in Höhe von insgesamt 637,44 Euro wurden als Kosten der Lebensführung gem. § 20 EStG nicht anerkannt. Auch die Fahrtkosten in Höhe von 433,04 Euro blieben unberücksichtigt. Aufgrund der Behinderung der Ehegattin wurden Kosten in Höhe von 462,02 Euro ohne Selbstbehalt gewährt. In der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung wurden die Kosten für das Blutdruckmessgerät in Höhe von 89,74 Euro und die Fahrtkosten zusätzlich als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt anerkannt (somit insgesamt 4.350,55 Euro).

Der Bf. hat die geltend gemachten Aufwendungen mit Ausnahme der Gleitsichtbrille im Beschwerdejahr bezahlt. Die jeweiligen Kostenerstattungen durch den Sozialversicherungs-träger wurden abgezogen.

Betreffend Schwerhörigkeit und Polyneuropathie wurden keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die einen kausalen Zusammenhang mit der Grunderkrankung Diabetes belegen.

Bei dem in einem gewöhnlichen Möbelgeschäft gekauften Fernsehsessel mit Aufstehhilfe und Relaxfunktion handelt es sich nicht um ein speziell für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickeltes Produkt. Es wurde weder ein Kostenersatz durch den Sozialversicherungsträger geleistet noch eine ärztliche Verordnung für den Sessel vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Zur Feststellung der im Beschwerdejahr vorliegenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ist zunächst festzuhalten, dass die zugrundeliegende amtsärztliche Bescheinigung dem Bundesfinanzgericht weder vom Bf. noch von der belangten Behörde vorgelegt werden konnte. Die belangte Behörde teilte im Schreiben vom mit, dass die amtsärztliche Bescheinigung nicht mehr aufliege. Vorgelegt wurden Aktenvermerke, aus denen ersichtlich ist, dass diese von der ***2*** stammt und im Jahr 1992 ausgestellt wurde. Darin wurde eine Erwerbsminderung von 35 Prozent aufgrund einer Diabeteserkrankung und notwendige Einhaltung einer Zuckerdiät beim Bf. bescheinigt.

Mit Schreiben vom hat der Bf. dem Bundesfinanzgericht den vom Sozialministeriumservice am ***3*** ausgestellten Behindertenpass samt zugrundeliegendem Sachverständigengutachten übermittelt. Laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens wurde ein Grad der Behinderung von 50% mit folgenden Zusatzeintragungen festgestellt:

  • Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung

  • Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor

  • Der Inhaber/die Inhaberin bedarf einer Begleitperson

  • Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen.

Durch das Bundessozialamt wurde auch festgestellt, dass eine koronare Herzerkrankung mit einem Grad der Behinderung von 30% vorliegt, die in der Kategorie D3 eingetragen wurde. Aus der beim Bf. vorliegenden Erkrankung Diabetes mellitus resultiert laut Sachverständigengutachten im Jahr 2023 ein Grad der Behinderung von 10 % (Eintragung in Kategorie D1).

Da der Behindertenpass erst am ***4*** ausgestellt wurde, geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die amtsärztlich im Jahr 1992 bescheinigte Erwerbsminderung von 35 Prozent aufgrund einer Diabeteserkrankung und notwendige Einhaltung einer Zuckerdiät beim Bf. im Beschwerdejahr noch vorlag. Von der belangten Behörde wurde dies auch nicht in Zweifel gezogen. Die im Beschwerdejahr bestehende mittelgradige beidseitige Schwerhörigkeit geht aus dem aktenkundigen Befundbericht von Dr. ***5*** vom hervor. Die vorliegende Polyneuropathie ist durch den ärztlichen Entlassungsbrief des ***6*** vom nachgewiesen.

Aus der im Gerichtsakt aufliegenden Auflistung der einzelnen Positionen samt Kopien der Rechnungsbelege ist nachvollziehbar, welche Aufwendungen der Bf. geltend gemacht hat. Die von der belangten Behörde nicht berücksichtigten Positionen ergeben sich aus dem Erstbescheid, der Beschwerdevorentscheidung und dem Vorlagebericht.

Die Feststellung, dass die geltend gemachten Aufwendungen vom Bf. im Beschwerdejahr getragen und die Kostenersätze durch den Sozialversicherungsträger abgezogen wurden, gründet auf die im Akt einliegenden Aufstellungen samt belegmäßiger Nachweise. Dass die Gleitsichtbrille nicht im Beschwerdejahr angeschafft wurde, folgt aus der aktenkundigen Rechnung der Fa. ***7*** vom samt ärztlicher Verordnung vom .

Bei den vom Bf. vorgelegten Unterlagen handelt es sich um Ausdrucke diverser Internetrecherchen ("Diabetes-Ratgeber" und "Diabetes in Verbindung mit Hörverlust") ohne Bezug zu seiner eigenen Krankheitsgeschichte. Diese Unterlagen sind für die Nachweisführung, dass die Diabeteserkrankung ursächlich für die Schwerhörigkeit und Polyneuropathie beim Bf. ist, nicht geeignet. Aus den im Akt aufliegenden ärztlichen Befunden geht ebensowenig hervor, dass diese Erkrankungen auf die Diabeteserkrankung zurückzuführen sind. Daher geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass Schwerhörigkeit und Polyneuropathie zwar grundsätzlich Folgeerkrankungen von Diabetes sein können, jedoch vom Bf. nicht der Nachweis erbracht wurde, dass im Beschwerdejahr tatsächlich ein kausaler Zusammenhang vorlag.

Der Fernsehsessel wurde lt. aktenkundiger Rechnung bei der Fa. ***8*** am erworben. Der Bf. hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen Ausdruck über einen wesentlich teureren Aufstehsessel mit Aufstehfunktion von der Fa. ***9*** vorgelegt.

Ob der bei der Fa. ***8*** erworbene Sessel eine gleichartige Funktion hat, konnte vom Bundesfinanzgericht anhand der Rechnung nicht nachvollzogen werden. Ein Kostenersatz durch den gesetzlichen Sozialversicherungsträger wurde nicht geleistet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Vorweg ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen in der dort näher geregelten Weise zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigem Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt ().

Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (). Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ().

Behinderungsbedingte Mehraufwendungen im Sinne des § 35 können gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden. Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Mit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBI 1996/303 idF BGBI II 2010/430 (in der Folge kurz: VO) wurden für den Beschwerdefall maßgebliche Regelungen zur Berücksichtigung von Aufwendungen durch eine eigene Behinderung als außergewöhnlichen Belastungen getroffen. Eine Behinderung im Sinne der VO liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Nach § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß ohne Kürzung um eine pflegebedingte Geldleistung oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu berücksichtigen. Kosten der Heilbehandlung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztliche verordnete Kuren, Therapien und Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen. Ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten im tatsächlichen Ausmaß bzw in Höhe des amtlichen Kilometergelds bei Verwendung des (familien)eigenen Kraftfahrzeugs Kosten der Heilbehandlung dar (Jakom/Peyerl EStG, 2024,
§ 35 Rz 27 unter Verweis auf die Rechtsprechung).

Unter Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO fallen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einerseits Kosten der Heilbehandlung der die Behinderung verursachenden Erkrankung () andererseits Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung. Es muss sich damit um Kosten im Zusammen-hang mit der Behandlung von Krankheiten, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen, handeln (). Betreffen die Kosten hingegen etwa die Behandlung von Krankheiten, die mit der Behinderung nicht in Zusammenhang stehen, so können sie nur nach Abzug des Selbstbehaltes berücksichtigt werden ().

Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies:
Wie in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, lag beim Bf. aufgrund einer Diabetes-erkrankung im Beschwerdejahr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 Prozent mit dem Erfordernis einer Zuckerdiät vor. Der vom Bf. ins Treffen geführte Umstand, wonach Diabetes zu bestimmten Folgeerkrankungen führen kann, sagt noch nichts darüber aus, für welche weiteren Erkrankungen des Bf. seine Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ 2 tatsächlich ursächlich ist. Dieser von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Kausalzusammenhang wurde nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes durch die aktenkundigen ärztlichen Befunde nicht nachgewiesen, sodass eine Berücksichtigung von Krankheitskosten aufgrund der beim Bf. vorliegenden Schwerhörigkeit und Polyneuropathie als außer-gewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt nicht in Betracht kommt.

Somit können die Kosten für die Hörgeräte samt Batterien nur als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt berücksichtigt werden. Dies gilt auch für die Fahrtkosten und die Kosten für das Blutdruckmessgerät, die bereits in der Beschwerdevorentscheidung als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt anerkannt wurden. Insoweit wird der Beschwerde teilweise stattgegeben.In Bezug auf den Fernsehsessel ist festzuhalten, dass es sich nicht um ein speziell für Menschen mit Polyneuropathie entwickeltes Produkt handelt; vielmehr wurde der Sessel in einem gewöhnlichen Möbelgeschäft gekauft. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt dieser Aufwand bloß eine Vermögensumschichtung dar, zudem wurde auch kein Kostenersatz durch den Sozialversicherungsträger geleistet. Die Kosten in Höhe von 399 Euro können daher nicht als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt werden.

Aufgrund der Feststellung, dass die Gleitsichtbrille erst im Jahr 2021 angeschafft wurde, waren die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Kosten in Höhe von 440,10 Euro nicht als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anzuerkennen.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Als außergewöhnliche Belastungen waren anzuerkennen:

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Entscheidungswesentlich war die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102444.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at