Zusammengefasste Festsetzung von Säumniszuschlägen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des damaligen Zollamtes ***ZA1*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zl: ***1***, und vom , Zlen: ***2*** und ***3***, betreffend Säumniszuschläge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach einer bei der Beschwerdeführerin (Bf.) durchgeführten Betriebsprüfung setzte das Zollamt mit Bescheiden vom , Zl: ***1***, und vom , Zlen: ***2*** und ***3***, gemäß § 201 BAO eine in den jeweiligen Kalendervierteljahren der Kalenderjahre 2003, 2004 und 2005 gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 lit. a Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) für abgelagerte Baurestmassen entstandene Altlastenbeitragsschuld fest und verwies auf beigefügte Berechnungsblätter, in welchen die Bemessungsgrundlagen sowie Beiträge auf die einzelnen Quartale aufgegliedert wurden. Hinsichtlich der Abgabenschuld sei die Fälligkeit bereits mit Ablauf des 15. Tages des auf die jeweiligen Kalendervierteljahre der Ablagerung zweitfolgenden Kalendermonates eingetreten. Aus diesem Grund seien gemäß § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Eine Aufgliederung der jeweiligen Säumniszuschläge auf die einzelnen Quartale wurde nicht vorgenommen.
Das Zollamt wies die dagegen erhobenen Beschwerden vom mit Beschwerdevorentscheidungen vom , Zlen. ***4*** und ***5***, als unbegründet ab.
Mit Schriftsätzen vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageanträge).
Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom , RV/5200012/2019, die Beschwerden betreffend Altlastenbeitrag als unbegründet ab (Spruchpunkt I).
Betreffend die Festsetzung eines Säumniszuschlages für die Kalenderjahre 2003, 2004 und 2005 wurden die angefochtenen Bescheide (ersatzlos) aufgehoben (Spruchpunkt II).
Zur Begründung führte das Bundesfinanzgericht an, dass § 201 Abs. 4 BAO nicht für Nebenansprüche gelte und daher gegebenenfalls mehrere Säumniszuschlagsbescheide auch dann zu erlassen seien, wenn eine zusammengefasste Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben erfolgt sei (vgl. Ritz BAO7, § 201 Tz 48 mwN).
Da in den Beschwerdefällen eine zusammengefasste Festsetzung mehrerer Säumniszuschläge für jeweils ein gesamtes Kalenderjahr erfolgt sei, die Erlassung mehrerer Säumniszuschlagsbescheide für die jeweiligen Kalendervierteljahre aber unterblieben sei, seien die angefochtenen Bescheide über die zusammengefasste Festsetzung von Säumniszuschlägen aufzuheben.
Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes sei durch die "Sache" begrenzt. Sache sei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet habe. Daher dürfe das Bundesfinanzgericht nicht eine Abgabe - etwa einen Säumniszuschlag für eine bestimmtes Kalendervierteljahr - erstmals vorschreiben.
Nach einer dagegen erhobenen Revision des Zollamtes hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) das angeführte Erkenntnis im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt II betreffend Säumniszuschläge für die Kalenderjahre 2003, 2004 und 2005) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf ().
Der VwGH führte zur Begründung u.a. (vgl. Rn. 28 u. 29) an, dass es der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers bei Einfügung des § 217 Abs. 10 BAO entsprach, dass (in Übernahme der Darlegungen der Finanzadministration) bei zusammengefasster Festsetzung mehrerer Abgaben iSd § 201 Abs. 4 BAO auch die darauf zu entrichtenden Säumniszuschläge in einem Bescheid zusammengefasst festgesetzt werden können. Die Erleichterung der automationsunterstützten Festsetzung von Säumniszuschlägen war auch gerade das Motiv für die Änderung (insoweit - gegenüber der vorangegangenen Rechtslage - Einschränkung auf Abgaben eines Jahres) des § 201 Abs. 4 BAO.
Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts konnte daher das - freilich zu begründende - Ermessen (insoweit besteht volle Kognition des Bundesfinanzgerichts) dahin ausgeübt werden, dass eine Festsetzung (auch) der Säumniszuschläge jeweils für ein Kalenderjahr zusammengefasst erfolgt (vgl. , mwN).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Den angefochtenen Säumniszuschlägen liegen folgende Abgabenschuldigkeiten (Altlastenbeiträge) zugrunde, die von der belangten Behörde mit Bescheiden vom , Zl: ***1*** und vom , Zlen: ***2*** und ***3***, für die Kalenderjahre 2003, 2004 und 2005 gemäß § 201 Abs. 4 BAO zusammengefasst festgesetzt und in weiterer Folge von der Beschwerdeführerin (Bf.) mit Bescheidbeschwerden bekämpft wurden:
Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom , RV/5200012/2019, die Beschwerden betreffend Altlastenbeitrag als unbegründet ab (Spruchpunkt I).
Die Bf. erhob dagegen gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieses Verfahren ist im Zeitpunkt des Ergehens dieses Erkenntnisses beim Höchstgericht anhängig.
Die angeführten Altlastenbeiträge wurden nicht spätestens an den angegebenen Fälligkeitstagen entrichtet.
Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Akten und wurde von den Verfahrensparteien nicht bestritten, weshalb ihn das Gericht seiner Entscheidung auch zugrunde legen konnte.
2. Rechtliche Beurteilung
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten.
Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat gemäß § 217 Abs. 8 BAO die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Gemäß § 217 Abs. 10 BAO sind Säumniszuschläge, die den Betrag von 50,00 Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach den Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG, BGBl. Nr. 299/1989 idF BGBl. Nr. 201/1996) hat der Beitragschuldner spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf das Kalendervierteljahr (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Anmeldung bei dem für die Einhebung zuständigen Hauptzollamt einzureichen, in der er den für den Anmeldungszeitraum zu entrichtenden Beitrag selbst zu berechnen hat. Die Anmeldung gilt als Abgabenerklärung. Der Beitragschuldner hat den Beitrag spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Ein gemäß § 201 BAO, in der jeweils geltenden Fassung, festgesetzter Beitrag hat den in Abs. 2 genannten Fälligkeitstag (§ 9 Abs. 3 ALSAG).
Die Bf. bestreitet weder, dass die den Säumniszuschlägen zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten an den Fälligkeitstagen aushafteten noch wendet sie ein, dass einer der im Gesetz angeführten, der Festsetzung eines Säumniszuschlages entgegenstehenden Gründe vorliegt.
Eine allfällige sachliche Unrichtigkeit der zugrundeliegenden Bescheide über die Festsetzung des Altlastenbeitrages könnte der Beschwerde deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ; , 2002/16/0072) die Säumniszuschlagspflicht lediglich den Bestand einer formellen Abgabenschuld voraussetzt.
Das Rechtschutzinteresse des Bf. ist dennoch gewahrt, weil gemäß § 217 Abs. 8 BAO eine amtswegige Herabsetzung von Säumniszuschlägen vorzunehmen ist, soweit die ebenfalls bekämpften Bescheide betreffend Altlastenbeitrag durch das Bundesfinanzgericht etwa im Gefolge einer höchstgerichtlichen Entscheidung abgeändert werden.
Das Bundesfinanzgericht hat im Allgemeinen nach der Sachlage zu entscheiden, welche im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt (vgl. etwa ; ; ; ; Ritz, BAO7, § 279 Tz 31).
Durch die Aufhebung des Erkenntnisses des , betreffend Säumniszuschlag tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG). Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im aufhebenden Erkenntnis , mit Verweis auf , ausgeführt, dass im hier vorliegenden Beschwerdefall das Ermessen dahin ausgeübt werden kann, dass eine Festsetzung (auch) der Säumniszuschläge jeweils für ein Kalenderjahr zusammengefasst erfolgt.
Die Festsetzung nach § 201 Abs. 4 BAO hat in Abwägung von Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu erfolgen. Unter dem Begriff Zweckmäßigkeit ist u.a. das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu verstehen.
Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. Die im § 20 BAO erwähnten Ermessenskriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit sind grundsätzlich und subsidiär zu beachten.
Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (vgl. Ritz, BAO7, § 20 Tz 8).
Der VwGH wies im bereits zitierten aufhebenden Erkenntnis vom , Ra 2024/13/0058, in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Einfügung des § 217 Abs. 10 BAO mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 gerade die Erleichterung der automationsunterstützten Festsetzung von Säumniszuschlägen ein Motiv für die Gesetzesänderung gewesen sei.
Die zusammengefasste Festsetzung der Säumniszuschläge jeweils für ein Kalenderjahr ist daher im vorliegenden Fall zweckmäßig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - wie unter Punkt 1. dargelegt - die Erlassung von Säumniszuschlagsbescheiden für jedes Kalendervierteljahr im gegenständlichen Fall zu keinem anderen Ergebnis führt und somit die zusammengefasste Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr für die Bf. nicht nachteilig ist. Gründe, die gegen eine zusammengefasste Festsetzung der Säumniszuschläge sprechen, sind im Beschwerdefall nicht ersichtlich.
Die Bf. hat im bisherigen Verfahren auch nicht aufgezeigt, dass eine solche zusammengefasste Festsetzung der Säumniszuschläge jeweils für ein Kalenderjahr unbillig wäre.
Unter Abwägung der dargestellten Gesichtspunkte vertritt das Bundesfinanzgericht daher die Auffassung, dass die angefochtenen zusammengefassten Festsetzungen daher ermessensgerecht sind.
Aus den dargelegten Gründen waren daher die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
3. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das vorliegende Erkenntnis der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 10 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5200020.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at