Kein Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina Deutsch LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2021 (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich Einkommensteuer für das Jahr 2021 iHv EUR -595,- fest.
Mit Anbringen vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte zusätzlich den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus plus.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unzulässig wegen Verspätung zurück.
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 und führte aus, dass er den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus plus vergessen hatte und deshalb eine Änderung des Bescheides beantrage.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 ab und führte dazu aus, dass kein Neuerungstatbestand bestehen würde.
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und führte aus wie im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021, dass er den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus plus vergessen habe und deshalb eine Änderung des Bescheides beantrage.
Mit Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus wie folgt: "Datum: , Ihre Steuernummer: ***BF1StNr1*** Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen. Begründung: Es liegt kein Wiederaufnahmsgrund vor. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war abzuweisen, da bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (; ) und die nunmehr im Antrag angeführten "neuen" Tatsachen dem Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt waren und daher für ihn nicht neu hervorgekommen iSd § 303 Abs. 1 BAO sind. Ihre Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen."
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht und wiederholte sein bisheriges Vorbringen, wie im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021, dass er den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus plus vergessen habe und deshalb eine Änderung des Bescheides beantrage.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Sie führte Folgendes aus: "Sachverhalt: Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr 2021 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Am erging die Arbeitnehmerveranlagung erklärungsgemäß. Am - knapp ein Jahr später - brachte der Bf. Beschwerde ein und beantragte die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages sowie den Familienbonus Plus für ein Kind. Er habe vergessen, diese beiden Absetzbeträge in seiner Erklärung zu beantragen. Das Finanzamt wies die Beschwerde am wegen Verspätung zurück. Daraufhin brachte der Bf. am einen Antrag auf Wiederaufnahme gem § 303 Abs 1 BAO ein, in welchem er erneut die den Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus geltend machte. Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, es läge kein Neuerungstatbestand vor. Dagegen brachte der Bf. am Beschwerde ein - dies mit der Begründung, dass die oben genannten Absetzbeträge zu berücksichtigen seien. Diese Beschwerde wurde vom Finanzamt am abgewiesen. Gegen diese abweisende Beschwerdevorentscheidung richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag vom , in welchem der Bf. sein Begehren - wortgleich - aufrecht hält. Beweismittel: vorgelegte Aktenteile Stellungnahme: Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen. Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme, der sich auf die Behauptung des Neuhervorkommens von Tatsachen stützt, ist das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen. Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei ist daher, dass es sich um Tatsachen handelt, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits existent waren, dem Antragsteller aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt wurden. Das Wissen über selbst verwirklichte Sachverhalte ist in der Regel anzunehmen. Soweit der Bf. die Geltendmachung von Absetzbeträgen aus Unachtsamkeit verabsäumt hat, gibt ihm dies keinen Rechtstitel für die Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens auf seinen Antrag hin. Nach herrschender Lehre und Judikatur ist es nämlich nicht Sinn und Zweck einer Verfahrenswiederaufnahme, Versäumnisse einer Partei durch beliebigen Eingriff in rechtskräftige Bescheide auf diesem Wege nachträglich zu sanieren (vgl. RV/5101363/2017).Dass der Beschwerdeführer schon a priori hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides (Arbeitnehmerveranlagung) die gesetzesgemäße Rechtsmittelfrist ungenützt verstreichen ließ, fällt ebenso in die von ihm zu verantwortende Sphäre.Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens lagen im zugrundeliegenden Fall mangels Vorliegens neuer Tatsachen nicht vor, woraus folgt, dass der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen ist. Das Finanzamt beantragt daher die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht."
Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer auf, seine Beschwerde dahingehend zu ergänzen, dass er einen Wiederaufnahmsgrund nennen solle. Für die Beantwortung des Beschlusses, wurde dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses eingeräumt. Der Beschluss vom wurde vom Beschwerdeführer am übernommen. Dieser Beschluss des Bundesfinanzgerichtes blieb jedoch bis dato vom Beschwerdeführer unbeantwortet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde verspätet eingebracht, weshalb sie vom Finanzamt Österreich als unzulässig zurückgewiesen wurde.
Daraufhin hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 gestellt und ausgeführt, dass er den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus plus vergessen habe und deshalb eine Änderung des Bescheides beantrage.
Einen Wiederaufnahmsgrund hat der Beschwerdeführer trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht nicht vorgebracht.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt liegt unstrittig vor. Der Beschwerdeführer hat lediglich seine Begründung im Antrag vom in der Beschwerde und im Vorlageantrag wiederholt und hat den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom nicht beantwortet. Aus den Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich nicht, dass eine Tatsache neu hervorgekommen ist. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht mitgewirkt. Sein mangelndes Vorbringen ist gem. § 167 Abs. 2 BAO zu würdigen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtslage:
§ 303 BAO bestimmt: "(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. (2) Der Wiederaufnahmeantrag hat zu enthalten: a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird; b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird. (3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."
Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 wird aus formellen Gründen abgewiesen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe vergessen bei der Arbeitnehmerveranlagung den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus Plus zu beantragen und er beantrage die Änderung des Bescheides, nachdem seine Bescheidbeschwerde als unzulässig (verspätet) zurückgewiesen wurde, begründet keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund. Anträge, die im Verfahren vor Bescheiderlassung nicht gestellt wurden, können nicht im Wiederaufnahmeverfahren nachgeholt werden. Überdies ist zu bemerken, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom Vorbringen enthält, die sich auf Tatsachen beziehen, die dem Beschwerdeführer schon zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 bekannt gewesen sind.
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (). Wiederaufnahmegründe sind im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta).
Der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend (zB. ) ist für einen Antrag auf Wiederaufnahme erforderlich, dass für den Antragsteller Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind. Die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag erfordert, dass es sich um eine für den Antragsteller neu hervorgekommene Tatsache handelt (; ).
Ein Wiederaufnahmeantrag hat gem. § 303 Abs. 2 lit. b BAO die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei. Aus dem Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist.
Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom den Beschwerdeführer aufgefordert gehabt, solche Gründe darzulegen. Dieser Beschluss blieb jedoch unbeantwortet.
Der Beschwerdeführer ist lediglich bei seinem allgemeinen Vorbringen, er habe vergessen bei der Arbeitnehmerveranlagung den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus Plus zu beantragen und er beantrage die Änderung des Bescheides, geblieben. Jedoch handelt es sich dabei nicht um neu hervorgekommene Tatsachen für den Beschwerdeführer. Die antragsbegründenden Tatsachen, zB. das Vorliegen der Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus Plus existierten für den Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides vom , welcher bereits mit Ablauf der Rechtsmittelfrist von einem Monat mit Ablauf des in Rechtskraft erwachsen ist.
Neue Tatsachen gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO hat der Beschwerdeführer weder in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021, noch in der Beschwerde, noch im Vorlageantrag angegeben. Der Beschwerdeführer hat lediglich mehrmals den Inhalt seiner Erklärung wiederholt. Es wurde im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 vom somit kein Wiederaufnahmegrund gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO, welcher vom Gesetz verlangt wird, genannt. Der Beschwerdeführer hat es auch im Beschwerdeverfahren unterlassen, weitere Nachweise zum fehlenden Wiederaufnahmegrund - wie es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung festgestellt hat - zu erbringen.
Aus diesem Grund ist die Beschwerde betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 abzuweisen, da die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht versagt hatte.
Aus den oben genannten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass das "neu Hervorkommen" von Tatsachen aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist, ist bereits höchstgerichtlich geklärt (), weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt. Die ordentliche Revision ist somit nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103350.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at