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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2024, RV/7100083/2024

Geschäftsführerhaftung, lange Zeitdauer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Eigenthaler, Babenbergerstraße 33 Tür 1, 3180 Lilienfeld, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung für nachstehende Abgaben auf den Betrag von € 5.444,44 herabgesetzt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
04/2014
1.359,98
Lohnsteuer
05/2014
1.905,31
Lohnsteuer
06/2014
2.179,15


  • Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als damaliger Geschäftsführer der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 6.049,38 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Lohnsteuer
04/2014
1.511,09
Lohnsteuer
05/2014
2.117,01
Lohnsteuer
06/2014
2.421,28


Die Geltendmachung der Haftung (§ 224 BAO) gründe sich auf folgende Umstände:

Gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO habe der Bf. als Geschäftsführer dieser Firma insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwalte, ordnungsgemäß entrichtet würden. Da er dies unterlassen habe und der umstehende Rückstand infolge schuldhafter Verletzung seiner Pflicht nicht eingebracht werden könne, sei die Haftung auszusprechen gewesen.

Voraussetzung für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung sei aufgrund des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der Gesellschaft gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung habe der Vertreter zweifelsfrei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werde, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen sei (z.B.: u.a.).

Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten; es sei denn, er weise nach, dass er die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschuld daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer wäre festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hätte. Es wäre daher seine Pflicht als Geschäftsführer gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen würden, verpflichtet wäre, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung wäre jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken.

Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten habe (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstelle. Der Bf. sei im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden der handelsrechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft und somit der in Betracht kommende Haftende im Sinn des § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff BAO gewesen. Die Abgabenschulden könnten bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden. Das am D-3 eröffnete Insolvenzverfahren sei erst am D-6 (Anm.: gemeint wohl D-2) mangels Kostendeckung rechtskräftig aufgehoben worden. Daher erfolge die Haftungsinanspruchnahme für Abgaben das Jahr 2014 betreffend erst zum jetzigen Zeitpunkt, da erst jetzt die Uneinbringlichkeit bei der GmbH erwiesen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) sei die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Letzteres stehe hier fest.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes müsse vom Vorliegen einer Schuldhaftigkeit seinerseits ausgegangen werden und die Haftung sei in Höhe von € 6.049,38 auszusprechen gewesen.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde brachte Rechtsanwalt Dr. Peter Eigenthaler als Vertreter des Bf. vor, dass der Abgabenrückstand der Höhe nach rechnerisch nicht bestritten werde. Die Haftung bzw. Direkthaftung des seinerzeitigen Geschäftsführers werde jedoch ausdrücklich bestritten und vorgebracht wie folgt:

Richtig sei, dass die GmbH bedauerlicherweise in die Insolvenz verfallen habe müssen. Die Vorgeschichte habe jedoch die Insolvenz keinesfalls vermuten oder annehmen lassen, da kurzfristig größere Baustellen Zahlungen eingestellt hätten und daher der Geschäftsführer täglich bemüht gewesen sei, laufende Verbindlichkeiten bestmöglich zu bedienen.

So seien z. B. die Bauvorhaben B-1, die Generalsanierung der B-2, die Generalsanierung des B-3 sowie der Neubau einer Wohnhausanlage, die äußerst große Rechnungsposten betroffen hätten, nicht bedient oder bezahlt worden, sodass kurzfristig und Schlag auf Schlag eine vorerst nicht vorhersehbare Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei, sodass der Geschäftsführer gezwungen gewesen sei, jedenfalls die Insolvenz anzumelden, um seinen diesbezüglichen aus dem Unternehmensrecht resultierenden Verpflichtungen nachzukommen.

Eine Fahrlässigkeit, so wie sie in § 9 BAO normiert sei, liege auf Seiten des Geschäftsführers keinesfalls vor, da dies voraussetzen würde, dass die Abgaben infolge schuldhafter Verletzungen der ihm auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Die Nichteinbringlichmachung der Verbindlichkeiten rühre aus der nicht vorhersehbaren Insolvenz, eine schuldhafte Verletzung von Pflichten des Geschäftsführers liege aber nicht vor.

Zur Illustration werde der Finanzbehörde eine Aufstellung der seinerzeitigen Verbindlichkeiten vorgelegt, die am D-1 im Zuge der Insolvenz notwendigerweise dem Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellt hätten werden müssen. Daraus ergebe sich ein Fälligkeitssaldo der hier in Rede stehenden GmbH von lediglich € 13.398,01, das sei also ein Obligo, welches jederzeit und kurzfristig im Falle einer Behebung der Liquiditätsklemme sofort und unverzüglich hätte bezahlt werden können.

Selbst bei jeglicher Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers sei es daher nicht mehr möglich gewesen, die Lohnsteuerverbindlichkeiten zu bedienen. Zusammengefasst liege daher kein fahrlässiges Verhalten des Geschäftsführers vor, weshalb ersucht werde, der Beschwerde Folge zu geben und den hiemit angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.

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Ebenfalls am brachte die Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in Vertretung des Bf. eine weitere Beschwerde ein, mit der der angefochtene Bescheid seinem gesamten Inhalt nach angefochten werde.

Begründet werde dies damit, dass nach den dem Einschreiter als Geschäftsführer bekannten Aufzeichnungen die Löhne/Gehälter für die Monate 04-06/2014 nicht mehr entrichtet worden seien, sodass der Einschreiter auch nicht verpflichtet gewesen sei, Lohnsteuer einzubehalten bzw. an das Finanzamt abzuführen.

Beweis:
- beizuschaffender Insolvenzakt
- allenfalls vorzulegende schriftliche Unterlagen

Der Einschreiter stelle sohin den Antrag, seiner Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

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Mit an beide Vertreter zugestellter Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt ausgeführt:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.

Gemäß § 80 Abs. leg. cit. hätten die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und seien befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Voraussetzung für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Aus § 78 Abs. 3 EStG ergebe sich, dass der Arbeitgeber, wenn die Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Bruttolohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von den tatsächlichen zur Auszahlung gelangen niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten habe. Nach der Rechtsprechung des VwGH () stelle es ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, wenn ein Vertreter Löhne ausbezahle, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht abführt.

Zum Einwand, dass die Löhne und Gehälter 04-06/2014 nicht entrichtet worden seien, werde festgehalten, dass die abzuführende Lohnsteuer für diese Zeiträume vom Bf. selbst an die Finanzverwaltung gemeldet worden sei. Im Zuge der Beschwerde von Herrn Dr. Peter Eigenthaler sei eine Aufstellung von den per D-1 offenen Verbindlichkeiten vorgelegt worden. Daraus sei ersichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich die Löhne und Gehälter 08 und 09/2014 als offen ausgewiesen seien. Somit könne wohl angenommen werden, dass die Löhne und Gehälter bis einschließlich 07/2014 sehr wohl zur Auszahlung gebracht worden seien.

Zum weiteren Vorbringen, dass infolge des Insolvenzverfahrens keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliege, werde festgehalten, dass der Geschäftsführer einer GmbH auch nach einem Insolvenzverfahren von seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten nicht entbunden sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass neben ihm möglicherweise auch andere Personen haftungsrelevantes Verhalten setzen könnten. Weiters seien für die Inanspruchnahme zur Haftung nur Abgabenschulden herangezogen worden, welche bereits 60 Tage vor Insolvenzeröffnung fällig geworden seien.

Wie bereits bemerkt, sei in der Nichtentrichtung von Lohnsteuer jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers zu erblicken.

Zum Einwand der unzureichenden Mittel des Bf. werde festgehalten:

Die Nichtentrichtung von Selbstbemessungsabgaben stelle eine grobe abgabenrechtliche Pflichtverletzung dar. Laut vorgelegtem Vermögensverzeichnis beziehe er eine monatliche Pension von € 2.488,52. Es sei somit ersichtlich, dass der erlittene Abgabenausfall einbringlich gemacht werden könne. Es sei damit dem Interesse des Staates an der Einbringung der Abgaben der Vorrang vor dem Interesse des Beschwerdeführers, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, einzuräumen.

Aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO sei die Haftungsinanspruchnahme im Ausmaß von € 6.049,38 völlig zu Recht erfolgt.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind:

- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

Abgabenforderungen

Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 04-06/2014 wurden dem Finanzamt am , und gemeldet und sind bis dato in der gemeldeten Höhe aushaftend.

Der Behauptung des Bf., dass er die Löhne/Gehälter für die Zeiträume 04-06/2014 nicht ausbezahlt habe, weshalb er auch nicht verpflichtet gewesen sei, die Lohnsteuern einzubehalten und an die Abgabenbehörde abzuführen, ist zu entgegnen, dass er diese Abgaben selbst gemeldet, aber nicht entrichtet hat. Dass die Löhne und Gehälter bis 07/2014 entgegen seinem Vorbringen zur Auszahlung gebracht wurden, ergibt sich aus der mit der Beschwerde vorgelegten Liste der zum D-1 (also kurz vor der Insolvenzeröffnung) bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wonach lediglich die Löhne und Gehälter 08-09/2014 nicht ausbezahlt wurden.

Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-2 der über das Vermögen der G-1 am D-3 eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. Am D-4 wurde die Gesellschaft mangels Vermögens im Firmenbuch gelöscht.

Stellung als Vertreter

Der Bf. war im Zeitraum vom D-5 bis zur Konkurseröffnung im Firmenbuch als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft eingetragen und war daher als deren Vertreter zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verpflichtet.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Unbestritten ist auch, dass dem Bf. als Geschäftsführer der GmbH die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Aus dem Vorbringen des Bf., wie es zur Insolvenz des Unternehmens gekommen sei, lässt sich nichts gewinnen, da es für die Haftung nach § 9 BAO ohne Bedeutung ist, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft ().

Obwohl es für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, nicht bedeutsam ist, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären (), wurde der Bf. ohnehin nur für Abgabenschulden, die bereits mehr als 60 Tage vor der Insolvenzeröffnung fällig wurden, zur Haftung in Anspruch genommen.

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ). Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Allerdings gelten für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; ), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Dazu ist festzustellen, dass im gegenständlichen Fall ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (04-06/2014) einerseits und dem Haftungsbescheid () andererseits vorliegt, nicht jedoch zwischen dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin (D-2, Konkursaufhebung) einerseits und dem Haftungsbescheid () andererseits, weshalb ein Abschlag von 10% angemessen erscheint.

Vom Bf. wurden darüber hinaus keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Ergebnis

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die folgenden Abgabenschuldigkeiten der G-1 im Gesamtbetrag von € 5.444,44 zu Recht:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
abzüglich 10%
Lohnsteuer
04/2014
1.511,09
1.359,98
Lohnsteuer
05/2014
2.117,01
1.905,31
Lohnsteuer
06/2014
2.421,28
2.179,15


Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag hier nicht vor, da die Entscheidung vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100083.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at