Alleinerzieherabsetzbetrag im Zuge einer einvernehmlichen Scheidung; Einkommensgrenzen für Kindermehrbetrag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Roman Galehr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Bickel Lukas Steuerberatung KG, Treietstraße 17, 6833 Klaus, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Aufgrund des in diesem Zuge übermittelten Beschwerdeaktes der belangten Behörde stellt sich der Verfahrensgang für das Bundesfinanzgericht wie folgt dar:
Die Beschwerdeführerin hat Ihre Einkommensteuererklärung 2022 mit Datum via FON bei der belangten Behörde eingebracht. Darin beantragte Sie den Alleinerzieherabsetzbetrag für 2 Kinder, den Kindermehrbetrag, als auch den halben Familienbonus plus für die 2 Kinder.
Die belangte Behörde führte in der Folge die Veranlagung durch und erließ mit Datum den Einkommensteuerbescheid 2022. Den von der Beschwerdeführerin beantragten Alleinerzieherabsetzbetrag und Kindermehrbetrag gewährte die belangte Behörde nicht. In der Bescheidbegründung führte sie dazu aus wie folgt:
"Wir haben den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt, weil Sie im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit einem Ehepartner oder einem Partner gelebt haben.
Den Kindermehrbetrag haben wir nicht berücksichtigt;
Der Grund:
Sie haben keinen Anspruch auf Alleinerzieherabsetzbetrag."
Mit Datum richtete die Beschwerdeführerin durch Ihren steuerlichen Vertreter eine Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO an die belangte Behörde und bekämpfte den Einkommensteuerbescheid 2022. In der Begründung wurde ausgeführt wie folgt:
"Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte sie um zusätzliche Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages in der Höhe von 669,00 Euro und des Kindermehrbetrages für 2 Kinder da ***1*** laut beiliegendem Scheidungsurteil am geschieden wurde.
Da eine Scheidung nur möglich ist, wenn man mindestens 6 Monate getrennt gelebt hat bitte ich sie, den Einkommensteuerbescheid 2022 zu korrigieren. Da es während einer Scheidung meistens so ist, dass die Ehepartner noch am selben Ort wohnen, bedeutet dies ja nicht dass sie in einer Gemeinschaft gelebt haben, sonst wäre die Scheidung nicht durchführbar gewesen."
Dem Beschwerdeschriftsatz beigefügt wurde der Scheidungsvergleich, welcher mit datiert.
Die belangte Behörde erließ mit Datum die Beschwerdevorentscheidung. Darin wies sie die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Datum fertigte die belangte Behörde die separate Begründung zur Beschwerdevorentscheidung vom ab. Darin führte sie aus wie folgt:
"In Ihrer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 beantragen Sie den Alleinerzieherabsetzbetrag und der Kindermehrbetrag. Laut Begründung sind Sie seit geschieden und beziehen für 2 Kinder Familienbeihilfe.
In der Begründung führen Sie aus, dass eine Scheidung nur möglich ist, wenn man mindestens 6 Monate getrennt lebt. Da es während einer Scheidung meistens so ist, dass der Ehepartner noch im selben Haushalt lebt, bedeutet dies jedoch nicht, dass in einer Gemeinschaft gelebt wird. Somit würde der Alleinerzieherabsetzbetrag zustehen.
Laut Meldedaten war ***2*** bis auf der gemeinsamen Wohnadresse in ***3***, ***4*** gemeldet.
Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe) Partner lebt. Als Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe) Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG zusteht. Ehepartner ist gemäß § 106 Abs. 3 leg. cit. eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Eine eheähnliche Gemeinschaft iSd § 33 Abs. 4 EStG 1988 liegt dann vor, wenn zwei Personen in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben und das gemeinschaftliche Zusammenleben auf Dauer angelegt ist.
Bei einer Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dabei kann aber auch das eine oder andere Merkmal fehlen. Die Merkmale einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft müssen demgemäß nicht kumuliert vorliegen. Das Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit dem gemeinsamen Kind lässt auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen. Indizien für eine Lebensgemeinschaft können auch die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort oder eine gemeinsame Zustelladresse sein.
Von einer Lebensgemeinschaft wird, wie bereits oben ausgeführt, auszugehen sein, wenn eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft vorliegt. Dabei ist weder auf die Anzahl der Wohnsitze eines der beiden Partner noch auf dessen polizeiliche Meldung abzustellen.
Zu prüfen ist vielmehr, ob nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es unter Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. So stellt, wie im vorliegenden Fall, das gemeinsame Wohnen mit dem Kindesvater ein Element dar, das zivilrechtlich zum Charakteristikum einer umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft iSd § 90 ABGB zählt.
Das Wohnen unter derselben Adresse zeigt nach dem oben Gesagten keine Sachlage, aufgrund welcher mit dem Alleinerzieherabsetzbetrag jene besondere Belastung abgegolten werden soll, der alleinstehende Personen mit Kindern ausgesetzt sind.
Ohne Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner (alleinstehend) leben, trifft nicht schon deshalb zu, weil die Partner im Laufe der Zeit "aneinander vorbei gelebt" haben mögen, wenn im äußeren Erscheinungsbild eine Lebensgestaltung wie bei Ehegatten unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt. Mit dem gemeinsamen Wohnen im Einfamilienhaus wurde Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unstrittig erhöht, wodurch Sie (bis zum Auszug des geschiedenen Gatten) gegenüber alleinstehenden Personen entsprechend geringer belastet gewesen sind. Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht daher nicht zu.
Der Kindermehrbetrag steht Personen zu, die kein oder nur ein geringes Einkommen erzielen. Die folgenden Voraussetzungen müssen vorliegen:
1. Einkünfte oder Kinderbetreuungsgeld bzw. Pflegekarenzgeld
Es müssen
- An zumindest 30 Tagen im Jahr 2022 steuerpflichte betriebliche oder nichtselbständige Einkünfte erzielt worden sein oder
- Im gesamten Jahr 2022 Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen worden sein.
2. Kein oder ein geringes Einkommen; Zusätzlich darf das Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschritten haben. Die Einkommensgrenze ist abhängig von der Anzahl der Kinder, für die Ihnen oder Ihrem Ehepartner im Jahr 2022 mehr als sechs Monate Familienbeihilfe ausbezahlt wurde.
Die beträgt:
Bei zwei Kindern 16.499 Euro
3. Alleinverdiener/Alleinerzieher oder geringes Einkommen des (Ehe)Partner.
Wenn Sie die unter Punkt 1 und 2 genannten Voraussetzungen erfüllen steht Ihnen der Kindermehrbetrag zu, wenn- Sie Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag oder den Alleinerzieherabsetzbetrag haben oder- wenn Ihr Ehepartner ebenfalls kein oder ein geringes Einkommen erzielt hat. Da Sie die Einkommensgrenze überschritten haben, steht der Kindermehrbetrag nicht zu."
Mit Datum übermittelte die Beschwerdeführerin durch Ihren steuerlichen Vertreter einen Vorlageantrag gemäß § 264 BAO in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2022. Darin wurde ausgeführt wie folgt:
"Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte sie um zusätzliche Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages in der Höhe von 669,00 Euro und des Kindermehrbetrages für 2 Kinder da ***1*** laut beiliegendem Scheidungsurteil am geschieden wurde.
Da eine Scheidung nur möglich ist, wenn man mindestens 6 Monate getrennt gelebt hat bitte ich sie, den Einkommensteuerbescheid 2022 zu korrigieren. Da es während einer Scheidung meistens so ist, dass die Ehepartner noch am selben Ort wohnen, bedeutet dies ja nicht dass sie in einer Gemeinschaft gelebt haben, sonst wäre die Scheidung nicht durchführbar gewesen. Mit freundlichen Grüßen."
Mit Datum wurde die anhängige Beschwerde seitens der belangten Behörde an das Bundesfinanzgericht übermittelt.
Die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 265 Abs 4 BAO über die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht in Kenntnis gesetzt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
In der Zeit vom bis zum war die Beschwerdeführerin verheiratet. Der Ehe entstammen 2 Kinder.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom wurde die Ehe der Beschwerdeführerin einvernehmlich geschieden.
Die Beschwerdeführerin ist seit an der Adresse ***4***, 6842 ***3*** mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Der geschiedene Ehegatte der Beschwerdeführerin war an der Adresse ***4***, 6842 ***3*** in der Zeit vom bis zum mit Hauptwohnsitz gemeldet und hat dort auch gewohnt.
Während der Scheidung lebte die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten noch an der identen Wohnadresse. Eine Gemeinschaft bestand zwischen den beiden Personen jedoch nicht mehr.
In der Zeit vom bis zum war der geschiedene Ehegatte der Beschwerdeführerin an der Adresse ***5***, ***6*** zudem mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Ab bis war er an der Adresse ***7***, ***8*** mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Strittig ist, ob der Beschwerdeführerin im Jahr 2023 der Alleinerzieherabsetzbetrag für 2 Kinder, als auch der Kindermehrbetrag zusteht.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen betreffend die Dauer der Ehe und der Auflösung derselben durch einvernehmliche Scheidung erschließen sich dem erkennenden Gericht aus dem vorliegenden Scheidungsvergleich vom welcher vor dem Bezirksgericht Feldkirch geschlossen wurde.
Ebenso verhält es sich in Bezug auf die beiden aus der Ehe entspringenden Kinder.
Der Wohnsitz der Beschwerdeführerin, als auch die Wohnsitze des (nunmehr) geschiedenen Ehegatten eröffnen sich dem erkennenden Gericht aufgrund einer Einsicht in das ZMR (Zentrale Meldergister), als auch aufgrund der Unterlagen, welche die belangte Behörde im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht übermittelt hat.
Die Feststellung, dass der (nunmehr) geschiedene Ehegatte der Beschwerdeführerin bis kurz vor Abschluss des Scheidungsvergleiches () mit Hauptwohnsitz an der gemeinsamen Adresse ***4***, 6842 ***3*** gewohnt hat, erschließt sich dem Bundesfinanzgericht aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Bescheidbeschwerde vom .
Darin führt die Beschwerdeführerin aus, dass es während einer Scheidung meistens so ist, dass die Ehepartner noch am selben Ort wohnen.
Die Feststellung, dass trotz des Wohnens an der identen Adresse, die eheliche Gemeinschaft der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten nicht mehr bestanden hat, entnimmt das Bundesfinanzgericht den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Bescheidbeschwerde.
Zudem zeigen die Erfahrungen des täglichen Lebens, dass in Scheidung lebende Eheleute aus verschiedenen Gründen (etwa Wohnungsnot) noch an der gemeinsamen Adresse wohnen, allerdings keine Gemeinsamkeiten (gemeinsamer Einkauf von Lebensmitteln, gemeinsames Kochen etc.) mehr zusammen pflegen und somit eine Gemeinschaft nicht mehr vorliegt.
Das Bundesfinanzgericht hegt keine wie immer gearteten Zweifel an der Echtheit und Glaubwürdigkeit der vorliegenden Beweismittel.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Der Alleinerzieherabsetzbetrag ist in § 33 Abs 4 Z 2 EStG geregelt. Die Bestimmung des § 33 Abs 4 Z 2 EStG in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung BGBl I Nr. 194/2022 lautet wie folgt:
(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:
(…)
2. Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 520 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 704 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 268 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.
Der Kindermehrbetrag ist in § 33 Abs 7 EStG geregelt. Die Bestimmung des § 33 Abs 7 EStG in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung BGBl I Nr. 194/2022 lautet wie folgt:
(7) Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die
- zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielen, oder
- ganzjährig Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, oder Pflegekarenzgeld bezogen haben, nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 550 Euro, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:
Die Differenz zwischen 550 Euro und der Einkommensteuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten, wenn
a) der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht oder
b) sich auch beim (Ehe)Partner gemäß § 106 Abs. 3, der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielt, eine Einkommensteuer nach Abs. 1 unter 550 Euro ergibt; in diesem Fall hat nur der Familienbeihilfeberechtigte Anspruch auf den Kindermehrbetrag. Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 550 Euro.
ad Alleinerzieherabsetzbetrag:
Der Alleinerzieherabsetzbetrag trägt der Einschränkung des Alleinerziehers im Erwerbsleben Rechnung (vgl hierzu Jakom EStG 2024, RZ 65 zu § 33).
Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht einem Alleinerzieher zu. Ein Alleinerzieher ist gem Abs 4 Z 2 leg cit ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.
Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander dem Grunde nach aus. Das Kind muss sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU, im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder in der Schweiz aufhalten.
Für die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrag muss ein Kind im steuerlichen Sinne vorhanden (s ua ) und die Sechsmonatsfrist erfüllt sein.
Als Kind im Sinne des EStG gilt in diesem Zusammenhang ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach Abs 3 leg cit zusteht.
Als negatives Anspruchskriterium ist normiert, dass der Alleinerzieher nicht in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft leben darf. (vgl hierzu Jakom EStG 2024, RZ 66 - 67 zu § 33).
Dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn ein (Ehe)Partner die gemeinsame Wohnung verlässt und getrennt von seinem (Ehe)Partner, ohne eine eheliche Gemeinschaft mit diesem wieder aufzunehmen, auf Dauer seinen Aufenthalt in einer anderen Wohnung nimmt.
Gegenseitige Besuche rechtfertigen nicht die Annahme einer dauernden Gemeinschaft (vgl ). Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung; es ist dem Ehegatten allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen ( bis 0164, 1998, 540, -K/08).
Von einer Gemeinschaft im Sinne des § 33 Abs 4 kann nicht mehr die Rede sein, wenn die geschiedenen Eheleute im Jahr der Scheidung zwar noch dieselbe Wohnung benutzen, aber in verschiedenen Zimmern gelebt haben, es keine gemeinsame Wirtschaftsführung und Lebensgestaltung mehr gab und der Grund dafür die fehlende Bezugsfertigkeit der neunen Wohnung einer der beiden ist ().
Wie in der Beschwerdeschrift vom ausgeführt wird, lebten die in Scheidung befindlichen Ehepartner zwar noch am selben Ort, führten jedoch keine Gemeinschaft mehr im Sinne des § 33 Abs 4 Z 2 EStG.
Zudem ist eine (einvernehmliche) Scheidung nur dann möglich, wenn die eheliche Gemeinschaft seit mindestens 6 Monaten aufgelöst ist. Dies wird von der Beschwerdeführerin und ihrem damaligen Ehegatten im Scheidungsfolgenvergleich vom bestätigt.
Auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen in Bezug auf den Alleinerzieherabsetzbetrag sind durch die Beschwerdeführerin erfüllt, lebte diese doch im Beschwerdezeitraum 2022 für die Dauer von mehr als 6 Monaten mit 2 Kindern im Sinne des § 106 Abs 1 EStG nicht in Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner.
ad Kindermehrbetrag:
Zur Entlastung geringverdienender Alleinerzieher und Alleinverdiener mit Kindern sieht der mit dem Jahressteuergesetz 2018eingeführte § 33 Abs 7 EStG die Erstattung eines Kindermehrbetrags in Höhe von maximal 550 € (ab 2022; BGBl I 93/2022) je Kind iSd § 106 Abs 1 vor. In Kombination mit dem Familienbonus Plus ergibt sich dadurch für diese Gruppe von Steuerpflichtigen jedenfalls eine Entlastung in Höhe des Kindermehrbetrags
Ab der Veranlagung 2022 steht der Kindermehrbetrag zu, wenn die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen gemäß Abs 1 leg cit (ohne Abzug von Absetzbeträgen) bei Vorhandensein von einem Kind (§ 106 Abs 1) weniger als 550 € beträgt und der Steuerpflichtige
Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag oder Alleinerzieherabsetzbetrag hat
oder
sich auch beim (Ehe)Partner gemäß § 106 Abs 3, der Einkünfte gemäß § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 erzielt, eine ESt nach Abs 1 unter 550 € ergibt; in diesem Fall hat nur der Fambeihilfeberichtigte Anspruch auf den Kindermehrbetrag.
Zudem muss der Steuerpflichtige
zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte gem § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 erzielen, oder
ganzjährig Leistungen nach dem KBGG, BGBl I 2001/103, oder Pflegekarenzgeld bezogen haben (vgl hierzu Jakom, EStG 2023. Rz 105 - 106 zu § 33).
Für jedes weitere Kind gem § 106 Abs 1, das sich im Inland aufhält, erhöht sich der Betrag von 550 € um 550 € (vgl ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 13 f) (vgl hierzu Jakom, EStG 2023, RZ 107 zu § 33).
Eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Kindermehrbetrages im Sinne des § 33 Abs 7 EStG ist der Anspruch des Abgabepflichtigen auf den Alleinerzieher- oder Alleinverdienerabsetzbetrag. Diese Anspruchsvoraussetzung für den Kindermehrbetrag erfüllt die Beschwerdeführerin. Ihr steht - den obigen Ausführungen folgend - der Alleinerzieherabsetzbetrag im Sinne des § 33 Abs 4 Z 2 EStG für 2 Kinder zu.
Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung des Kindermehrbetrages im Sinne des § 33 Abs 7 EStG sind damit verbundene Einkommensgrenzen, welche nicht überschritten werden dürfen.
Maßgeblich ist diesbezüglich das Einkommen gemäß § 33 Abs 1 EStG vor Abzug von Absetzbeträgen.
Die maßgebliche Einkommensgrenze bei 2 Kindern im Sinne des § 106 Abs 1 EStG für den Beschwerdezeitraum 2022 beträgt € 16.499,00.
Da die Beschwerdeführerin diese Grenze im streitverfangenen Zeitraum deutlich übersteigt, steht der Kindermehrbetrag im Sinne des § 33 Abs 7 EStG nicht zu.
Die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 2022 stellt sich wie folgt dar:
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Bezeichnung | Betrag |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit | 44.474,70 |
Pauschalbetrag für Werbungskosten | (-) 132,00 |
Zwischensumme | 44.342,70 |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 8.846,14 |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 53.188,84 |
Sonderausgaben § 18 EStG | |
Kirchenbeitrag | (-) 187,93 |
Einkommen | 53.000,91 |
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG beträgt: | |
0% für die ersten 11.000,00 | 0,00 |
20% für die weiteren 7.000,00 | 1.400,00 |
32,5% für die weiteren 13.000,00 | 4.225,00 |
42% für die restlichen 22.000,91 | 9.240,37 |
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 14.865,38 |
Familienbonus Plus | (-) 1.270,98 |
Alleinerzieherabsetzbetrag | (-) 669,00 |
Verkehrsabsetzbetrag | (-) 400,00 |
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | 12.525,40 |
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt: | |
0% für die ersten 620,00 | 0,00 |
6% für die restlichen 6.722,71 | 403,36 |
Einkommensteuer | 12.928,76 |
Anrechenbare Lohnsteuer (260) | (-) 11.232,29 |
Rundung gemäß § 39 Abs 3 EStG | (-) 0,47 |
Festgesetze Einkommensteuer | 1.696,00 |
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das obige Erkenntnis steht in Einklang mit den klaren und eindeutigen in der Entscheidung angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Zudem ergeht es in Einklang mit der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Die ordentliche Revision war somit zu versagen.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ÜR, Einkommensteuergesetz 1988 ÜR (Artikel I Steuerreformgesetz 1993), BGBl. Nr. 818/1993 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100048.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at