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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.11.2024, RV/7101383/2024

Vorbereitungskurs auf den Medizinaufnahmetest nur dann Berufsausbildung, wenn der Kurs die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101383/2024-RS1
Der Vorbereitungskurs für den Aufnahmetest zum Medizinstudium kann Berufsausbildung sein, wenn der Kurs die volle Zeit des Kindes, d.h. 20 bis 30 Wochenstunden zuzüglich Lernaufwand zu Hause, in Anspruch nimmt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab November 2023, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am über FinanzOnline die Gewährung von Familienbeihilfe für ihre Tochter ***2***, geb. am ***3***, ab November 2023.

Begründet wurde der Antrag mit dem Beginn einer Berufsausbildung, und zwar dem Vorbereitungskurs für den Aufnahmetest für das Medizinstudium an der Universität Wien.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Die Begründung erschöpfte sich in einer allgemeinen Floskel ohne Bezug auf den konkreten Sachverhalt und lautete wörtlich:

"Was ist eine Berufsausbildung?

Das Kind verwendet seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches

Fachwissen zu erlernen und schließt diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung ab. Die

Ausbildung hat eine angemessene Unterrichtsdauer und ist nicht auf Allgemeinbildung wie

zum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der die Bf. darauf hinwies, dass ihre Tochter ab November 2023 die Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium in Vollzeit belege.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Als Begründung wurde auf die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. 12 lit. b FLAG 1967 verwiesen, wonach Familienbeihilfe dann zustehe, wenn sich ein Kind in Berufsausbildung befinde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgserichtshofes seien unter "Berufsausbildung" alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt werde. Für die Qualifikation als Berufsausbildung sei nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne sei es, die fachliche Qualifikation für die Ausbildung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in der Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, sei essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Diese Kriterien erfülle der Vorbereitungskurs nicht, weil im Aufnahmetest nur Basiswissen in naturwissenschaftlichen Fächern und gewisse kognitive Fähigkeiten abgeprüft würden, nicht aber die fachliche Qualifikation für die Ausübung des Berufes als Arzt und das dafür erforderliche medizinische Fachwissen.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag und begründete diesen damit, dass der Vorbereitungskurs auf den Aufnahmetest sehr wohl einen Teil der medizinischen Ausbildung darstelle. Nur ein sehr geringer Teil jener 10 % der Testabsolventen, die tatsächlich einen Studienplatz erhalten, sei in der Lage, den Test mit "normalem" Maturawissen zu bestehen. Der Kurs sei daher unumgänglich. Mit dem Kurs habe die Tochter ihr berufliches Ziel konsequent verfolgt und sei bis Juli 2024 Vollzeit und ausbildungsgleich beschäftigt.

Zum Nachweis ihres Vorbringens legte die Bf. die Anmeldebestätigung und die Teilzahlungsrechnungen der Kursgebühr vor. Aus dieser geht hervor, dass die Tochter den zweisemestrigen Vormittagskurs, der online abgehalten wird, buchte.

Für diesen Kurs wurde vom Kursveranstalter folgender Stundenplan vorgegeben:

Im Vorlagebericht vom vertrat die belangte Behörde nunmehr die Ansicht, dass der Vorbereitungskurs zwar grundsätzlich Berufsausbildung sein könne, jedoch müsse dieser im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des BFG die volle Zeit des Kindes in quantitativer Hinsicht in Anspruch nehmen. Dies bedeute einen wöchentlichen Zeitaufwand von 20 bis 30 Wochenstunden zuzüglich Vorbereitungszeit zu Hause.

Eine monatliche Betrachtungsweise ergebe, dass in keinem Monat 30 Wochenstunden erreicht worden seien, sondern im:

"November 2023 56h/Monat und somit 14h/Woche,

Dezember 2023 41h/Monat und somit 10,25h/Woche,

Jänner 2024 51h/Monat und somit 12,75h/Woche,

Februar 2024 46,5h/Monat und somit 11,6h/Woche,

März 2024 16h/Monat und somit 4h/Woche,

April 2024 36h/Monat und somit 9h/Woche,

Mai 2024 24h/Woche und somit 6h/Woche,

Juni 2024 27,5h/Monat und somit 6,9h/Woche."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Tochter der Beschwerdeführerin besuchte ab November 2023 den Vorbereitungskurs auf den Medizinaufnahmetest an der Universität Wien. Dieser Kurs wurde online abgehalten mit dem in den Entscheidungsgründen dargestellten Stundenplan.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob von einem "Kind" eine Berufsausbildung absolviert wird, eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. ; ; ).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ().

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gem.§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Personen………

für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist…………

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ; ; ; ).

Einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgesprächs stellen noch keine Ausbildung dar (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 2020 § 2 Rz 43 "Aufnahmeprüfungen" mwN; etwa ).

Kurse, die auf einen Aufnahmetest vorbereiten, können unter bestimmten Umständen als selbständige Berufsausbildung angesehen werden (vgl. etwa ; ). Voraussetzung ist unter anderem ein Zeitaufwand, der jenem für den Besuch einer höheren Schule entspricht, also etwa 20 bis 30 Wochenstunden zuzüglich Hausaufgaben (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 2020 § 2 Rz 40 mwN).

Die vom Bundesfinanzgericht in der Vergangenheit vereinzelt vertretene Ansicht, dass Vorbereitungskurse zum MedAT Aufnahmetest grundsätzlich keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellen und es daher auf die zeitliche Komponente nicht ankomme (vgl. ), hat der Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, da zwischen der Bewerbung samt Test einerseits (keine Berufsausbildung) und der Vorbereitung (Berufsausbildung bei entsprechender zeitlicher Inanspruchnahme) zu unterscheiden sei ().

Entscheidend ist somit der zeitliche Aufwand des Vorbereitungskurses, den die Tochter der Bf. absolvierte. Da gem. § 10 Abs. 2 FLAG 1967 die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden und der Anspruch mit Ablauf des Monats erlischt, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt, ist daher für jeden der Kursmonate der durchschnittliche wöchentliche Zeitaufwand zu betrachten (siehe auch und ).

An Hand des von der Bf. vorgelegten Stundenplanes und des daraus von der belangten Behörde ermittelten monatlichen bzw. wöchentlichen Zeitaufwandes lt. Vorlagebericht ist dieser daher zuzustimmen, wenn in keinem der Monate ab November 2023 bis Juni 2024 ein wöchentlicher Zeitaufwand von 20 bis 30 Wochenstunden zuzüglich weiterer Lernzeiten erreicht wird.

Der monatliche und der durchschnittliche wöchentliche Zeitaufwand betragen demnach:


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Monat
Woche
November 2023
56
14
Dezember 2023
41
10,25
Jänner 2024
51
12,75
Februar 2024
46,5
11,6
März 2024
16
4
April 2024
36
9
Mai 2024
24
6
Juni 2024
27,5
6,9

Berufsausbildung im Sinne der von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Rechtsprechung liegt daher nicht vor und es besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Frage, wann "Berufsausbildung" im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 vorliegt, abweicht, war die (ordentliche) Revision auszuschließen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
/0017
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101383.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at