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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.11.2024, RV/7103375/2024

Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich bei frühzeitigem Abbruch der befristeten Entsendung in das Ausland aus familiären Gründen unter gleichzeitiger Beibehaltung des Eigenheims in Österreich trotz Mitzug der Familie

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende MMag. Elisabeth Brunner, die Richterin Mag. Maria Daniel sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Heinrich Witetschka und KR Ing. Hans Eisenkölbl über die Beschwerde von Bf***, Bf-Adr*** vertreten durch Vialto Austria Steuerberatung GmbH, Mariahilfer Straße 36/6. Stock, 1070 Wien, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer der Jahre 2017 und 2018 (Steuernummer Bf-SttNr1***) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Auf den im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom dargestellten Verfahrensgang wird verwiesen ().

Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf.

Mit Erkenntnis , hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Es besteht Streit darüber, ob Österreich das Besteuerungsrecht an dem im Zeitraum 2017 bis 2018 in den USA bezogenem Gehalt des Beschwerdeführers zusteht, bzw in welchem Staat der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis aufgrund einer befristeten Entsendung seines österreichischen Arbeitgebers für ein US-amerikanische Unternehmen tätig und übersiedelte zu diesem Zweck mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern samt zwei Haustieren in die USA.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem im Vorverfahren () festgestellten und unstrittigen Sachverhalt, welcher auch im fortgesetzten Verfahren zu Grunde zu legen ist.

Rechtliche Würdigung

Gemäß § 63 VwGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Gem § 1 Abs 1 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gem § 26 Abs 1 BAO hat jemand eine Wohnung iSd Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter dem "Innehaben" einer Wohnung die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit über diese Wohnung zu verfügen, insb sie für den Wohnbedarf jederzeit nützen zu können, zu verstehen ().

Für die Wohnsitzbegründung ist kein ständiger Aufenthalt im Inland erforderlich, solange die Verfügungsmacht über Räumlichkeiten besteht, die zum Wohnen geeignet sind. Bleibt eine Wohnung während des Auslandsaufenthaltes vollständig eingerichtet, wird sie unbewohnt zurückgelassen und auch nicht vermietet, ist davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten worden ist (vgl ).

Laut Sachverhalt steht fest, dass der Beschwerdeführer sowohl in Österreich als auch in den USA eine Wohnung innegehabt hat, die er für seinen Wohnbedarf jederzeit nutzen konnte.

Artikel 4 DBA USA bestimmt auszugsweise:

"(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck ,,eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, ihrer Staatsbürgerschaft, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Ortes ihrer Gründung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist; (...)

a) (…)

(…)

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt die Person in beiden Staaten oder in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;

d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln."

Der Beschwerdeführer hat im Streitzeitraum sowohl in Österreich als auch in den USA über Wohnräume verfügt, die als "ständige Wohnstätte" iSd DBA USA zu beurteilen sind.

In seiner Entscheidung vom () hat der VwGH die Entscheidung des BFG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben und zudem ausgesprochen, dass eine ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 rechtswidrig war, weil in dieser Sache eine weitere Entscheidung in Betracht kam.

Dabei führte der Verwaltungsgerichthof mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen lässt, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl ).

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , 2011/13/0091, jeweils mwN).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. , mwN).

Für den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich spricht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren das in Österreich als Nebenwohnsitz gemeldete Eigenheim, die während dieses Zeitraums durchgehende österreichische Sozialversicherungsnummer, Spendenzahlungen der Ehefrau in Österreich, Überweisungen auf ein österreichisches Bank- und Sparkonto, der bereits bei Wegzug aus Österreich bestehende Plan, die Kinder bei der Rückkehr wieder in das österreichische Schulsystem zu integrieren, der Aufenthalt der engen Verwandten des Beschwerdeführers (Vater, Schwiegermutter und Schwager) in Österreich sowie der weiterhin aufrechte Dienstvertrag mit seinem österreichischen Arbeitgeber.

Zudem hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen über konkrete persönliche Beziehungen erstattet, die über persönliche Beziehungen in Österreich hinausgingen, und mehr als die Angabe, Kontakt "auch in der Freiheit gepflegt" und eine "private Beziehung" zu Arbeitskollegen aufgebaut zu haben, enthielt. Es bestand auch keine Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in Vereinen in den USA.

Auch wenn ursprünglich eine dreijährige Entsendung geplant war und eine zweijährige Verlängerungsoption bestand, kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Beschwerdeführer schon im Frühjahr 2018 den Entschluss gefasst hatte, wieder nach Österreich zurückzukehren, um seinen Söhnen eine problemlose Wiedereingliederung in das österreichische Schulsystem zu ermöglichen und die Rückkehr tatsächlich nach 23 Monaten erfolgte. Gerade der Umstand, dass der Wiedereingliederung der Kinder ein wesentlich höherer Stellenwert als der Fortsetzung des gemeinsamen Aufenthaltes in den USA eingeräumt wurde, spricht dafür, dass auch während der Dauer des Auslandsaufenthaltes die engeren Bindungen zu Österreich bestanden. Zudem hat die wesentliche Bedeutung der schulischen Weiterentwicklung der Kinder für den Beschwerdeführer von Anfang an vorgelegen und sich durch dessen Erkundigungen vor und während seiner Entsendung bei der Schule und dem Bildungsministerium gezeigt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß gem § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war über die Beschwerde im fortgesetzten Verfahren nach Aufhebung des Vorerkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden und damit die vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebene Rechtslage herzustellen. Da dieses Erkenntnis dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 4 DBA USA (E), Doppelbesteuerungsabkommen Vereinigte Staaten von Amerika (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 6/1998
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103375.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at