Keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Mai 2017 sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Mai 2017, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der am TT.8.1967 geborene Beschwerdeführer (Bf.) beantragte am die Gewährung von Familienbeihilfe (A1) und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (A2) rückwirkend im Höchstausmaß von fünf Jahren ab Antragstellung (Mai 2017).
Beigelegt waren den Anträgen jeweils ein Behindertenausweis des Bundessozialamtes Kärnten vom , wonach beim Bf. ein Grad der Behinderung bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70% vorliege sowie das Formular Beih 3 vom , mit dem das LKH *** dem FA Wolfsberg bestätigte, dass der Bf. in der Schulausbildung und in der Berufsausbildung wesentlich beeinträchtigt sei und zwar im Wesentlichen wegen einer in der ersten Lebenswoche operativ entfernten Myelomenigocele und der daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen. Weiters wurde ein amtsärztliches Zeugnis vom vorgelegt, wonach der Bf. seit Geburt zu 80% erwerbsvermindert sei.
Die Anträge erläuterte der Bf. u.a. wie folgt:
"Ich bin von Geburt an erheblich behindert und bereits von meinen Eltern (mittlerweile
beide verstorben) wurde die erhöhte Familienbeihilfe bezogen (Eintritt erhebliche
Behinderung seit der Geburt d.h. jedenfalls vor dem 21. Lebensjahr).
Trotzdem habe ich zeitweise gearbeitet (Arbeitsversuche unternommen) und beziehe
seit 2007 eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension."
A1 wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass Familienbeihilfe nur dann zustehe, wenn vor dem 21. Lebensjahr dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Laut Untersuchung im Sozialministeriumservice sei diese mit eingetreten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. innerhalb verlängerter Beschwerdefrist am Beschwerde und verwies auf eine angeborenen Myelomenigocele und damit verbundene neurologische Ausfälle. Sein Vater habe auch über das 21. Lebensjahr hinaus und während der Berufsausbildung (HAK und begonnenes Universitätsstudium) die erhöhte Familienbeihilfe auf Grund der erheblichen Behinderung bezogen, wie sich aus den beigelegten und dem damals zuständigen Finanzamt vorgelegten Attesten ergebe. Der Gutachter des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, dem anlässlich der Untersuchung am diverse Befunde und Bestätigungen vorgelegt worden seien, habe zwar den Grad der Behinderung ab Geburt bestätigt, die dauernde Erwerbsunfähigkeit jedoch erst mit mit der Begründung festgestellt, dass "das befundbelegte Ausmaß des Leidenszustandes erst zu diesem Zeitpunkt objetivierbar sei". Insbesondere seien das auch im Zuge der Antragstellung und der Untersuchung vorgelegte Attest des LKH *** vom und die amtsärztliche Bestätigung vom nicht berücksichtigt worden bzw. scheinen im Gutachten nicht auf.
Der Bf. moniert weiteres fehlendes Parteiengehör, da ihm das Gutachten vor Bescheiderlassung nicht vorgelegen sei und es ihm daher erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens möglich gewesen sei, sich zum Bescheid und zum Gutachten zu äußern.
Das von ihm beim BASB angeforderte Gutachten sei ihm zwar mittlerweile zugestellt worden, das Fristverlängerungsansuchen betreffend Beschwerdeerhebung sei aber bis dato von der belangten Behörde nicht bearbeitet worden. Daher sei ihm nur der Weg der Beschwerde offengeblieben.
Im Übrigen sei die Bescheidbegründung mangelhaft, da zwar auf eine "Untersuchung beim Sozialministeriumservice" verwiesen werde, das Finanzamt hätte aber den Inhalt des Gutachtens darzulegen gehabt und die darauf gestützte Entscheidung entsprechend begründen müssen.
Der Bf. stellten den Antrag, das Finanzamt möge das Ermittlungsergebnis sowie das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom insbesondere hinsichtlich des Eintrittszeitpunktes der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (dauernde Erwerbsunfähigkeit) unter Heranziehung der zusätzlichen Befunde und Atteste prüfen und ergänzen lassen und unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Befunde und Atteste einer Beweiswürdigung unterziehen, pürfen und ergänzen lassen, ob die dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vordem 21. Lebensjahr (bzw. im Rahmen der späteren Berufsausbildung bis zum 25. Lebensjahr) festzustellen sei und dem Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe stattgeben.
Der Bf. legte folgende Unterlagen seiner Beschwerde bei:
Befund der neurochirurgischen Abteilung LKH *** vom ,
Befund der neurochirurgischen Abteilung LKH *** vom
Befund der neurochirurgischen Abteilung LKH *** vom
Befund der Urologie LKH *** vom
Befund Kinderklinik *** vom
Befund Kinderklinik *** vom
Befund Kinderklinik *** vom
Befund Kinderklinik *** vom
Attest der Unfallchirurg. Abteilung LKH *** vom
Befund der Urologie LKH ***
Befund der Urologie LKH *** vom
Befund der Urologie LKH *** und
Ärztl. Bestätigung der unfallchir. Abteilung LKH ***
Befund vom der Urologie LKH ***
Befund vom der Urologie LKH ***
Befundbericht vom der Urologie LKH ***
Befundbericht vom der Urologie LKH ***
Ärztl. Bestätigung der unfallchir. Abteilung LKH ***
Amtsärztl. Zeugnis der BH Wolfsberg vom
Erfolgsnachweis Wirtschaftsuniversität Wien vom
Ausdruck Antrag erhöhte Familienbeihilfe
MRT Lendenwirbelsäule vom (DZU)
Schriftverkehr (Gutachtensanforderung) mit BASB vom .
Am erging eine Beschwerdevorentscheidung mit folgendem Spruch:
"Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend der Beschwerde vom ,
eingelangt am ………….gegen den Abweisungsbescheid vom . Über die Beschwerde wird aufgrund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden:
Ihre Beschwerde vom wird als unbegründet abgewiesen.
Mit gegenständlicher Beschwerdevorentscheidung wird über den Abweisungsbescheid vom
, mit welchem Ihr Antrag vom auf Familienbeihilfe und
Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für Sie selbst für den Zeitraum ab Mai 2017
abgewiesen wurde, abgesprochen."
Als Begründung wurde auf das Sachverständigengutachten vom verwiesen, mit dem ein Grad der Behinderung von 70% ab und von 80% ab sowie dauernde Erwerbsunfähigkeit ab festgestellt worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem der Bf. folgendes vorbrachte:
Grundsätzlich verweise er auf sein Beschwerdevorbringen vom .
Es fehle abermals das Gutachten, auf das sich die belangte Behörde in ihrer Begründung beziehe. Die Verfahrensparteien müssten aber über alle notwendigen Informationen verfügen, die sie in die Lage versetzten, ein Gegengutachten in Auftrag zu geben.
Insbesondere wendet sich der Bf. gegen die Feststellung des begutachtenden Arztes im Gutachten vom , wonach eine frühere Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeit als mit Juni 2007 nicht möglich sei, da er nach 14-jähriger Erwerbstätigkeit in Pension gegangen sei. Aus § 252 ASVG ließe sich ableiten, dass eine als originär invalid eingestufte Person sehr wohl auch Beitragsmonate erwerben könne und solle, keineswegs bilde der Bezug einer Pension die Grundlage für die Absprache der Berufsunfähigkeit. Der Sachverständige gehe davon aus, dass der Bezug einer Pension die Erwerbsunfähigkeit und damit den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe grundsätzlich ausschließe.
Der Bf. verwies in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des OGH in 10 ObS 59/16y, wonach eine Berufstätigkeit und Erzielung eines Einkommens aufgrund des besonderen Entgegenkommens des Arbeitgebers oder aufgrund der Schädigung der eigenen Gesundheit durch die Erwerbstätigkeit nicht ausschließe, dass der Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt infolge Krankheit oder Gebrechen weiterhin erwerbsunfähig sei.
Wörtlich wird diese Rechtsprechung wie folgt zitiert:
Voraussetzung ist, dass die Erwerbsunfähigkeit einmal von einer autorisierten Stelle (das Sozialministeri umsservice) festgestellt wird und, im Fall von Volljährigen, die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw 25 Le bensjahr (bei einer weiteren Berufsausbildung) eingetreten ist.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt Erwerbsunfähigkeit aufgrund geistiger oder körperlicher Gebrechen vor, wenn jemand wegen des nicht nur vorübergehenden Zustands der körperlichen und geistigen Kräfte (und nicht etwa nur wegen der ungünstigen Lage des Arbeitsmarkt oder wegen vorübergehender Arbeitsun fähigkeit infolge Krankheit) nicht imstande ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen nennenswerten Er werb zu erzielen (RS00085536; RS0085556)
Die Erwerbsunfähigkeit nach § 252 Abs 2 Z 3 ASVG muss bereits vor den beiden in § 252 Abs 2 Z 1 und Z 2 ASVG genannten Zeitpunkten (Vollendung des 18. Lebensjahres oder Ablauf des in diesen Bestimmungen genannten Zeitraums) eingetreten sein und über diese Zeitpunkte hinaus andauern. Die Absicht des Gesetz gebers liegt darin, Versorgungsansprüche eines Kindes zu erhalten, nicht aber Versorgungsansprüche für Personen neu zu schaffen, die erst später ihre Erwerbsfähigkeit verloren haben. War im Zeitpunkt des Ein tritts der Erwerbsunfähigkeit die Kindeseigenschaft nicht mehr gegeben, so kann sie nicht wieder aufleben (RS0113891).
Bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit kommt es darauf an, ob das Kind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einem Erwerb nachgehen kann. Ausschlaggebend für den Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 252 Abs 2 Z 3 ASVG sind einem Erwerb nachgehen kann. Ausschlaggebend für den Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des Paragraph 252, Absatz 2, Ziffer 3, ASVG sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte. Darauf, ob und in welchem Umfang das Kind nicht dennoch - etwa auf Kosten seiner Gesundheitoder mit Hilfe anderer Personen - weiterhin ein Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit bezieht, ist nicht Bedacht zu nehmen (RS0085570, 10 ObS 59/16y). Ein Tatsachenschluss von dem
Zeitpunkt der gewährten Invaliditätspension auf die Erwerbsfähiqkeit vor diesem Zeitpunkt ist in dieser Form nicht zulässig." (Rechtssatz RS0085570 zu§ 252 Abs 2 Z2 ASVG).
Bei der ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten vorzunehmenden Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Sinn des § 252 Abs 2 Z 3 ASVG ist nicht auf äußere Umstände - wie etwa die Ausübung einer Berufstätigkeit trotz (weiter) bestehender Erwerbsunfähigkeit, vgl ausführlich 10 Obs 59/16Y SZ 30/44 - Bedacht zu nehmen.
Der Bf. stellte auch Überlegungen dahingehend an, wann ein sog. Arbeitsversuch vorliege und zitierte in diesem Zusammenhang das o.a. Erkenntnis des OGH wie folgt:
Selbst wenn ein Einkommen erzielt wird und das Einkommen über mehrere Jahre hinweg die Zuverdienstgrenze übersteigt, lebt der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wieder auf, wenn das Einkommen wieder unter die Zuverdienstgrenze sinkt. Zeiten, in denen die Einkommensgrenze überschritten wurde, gelten in diesem Fall als erfolgloser Arbeitsversuch (Lindmayr, Änderung des ASVG ua - BGBl. ARD 6110/21/2014).
Eine aufgrund einer über die 120 Monate hinausgehende sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit erworbene Pension wäre, vorausgesetzt die Erwerbsunfähigkeit wurde einmal vom Sozialversicherungsservice festgestellt, als erfolgloser Arbeitsversuch zu werten.
Ist eine Erwerbstätigkeit nur um den Preis möglich, dass dadurch der Leidenszustand negativ beeinflusst wird, oder unter der Voraussetzung, dass der Dienstgeber dem Erwerbstätigen über den auf dem allgemeinenArbeitsmarkt üblichen Rahmen hinaus entgegenkommt, liegt dennoch Erwerbsunfähigkeit vor, wenndem Versicherten unter Berücksichtigung seines Leidenszustands nicht zumutbar ist.
Mit der Anpassung des §252 ASVG ist die Härte bzw. das Risiko beseitigt worden, dass selbst gescheiterte Arbeitsversuche - unter der Voraussetzung des Fortbestehens der Erwerbsunfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt - zum Verlust der Pension oder Beihilfe führen kann.
Ein Erwerbseinkommen innerhalb der Zuverdienstgrenze oder eine Pension führt also nicht automatisch zu einem Verlust der Beihilfe oder steht der Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeit entgegen.
Der Sachverständige der BASB zieht einen unzulässigen Tatsachenschluss, indem er feststellt, dass die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeit aufgrund der Pensionierung 06/2007 nicht möglich sei.
Das Gutachten des Sachverständigen des BASB ist daher nicht nachvollziehbar bzw. unvollständig.
Bei der Feststellung, der nicht möglichen Zuerkennung der Beihilfe auf Grund der Pensionierung handle es sich um eine rechtliche Feststellung, für die der medizinische Sachverständige nicht zuständig sei, dieser habe sich auf medizinische Fakten zu beschränken.
Der Gutachter des BASB hätte aufgrund der Untersuchung/Befunde prüfen müssen, inwieweit eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Bzw. 25.Lebenjahr vorliegt und feststellen müssen, welche medizinischen Gründe ausschlaggebend dafür sind, dass trotz der vorliegenden, von Geburt an bestehenden, Behinderungen gemäß seinem Gutachten eine Erwerbsfähigkeit angenommen wurde.
Die Behörde hätte das Gutachten nicht einfach verwerten dürfen, sondern hätte sich mit dem Gutachten auseinandersetzen und ihre Entscheidung entsprechend begründen müssen. Das Gutachten hätte auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden müssen. Die Begründung des Gutachtens sei nicht nachvollziehbar, da nicht begründet worden sei, warum die Erwerbsunfähigkeit erst ab Juni 2007 vorliege. Der Bf. verwies auch auf das von ihm bereits vorgelegte Gutachten des Fachartzes für Neurologie und Psychatrie Dr. ***2***, der zu dem Schluss gekommen sei, dass beim Bf. auf Grund der angeborenen Meningomyelocele schon seit Geburt an Erwerbsunfähigkeit vorgelegen sei. Tatsächlich sei auch von Geburt an erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden. Der Sachverständige des BASB treffe die falsche Annahme, dass der Antragssteller, da er zeitweise einer Erwerbstätigkeit nachging, aus der er eine Pension beziehe, nicht erwerbsunfähig sei. Im Vergleich zum Gutachten des Dr. Klaus ***2*** hätte sich der Leidenszustand von der Geburt bis zum ja bessern müssen, wenn erst ab 06/2007 eine Erwerbsunfähigkeit vorlag.
Abschließend stellte der Bf. folgenden Antrag:
Ich ersuche daher die vom Finanzamt versäumte Prüfung der Sachverständigengutachten inkl. Bekanntgabeder Fragestellung, die das Finanzamt Österreich dem Sachverständigen des BASB erteilt hat, nachzuholen.
Da zwei widersprüchliche Gutachten vorliegen und das Gutachten des Sachverständen des BASB Fragen offenlässt und unzulässige juristische Wertungen enthält ersuche ich ggf. ein Ergänzungs-Gutachten eines Sachverständigen für Neurologie od. Neurochirurgie einzuholen, in welchem im Besonderen die Frage nach den durch die kongenitale lumbosakralen Myelomeningocele (MMC) verursachen Behinderungen beantwortet werden soll und inwieweit aufgrund dieser Behinderungen - retrospektiv betrachtet - voraussichtlich die Möglichkeit bestand, vor dem 18. Lebensjahr bzw. zu den in § 252 Abs. 2 Z1 und 2 ASVG genannten Zeitpunkten auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig zu werden und einen angemessenen Erwerb, ohne Schädigung der eigenen Gesundheit und ohne auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen zu sein, zu erzielen.
Das vom Bf. vorgelegte neurologische Gutachten, auf das sich dieser in seinem Vorbringen stützt, kommt zu folgender Beurteilung:
……………..wurde im Alter von 1 Monat eine sehr ausgedehnte lumbosakrale Meningomyelozele operiert. Seit dieser Zeit bestehen eine Stuhl- und Harninkontinenz sowie eine rechtsbetonte Paraspastik der unteren Extremitäten mit erheblicherGangbehinderung sowie einschießenden, krampfartigen Schmerzen der Beine.
Seit 2005 ist eine Encephalomyelitis disseminata mit schubförmigemVerlauf bekannt, in den letzten Jahren kein Schub.
Seit Pandemiebeginn ist die Gangstörung gering verschlechtert.
Erwähnenswert ist, dass Herr Mag. ***3*** trotz seiner schwerenBehinderung ein BWL-Studium begonnen hat, vorübergehend unterbrochen, letztlich aber doch erfolgreich abgeschlossen hat.
Von 1997 bis 2007 habe er gearbeitet (Bürotätigkeit), dies mit erheblicher Anstrengung und vor allem besonderem Entgegenkommen seines Arbeitgebers.
Er konnte damals bereits sehr viel von zu Hause arbeiten, er habe auch freie Zeiteinteilung gehabt.
Seit 2007 beziehe er die Berufsunfähigkeitspension.
Die Tatsache, dass Herr ……von 1997 bis 2007 gearbeitet hat, ist retrospektiv nicht dafür beweisend, dass er in dieser Zeit tatsächlich in medizinisch gutachterlicher Sicht tatsächlich erwerbsfähig war.
Es beweist lediglich seinen enormen Lebenswillen, Fleiß und Ausdauer. Seine berufliche Tätigkeit konnte nur mit allergrößten Schwierigkeiten und extremer Anstrengung, besonderem Entgegenkommen seines Chefs und freier Zeiteinteilung erfolgen.
Es ist retrospektiv davon auszugehen, dass die erhebliche Gangbehinderung verbunden mit krampfartigen durchgehend bei dem Patienten bestanden hat, ebenso die Stuhl- und Harninkontinenz. Keineswegs ist anzunehmen, dass der Leidenszustand vor 06/2007 maßgeblich besser gewesen sein sollte. Dies würde der Art und dem Ausmaß seiner angeborenen Erkrankung nicht entsprechen.Die massive Behinderung bestand und besteht seit seiner Geburt und wurde durch die später auftretende Multiple Sklerose und die mehrfach durchgeführten urologischen Operationen noch weiter verstärkt. Er war und ist weiterhin außer Stande, sich selbst Unterhalt zu verschaffen. Die Behinderung entsprach von Beginn an einem Dauerzustand.
Das befundbelegte Ausmaß des Leidenszustandes ist somit nicht erst abJuni 2007 objektivierbar, sondern aufgrund der angeborenen Erkrankung und damit verbundenen massiven Behinderung und Leidenszustände seit seiner Geburt, bzw. seit Eintritt in dasErwerbsleben.
A2 wurde mit Bescheid vom mit folgender Begründung abgewiesen:
Sie haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn Sie voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sind. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein (§ 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Bei Ihnen trifft dies nicht zu, da laut Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst mit Juni 2007, und somit nach Ihrem 21. bzw. 25. Geburtstag eingetreten ist.
Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zurallgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da Ihnen wie oben ausgeführt die allgemeineFamilienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schreiben vom Beschwerde und verwies auf sein bisheriges Vorbringen in der Bescheidbeschwerde vom und im Vorlageantrag vom .
Weiteres vertrat er die Auffassung, der "neuerliche Abweisungsbescheid sei rechtswidrig, da die Zuständigkeit mit seinem Vorlageantrag vom bereits auf das Bundesfinanzgericht übergegangen sei. Die neuerliche Bescheidausstellung sei von einer unzuständigen Behörde erfolgt, da über die Abweisung des Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom entschieden worden sei."
Es sei nur auf das Gutachten vom hingewiesen worden ohne dass der Bf. im Besitz desselben gewesen wäre und ohne dass die Behörde das Gutachten auf dessen Plausibilität geprüft hätte. Das Gutachten sei widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und unvollständig:
In ihrem Gutachten stellt die Sachverständige des BASB einerseits fest, dass eine schwere behinderungsbedingte Funktioneinschränkung vor dem 18. LJ (seit der Geburt) vorliegt, dass aber eine Selbsterhaltungsun fähigkeit vor dem 18./21. LJ trotzdem unter Inanspruchnahme der Unterstützungsmaßnahmen (Behinderten status) am allgemeinen Arbeitsmarkt möglich war. Die Sachverständige stellt somit einerseits fest, dass die übermittelten Befunde nicht ausreichend nachvollziehbar sind, befindet aber andererseits, dass trotz der Behinderungen eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt möglich war (beiliegend Befunde vom *** aus den 70er Jahren, welche ich im Zuge der Untersuchung am vorgelegt habe und welche eingesehen, aber nicht in Kopie übergeben wurden.)
Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Sachverständige einerseits zum Schluss kommt, dass der Leidenszustand rückwirkend aufgrund der Befunde nicht ausreichend feststellbar war, andererseits aber sehr wohl feststellbar war, dass eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt unter Inanspruchnahme von Unterstützungsmaßnahmen sehr wohl möglich war.
Die Sachverständige hätte zumindest darstellen müssen, welche Behinderung durch welche Art von Unterstützungsmaßnahme hätte kompensiert werden können und wie eine entsprechende Arbeitsplatzeinrichtung hätte aussehen müssen, ohne die Gesundheit weiter zu schädigen.
Dass trotz Erwerbstätigkeit Erwerbsunfähigkeit vorliegen könne, begründete der Bf. folgendermaßen:
Ist eine Erwerbstätigkeit nur um den Preis möglich, dass dadurch der Leidenszustand negativ beeinflusst wird, oder unter der Voraussetzung, dass der Dienstgeber dem Erwerbstätigen über den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Rahmen hinaus entgegenkommt, liegt dennoch Erwerbsunfähigkeit vor, wenn dem Versicherten eine Beschäftigung unter Berücksichtigung seines Leidenszustandes nicht zumutbar ist.
Erwerbsunfähigkeit liegt weiters vor, wenn eine Erwerbstätigkeit nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass der Dienstgeber dem Erwerbstätigen über den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Rahmen hinaus entgegenkommt (10 ObS 59/16y SSV-NF 30/44, Pkt 2.5).
Ob der Kläger auf ein solches besonderesEntgegenkommen des Dienstgebers angewiesen wäre, ist eine Rechtsfrage (vgl zur Möglichkeit der Aus übung einer Verweisungstätigkeit 10 ObS 201/01h SSV-NF 15/96; 10 ObS 81/15g SSV-NF 30/14 Pkt 4).
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Zunächst wurde auf ein Telefonat mit dem Bf. am hingewiesen, in dem diesem erläutert worden sei, dass mit dem Abweisungsbescheid vom nur über den Antrag auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) nicht aber über den Antrag auf den Erhöhungsbetrag abgesprochen worden sei. Die vorliegenden Bescheinigungen des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom , und stellten übereinstimmend einen Gesamtgrad der Behinderung von 70 % ab und einen solchen von 80 % ab sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit jeweils ab Juni 2007 fest. Die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei demnach nicht vor dem 21. bzw. 27./25. Lebensjahr eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom 24.3.3024 in dem der Bf. auf den Text der Beschwerdevorentscheidung vom verweist, in der es wörtlich heißt:
"Mit gegenständlicher Beschwerdevorentscheidung wird über den Abweisungsbescheid vom , mit welchem Ihr Antrag vom auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für Sie selbst für den Zeitraum ab Mai 2017abgewiesen wurde, abgesprochen."
Mit seinem Vorlageantrag vom sei daher die Zuständigkeit der Entscheidung über die Gewährung der Familienbeihilfe UND Erhöhungsbetrag vom Finanzamt an das Bundesfinanzgericht übergegangen, der Abweisungsbescheid vom sei daher rechtswidrig, da er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei.
Im Übrigen verweise er auf die Ausführungen in der Beschwerde und dem Vorlageantrag vom .
Der Bf. wurde beim Bundesamt für Soziales-und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice), Landesstelle Wien, i.Z. mit dem gegenständlichen Verfahren dreimal untersucht und folgende Gutachten erstellt:
Gutachten (G1) vom (Untersuchung vom ), auszugsweise:
Anamnese:
Lumbosacrale Myelomeningocele seit Geburt
1967 neurochirurgische Operation , Blasen und Mastdarmstörung, Empfindungstörungen
der Unterschenkel und Bewegungseinschränkung der Füße
wiederholte Operationen wegen Harnentleerungsstörungen , Sphinkter 1987, Austausch
1988,1999 und 2022-8
funktionale Einezlniere seit der Schulzeit bekannt, Dialyse 2006-2007
2007-6 NTX, Kreatinin von Anfang an nicht normalisiert,
hoher Blutdruck durch die Niereninsuffizienz
2005 Diagnose einer MS mit leichter residueller Schwäche im re. Bein und Gefühlsstörung
li. Fuß, letzter Schub 2015
………..
Sozialanamnese:
In Pension seit 2007 als techn. Angestellter, Matura 1987, Studium für Betriebswirtschaft
nach 5 Jahren abgebrochen, dann gearbeitet bis 2007 zuletzt in Ingenieursbüro, dann das
Studium 2009 beendet und geringfügig bis vor 2 Jahren dazuverdient,
er sei viel daheim gehe ins Kino, in Kärnten gehe er Fischen, Wandern schwierig, da er nicht
so weit gehen könne, ledig, keine Kinder
wohnt alleine in einer Genossenschaftswohnung im 5. Stock mit Lift, barrierefrei, kein PG
Relevante Befunde:
2022-11 Dr. ***, Neurologe:…………….
2022-10 Klinik ***………
Ergebnis:
GdB liegt vor seit: 06/2007
GdB 70 liegt vor seit: 08/1967
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Eine Rückwirkende Anerkennung von 80% für die Zeit ab 6/2007 ist aufgrund der damals erfolgten Nierentransplantation anzunehmen, auch für die Zeit davor ist aus heutiger Sicht ein Gdb von 70% aufgrund der angeborenen Myelomeningocele gerechtfertigt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ist jedoch aufgrund das befundbelegte Ausmaß des Leidenszustandes erst ab 06/2007 objektivierbar.
………….. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt
zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 06/2007
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht gegeben da eine chronische Transplantat Insuffizienz und Proteinurie vorhanden ist welche in Kombination mit den Folgen nach Meningomyelocele die Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen.
Gutachten (GA 2) vom (Untersuchung am ), auszugsweise und soweit abweichend von GA 1:
Sozialanamnese:
In Pension seit 2007 als techn. Angestellter, Matura 1987 , Studium für Betriebswirtschaft
nach 7 Jahren abgebrochen, dann ab 1994 gearbeitet bis 2007 zuletzt in Ingenieursbüro ,
dann das Studium 2009 in der Pension beendet und geringfügig bis vor 2 Jahren dazuverdient. Er
habe trotz seiner Leiden gearbeitet, wären eigentlich erwerbsunfähig gewesen und werde
"jetzt bestraft" weil er diesen Arbeitsversuch unternommen habe.
Relevante Befunde:
1971-12 LKH ***: Myelomenigocele sacralis, vor 3 Jahren plastisch verschlossen,
bereits vor der Operation fehlte der Analreflex, somatisch gut entwickelt, ein
Hydrocephalus ist nicht entstanden, Unterinnvervation des rechte Fibularbereichs
1984- 11 LKH: operativ versorgt in der ersten Lebenswoche, seit dieser Zeit inkontinent,
1985- 1 LKH ***, Uro: Myelomeningocele/chron. Niereninsuffizienz im Stad, der
kompensierten Retention (Serum-Kreatinin 2,7 mg%) Hydrcnephrose beids.
1985-3 LKH ***: typischer Befund der kombinierten motoriseh-sensorischen
Detrusorparese nach MMC, restharnfreie Miktion nach Sphinkterotomie und
Liorealtherapie
1987-5 LKH ***, Prim ***3***: angeborene Anomalie am dlst. Ende der LWS
Myelomengocele Die operative Versorgung erfolgte in den ersten Lebenswochen. Es
resultierte durch diesen fehlerhaften Verschluß des Wirbelrohres Nervenlähmungen, die
sich hauptsächlich im Bereiche der Blase und des Mastdarmes abspielen und zu einer
Inkontinenz geführt haben.
1987-7 LKH ***: Aufgrund des VUR beidseits Grad II-III bei bekannter neurogener
Blasenentleerungsstörung ist zunächst die Antirefluxplastik beidseits geplant.. HWI,
Myelomeningocele mit autonomer Harnblase , normale HArnblasencomliance normale
Harnblasenkapazität St.p. Sphinterotomie, normale Harnblaseninnendrucke. Bei
Harnlassen Entleerung mittels Bauchpresse, Z.n. seinerzeitigen VUR Grad IV
1987- 12 Kärnten: Stat-p. MMC Stat Sphinkterotomie 1985» komplette Inkontinenz. Stat-p.
vesicoureterorenaler Reflux bds. Grad III, Stat.p. Antirefluxplastik nach Cohen beids am 87
08 2o, Implantation eines arteficiellen Sphinkters AMS 8oo
1988- 2 LKH ***, Uro: Status post Sphinkterotomie sowie Status post
Antirefluxplastik nach Cohen bds. Zustand nach Sphinkterimplantation 87-3 bei
automatischer Blase im Rahmen einer neurogenen Blasenentleerungsstörung bei
Myeolomeningocele - am Sphinkter aktivierung - danach ist der Patient
Kontinent
1989-1 LKH ***: Sphinkterdefekt bei St.p. Implantation eines artifiziellen Sphinkters
am , St.p. Sphinkterotomie und Antirefluxplastik bds. nach Cohen. Autonome
Harnblase im Rahmen einer neurogenen Blasenentleerungsstörung bei Myelomeningocele
Am Explantation eines defekten Sphinkter und neue Implantation eines
artifiziellen Sphinkter AMS 800. zufriedenstellend. Blasenentleerung bis auf 20 ml REstharn
möglich.
1994-3 Erfolgsnachweis It. Studienblatt im Studium für Handelswissenschaft
2013-6 MRT LWS bei Schmerzen der LWS. Zustand nach Operation einer
Meningomyelozele vor 45 Jahren, Niereninsuff………….
2023-1 Klinik ***, Neurolog. Ambulanz: prim schubhafte MS Erkrankung EDSS 3.0
ohne spezif. immunmodul. Therapie diesbez. ohne Schub seit 8/2015 klein, wie vorbekannt
nach Schub res. Schwäche der rechte UE seit 2015, Hypästhesie linke Fußrücken und lat.
Fußrand, Visus li. in Obs., seit 2019 aber Progredienz der Gangstörung, Epiretinale
Membran linkes Auge seit 8/2019 in Obs., Immunsupr. Therapie nach
Nierentransplantation 6/2007
chron. Transplantat Insuffizienz…………………….
2023-2 Klinik ***,………………. Nephro: rez. Harnwegsinfekte, mit div. AB Therapien ua………
2023-3 Dr. ***2***, Neurologe: lumbosacrale Meningomyelocele, Operation im Alter von 1
Monat mit Stuhl- und Harninkontinenz seit der Geburt, Encephalomyelitis disseminata seit
2005 bekannt, schubförmiger Verlauf, Protrusionen C5,6 unnd L3-4, Zustand nach
Nierentransplantation 6-2007, chronische Niereinsuffizienz, Proteinurie, renale Anämie
und arterieller Bluthochdruck, Nebenschilddrüsenadenom seit 2020
Ergebnis:
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 5+6, dies führt jedoch zu keiner Änderung des Gesamtgrades der Behinderung.
Der BW ging - It. eigenen Angaben - nach ca. 14 jähriger Erwerbstätigkeit 2007 in EU-Pension , eine frühere Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeit ist daher nicht möglich.
GdB liegt vor seit: 06/2007
GdB 70 liegt vor seit: 08/1967
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Die rückwirkende Anerkennung von 80% für die Zeit ab 6/2007 ist infolge der damals erfolgten Nierentransplantation anzunehmen, jedoch ist auch für die Zeit davor aus heutiger Sicht ein Gdb von 70% wegen der angeborenen Myelomeningocele gerechtfertigt. Aufgrund der Kombination mit der schubförmig verlaufenden Encephalomyelitis ab 2005 und der Nierentransplantation mit chronischer Abstoßungsreaktion, immunsuppressiven Therapie, regelmäßig erforderlichen Selbstkatheterismus und in der Folge rezidivierenden Harnwegsinfekten, Proteinurie und renaler Anämie ist die dauernde Erwerbsunfähigkeit jedoch erst ab 06/2007 objektivierbar.
………………..ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt
zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 06/2007
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht gegeben da eine chronische
Transplantat Insuffizienz und Proteinurie vorhanden ist welche in Kombination mit den Folgen nach Meningomyelocele die Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen.
Gutachten (GA 3) vom (Untersuchung am ), auszugsweise (dem Bundesfinanzgericht über dessen Ersuchen durch den Bf. per E-Mail vom übermittelt)
Anamnese:
Lumbosacrale Myelomeningocele seit Geburt
1967 neurochirurgische Sanierung
Blasen und Mastdarmstörung, Empfindungsstörungen der Unterschenkel und
Bewegungseinschränkung der Füße
wiederholte Operationen wegen Harnentleerungsstörungen, Operation am Sphinkter
(künstlicher Sphinkter) 1987, Austausch 1988, 1999, 8/22 und 10/ 23.
2 Nieren angelegt, rechte Niere habe nicht funktioniert, links nur teilweise- dies habe sich
verschlechtert.
Dialyse 2006-2007
2007-6 NTX , Kreatinin von Anfang an nicht normalisiert.
hoher Blutdruck durch die Niereninsuffizienz
2005 Diagnose einer MS mit leichter residueller Schwäche im re. Bein und Gefühlsstörung
li. Fuß, Copaxone von 2005- 2007, letzter Schub 2015 (insgesamt 4 Schübe). Keine weitere
Therapie mehr, da Immunsupression nach Ntx
Seit der Transplantation Selbstkatherismus 6x/Tag
2023 Biopsie des Transplantates mit Bestätigung einer chronischen Abstoßungsreaktion
mit Erhöhung der immunsupressiven Therapie
seit voriger Woche Kniebeschwerden rechts - es sei angeschwollen
Sozialanamnese:
VS, 4a Gymnasium, dann HAK mit Matura 1987.
Er sei vom Turnunterricht nicht befreit gewesen, habe das absichtlich so gewollt. Im
Gymnasium habe er eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gehabt, wo er Platz für die
Einlagen hatte und Möglichkeit des Wechsels
Die Gehstrecke sei damals ein paar hundert Meter gewesen.
Bundesheer: untauglich
Studium für Betriebswirtschaft nach 5 Jahren abgebrochen
Ab 1993 bis 2007 in einem Ingenieursbüro tätig- Vollzeit.
Seit 2007 in Pension als techn. Angestellter (anamn. wegen Belastungen durch Dialyse)
in der Pension habe er 2009 das Studium beendet und geringfügig gearbeitet bis 2017………..
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorlageantrag gem. § 264 (1) BAO - in Anlage Befund NervenFA Dr. ***2***
(bereits beim Vorgutachten zitiert) :
......Erwähnenswert ist ,dass Herr Mag. ***3*** trotz seiner schweren Behinderung ein
BWL Studium begonnen hat....von 1997- 2007 habe er gearbeitet, dies mit erheblicher
Anstrengung und vor allem dem besonderen Entgegenkommen seines Arbeitsgebers.
......die Tatsache, dass Hr. Mag. ***3*** von 1997- 2007 gearbeitet hat, ist
retrospektiv nicht dafür beweisend, dass er in dieser Zeit tatsächlich in medizinisch
gutachterlicher Sicht tatsächlich erwerbsfähig war. Es beweist lediglich seinen enormen
Lebenswilllen, Fleiß und Ausdauer.....
zur Untersuchung mitgebrachte Unterlagen (teils bereits beim Vorgutachten vorliegend):
Neurochirurgischer Bericht Uni Klinik *** : eingesehen
MRT LWS : eingesehen
Ambulanzbrief UK *** Urologie :
HD:
Z.n. Manschettentausch 8 auf 10cm über Unterbauchlaparatomie bei Wunsch
nach etwas Spontanentleerung bei rez. Harnwegsinfekten und schlechter werdenden NTZ
Funktion.....
Problemlose AMS 800 Spinkteraktivierung
Gentamicin 160mg intravesikale Instillation 3x wö weiter empfohlen......
Befundkonvolut *** Kinderklinik - : eingesehen
Der Gesamtgrad der Behinderung wurde erneut mit 80% festgestellt und diesbezüglich auf die Vorgutachten verwiesen. Weiteres wurde die Frage, ob der Bf. voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen mit JA beantwortet.
Diese Schlussfolgerung wurde wie folgt begründet:
"Diese besteht seit: 06/2007
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es liegt eine schwere behinderungsbedingte Funktionseinschränkung vor dem 18. LJ (seit Geburt) vor.
Jedoch ist weder aus der Anamnese, noch aus den vorliegenden Befunden dies in einem solchen Ausmaß nachvollziehbar, dass daraus eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ resultiert hätte. Trotz der Gehbeeinträchtigung bei erhaltender selbstständiger Mobilität und Blasen/ Mastdarmfunktionsstörung, bei unbeeinträchtigter Funktion der Arme und ohne dem Vorliegen von kognitiven Einbußen war eine Selbsterhaltung unter Inanspruchnahme der Unterstützungsmaßnahmen (Behindertenstatus) am allgemeinen Arbeitsmarkt möglich.
Eine Selbsterhaltungsunfähigkeit ist ab dem Zeitpunkt der Dialysenotwendigkeit bzw. nach der Nierentransplantation mit notwendiger immunsuppressiver Therapie, regelmäßig erforderlichen mehrfach täglichen Selbstkatheterismus und den daraus resultierenden Belastungen nachvollziehbar und ab 06/2007 mit Erhalt der krankheitsbedingten Pension zu bestätigen."
Per E-Mail vom übermittelte der Bf. auch das Gutachten des Neurologen Dr. ***2*** vom . Dieses ist bereits bei Gutachtenerstellung des GA 2 und in der Folge auch bei Gutachtenerstellung des GA 3 dem Gutachter (der Gutachterin) vorgelegen (siehe die wörtliche Zitierung daraus, ebendort).
In dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt befindet sich auch ein Sozialversicherungsdatenauszug, wonach der Bf. seit eine Berufsunfähigkeitspension bezieht.
Lt. Akteninhalt bezog der Vater des Bf. Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe bis . Eine Studienbestätigung der WU Wien wurde der belangten Behörde vorgelegt
Eine Recherche der erkennenden Richterin im Internet unter
www. wko.at/statistik/extranet/langzeit/lang-einkommen.pdf ergab, dass gem. der "Statistik Austria" das monatliche Durchschnittseinkommen in Österreich im Jahr 2006 brutto 2.830 € betrug.
Lt. dem im elektronischen Akt auffindbaren Lohnzettel des Bf. aus dem Jahr 2006 (dem Jahr vor seiner Pensionierung) betrug sein jährliches Bruttogehalt 55.122 €, somit (unter Annahme einer 14x-igen Auszahlung) brutto 3.937,28 .
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde am TT.8.1967 geboren.
Er vollendet am TT.8.1985 das 18., am TT.8.1988 das 21. Und am TT.8.1992 das 25. Lebensjahr.
Eine seit Geburt bestehende lumbosacrale Myelomeningocele wurde noch im Jahr der Geburt operativ entfernt. Es verblieben Blasen-und Darmentleerungsstörungen (Inkontinenz), die ab dem Kindesalter zu diversen Operationen führten, sowie Empfindungsstörungen in den Beinen und Füßen.
Im Jahr 2005 wurde eine Encephalomyelitis disseminata (MS) diagnostiziert, der letzte Schub ist 2015 aufgetreten.
Im Juni 2007 wurde eine Niere entfernt und eine Nierentransplantation durchgeführt. Als deren Folge trat eine chronische Transplantatinsuffizienz auf sowie eine damit verbundene Proteinurie und Bluthochdruck.
Der Bf. beendete 1987 die HAK mit Matura und begann dann das Studium der Betriebswirtschaft, das er nach fünf Jahren abbrach (das Studium wurde in der Pension 2009 beendet).
Eine Studienbestätigung der WU Wien wurde vorgelegt.
Der Vater des Bf. bezog bis zum Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe. Zu diesem Zeitpunkt war der Bf. 26 Jahre alt.
Von 1993 bis 2007 arbeitete in einem Ingenieursbüro in Vollzeit. Vom Arbeitgeber wurden ihm die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung sowie des Arbeitens von zu Hause aus eingeräumt.
Seit bezieht der Bf. eine Berufsunfähigkeitspension.
Der Grad der Behinderung beträgt seit der Geburt 70%, der Bf. besitzt einen Behindertenausweis, ausgestellt am .
Ein Grad der Behinderung von 80% wurde erstmals anlässlich der Untersuchung beim Bundessozialamt am und zwar ab Juni 2007 festgestellt.
In allen drei vorliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice wird der Beginn der Erwerbsunfähigkeit mit Juni 2007 festgestellt.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie weitere Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht.
Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Betreffend A1:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3).
Betreffend des "Eigenanspruches auf Familienbeihilfe" wird in § 6 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: "Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist."
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) ist somit gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 bzw. gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967). Dies bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen (siehe auch ; , 2011/16/0063). Auch bei einer Behinderung von 100 % ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (). Allerdings ist bis zum 25. Lebensjahr auch § 2 Abs. 1 lit. h (§ 6 Abs. 2 lit. g) zu beachten. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu. Wenn beim Bf. daher ein Grad der Behinderung ab Geburt von 70% festgestellt worden war, so spielt dieser für die Frage der Erwerbsfähigkeit rückwirkend ab Mai 2017 keine Rolle, da der Bf. zu diesem Zeitpunkt jedenfalls volljährig war. Zu beachten ist auch, dass der Vater des Bf., wie dieser zu recht vorbringt, zwar Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bezogen hat, jedoch stand dieser Anspruch in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Erwerbsunfähigkeit. Vielmehr standen dem Vater bis zum 18. Lebensjahr Grund-und Erhöhungsbetrag auf Grund der zumindest 50%-igen Behinderung (im Konkreten 70%) und danach der Grundbetrag auf Grund des Universitätsstudiums des Sohnes gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 i.d.z. geltenden Fassung (bis zum 27. Lebensjahr) und der Erhöhungsbetrag gem. § 8 Abs. 5 FLAG 1967 auf Grund der zumindest 50%-igen Behinderung zu.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Dabei kann sich das das Sozialministeriumservice aus einer eigenen Sachverständigenliste von zur Berufsausübung berechtigter Ärzte zwecks Erstattung der Bescheinigungen gem. § 8 Abs. 6 FLAG bedienen, die nicht in der Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingetragen sind. Es besteht jedoch kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an ().
Dem Antrag des Bf. auf Einholung eines (Ergänzungs-)gutachtens durch einen Sachverständigen für Neurologie und Neurochirurgie war daher seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht nachzukommen. Im Übrigen war die Sachverständige anlässlich der Untersuchung am Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie.
Bei der Antwort auf die Frage, ob ein Kind dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl., § 8, Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , mwN.).
Dem Bf. ist insoweit zuzustimmen, als dem Bescheid vom nicht zu entnehmen ist, auf welche Untersuchung bzw. welches Gutachten die belangte Behörde die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe stützt. Der Bescheid ist daher mangelhaft begründet. Dies allein führt jedoch noch nicht zur Aufhebung eines Bescheides (). Begründungsmängel im erstinstanzlichen Verfahren können nach einschlägiger Fachliteratur und nach der Judikatur der Höchstgerichte im Rechtsmittelverfahren saniert werden.
Der Bf. rügt auch die Verletzung des Parteiengehörs, da ihm das Gutachten, mit dem die Behörde allem Anschein nach die Abweisung seines Antrages begründen wollte (GA 1) im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht bekannt gewesen sei., ebenso auch nicht das Gutachten vom , mit dem die Abweisung der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung begründet wurde. Zu diesem Vorbringen ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein Mangel hinreichenden Parteiengehörs in erster Instanz durch die Möglichkeit, den Standpunkt im Berufungsverfahren (nunmehr Beschwerdeverfahren) auszuführen, geheilt wird (; ). Der Bf. hatte im Rechtsmittelverfahren nunmehr ausreichend Gelegenheit seinen Standpunkt zu vertreten, sodass kein Verfahrensmangel mehr vorliegt.
Der Bf. erachtet sich zusammengefasst in seinem Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe rückwirkend ab Mai 2017 dadurch verletzt, dass die Gutachten des Sozialministeriumservice übereinstimmend die Erwerbsunfähigkeit erst ab Juni 2007 feststellen und somit für den am TT.8.1967 geborenen Bf. erst ab dem 39. Lebensjahr.
In dieser Feststellung kann das Bundesfinanzgericht keine Unschlüssigkeit erkennen, da dieser Zeitpunkt zwar mit der Pensionierung zusammenfällt mit dieser aber entgegen der Auffassung des Bf., nicht die Erwerbsunfähigkeit begründet wird. Vielmehr sehen alle drei Gutachter die vorangegangene Nierentransplantation sowie deren gesundheitliche Folgen als jenen Zeitpunkt an für den die Erwerbsunfähigkeit feststellbar ist. Die Pensionierung wird als Folge dieses Eingriffs gesehen. Zur Verdeutlichung sei hier nochmals auf die jeweiligen Begründungen der Erwerbsunfähigkeit in den Gutachten verwiesen:
GA 1:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht gegeben da eine chronische Transplantat Insuffizienz und Proteinurie vorhanden ist welche in Kombination mit den Folgen nach Meningomyelocele die Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen.
GA 2:
Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht gegeben da eine chronische Transplantat Insuffizienz und Proteinurie vorhanden ist welche in Kombination mit den Folgen nach Meningomyelocele die Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen.
GA 3:
Eine Selbsterhaltungsunfähigkeit ist ab dem Zeitpunkt der Dialysenotwendigkeit bzw. nach der Nierentransplantation mit notwendiger immunsuppressiver Therapie, regelmäßig erforderlichen mehrfach täglichen Selbstkatheterismus und den daraus resultierenden Belastungen nachvollziehbar und ab 06/2007 mit Erhalt der krankheitsbedingten Pension zu bestätigen."
Das vom Bf. dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Gutachten des Neurologen "Dr. ***2*** ist im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch dieses nicht gesondert zu würdigen. Es wurde jedoch festgestellt, dass dieses Gutachten bereits Eingang in die Gutachtenerstellung von GA 3 durch das Sozialministeriumservice gefunden hat.
Richtig ist, dass das amtsärztliche Zeugnis vom in keinem der drei Gutachten Erwähnung findet (der Bf. sei seit Geburt zu 80% erwerbsvermindert). Da jedoch die Krankheit durch andere-berücksichtigte- Unterlagen-evident ist, der %-Satz der Behinderung für die Frage der Erwerbsfähigkeit keine Rolle spielt und die Feststellung der Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 nur durch Ärzte des Bundessozialamtes zu erfolgen hat, ist darin kein Verfahrensmangel zu erblicken. Gleiches gilt für die in der Beschwerde angeführten Befunde vom und vom , hingegen fanden die erwähnten Befunde , , , , , und im Gutachten vom Berücksichtigung.
Nach Würdigung der vorliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice ergibt sich für das Bundesfinanzgericht folgendes Bild:
Unzweifelhaft lag beim Bf. bereits ab Geburt ein Krankheitsbild vor, das zu schweren gesundheitlichen Problemen und Beeinträchtigungen im Ausbildungsverlauf und der Lebensqualität im Allgemeinen führte. Wie aber der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2014/16/0010 ausführte, stellt § 6 Abs. 2 lit. d FLAG darauf ab, dass die Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.
Entgegen der Auffassung des Bf. müssen daher weder die zugegebenermaßen seit Geburt bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch die von ihm behauptete Verschlechterung seines Zustandes in den Jahren 1985 bis 1989 laut den als Nachweis dafür angeführten ärztlichen Diagnosen und Maßnahmen bereits zu diesem Zeitpunkt zu einer Erwerbsunfähigkeit geführt haben.
Der Bf. verweist weiters darauf, dass er zwar gearbeitet habe, die Erbringung der Arbeitsleistung aber nur durch besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers im Hinblick auf seinen gesundheitlichen Zustand möglich gewesen sei. Er sei eigentlich arbeitsunfähig gewesen, es habe sich um einen Arbeitsversuch gehandelt. Zu diesem Vorbringen ist folgendes auszuführen:
"Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind auf dem ersten Arbeitsmarkt, also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten.
Laut eigenen Angaben des Bf. im Zuge der Untersuchungen hat er ab 1993 bzw. ab 1994 bis 2007 in einem Ingenieurbüro gearbeitet. Hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses spricht der Bf. von "besonderem Entgegenkommen des Arbeitgebers", "freier Zeiteinteilung und "Arbeiten von zu Hause aus".
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit auch die Art der Behinderung und die trotz Behinderung verrichtbare Tätigkeit entscheidungswesentlich (). Selbsterhaltungsfähigkeit würde demnach nicht vorliegen, wenn eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitsgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werde, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten. Andererseits ist auch bei einer Behinderung von 100 % nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (nochmals ).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 90/13/0129, ausführte, steht ein "Entgegenkommen der Arbeitgeber" nicht der Annahme entgegen, eine Person sei auf Grund ihrer Arbeitsleistungen in der Lage, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (siehe dazu auch betreffend "Rücksichtnahme des Arbeitgebers") Der Sachverhalt bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Bf. nicht die von seinem Arbeitgeber erwartete Arbeitsleistung erbringen hätte können und wird dies von ihm auch nicht behauptet. Mit dem gleichen Argument muss auch dem Vorbringen begegnet werden, es habe sich bei der Beschäftigung um einen Arbeitsversuch gehandelt. Vielmehr war der Bf. trotz des in den Gutachten anamnestisch seit Geburt bestehenden festgestellten Krankheitsbildes fähig, die vom Arbeitgeber erwartete Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Indiz dafür ist, dass der Bf. lt. der im Sachverhalt angeführten Recherche der Richterin im Internet im Jahr vor der Pensionierung (2006) ein monatliches Bruttogehalt von € 3.937,28 (Jahresgehalt lt. vorliegendem Lohnzettel € 55.122:14) bezog, während das durchschnittliche Monatsbruttogehalt in Österreich im Jahr 2006 € 2.830.- betrug.
Von behinderten Personen werden immer wieder, oft wiederholt, Versuche unternommen, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden (vgl. ). Derartige Arbeitsversuche schließen Erwerbsfähigkeit aus. (vgl. vom ). Im gegenständlichen Fall hat der Bf. von 1994 bis 2007 bei ein und demselben Arbeitgeber gearbeitet. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Eingliederung in das Erwerbsleben erfolgreich verlief, auch wenn das Arbeitsumfeld offensichtlich, wie geschildert, den Bedürfnissen des Bf. angepasst wurde. Dies war jedoch nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes nicht in einem Ausmaß der Fall, das den Schluss zuließe, die Erwerbstätigkeit des Bf. wäre andernfalls zum Scheitern verurteilt gewesen, zumal die angeführten Erleichterungen ("freie Zeiteinteilung, Arbeiten von zu Hause aus") in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich sind.
Die Tatsache, dass der Bf. ab eine Berufsunfähigkeitspension bezog weist ebenfalls daraufhin, dass er davor nicht erbwerbsunfähig gewesen ist ( ). In diesem Sinne versteht das Bundesfinanzgericht auch die Feststellung im Gutachten vom , "er sei nach 14-jähriger Erwerbstätigkeit in "EU Pension" gegangen, eine frühere Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeit sei daher nicht möglich". Der Bf. bemerkt richtig, dass es sich dabei nicht um eine medizinisch begründete Feststellung handelt, doch hat der Sachverständige, wie bereits ausgeführt, die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit mit Juni 2007 sehrwohl auch medizinisch begründet.
Auch dass der Bf. für den Wehrdienst untauglich war, sagt nichts über die Erwerbsfähigkeit im Zivilbereich aus ().
Er war somit jedenfalls "erwerbsfähig" im familienbeihilfenrechtlichen Sinn und ist den als schlüssig zu betrachtenden Gutachten des Sozialministeriumservice zu folgen, wonach die Erwerbsunfähigkeit mit Juni 2007 eingetreten ist.
Hinsichtlich der Ausführungen des Bf., dass sozialversicherungsrechtlich trotz Zuerkennung einer Pension Erwerbsunfähigkeit vorliegen kann und daher die Begründung des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit mit dem Antritt der Pension unschlüssig sei, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine solche Begründung keinem der drei Gutachten zu entnehmen ist. Vielmehr wird der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit übereinstimmend mit der Nierentransplantation und den daraus resultierenden gesundheitlichen Problemen begründet. Die Nierentransplantation wiederum wird als Folgeerscheinung der bei Geburt bestehenden Myelomeningocele und deren Folgen gesehen.
Der Bf. begründet sein Vorbringen, es habe sich bei seiner Tätigkeit um einen Arbeitsversuch gehandelt auch mit der Rechtsprechung des OGH im Erkenntnis 10ObS59/16y.
Dazu ist auszuführen: Da das Bundesfinanzgericht gem. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 hinsichtlich der Frage der Erwerbsunfähigkeit bzw. des Zeitpunktes deren Eintritt an die als schlüssig befundenen Gutachten gebunden ist, erübrigen sich Überlegungen dahingehend, ob die Rechtsprechung des OGH zu § 119 Abs. 3 BSVG auf den gegenständlichen Fall anwendbar ist.
Darüberhinaus ist die Rechtsprechung des OGH in dem vom Bf. zur Begründung seiner Beschwerde herangezogenen Erkenntnis 10ObS59/16y vom auch aus folgenden Gründen nicht anwendbar:
Der Sachverhalt, der dem Erkenntnis des OGH zu Grunde liegt unterscheidet sich wesentlich von jenem des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens. In der Entscheidung des OGH ging es darum, ob der Anspruch auf eine einmal über das 18. Lebensjahr hinaus zuerkannte Waisenpension infolge Erwerbsunfähigkeit durch Aufnahme einer Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt wegfällt. Der OGH verneinte dies mit der Begründung, dass der anzuwendende § 119 Abs. 3 BSVG nicht den automatischen Wegfall der Waisenpension regle, sondern vielmehr den weiterbestehenden Anspruch infolge einer einmal medizinisch festgestellten Erwerbsunfähigkeit. Werde die Tätigkeit daraufhin beendet sei die Erwerbstätigkeit als Arbeitsversuch zu werten und der Anspruch auf Waisenpension bestehe weiter. Im gegenständlichen Fall wurde ab 1994 ein Erwerbseinkommen erzielt, die Erwerbsunfähigkeit wurde aber erst mit Juni 2007 festgestellt. Es geht hier also nicht um die Aufrechterhaltung eines einmal festgestellten Anspruches, sondern um die Begründung eines Anspruches.
Lt. OGH können der Bezug einer Waisenpension wegen Erwerbsunfähigkeit und ein Erwerbseinkommen nebeneinander bestehen. Der Bf. argumentiert, dass das Ende seiner Tätigkeit und der Bezug der Berufsunfähigkeitspension an seiner bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Erwerbsunfähigkeit nichts ändern. Dies war jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall. Daher ist auch aus dem Vorbringen, es habe sich bei seiner Tätigkeit um einen Arbeitsversuch gehandelt nicht gewonnen. Der OGH stellt unter Punkt 4.3. des Erkenntnisses folgendes fest:
"Damit im Zusammenhang steht auch eine Novelle des FLAG (BGBl I 2014/53). Um die Befürchtungen nicht selbsterhaltungsfähiger behinderter Menschen auszuräumen, dass sie die erhöhte Familienbeihilfe dauerhaft verlieren könnten, sollte ein Arbeitsversuch am offenen Arbeitsmarkt scheitern, wurde mit Wirksamkeit ab gesetzlich klargestellt, dass auch dann, wenn das Einkommen über mehrere Jahre hinweg die Zuverdienstgrenze übersteigt, der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wieder auflebt, wenn das Einkommen wieder unter die Zuverdienstgrenze sinkt. Voraussetzung ist, dass das Sozialministeriumservice einmal die Erwerbsunfähigkeit als Dauerzustand festgestellt hat. Ein neuerliches Sachverständigengutachten ist nicht erforderlich. Zeiten, in denen die Einkommensgrenze überschritten wurde, gelten in diesem Fall als erfolgloser Arbeitsversuch ( Lindmayr , Änderung des ASVG ua - BGBl, ARD 6410/21/2014)."
Bei der angesprochenen Novellierung handelt es sich um die Einführung des § 8 Abs. 6a FLAG 1967 mit . Im Familienbeihilfenrecht wird also auch die "Weitergeltung" einer einmal festgestellten Erwerbsunfähigkeit geregelt, allerdings im Hinblick auf die Einkommenshöhe während einer Erwerbstätigkeit.
Wesentlich ist aber immer jener Zeitpunkt, für den die Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird und zwar wie bereits mehrfach betont, durch ein Gutachten des Sozialministeriumservice.
Ob die Tätigkeit, wie der Bf. unter Hinweis auf den OGH vorbringt," seinen Leidenszustand negativ beeinflusst hat und unter Berücksichtigung seines Leidenszustandes nicht zumutbar gewesen sei", ist eine medizinische Frage, die nicht vom Bundesfinanzgericht zu beurteilen ist.
Die Gutachter des Sozialministeriumservice sehen dies offensichtlich nicht so, da kein Konnex hergestellt wird zwischen der Tätigkeit und der Art der Erkrankung und keine Aussage darüber getroffen wird, ob die Erwerbstätigkeit allenfalls zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes geführt hat. Dazu bot aber die Anamnese unter Berücksichtigung der in den Gutachten angeführten Befunden offenbar keinen Anlass.
Das Bundesfinanzgericht betrachtet daher zusammengefasst die vorliegenden Gutachten nicht als unschlüssig, wenn diese den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Juni 2007, das ist jener Zeitpunkt, zu dem sich der Bf. einer Nierentransplantation unterziehen musste, feststellen. Es ist nachvollziehbar, dass dieser Eingriff die Ursache weiterer gesundheitlichen Probleme war, wie in den Gutachten ausgeführt und somit zu einer mehr als drei Jahre andauernden Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen führte. Auch wenn sich der Bf. in den ersten Lebenswochen der Operation einer bereits bei der Geburt vorhandenen Myelomeningocele unterziehen musste und in der Folge Zeit seines Lebens an Blasen-und Darmentleerungsstörungen litt und noch leidet gelang ihm ein Schulabschluss (Matura 1987), der Beginn eines Universitätsstudiums und die Eingliederung in das Erwerbsleben. Von einem krankheitsbedingten Abbruch des Studiums ist nicht auszugehen, da auch die Schule erfolgreich abgeschlossen werden konnte, an das Studium eine mehrjährige Berufstätigkeit anschloss und das Studium in der Pension beendet werden konnte. Nach Abbruch des Studiums war der Bf. 13 Jahre erwerbstätig und bezog, jedenfalls vor der Nierentransplantation und dem Bezug der Berufsunfähigkeitspension, ein überdurchschnittliches Gehalt als Angestellter. Der Bezug einer Berufsunfähigkeitspension ist im Familienbeihilfenrecht ein Indiz dafür, dass der Bezieher davor erwerbstätig und auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert war. Es ist daher nicht unschlüssig, wenn ein ärztliches Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice in Zusammenhang mit medizinischen Feststellungen, die durch Befunde belegt sein müssen, für einen solchen Zeitraum die Erwerbsfähigkeit bejaht.
Der Bf. beendete das 21. Lebensjahr am TT.8.1988 und das 25. Lebensjahr am TT.8.1992 das 25. Lebensjahr. Der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit wurde von den medizinischen Sachverständigen des Sozialministeriumservice in schlüssiger Weise mit Juni 2007 festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Bf. 39 Jahre alt.
Familienbeihilfe (Grundbetrag) steht daher gem. § 2 Abs.1 lit. c FLAG 1967 i.V.m. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 nicht zu und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Betreffend A2:
Der Bf. bekämpft den Bescheid vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages mit der Begründung, dass über diesen Antrag bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom entschieden worden sei.
Dazu ist auszuführen, dass dem Bf. insoweit zuzustimmen ist, als sich der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom ihrem Wortlaut nach auch auf die Beschwerde gegen den Bescheid vom richtet "mit dem der Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe" abgewiesen worden war. Zu diesem Zeitpunkt war aber über den nämlichen Antrag noch nicht entschieden worden, sondern erst mit Bescheid vom .
Gemäß § 243 Abs.1 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Einer rechtsgültig erlassenen Beschwerdevorentscheidung müssen folglich ein ordnungsgemäß erlassener Bescheid, sowie eine zulässige Beschwerde zu Grunde liegen.
Der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag sind jeweils in zwei verschiedenen Formularen getrennt zu beantragen. Üblicherweise werden diese Anträge vom FA Österreich in einem Bescheid abgehandelt, obwohl es sich formalrechtlich um zwei voneinander unabhängige Ansprüche handelt.
Im gegenständlichen Fall lag im Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung (noch) kein Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vor, sondern nur betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe. Folgerichtig wurde vom Bf. daher auch nur gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe Beschwerde erhoben.
Für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist grundsätzlich das Erklärte und nicht das Gewollte maßgebend (vgl. Ritz, BAO5, § 85 Tz 1). Bei einem eindeutigen Inhalt ist eine davon abweichende, nach außen auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck kommende, Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl. Ritz, BAO5, § 85 Tz 1). Das Erklärte ist nur bei undeutlichem Inhalt einer Auslegung zugänglich. Angewendet auf den gegenständlichen Fall bedeutet dieser Grundsatz, dass die belangte Behörde zwar mit Beschwerdevorentscheidung vom ihrem Wortlaut nach auch über die Beschwerde gegen den Bescheid vom "mit dem der Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe" abgewiesen worden war, entschieden hat ihr jedoch nicht unterstellt werden kann, sie habe inhaltlich mit der Beschwerdevorentscheidung über eine (vermeintliche) Beschwerde gegen einen (vermeintlichen) Bescheid absprechen wollen, zumal zum kein diesbezüglicher Bescheid und daher auch keine diesbezügliche Beschwerde vorlagen.
Es war daher verfahrensrechtlich zulässig, über den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vom erst mit Bescheid vom zu entscheiden.
Die Beschwerde vom gegen diesen Bescheid wurde auf Grund des Vorlageantrages vom infolge der Beschwerdevorentscheidung vom am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Inhaltlich hat sich das Bundesfinanzgericht gemäß dem Spruch des Bescheides vom mit der Frage zu befassen, ob dem Bf. der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ab Mai 2017 zusteht.
Hinsichtlich des Vorbringens, der Bescheid habe nur auf das Gutachten vom hingewiesen ohne dass der Bf. im Besitz desselben gewesen wäre und ohne dass die Behörde das Gutachten auf dessen Plausibilität geprüft hätte, wird dem Bf. zugestimmt und hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen eines Begründungsmangels eines Bescheides auf die Ausführungen in diesem Erkenntnis zu A1 zu verweisen. Nicht begründet ist jedoch das Vorbringen, das Gutachten sei widersprüchlich, nicht nachvollziehbar und unvollständig, da die Sachverständige einerseits auf eine schwere behinderungsbedingte Funktionseinschränkung vor dem 18. Lebensjahr bzw. ab Geburt hinweise und andererseits die Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr feststelle.
Ob dem Bf. der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht, bestimmt sich nach § 8 FLAG 1967. Dieser lautet auszugsweise:
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Da einem volljährigen Kind von den Fällen des Studiums und der Berufsausbildung abgesehen, der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe i.V.m. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 nur gewährt wird, wenn es auf Grund einer vor dem 21. Lebensjahr bzw. bei Berufsausbildung vor dem 25. Lebensjahr eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Lebnsunterhalt zu verschaffen, ist bezüglich der Frage, ob diese Voraussetzung vorliegt, auf die Begründung zu A1 zu verweisen.
Wie den Ausführungen zu A1 zu entnehmen ist, gelangte das Bundesfinanzgericht zur Auffassung, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist, da der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise durch drei Gutachten des Sozialministeriumservice mit Juni 2007 festgestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Bf. bereits 39 Jahre alt.
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit dem der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages abgewiesen worden war, war daher als unbegründet abzuweisen
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das Erkenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu den maßgelblichen Bestimmungen des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 folgt, war die (ordentliche) Revision auszuschließen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101244.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at