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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.10.2024, RV/3100381/2024

Familienbeihilfe - Grundbetrag: Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zweieinhalb Monate nach Vollendung des 21. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe ab November 2022 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der Familienbeihilfe wegen "körperlicher und psychischer Erkrankung" für ihren im April 2002 geborenen Sohn für den Zeitraum ab November 2022.

Im Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihren Sohn vom gab sie folgende erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung an: "Diabetes Mellitus Typ 1, Substitutionstherapie - dzt. in Stationärer Behandlung in Wien (Schweizerhaus Hadersdorf)". Sie beantragte den Erhöhungsbetrag ab November 2022.

Den Anträgen ging ein Überprüfungsschreiben des Finanzamtes voraus. Dieses beantwortete die Beschwerdeführerin im Februar 2023 dahingehend, dass sich ihr Sohn in der Zeit von bis in Untersuchungshaft befunden habe, dass er schwer krank sei und voraussichtlich ab eine Langzeittherapie antreten werde. Erst wenn er wieder gesund sei, könne er seine Lehrabschlussprüfung ablegen.

2. Nach einer Begutachtung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wies das Finanzamt mit Bescheiden vom sowohl den Antrag auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe als auch jenen auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab. Die Abweisung des Antrages auf den Grundbetrag begründete das Finanzamt damit, für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe zu, wenn es wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Auf das Kind der Beschwerdeführerin treffe diese Voraussetzung nicht zu. In der Begründung betreffend die Abweisung des Antrages auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung führte das Finanzamt aus, der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung werde als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da für das Kind der Beschwerdeführerin die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

3. In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Sohn sei laut dem Sachverständigengutachten derzeit arbeitsunfähig und auf unbestimmte Zeit nicht fähig sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Es sei nicht absehbar, wie lange dieser Zustand noch andauern werde. Der Grad der Behinderung sei mit derzeit 50 v.H. festgestellt worden. Aus ihrer Sicht wäre daher die Familienbeihilfe sowie der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung zumindest für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bzw. bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres zu gewähren. Sie ersuche um nochmalige Prüfung.

4. Nach einer weiteren Begutachtung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Grundbetrag mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Nach Anführung der hier anzuwendenden Normen führte das Finanzamt aus, aufgrund des neuerlichen Gutachtens werde der Grad der Behinderung ab mit 40 %, ab mit 50 % und ab mit 60 % festgestellt. Die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei ab festgestellt worden. Da das 21. Lebensjahr im April 2023 vollendet worden sei, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.

5. Im Vorlageantrag vom ersuchte die Beschwerdeführerin um nochmalige Prüfung. Der 21. Geburtstag ihres Sohnes sei im April 2023, also nur zweieinhalb Monate vor Erreichen der 50 %, gewesen. Der gesundheitliche Zustand ihres Sohnes (Suchterkrankung, Diabetes, Hepatitis C…) habe jedoch mit Sicherheit schon vor April 2023 jenem vom entsprochen. Zudem sei eine Berufsausbildung wegen einer bereits im März 2023 begonnenen Langzeittherapie gar nicht möglich gewesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist im April 2002 geboren und hat im April 2020 das 18. und im April 2023 das 21. Lebensjahr vollendet.

Er wohnte von August 2020 bis Jänner 2023 in der ***1*** in ***2*** (siehe Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom und Vorhaltsbeantwortung vom ).

2. Er leidet an Polytoxikomanie und insulinpflichtigem Diabetes (siehe Sachverständigengutachten vom ). Bei ihm ist die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, im Juli 2023, also nach Vollendung seines 21. Lebensjahres, eingetreten (siehe Gutachten des Sozialministeriumsservice vom und vom und unten stehende Überlegungen).

3. Im Streitzeitraum befand sich der Sohn der Beschwerdeführerin nicht in Berufsausbildung; er hatte in dieser Zeit kein Einkommen, seine Eltern haben seine Unterhaltskosten getragen (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ).

In der Zeit von bis hat er sich zudem in Untersuchungshaft befunden (siehe Entlassungsbestätigung der Justizanstalt Innsbruck vom ). Seine Wohnung in ***2*** wurde von seinen Eltern während seiner Untersuchungshaft aufgelöst, seit seiner Entlassung wohnt er wieder in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ).

4. Die Beschwerdeführerin wohnt seit dem Jahr 1975 an der Adresse ***3*** in ***4*** (siehe Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom ).

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen bzw. liegen diesen folgende Überlegungen zugrunde:

1. Die Höhe des Grades der Behinderung ist bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, dann nicht von Bedeutung, wenn die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist. Liegt deren Eintritt danach, so muss der Grad der Behinderung zumindest 50% betragen und das Kind sich in Berufsausbildung befinden (oder einer der anderen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 vorliegen), um einen Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe zu begründen. Besteht keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

2. Das Bundesfinanzgericht folgt darin, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem vollendeten 21. Lebensjahr eingetreten ist, den aktenkundigen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom und vom .

a. Im Gutachten vom stellt der begutachtende Arzt einen Grad der Behinderung von 50 v.H. fest und führt dazu aus, der Sohn der Beschwerdeführerin leide an Diabetes mellitus, insulinpflichtigem Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage, hohem Insulinbedarf bei bekannt schwieriger Diabeteseinstellung und Polytoxikomanie (Leiden 1) und beurteilt den Grad der Behinderung mit 40 %. Zudem leide er an Suchterkrankungen mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen, Opiatabhängigkeit - lfd. Substitutionsprogramm mit Compensan (Leiden 2); der Grad der Behinderung betrage 40 %. Das Leiden 2 erhöhe wegen negativer gegenseitiger Leidensbeeinflussung mit Leiden 1 den Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe. Der Gesamtgrad der Behinderung liege vor seit Juni 2023, da keine Befunde vorlägen, ab wann die Substitutionsbehandlung begonnen bzw. seit wann der Patient eine Suchterkrankung habe.

Weiters stellt der Gutachter fest, der Sohn der Beschwerdeführerin könne sich selbst den Unterhalt verschaffen. Dies begründet er damit, dass keine Befunde vorlägen, die für eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit sprächen. Zum Zeitpunkt der Begutachtung sei keine Arbeitsfähigkeit gegeben, diese solle sich aber im Laufe der Substitutionsbehandlung noch ergeben.

b. In einem weiteren Gutachten vom wird folgendes Ergebnis festgehalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Polytoxikomanie
Unterer RSW entsprechend der emotionalen Instabilität mit Polytoxikomanie und nun erforderlicher Langzeitentzugstherapie
50
2
Insulinpflichtiger Diabetes
Oberer RSW entsprechend den Blutzuckerschwankungen unter Insulintherapie
40

Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 6o v. H., er ergebe sich führend durch die GS1 und werde durch die GS2 wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe angehoben. Seit dem Vorgutachten sei eine Verschlechterung um eine Stufe eingetreten.

Der Grad der Behinderung liege seit Oktober 2023 vor. Seit Juli 2023 sei der Sohn der Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da zum Zeitpunkt der Begutachtung am allgemeinen Arbeitsmarkt krankheitsbedingt keine Konkurrenzfähigkeit bestehe.

c. Das Gutachten vom stützt sich auf einen Befund vom Oktober 2023 mit den Diagnosen Opiatabhängigkeit bei aktueller Substitution, psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika, schädlicher Gebrauch, primär insulinpflichtiger Diabetes mellitus I.

Im Gutachten vom wurde hinsichtlich der Suchtmittelerkrankung des Sohnes der Beschwerdeführerin ein Befund vom Juni 2023 herangezogen. Die dortigen Diagnosen lauten: "Metabolische Azidose bei entgleistem DM I - z.B. Gastroenteritis Polytoxikomanie Z.b. Opiatabhängigkeit - lfd. Substitutionsprogramm mit Compensan [Das Kind] ist ein DM Typ 1 Patient sowie Substitutionsprogramm bei Z.n. Opiat Abusus".

Die Feststellungen in den Gutachten sind schlüssig und vollständig. Sämtliche Feststellungen beruhen auf Befunden, die Gutachter haben keine unbegründeten Annahmen oder Feststellungen getroffen. Auch die Annahme im Gutachten vom , dass der Sohn der Beschwerdeführerin voraussichtlich (noch) nicht dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde schlüssig vom Gutachter begründet. Da keine Befunde vorgelegen haben, die für eine dauernde Arbeitsunfähigkeit gesprochen haben, eine Arbeitsfähigkeit aber zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht gegeben war und sich diese jedoch im Laufe der Substitutionsbehandlung noch ergeben sollte, ist es für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar, dass der Gutachter davon ausgegangen ist, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Juli 2023 voraussichtlich noch nicht dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dem widerspricht zudem nicht die Annahme im Gutachten vom , dass der Sohn der Beschwerdeführerin seit Juli 2023 dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies wurde schlüssig damit begründet, dass am allgemeinen Arbeitsmarkt krankheitsbedingt keine Konkurrenzfähigkeit besteht. In Zusammenschau mit dem Gutachten vom , in dem der Gutachter feststellte, dass im Juli 2023 keine Arbeitsfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin gegeben war, ist die Feststellung der Gutachterin im Gutachten vom hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeit schlüssig.

d. § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt darauf ab, dass das Kind auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt; die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintritts der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen (; siehe auch , zum Zeitpunkt des Eintritts eines Behinderungsgrades von 50 %). Liegen keine Befunde vor einem bestimmten Zeitraum vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit bereits von vorneherein ausschließt ().

Wenn die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag vorbringt, der gesundheitliche Zustand ihres Sohnes habe mit Sicherheit schon vor seinem 21. Geburtstag jenem vom entsprochen, so zeigt diese Einwendung nicht die Unschlüssigkeit der Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf. Trotz der Übermittlung der Sachverständigengutachten an die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme und der Begründung in den Gutachten, dass keine Befunde vorlägen, die für eine frühere dauerhafte Arbeitsunfähigkeit sprechen würden, hat die Beschwerdeführerin keine geeigneten Unterlagen darüber vorgelegt. Im Vorlageantrag gibt sie weiters an, ihr Sohn habe sich seit März 2023 in einer Langzeittherapie befunden, entsprechende Unterlagen oder Befunde wurden jedoch nicht vorgelegt. Beim Sohn der Beschwerdeführerin liegt auch kein Leidenszustand vor, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit von vorneherein ausschließt. Vielmehr hat sich der Gesundheitszustand des Sohnes aufgrund seiner Suchterkrankung laufend verschlechtert, was sich auch darin zeigt, dass der Grad der Behinderung seit März 2020 40 %, seit Juni 2023 50 % und seit Oktober 2023 60 % betragen hat. Somit sind aber die Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom und vom schlüssig, da eine vor Juli 2023 eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht feststellbar war; (erst) ab Juli 2023 war jedenfalls eine Arbeitsunfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Nach § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Für die Verlängerung der Frist bis zum 25. Lebensjahr ist entscheidend, dass eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b oder lit h FLAG 1967 vorliegt.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält (lit a). Allein auf den Umstand einer Verhaftung und Verhängung der Untersuchungshaft kann die Annahme nicht gestützt werden, dass ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr gegeben gewesen wäre. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird etwa durch gewisse, durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt. Eine Untersuchungshaft zählt zu solchen Unterbrechungen (; ).

2. Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Dies bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen (s auch ; , 2011/16/0063). Auch bei einer Behinderung von 100 % ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (). Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967).

3. Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

4. Hinsichtlich der Höhe des Grades der Behinderung ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl., § 8, Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , mwN.).

Wurde von der Abgabenbehörde bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt, erweist sich dieses als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (siehe ).

5. Bei volljährigen Kindern besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe einerseits dann, wenn der Grundbetrag auch ohne Vorliegen einer Behinderung zusteht (z.B. das Kind befindet sich in einer Berufsausbildung). In diesem Fall steht der Erhöhungsbetrag dann zu, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % vorliegt oder das Kind voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der (volljährige) Sohn der Beschwerdeführerin hat sich im Streitzeitraum nicht in einer Berufsausbildung befunden. Somit vermitteln § 2 Abs. 1 lit b sowie d-l FLAG 1967 keinen Anspruch auf den Grundbetrag an Familienbeihilfe (und auch nicht auf den Erhöhungsbetrag).

Andererseits besteht bei volljährigen Kindern ein Anspruch auf den Grundbetrag (und den Erhöhungsbetrag), wenn das Kind wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen stellen in schlüssiger Weise fest, dass der Sohn der Beschwerdeführerin (erst) nach Vollendung des 21. Lebensjahres voraussichtlich dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Wie bereits oben ausgeführt, hat sich der Sohn der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum, also zwischen der Vollendung seines 21. und seines 25. Lebensjahres, nicht in Berufsausbildung befunden; daher müsste ein Eintritt der Unterhaltsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorliegen. Somit vermittelt auch § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 keinen Anspruch auf den Grundbetrag (und den Erhöhungsbetrag) der Familienbeihilfe.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, die Familienbeihilfe (und der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung) wären zumindest für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bzw. bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres zu gewähren, da ihr Sohn laut Sachverständigengutachten vom Juli 2023 "derzeit arbeitsunfähig und auf unbestimmte Zeit nicht fähig [sei] sich selbst den Unterhalt zu verschaffen", kann daher nicht gefolgt werden.

Die Beschwerde war daher bereits aus diesem Grund abzuweisen.

6. Der Anspruch auf Familienbeihilfe knüpft an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Der Sohn der Beschwerdeführerin hatte im Streitzeitraum zunächst einen eigenen Haushalt. Während seiner Untersuchungshaft gilt seine Zugehörigkeit zu seinem (eigenen) Haushalt nicht als aufgehoben (vgl. § 2 Abs. 5 lit a FLAG 1967). Seit Jänner 2023 teilt er einen Haushalt mit seinen Eltern.

Gehört eine Person nicht zum Haushalt des Kindes, so hat sie dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trägt. Die Unterhaltskosten des Sohnes der Beschwerdeführerin wurden im gesamten Zeitraum ausschließlich von seinen Eltern getragen.

Gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor, wenn ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt. Für den Zeitraum ab Februar 2023 wäre daher grundsätzlich die Beschwerdeführerin familienbeihilfenanspruchsberechtigt, wenn es sich beim anspruchsauslösenden Kind um ein solches gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 handeln würde (siehe dazu bereits Punkt II.3.1.5.).

Wer von beiden Elternteilen im Zeitraum von November 2022 bis Jänner 2023 die überwiegenden Kosten getragen hat, wurde von der Beschwerdeführerin nicht angegeben. Feststellungen dazu können aber unterbleiben, da der Anspruch auf Familienbeihilfe schon deshalb zu verneinen ist, weil es sich beim Sohn der Beschwerdeführerin nicht um ein in § 2 Abs. 1 FLAG 1967 genanntes Kind handelt.

7. Mit Stellungnahme vom hat das Finanzamt nach entsprechendem Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes klargestellt, dass die Beschwerdevorentscheidung vom zur Beschwerde gegen den Grundbetrag ergangen ist. Mit der Erledigung hinsichtlich der Beschwerde gegen den Erhöhungsbetrag werde bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Verfahrens zugewartet, da der Erhöhungsbetrag von der Gewährung des Grundbetrages abhänge.

Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn die Abgabenbehörde bereits zuvor mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl ; ).

Auch wenn im dem Bundesfinanzgericht übermittelten Vorlagebericht sowohl der Abweisungsbescheid betreffend den Antrag auf den Grundbetrag als auch jener betreffend den Antrag auf den Erhöhungsbetrag angeführt sind, ist das Bundesfinanzgericht nicht für die Entscheidung betreffend die Beschwerde gegen den Erhöhungsbetrag zuständig, da die entsprechende Beschwerdevorentscheidung noch zu erlassen ist (vgl. § 281a BAO). Dagegen könnte jedoch die Beschwerdeführerin wiederum einen Vorlageantrag einbringen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Innsbruck, am

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