Außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** DS ***1*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabengutschrift sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) brachte am per Finanzonline beim Finanzamt die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 ein. Darin wurden ua. von ihr außergewöhnliche Belastungen bei ihrer eigenen Behinderung (50 %) in Höhe von € 3.971,52 beantragt.
Im Verfahren der Abgabenbehörde kam es zu insgesamt 3 Vorhalteverfahren v., v. sowie v. , mit denen die Bfin. aufgefordert wurde, eine Kostenaufstellung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen belegmäßig nachzuweisen sowie ärztliche Atteste des behandelnden Arztes nachzureichen.
In den Vorhaltsbeantwortungen v. , v. und v. wurden von der Bfin. die angeforderten Unterlagen/das Attest v. (Dr. ***4***) nachgereicht.
Einkommensteuerbescheid 2019 v.
Jene Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt anerkannt wurden, wirkten sich steuerlich nicht aus (Selbstbehalt in der Höhe von € 4.890,05).
Das Finanzamt berücksichtigte weiters den Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von € 401,00 sowie nachgewiesene Kosten nach der zugrundliegenden Verordnung (ao.Belastung) in Höhe von € 2.285,32 als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt (eigene Behinderung der Bfin. wegen Brustoperation).
Beschwerde v.
Dagegen wurde von der Bfin. fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt:
"Im Einkommensteuerbescheid 2019 wurden ao. Belastungen in der Höhe v. € 2.080,- mangels ärztlichem Attest nicht berücksichtigt. Im Anhang lege ich die entsprechende Bestätigung des behandelnden Arztes, Dr. ***4***, bei und ersuche um Berücksichtigung."
Beschwerdevorentscheidung vom
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid vom ab und berechnete eine Abgabennachforderung v. € 686,00. Begründend wurde dazu vom Finanzamt wie folgt ausgeführt:
"Für die Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung ist erforderlich, dass nachweislich eine Krankheit vorliegt, die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit steht und eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung der Krankheit darstellt. Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Nicht abzugsfähig sind daher Aufwendungen für die Vorbeugung vor Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit. Krankheitskosten sind nur insofern zusätzlich unter dem Titel der Hilfsmittel und Heilbehandlungen gern. § 4 VO BGBl. iVm § 35 EStG 1988 anzuerkennen, als ein direkter Zusammenhang mit der Krankheit, wobei für die einzelne Erkrankung ein Ausmaß von mindestens 25% Erwerbsminderung festgestellt werden muss, hergestellt werden kann. Laut Sachverständigengutachten des "Sozialministeriumservice" wurde bei Ihnen eine 50%ige Erwerbsminderung, für Ihre Erkrankung "Brustkrebs links", festgestellt. Es können daher nur Kosten, welche in direktem Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen, als außergewöhnliche Belastung ohne Anrechnung eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden (Bepanthen und Leukoplast Leukomed, Dr. ***5***, Lymphdrainage und ***6***). Bezüglich der Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel (z.B.: Serosan), Vitamine, Schüsslersalze, Chinesische Entgiftungspflaster etc. wird festgestellt, dass Aufwendungen für Stärkungsmittel und
nichtmedizinische Produkte generell zu den nichtabzugsfähigen Aufwendungen gemäß § 20 Abs. 1 Zi 1 und 2 EStG 1988 zählen, die lediglich im Rahmen einer ärztlichen Verordnung abzugsfähig sein können. Die beantragten Aufwendungen sind somit nicht unter den Begriff Krankheitskosten zu subsumieren sind, selbst wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können. Die Kosten für das Laboratorium ***8*** für eine pro bnp Untersuchung betreffen eine mögliche Herzerkrankung, diese Kosten sind daher nur unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abzugsfähig. Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal (z.B. Physiotherapeuten, Osteopathen u. dergl.) sind grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt wurden, eine nachträglich durch den Hausarzt ausgestellte Bestätigung kommt keinerVerordnung gleich. Diese ist vielmehr vor Beginn einer Behandlung auszustellen. Dies gilt auch für Kosten im Zusammenhang mit Kuraufenthalten oder kurähnlichen Aufenthalten oder Behandlungen. Nachdem weder eine ärztliche Verordnung Vorgelegen ist, noch Kostenersätze durch die Sozialversicherung geleistet wurden, sind die Kosten für die Physiotherapie, Osteopathie, Shiatsu- Behandlungen und das Viva Gesundheitshotel sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von 4.890,05 Euro."
Vorlageantrag v.
Mit Eingabe vom11.03.2022 brachte die Bfin. einen Vorlageantrag über FinanzOnline, vertreten durch ihre steuerliche Vertretung, v. ein. Die vertretene Bfin. führte darin aus:
"Sehr geehrte Damen und Herren! Ich lege innerhalb der offenen Frist gegen den Bescheid 2019 das Rechtsmittel der "Beschwerde" ein. Ich beantrage die außergewöhnlichen Belastungen für meine 50%ige Behinderung auf Grund der tatsächlichen Kosten in Höhe von € 4.618,30 zu berücksichtigen. Da bei mir eine Krankheit vorliegt, sind gemäß §34 EStG RL 902c Aufwendungen für Medikamente und Heilbehandlungen zu berücksichtigen, da ich diese teilweise selber zahlen musste. Im Anhang lege ich Ihnen meine Kostenaufstellung, eine Begründung von Herrn Dr. ***4*** und Frau MSc ***7***, mein ärztliches Attest von Herrn Dr. ***4*** sowie eine Fotografie meiner Narbe vor. Ich ersuche um antragsgemäße Erledigung und bedanke mich für Ihre Bemühungen. Mit freundlichen Grüßen"
In der Beilage zum Vorlageantrag wurde folgende Kosten im Zusammenhang mit der ao.Belastung beantragt:
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Ao.Belastung | lt. Aufstellung der stl. Vertretung imVorlageantrag v. € | |
Pos. 1 | Apotheke | 138,95 |
Pos. 2 | ***6*** | 287,81 |
Pos. 3 | Dr. ***5*** | 60,00 |
Pos. 4 | ***9*** Lymphdrainage ***10*** Vergütung ***11*** | 711,10 |
Pos. 5 | ***7*** MSc ***10*** | 880,00 |
Pos. 6 | Osteotherapie erst 2020 bez. | 0,00 |
Pos. 7 | ***12*** Kurzentrum Dr. ***13***/Dr.***14*** | 658,00 |
Pos. 8 | ***15*** Dipl. Shiatsu-Praktikerin | 1.200,00 |
Pos. 9 | Dr. ***8*** Labor4 x € 30,00 | 120,00 |
sowie
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KM-Geld | € | |
***9***, ***10*** Hin-und Retourfahrt | 36 KM x 20 (Anzahl der Fahrten) | 309,60 |
***7***, ***10*** Hin-und Retourfahrt | 36 KM x 11 | 170,28 |
Gesundheitshotel ***12*** 2853 ***10*** Hin- und Retourfahrt | 192 KM | 82,56 |
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Für die Bfin., geb. am ***16***, entstanden nach einer Brustoperation (links) und damit in Zusammenhang stehenden Therapien (wegen Narbenbildung) /ärztlichen Behandlungen Kosten.
Ob diese mit - oder/und ohne Selbstbehalt -steurlich abzugsfähig waren, war vom Gericht zu beurteilen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronischen Rechtsmittelakt, insbesondere aus folgenden Beweismitteln:
-Sachverständigengutachten SMS vom
-ärztliches Attest Dr. ***4*** vom
- Stellungnahme MSc ***7***, Osteopathin und Physiotherapeutin vom und Dr. ***4*** vom Foto (Beilage Vorlageantrag)
-Auskunft ***11*** vom
-vorgelegten Abrechnungen der Apotheken
Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Das Gericht setzte sich mit allen vorgelegten Beweismitteln, insbesondere dem SMS-Gutachten v., den erst im Nachhinein ausgestellten Bestätigung des Arztes Dr. ***4*** v. sowie seiner Stellungnahme v. sowie der Bestätigung der Leiterin des Therapiezentrums Frau MSc ***7*** v. auseinander.
In freier Beweiswürdigung kam das Gericht zum Ergebnis, dass die Bfin. die geforderten Nachweise nicht bereits vor Beginn der ärztlichen Behandlung /therapeutischen Behandlung erbracht hat (siehe Pos. 5, 7 und 8 der Kosten-Liste v.).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
§ 34 (1) EStG 1988 normiert :
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
………………………
(6) Folgende Aufwendungenkönnen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
----
-Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, ……..
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen; BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010
§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,……….
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
Erwägungen
Shiatsu-Therapien
Im beschwerdegegenständlichen Fall ist strittig, ob die von der Bfin. aufgelisteten Aufwendungen für als Shiatsu-Therapien als außergewöhnliche Belastung bei der Berechnung der Einkommensteuer abgezogen werden können.
Nach der oben dargestellten Rechtslage können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.
Nach § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen fallen darunter auch Kosten der Heilbehandlung.
Bei den Kosten für die Shiatsu-Therapien (Körpertherapie) handelt es sich nach der Verwaltungspraxis ohne weitere Überprüfung um Heilbehandlungen, wenn sie ärztlich verordnet wurden.
Grundsätzlich können daher derartige Kosten steuerlich auch ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden, wenn diese Leistungen ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt wurden.
Das Finanzamt stuft die Kosten für die Shiatsu-Therapien auf der Ebene der Beweiswürdigung nicht als außergewöhnliche Belastung ein, weil
1. die vorgelegte Bestätigung des Arztes Dr. ***4*** v. sowie
2. die Bestätigung der Leiterin des Therapiezentrums, ***18***, ***10***, Frau MSc ***7*** v. (E-Mail betreffend
a) Manuelle Lymphdrainage zur Reduktion des Ödems am linken Arm nach Brustamputation links
b) physiotherapeutischer Bewegungstherapie zur Narbenbehandlung und Erhaltung der Beweglichkeit des linken Armes sowie zur Reduktion der Wirbelsäulenschmerzen und der skolotischen Fehlhaltung durch die veränderten Rumpfverhältnisse)
c) Osteopathie zur Reduktion der medikamenteninduzierten Migräne und des Verspannungskopfschmerzes sowie der Sensibilitätsstörungen im Bereich des gesamten Oberkörpers und der Kopfhaut)
erst nachträglich ausgestellt wurden.
Eine nachträglich durch den Hausarzt oder der Leiterin eines Therapiezentrums ausgestellte Bestätigung kommt aber keiner Verordnung gleich. Diese ist vielmehr vor Beginn einer Behandlung auszustellen.
Diese Beweiswürdigung der Abgabenbehörde wird auch vom Gericht übernommen.
Aufgrund der vorgenommenen Beweiswürdigung (s. Pkt. Beweiswürdigung) können diese Kosten aufgrund der erst im Nachhinein vorgelegten ärztlichen Bestätigung/Therapiebestätigung nicht anerkannt werden. Ob diese im Zusammenhang mit der Behinderung der Bfin. standen, war daher nicht mehr zu prüfen.
Kurkosten/ Viva Gesundheitshotel ***19***
Kurkosten sind unter Kosten der Heilbehandlung zu subsumieren und können unter bestimmten Voraussetzungen zu einer ag Belastung führen.
Unter Kosten der Heilbehandlung iSd der oa. Bestimmung versteht man zB Kosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapien, Medikamente sowie damit in Zusammenhang stehende Fahrt- und Transportkosten im tatsächlichen Ausmaß bzw. in Höhe des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2009, § 35 Rz 27).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (, ) sind bei "Kurreisen" an den Nachweis der Zwangsläufigkeit wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen an den Steuerpflichtigen strenge Anforderungen zu stellen.
In seiner ständigen Judikatur entwickelte der VwGH für die Anerkennung von "Kurkosten" als außergewöhnliche Belastung folgende Kriterien:
Die Kurkosten müssen im direkten Zusammenhang mit einer Krankheit stehen und aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig sein (eine andere Behandlung also nicht oder kaum Erfolg versprechend erscheint) und grundsätzlich unter ärztlicher Begleitung und Aufsicht erfolgen (, , , ).
Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Als nicht ausreichend erachtet der VwGH für die Berücksichtigung von Kurkosten als außergewöhnliche Belastung, wenn eine Verordnung eines Kuraufenthaltes fehlt, keine Bewilligung der Sozialversicherungsanstalt vorliegt und kein Kostenersatz geleistet wird, und der Hausarzt einen Kuraufenthalt "vorschlägt" (, ).
Wesentlich ist, dass der Aufenthalt nicht den Charakter eines Erholungsurlaubes, sondern jenen eines Kuraufenthaltes hat, d.h. mit einer nachweislich kurgemäß geregelten Tages- und Freizeitgestaltung (vgl. , , , ).
Von einem kurmäßig geregelten Tagesablauf bzw. von unter ärztlicher Begleitung und Aufsicht erfolgenden Behandlungen kann nur gesprochen werden, wenn ein Kurprogramm absolviert wird, das jenem von den Kuranstalten der Krankenkassen angebotenen Kurprogrammen entspricht. In diesen Kuranstalten wird in der Regel auf der Grundlage einer kurärztlichen Untersuchung ein speziell auf die krankheitsmäßigen Bedürfnisse des Patienten abgestimmter Behandlungsplan erstellt, der täglich mehrere Therapiestunden vorsieht und dessen Wirksamkeit während des Kuraufenthaltes im Rahmen eines ärztlichen Zwischenberichts überprüft wird. Nach Abschluss der Kur erfolgt eine ärztliche Nachuntersuchung und ein Bericht über den Behandlungserfolg. (z.B. ; -F/09; Jakom/Baldauf EStG, 2018, § 34 Rz 90)
Eine kurmäßig geregelte Tagesgestaltung liegt etwa nicht vor, wenn täglich nur ein bis zwei fünfzehnminütige Behandlungen erfolgen (UFS Feldkirch , RV/0386-F/10).
Für das Vorliegen der Voraussetzungen ist der Steuerpflichtige nachweispflichtig (; ; ).
Die Voraussetzungen können durch eine vor Antritt der Kur ausgestellte ärztliche Bestätigung, aus der sich im Falle einer (Kur)Reise auch die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben, oder durch den Umstand eines Kostenersatzes durch die Sozialversicherung nachgewiesen werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so können -soweit Angemessenheit vorliegt - entsprechende Kurkosten (für Aufenthalt, Fahrtkosten, Kosten für die medizinische Betreuung) abgezogen werden (; ; , 2001/15/0164, , vgl. auch Peyerl in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 34, II. ABC der außergewöhnlichen Belastungen vgl. auch das Erkenntnis des ).
Die Bfin. konnte die erforderlichen Nachweise nicht erbringen, dass das Kurprogramm jenem von den Kuranstalten der Krankenkassen angebotenen Kurprogrammen entspricht. Weder ein ärztlicher Therapieplan noch die entsprechenden ärztlichen Berichte konnten vorgelegt werden.
Ein genauer ärztlicher Stundenplan (Therapieplan) mit vorgeschriebenen Behandlungen unter Teilnahmepflicht wurde nicht vorgelegt. Auch ein ärztlicher Befund ist im Lichte der dargestellten Judikatur des VwGH nicht ausreichend, soll doch nicht nur ein ärztlicher Therapieplan zu Beginn der Kur, sondern auch ein ärztlicher Zwischenbericht und ein ärztlicher Abschlussbericht erstellt werden.
Diese Voraussetzungen lagen aber im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vor.
Kosten für Physiotherapie, Osteopathie (soweit nicht im Vorhinein ärztlich verordnet)
Die Kosten für die Physiotherapie sowie Osteopathie (siehe auch die erst im Nachhinein ausgestellte Bestätigung v. Frau MSc ***7*** v.), soweit diese nicht im Vorhinein ärztlich verordnet wurden, sind daher im Lichte der obigen Ausführungen ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung v. wird verwiesen.
Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel (z.B.: Serosan), Vitamine, Schüsslersalze, Chinesische Entgiftungspflaster etc.
Kosten für ein Nahrungsergänzungsmittel sind als zwangsläufig i.S. des § 34 EStG anzusehen, wenn nachvollziehbare medizinische Gründe für die Notwendigkeit der Behandlung einer Krankheit mit diesem Präparat festgestellt werden. Diese medizinischen Gründe können sich auch aus medizinischer Fachliteratur und ärztlichen Befunden ergeben (§ 167 Abs 2 BAO).
Im Allgemeinen gilt für alle Nahrungsergänzungsmittel und Arzneien, die aus Pflanzen hergestellt werden:
Nicht die Pflanze, sondern die aus ihr hergestellte Zubereitung (dh. das konkrete Präparat) gilt bei hinreichender Wirksamkeit gegen eine Krankheit als Arznei. Die Wirksamkeit eines Präparates hängt insbesondere von der Qualität der Pflanze, die nach Standort und Erntezeitpunkt schwanken kann, vom Herstellungsverfahren, und von der Dosierung ab. Allgemeine Angaben, die lediglich die Pflanze bezeichnen, sind nicht aussagekräftig. Studien mit unterschiedlichen Arzneimitteln aus der gleichen Heilpflanze sind nur dann vergleichbar, wenn bei deren Herstellung die gleiche Zubereitung verwendet wurde (vgl. Dingermann, Kompendium Phytopharmaka, 7. Auflage, S. 1-3 und 12; Fintelmann/Weiss/Kuchta, Lehrbuch Phytotherapie, 13. Auflage, S. 38,39; Schilcher, Leitfaden Phytotherapie, 5. Auflage, S. 9 und 11).
Daher gilt: Nicht jedes Nahrungsergänzungsmittel, das dieselbe Pflanze enthält, ist gleich wirksam oder überhaupt wirksam (Schilcher, Leitfaden Phytotherapie, 5. Aufl. S. 34).
Diesbezüglich wird festgestellt, dass Aufwendungen für Stärkungsmittel und nichtmedizinische Produkte generell zu den nichtabzugsfähigen Aufwendungen gemäß § 20 Abs. 1 Zi 1 und 2 EStG 1988 zählen, die lediglich im Rahmen einer ärztlichen Verordnung abzugsfähig sein können.
Eine Erklärung eines Arztes, die einer konkreten ärztlichen Verordnung gleichwertig wäre, liegt daher in Bezug auf die von der Bfin. erworbenen Präparate nicht vor. Die Bf hat das gegenständliche Präparat somit ohne ärztliche Verordnung erworben. Die Tragung der Kosten für dieses Mittel durch die Bf erfolgte daher auch in Ermangelung einer ärztlichen Verordnung nicht zwangsläufig (,0255).
Die beantragten Aufwendungen sind somit nicht unter den Begriff Krankheitskosten zu subsumieren sind, selbst wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können.
Stattgabe (Pos. 2, 3, 4, 9 und KM-Geld/Fahrtkosten zu Pos. 4 ***9*** der Kosten lt. Liste ao.Belastung v. ):
Es können daher nur Kosten, welche in direktem Zusammenhang mit der Behinderung /Erkrankung stehen, als außergewöhnliche Belastung ohne Anrechnung eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden (Pos. 2, 3, 4 und KM-Geld/Fahrtkosten zu Pos. 4 ***9*** der Kosten lt. Liste ao.Belastung v. ).
Ao. Belastung (mit Selbstbehalt):
Die restlichen Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen (Pos. 1 der Kosten lt. Liste ao.Belastung v. ) konnten deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Aufwendungen niedriger als der für die Bfin. gültige Selbstbehalt in Höhe von € 4.890,05 gewesen sind.
Zusammenfassung
Das Gericht anerkennt im gegenständlichen Beschwerdefall nach eingehender Prüfung der Sach-und Rechtslage - ausgehend von der ziffernmäßigen Darstellung der steuerlichen Vertretung im Vorlageantrag v. - folgende Kosten als ao.Belastung:
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Ao.Belastung | lt. Aufstellung der stl. Vertretung imVorlageantrag v. € | (Änderungen durch BFG rot angemerkt)€ | |
Pos. 1 | Apotheke | 138,95 | 448,41 wie im Erstbescheid (mit Selbstbehalt- steuerlich keine Auswirkung) |
Pos. 2 | Fa. ***6*** ***17*** | 287,81 | 287,81 |
Pos. 3 | Dr. ***5*** | 60,00 | 60,00 |
Pos. 4 | ***9*** Lymphdrainage ***10*** Vergütung ***11*** (ja-Betrag unstrittig) | 711,10 | 711,10 |
Pos. 5 | ***7*** MSc ***10*** | 880,00 | 0,00/Abweisung |
Pos. 6 | Osteotherapie erst 2020 bez. | 0,00 | 0,00 |
Pos. 7 | ***12*** Kurzentrum Dr. ***13***/Dr.***14*** | 658,00 | 0,00/ Abweisung |
Pos. 8 | ***15*** Dipl. Shiatsu-Praktikerin | 1.200,00 | 0,00/Abweisung |
Pos. 9 | Dr. ***8*** Labor | 120,00 | 60 |
zuzüglich Fahrtkosten /Kilometergeld 0,43 €teilweise Stattgabe lt.BFG zu Punkt 4) | ***9***, ***10*** Hin-und Retourfahrt | 36 KM x 20 (Anzahl der Fahrten) | 309,60 (Stattgabe ) |
Summe ao.Belastung ohne Selbstbehalt | 1.428,51 |
Die steuerlich anzuerkennenden Kosten betreffend außergewöhnlicher Belastung (ohne Selbstbehalt) betragen daher insgesamt € 1.428,51.
Aus den angeführten Gründen war - wie im Erkenntnisspruch ersichtlich - zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt 2019
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
a) Soweit im Beschwerdefall Fragen der Beweiswürdigung berührt werden, wird dazu vom Gericht festgehalten:
Eine in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des Bundesfinanzgerichts ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht zugänglich; ob sohin die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit den vom Bf. erbrachten Nachweisen in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. ); eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf ().
Das Gericht setzte sich mit allen vorgelegten Beweismitteln, insbesondere dem SMS-Gutachten v., der erst im Nachhinein ausgestellten Bestätigung des Arztes Dr. ***4*** v. sowie seiner Stellungnahme v. sowie der Bestätigung der Leiterin des Therapiezentrums Frau MSc ***7*** v. auseinander.
In seiner freien Beweiswürdigung kam das Gericht zum Ergebnis, dass die Bfin. die geforderten Nachweise nicht bereits vor Beginn der ärztlichen Behandlung /therapeutischen Behandlung erbracht hat (siehe Pos. 5, 7 und 8 der Kosten-Liste v.).
b) Auch zur konkreten Rechtsfrage hat der Beschwerdefall über diesen Einzelfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung, weswegen die ordentliche Revision aus diesem Grunde nicht zugelassen wurde.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | außergewöhnliche Belastung Behinderung 50 % Brustoperation und Folgebehandlungen/Therapien teilweise Stattgabe |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101214.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at