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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.10.2024, RV/3100410/2024

Sonstige Bezüge eines Grenzgängers aufgrund einer mündlichen Vereinbarung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100410/2024-RS1
Sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs 1 EStG 1988 liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter der doppelten Bedingung vor, dass sie erstens im Rechtstitel und darüber hinaus zweitens auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sind (; ). Aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich jedoch nicht, dass einerseits eine schriftliche Vereinbarung zwingend erforderlich wäre oder andererseits eine schriftliche Vereinbarung bereits vor der ersten Auszahlung der Bezüge vorliegen müsste.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***Ri*** in den Beschwerdesachen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Rhomberg Steuerberatungs-GmbH, Ehrenbergstraße 27, 6600 Reutte, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 des Finanzamtes Österreich vom sowie über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2021 iHv € 9.943,- festgesetzt.

Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2022 iHv € 11.118,- festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Fokus vorliegender Entscheidung steht die Rechtsfrage, ob Weihnachts- und Urlaubsgeld (13. und 14. Monatsgehalt) eines Grenzgängers als sonstige Bezüge der begünstigten Besteuerung nach § 67 EStG 1988 unterliegen, wenn die diesen Zahlungen zugrunde liegende Vereinbarung nur mündlich abgeschlossen wurde.

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: Bf) erklärte mit am elektronisch eingereichter Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 und mit am eingereichter Erklärung für das Jahr 2022 Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Lohnsteuerabzug (Grenzgänger) und beantragte unter anderem die begünstigte Besteuerung von Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Mit Einkommensteuerbescheid 2021 vom und Einkommensteuerbescheid 2022 vom wurde dem Antrag nicht entsprochen und wurde begründend ausgeführt, dass sich sonstige Bezüge sowohl durch den Rechtstitel, auf den sich der Anspruch begründet, als auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden haben. Sofern keine lohgestaltende Vorschrift bestehe oder eine solche keinen Anspruch auf sonstige Bezüge vorsehe, könne mit einer vertraglichen Vereinbarung ein entsprechender Rechtstitel geschaffen werden. Eine solche vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (zB Dienstvertrag, Zusatzvereinbarung) müsse jedoch vor der Auszahlung schriftlich abgefasst werden und Regelungen über den Anspruch sowie die Auszahlungsmodalität des sonstigen Bezuges enthalten. Die Ergänzung zum Arbeitsvertrag, die nunmehr den Anspruch auf sonstige Bezüge begründete, sei erst im November 2022 schriftlich unterzeichnet worden, sohin nach Auszahlung des Arbeitslohnes des Jahres 2021 und den wesentlich überwiegenden Teil des Jahres 2022. Ferner habe laut Arbeitsvertrag vom der Stundenlohn des Bf € 24,80 betragen, was einem Monatsgehalt iHv ca. € 4.300,- entspreche. Im Jahr 2017 habe das Monatsgehalt noch € 4.403,- betragen, im Jahr 2021 nur mehr € 4.270,-. Die nachträgliche Kürzung des Grundlohnes zugunsten sonstiger Bezügen könne jedoch keinen Rechtstitel für sonstige Bezüge iSd § 67 Abs 1 EStG darstellen. Die auf den monatlichen Lohnabrechnungen angeführten sonstigen Einmalzahlungen seien daher als laufender Arbeitslohn anzusehen. Das jedoch jeweils im November zusätzlich zum laufenden Lohn ausbezahlte Weihnachtsgeld iHv € 1.300,- (VJ 2021) bzw € 2.250,- (VJ 2022) könne als sonstiger Bezug berücksichtigt werden.

Mit Beschwerde vom betreffend den Einkommensteuerbescheid 2021 und Beschwerde vom betreffend den Einkommensteuerbescheid 2022 brachte die steuerliche Vertretung des Bf zusammengefasst vor, dass das Bundesfinanzgericht bereits betreffend das Jahr 2018 entschieden habe, dass diese Sonderzahlungen steuerlich begünstigt zu berücksichtigen seien. Entsprechend sei daher auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu verfahren.

In weiterer Folge wurde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 mit Beschwerdevorentscheidung vom und die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Ergänzend wurde begründend ausgeführt, dass sonstige Bezüge, die auf einer rückwirkenden zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhten (Ergänzung vom zum Arbeitsvertrag vom ), weder der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch den in Rz 1118 der Lohnsteuerrichtlinien dargelegten Erfordernissen entsprächen, wonach eine derartige vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Auszahlung schriftlich abzufassen sei und Regelungen über den Anspruch sowie die Auszahlungsmodalitäten der sonstigen Bezüge enthalten müsse.
Ferner sei im Arbeitsvertrag vom festgehalten worden, dass "alle Änderungen, Aufhebungen oder Ergänzungen der Schriftform bedürfen. Mündliche Vereinbarungen seien nichtig".
Das Ertragssteuerrecht sei im Allgemeinen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rückwirkungsfeindlich. Rückwirkende Rechtsgeschäfte seien nicht anzuerkennen. Insofern läge mangels schriftlicher Vereinbarung keine steuerbegünstigte Sonderzahlung vor.
Im Übrigen stelle auch die individuelle Vereinbarung über die Auszahlung des Jahresgehalts in 14 statt 12 Teilbeträgen keinen Rechtstitel für eine begünstigte Besteuerung dar. Eine nachträgliche, rein rechnerische Aufteilung des Gesamtbetrages in laufende und sonstige Bezüge könne nicht als ausreichende Grundlage für die Annahme sonstiger Bezüge angesehen werden. Auch die bloße Änderung der Auszahlungsmodalität ändere nach den Lohnsteuerrichtlinien nichts am Vorliegen eines laufenden Bezuges, wenn dieser als monatlicher Bezug ausgestaltet sei. Die gegenständlichen Bezüge seien daher als laufender Bezug zum Tarif zu versteuern.

Schließlich beantragte die steuerliche Vertreterin des Bf mit Eingabe vom bzw die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wurde vorgebracht, dass nach der Verwaltungspraxis bis zum Jahr 2020 mündliche Vereinbarungen anerkannt worden seien.

Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. In einer weiteren Stellungnahme des Finanzamtes Österreich vom wurden die Beschwerde und die weiteren Erledigungen betreffend das Jahr 2018 vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf hat seinen Hauptwohnsitz im grenznahen Gebiet zu Deutschland in der Gemeinde ***x***. Er ist nichtselbständig bei der ***W GmbH*** in ***Y***, Deutschland, beschäftigt. ***Y*** lieg ca 25 km Luftlinie vom Wohnort des Bf entfernt. Der Bf pendelt täglich vom Wohnort in Österreich zum Arbeitsort nach Deutschland. Der Bf ist Grenzgänger.

In dem am abgeschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarte der Bf mit seiner Arbeitgeberin, dass er als Vertretung der Geschäftsführung eingestellt und insbesondere bei der Optimierung von Strukturen und Abläufen sowie in der Mitarbeiterführung tätig wird. Das Arbeitsverhältnis selbst begann bereits am . Als Vergütung wurde ein Bruttostundenlohn von € 14,80 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden festgelegt.

Zudem wurde in § 10 "Schlussbestimmungen" des Arbeitsvertrages festgehalten, dass alle Änderungen, Aufhebungen oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. Mündliche Vereinbarungen sind nichtig, ebenso die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform.

Der Arbeitsvertrag enthält mehrere vorformulierte Optionen in Form von Klauseln, bei denen jeweils Kästchen zum Ankreuzen vorgesehen sind. Sollten bestimmte Klauseln zwischen den Parteien vereinbart werden, waren die entsprechenden Kästchen anzukreuzen.

Mit undatiertem "Nachtrag Nr. 1 zum bestehenden Arbeitsvertrag" wurde ab ein Bruttomonatsgehalt von € 4.110,- und mit "Nachtrag Nr. 2 zum bestehenden Arbeitsvertrag" wurde ab ein Bruttomonatsgehalt von € 4.270,- vereinbart.

Ab dem Jahr 2018 wurde das Bruttomonatsgehalt 14-mal ausbezahlt, zuvor wurde das vereinbarte Jahresgehalt 12-mal ausbezahlt. Zusätzlich wurde eine "freiwillige erfolgsabhängige Sonderzahlung" gewährt, deren Höhe jährlich von der Geschäftsführung der Arbeitgeberin des Bf festgelegt wurde.

Die Vereinbarung über den Anspruch von "Sonderzahlungen" (Urlaubsvergütung und Weihnachtsgratifikation) bzw die 14-malige Auszahlung des Bruttolohnes sowie einer "freiwilligen erfolgsabhängigen Sonderzahlung" wurde zunächst nur mündlich zwischen dem Bf und seiner Arbeitgeberin getroffen. Die Vereinbarung wurde erst am in einer "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" schriftlich fixiert.
Die mündliche Vereinbarung wurde von der Abgabenbehörde anerkannt und es erfolgte bis einschließlich des Veranlagungsjahres 2020 eine begünstigte Besteuerung der "Sonderzahlungen" (innerhalb des Jahressechstels).

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erhielt der Beschwerdeführer neben seinem monatlich ausbezahlten Bruttogehalt von € 4.270,- im Juni und Dezember 2021 jeweils eine Einmalzahlung in gleicher Höhe (Urlaubsvergütung und Weihnachtsgratifikation) sowie im November 2021 eine freiwillige Sonderzahlung in Form eines "Weihnachtsgeldes" von
€ 1.300,-. Im Jahr 2022 betrug sein monatlich ausbezahltes Bruttogehalt € 4.500,-, zu dem er im Juni und Dezember jeweils eine zusätzliche Zahlung in Höhe von € 4.500,- (Urlaubsvergütung und Weihnachtsgratifikation) sowie im November ein "Weihnachtsgeld" von € 2.200,- erhielt.

Das Bruttojahresgehalt betrug im Jahr 2021 € 60.780, im Jahr 2022 € 64.900,-. Im Jahr 2016 lag es bei € 57.038,72, im Jahr 2017 bei € 57.409,60 und im Jahr 2018 bei € 60.979,48.

Die Arbeitgeberin des Bf gehört weder einer Gewerkschaft noch einem Arbeitgeberverband an und unterliegt keinem Tarifvertrag.

Abschließend ist festzustellen, dass das Beschwerdeverfahren für das Jahr 2018 nicht, wie von der steuerlichen Vertreterin des Bf behauptet, vom Bundesfinanzgericht entschieden wurde. Vielmehr hat die Abgabenbehörde nach Einbringung des Vorlageantrags die ursprüngliche Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO aufgehoben und in einer neuen Beschwerdevorentscheidung im Sinne des Bf entschieden.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Das Bundesfinanzgericht kann sich daher bedenkenlos dieser Einschätzung anschließen.

Im Übrigen ergeben sich die Sachverhaltsfeststellungen widerspruchsfrei aus den vorgelegten Teilen des Abgabenaktes des Bf insbesondere den Lohnnachweisen der betreffenden Jahre sowie aus dem Arbeitsvertrag samt Nachträgen und Ergänzungen. Hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit dieser Urkunden hat das Bundesfinanzgericht keine Bedenken.
Ebenso ergibt sich aus den Unterlagen des Jahres 2018 und dem Vorbringen des Finanzamtes zweifelsfrei, dass die Abgabenbehörde die mündliche Vereinbarung anerkannt hat und die Einmalzahlungen einer sonstigen Besteuerung unterworfen hat. Lediglich aufgrund der Änderung der Lohnsteuerrichtlinie seien mündliche Vereinbarungen ab dem Jahr 2021 nicht mehr anzuerkennen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß Art 15 Abs 1 DBA Deutschland Österreich (idF BGBl. III Nr. 32/2012) dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

Nach Abs 6 gilt Absatz 1 nicht, wenn die Person 1. in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und 2. täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger).

In diesem Sinne ist zunächst festzuhalten, dass Österreich das Besteuerungsrecht hinsichtlich der gegenständliche Bezüge hat.

§ 67 Abs 1 EStG 1988 normiert:

Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs 2 nach Abzug der in Abs 12 genannten Beträge

1. für die ersten 620 Euro 0%,
2. für die nächsten 24 380 Euro 6%,
3. für die nächsten 25 000 Euro 27%,
4. für die nächsten 33 333 Euro 35,75%.

Sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs 1 EStG 1988 liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter der doppelten Bedingung vor, dass sie erstens im Rechtstitel und darüber hinaus zweitens auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sind (; ). Sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs 1 EStG 1988 sind solche, die nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum - idR ein Monat () - geleistet werden, sondern die der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Lohn bezahlt, was aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muss (). Zudem müssen Leistungen aus mehreren Lohnzahlungszeiträumen abgegolten werden ().

Ferner ist festzuhalten, dass sich die verfahrensgegenständlichen Zahlungen deutlich von der Auszahlungsmodalität der laufenden monatlich ausbezahlten Bezüge unterscheiden, da sie tatsächlich nur im Juni und Dezember geleistet werden. Damit ist diese Bedingung erfüllt.

Des Weiteren ist zu beachten, dass im schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag die allgemeinen Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses, einschließlich des monatlichen Gehalts, geregelt wurden. In einer zusätzlichen mündlichen Vereinbarung wurden die Ansprüche des Bf auf Sonderzahlungen festgelegt. Im vorliegenden Fall existieren somit gleich zwei verschiedene Rechtstitel: einerseits der Arbeitsvertrag und andererseits die mündliche Vereinbarung, wodurch bereits eine klare Unterscheidung der Bezüge nach ihrer rechtlichen Grundlage gegeben ist.

Aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass einerseits eine schriftliche Vereinbarung zwingend erforderlich wäre oder andererseits eine schriftliche Vereinbarung bereits vor der ersten Auszahlung der Bezüge vorliegen müsste. Die Arbeitgeberin und der Beschwerdeführer haben im gegenseitigen Einverständnis den Anspruch auf die Auszahlung von zwei Sonderzahlungen in Höhe jeweils eines Bruttomonatsgehalts sowie deren Auszahlungstermine vereinbart. An der Existenz oder dem Inhalt der mündlichen Vereinbarung hat selbst die Abgabenbehörde keine Zweifel, da sie diese mündliche Vereinbarung für die zurückliegenden Zeiträume anerkannt hat. Unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch, weshalb die Abgabenbehörde die freiwilligen Sonderzahlungen "Weihnachtsgeld" als sonstige Bezüge anerkannt und begünstigt besteuert hat, obwohl auch in diesem Fall keine schriftliche Rechtsgrundlage vorliegt.

Es bleibt jedoch zu prüfen, ob der Rechtstitel, aus dem der Bf seinen Anspruch ableiten kann, rechtswirksam zustande gekommen ist, zumal im Arbeitsvertrag vereinbart wurde, dass alle Änderungen, Aufhebungen oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. Mündliche Vereinbarungen sind nichtig, ebenso die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform.
Gem Art 8 Abs 2 Rom I-VO unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Zweifelsfrei verrichtet der Bf seine Arbeit in ***Y*** in Deutschland, weshalb deutsches Recht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist.

Wie festgestellt, wurde der Arbeitsvertrag als vorformulierter Vertrag, sogenannte allgemeinen Geschäftsbedingungen, abgefasst. Gem 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine mündliche Anpassung eines Arbeitsvertrages ist im Gegensatz zur Schriftformklausel eine individuelle Abrede. Daher verdrängt sie die vorformulierte Schriftformklausel (BAG , 9 AZR 382/07). Insofern kann die Schriftformklausel eine mündliche Vereinbarung nicht verhindern und die mündliche Vereinbarung über die Sonderzahlungen ist wirksam zustande gekommen.

Es mag zwar darüber hinaus zutreffen, wie die Abgabenbehörde im Vorlagebericht ausführt, dass das Einkommensteuerrecht rückwirkende Rechtsgeschäfte grundsätzlich ablehnt und steuerrechtlich nicht anerkennt. Dabei wird jedoch übersehen, dass die mündliche Vereinbarung, deren Abschluss und Inhalt unstrittig und rechtsgültig ist, bereits vor der erstmaligen Auszahlung der Sonderzahlungen im Jahr 2018 bestand. Diese Vereinbarung wurde lediglich im Jahr 2022 schriftlich festgehalten. Ein rückwirkendes Rechtsgeschäft liegt daher nicht vor.

Zwar mag es auch richtig sein, wie in einer Stellungnahme vom seitens der Abgabenbehörde vorgebracht, dass sich das Bruttojahresgehalt des Jahres 2018 im Vergleich zum Jahr 2017 lediglich um ca € 3.000,- erhöht hat, aufgrund der Änderung der Auszahlungsmodalität aber € 8.220,- zusätzlich an "Sonderzahlungen" der begünstigten Besteuerung zugänglich waren und somit eine Reduzierung des Grundlohns zu Gunsten der Sonderzahlungen erkennbar sei. Jedoch wird hier übersehen, dass diese Jahre nicht verfahrensgegenständlich sind und gerade in diesen Jahren die begünstigte Besteuerung anerkannt wurde. Ferner wurde im Jahr 2018 die mündliche Vereinbarung getroffen, welche die Auszahlung von nunmehr 14 Bruttomonatsgehälter vorsah, bei geringfügiger Reduzierung des Monatsgehaltes. Insgesamt erhielt der Bf mehr an Gehalt ausbezahlt als ursprünglich im Arbeitsvertrag vereinbart.

Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 67 EStG, wonach die in Österreich üblichen 14 Monatsbezüge eine Folge der Sechstelbesteuerung sind und nicht umgekehrt, ist es nicht zu beanstanden, dass die Entlohnung zwischen der Arbeitgeberin und dem Bf so gestaltet wurde, um die steuerliche Sechstelbesteuerung bestmöglich zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn außersteuerliche Gründe für diese Gestaltung möglicherweise in den Hintergrund getreten sind ().

Zusammenfassend ergibt sich somit ein Rechtstitel aus der mündlichen Vereinbarung, der sich deutlich von den laufenden Bezügen unterscheidet. Die Urlaubsvergütung und die Weihnachtsgratifikation wurden im Juni bzw. Dezember ausbezahlt, wodurch ebenfalls eine klare Abgrenzung zu den regelmäßig gezahlten Bezügen gegeben ist. Beide Einmalzahlungen wurden von derselben Arbeitgeberin zusätzlich zum laufenden Lohn gewährt. Bereits die zeitliche Fixierung der Auszahlung sowie die ausdrückliche Vereinbarung dieser Sondervergütungen machen den Unterschied durch äußere Merkmale deutlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Berechnung:

[...]

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Vielmehr folgte das Erkenntnis der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100410.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at