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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2024, RV/7103466/2021

Beginn der Unternehmereigenschaft bei einem Stahlhandel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch, die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CTS Steuerberatung GmbH, Börseplatz 4, 1010 Wien, über die Beschwerden vom bzw. gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , , und betreffend Körperschaftsteuer 2010 bis 2015 und Umsatzsteuer 2010 bis 2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Asli Özdemir zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012 sowie Körperschaftsteuer 2010 bis 2013 werden aufgehoben. Damit befinden sich die ursprünglichen Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheide 2010 bis 2012 vom , und und der Körperschaftsteuerbescheid 2013 vom wieder im Rechtsbestand.

Die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 2014 und 2015 werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die ***Bf1*** (Beschwerdeführerin, Bf.) wurde von der belangten Behörde (FA) für die Jahre 2010 bis 2014 einer Außenprüfung (Bp) unterzogen.

Im Ergebnis wurden Vorsteuern und Verlust vom FA in folgender Höhe nicht anerkannt:

Weiters wurden sämtliche Verlustvorträge aus den Jahren 2007 bis 2012 gestrichen.

Dazu führt das FA im Bericht aus, dass die 2007 gegründete Bf. bis inklusive 2012 (inklusive) nur geringe Kapitalerträge erzielt habe aber Betriebsausgaben geltend gemacht habe. Es liege daher keine Einkunftsquelle bzw. keine unternehmerische Tätigkeit vor.

Zudem habe das FA erkannt, dass 2010 die Anteile an der Bf. zu 75 % vom der der ***1*** (FN ***) und zu 25% von Herrn ***2*** (Minderheitsgesellschafter bis ) erworben worden waren. Ab seien sodann ***2*** und ab ***3*** als Dienstnehmer (DN) der Bf. angemeldet gewesen. Die Auszahlung der Gehälter und die Zahlung der Lohnnebenkosten sei durch eine ***4*** (***4***) erfolgt. Alleinige Gesellschafterin der ***4*** sei wiederum die ***1*** gewesen. Die genannten DN hätten Ein- und Verkäufe getätigt die von ***4*** fakturiert worden seien und im Rechenwerk der ***4*** erfasst seien. Der Stahlhandel sei daher von der ***4*** und nicht von der Bf. ausgeführt worden.

Die Verlustvorträge der Jahre 2007- 2009 seien zudem auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich beim Kauf der Gesellschaftsanteile um einen Mantelkauf gehandelt habe.

Mit Bescheid vom anerkannte das FA auch für das Jahr 2015 den Verlustabzug nicht und verwies auf die Bescheidbegründung/Beschwerdevorentscheidung der Vorjahre.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom , ergänzt durch gesonderte Begründung vom wird im Wesentlichen eingewendet, dass die Tätigkeit der Bf. auf Einnahmen bzw. Gewinne gerichtet gewesen sei. Dies sei unter anderem aus der Beschäftigung der Mitarbeiter abzuleiten. Die Bf. habe sich der Vorbereitungsphase befunden und ab 2013 dann aufgrund der erhaltenen Bankfinanzierung auch eigene Einnahmen bezogen. Für das Vorliegen einer Einkunftsquelle sei die objektive Ertragsfähigkeit maßgeblich. Wenn es der Wille der beiden betroffenen Geschäftspartner gewesen wäre den Stahlwarenhandel über die ***4*** abzuwickeln hätten sie die Bf. nicht gegründet. Gerade die Anstellung von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern bilde eine wesentliche Betriebsgrundlage einer neu geschaffenen betrieblichen Einheit. Lediglich der erforderlichen Bankfinanzierung für die Abwicklung der Geschäfte sei anfänglich nicht möglich gewesen, weshalb die Geschäfte über die ***4*** abgewickelt worden seien. Nach Erhalt der Bankfinanzierung ab 2013 seien in der Bf. bereits Gewinne erzielt worden.

In der Beschwerde vom gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2015 führt die Bf. an, dass es für die Vorjahre keine Beschwerdevorentscheidung gebe. Die Bescheidbegründung sei daher materiell rechtswidrig.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012 und Körperschaftsteuer 2010 bis 2014 ab und führte im Erwägungsteil wörtlich aus:

Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin, der ***Bf-kurz*** ***Bf1*** (im Folgenden ***Bf-kurz***), im Beschwerdezeitraum 2010 bis 2012 und des Vorliegens einer ertragsteuerlich relevanten Betätigung ist festzuhalten, dass die ***Bf-kurz*** hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Stahlwarenhandels nach den im Rahmen der Außenprüfung getroffenen Feststellungen entgegen dem Beschwerdevorbringen keine auf Einnahmenerzielung und Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat.

Die Geschäfte des Stahlwarenhandels wurden von der ***4*** (im Folgenden ***4***) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgewickelt. Bei den Kunden im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit handelte es sich um solche der ***4***, wie sich auch aus dem Schreiben der ***Bf-kurz*** vom ergibt; Zitat: "Faktisch bezieht die ***4*** somit eine Fremdleistung um selbst unter anderem ihre Leistung an den Kunden erbringen zu können."

Die diesbezüglich tätig gewordenen, für die ***Bf-kurz*** bei der Sozialversicherung angemeldeten Dienstnehmer wurden von der ***4*** bezahlt. Die diesbezüglichen Personalkosten und sonstige Kosten wurden nicht von der ***Bf-kurz*** getragen. Hinsichtlich der vorgebrachten diesbezüglichen Darlehensfinanzierung der ***4*** für die ***Bf-kurz*** gibt es keine Anhaltspunkte. Schriftliche Vereinbarungen gibt es nicht. Ebenso wurden mündliche Vereinbarungen, obwohl Gegenstand der Ermittlungen im Zuge der durchgeführten Außenprüfung, nicht ansatzweise dargelegt.

In Ansehung der Identität des Geschäftsführers der ***Bf-kurz*** bzw. der ***4*** wären hinsichtlich der Beweisführung betreffend den behaupteten Abschluss von Darlehensverträgen zwischen den genannten Gesellschaften die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen ohne, dass verfahrensgegenständlich ein tatsächliches Naheverhältnis im Sinn der Angehörigenjudikatur vorliegen müsste.

Erforderlich wäre daher jedenfalls, dass die behaupteten Darlehensverträge- nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen (Publizität) und- einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben.

Dazu ist auch anzumerken, dass aus Buchungen nicht auf das Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Rechtsverhältnisses geschlossen werden kann, zumal auch aus den Bilanzen ein konkretes Darlehensschuldverhältnis der beiden Gesellschaften auch ansatzweise nicht ersichtlich ist.

Das Vorbringen, die Tätigkeit der ***Bf-kurz*** sei von Anfang an auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtet gewesen, allerdings sei deren Realisation über die ***4*** erfolgt, ist in Ansehung des vorstehenden daher nicht nachvollziehbar. Tätig geworden ist die ***4*** nicht die ***Bf-kurz***.

Die ***Bf-kurz*** hat keine Kosten getragen, sondern die ***4***, welche auch eine betriebliche Organisation bzw. deren Schaffung und die Einnahmen zuzurechnen sind.

Unverständlich ist in Ansehung des Vorstehenden das Vorbringen - wäre es der Wille der beiden Geschäftspartner, die Herren ***5*** und ***2*** gewesen, den Betrieb des Stahlwarenhandels über die ***4*** abzuwickeln, dann hätten sie es getan. Der Betrieb des Stahlwarenhandles wurde tatsächlich von der ***4*** abgewickelt.

Die Niederschrift über die Schlussbesprechung stellt keineswegs fest, dass die ***Bf-kurz*** Kunden von einer Vorgängerfirma (***7*** GmbH) übernommen hätte, sondern nur, abstrakt im Kontext zu den Ausführungen über die Geschäftsabwicklung durch die ***4***, dass Kunden von einer Vorgängerfirma übernommen wurden.

Nochmals ist hier auf das Schreiben der ***Bf-kurz*** vom zu verweisen: "Faktisch bezieht die ***4*** somit eine Fremdleistung um selbst unter anderem ihre Leistung an den Kunden erbringen zu können."

Die Tätigkeit der von der ***Bf-kurz*** gemeldeten Dienstnehmer, tatsächlich aber von der ***4*** bezahlten Dienstnehmer erfolgt letztendlich für Zwecke der Geschäftsabwicklung durch die ***4***.

Der Wechsel der Gesellschafter und der Geschäftsführung der ***Bf-kurz*** bzw. die Anstellung eines neuen Prokuristen sind für sich zu wenig, als dass sie als Vorbereitungshandlungen für eine unternehmerische Tätigkeit gewertet werden könnten.

In Ansehung des Nichtvorliegens einer wirtschaftlichen Betätigung der ***Bf-kurz***, die einer Liebhabereibeurteilung überhaupt zugänglich wäre, ist auf die Ausführungen zum Thema Liebhaberei nicht einzugehen.

Mangels Vorliegen von Verlusten in den Jahren 2010 bis 2012 sind in den Jahren 2013 und 2014 Verlustvorträge nicht zu berücksichtigen. Weiter wird auf Tz 4 des Außenprüfungsberichts vom hinsichtlich der Verluste der Jahre 2007 - 2009 verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Körperschaftsteuer 2015 wies das FA die Beschwerde ebenfalls ab und führt wörtlich aus:

Beschwerdegegenstand ist die Berücksichtigung eines Verlustvortrages. Berücksichtigungsfähige Verluste ergeben sich dem Grunde und der Höhe nach - mit Bindung für die Folgejahre grundsätzlich aus der Veranlagung des Verlustjahres. In den Körperschaftsteuerbescheiden der Jahre 2010 bis 2015 wurden Verluste nicht festgestellt. Hinsichtlich der nicht zu berücksichtigenden Verluste der Jahre 2007-2009 wird auf die Tz 4 des Außenprüfungsberichts vom verwiesen.
Mangels Vorliegen von vortragsfähigen Verlusten war die Beschwerde abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom begehrte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom legte die Bf. ein Unterlagenkonvolut mit Schriftverkehr der Bf. mit ihren Kunden vor und führte ergänzend aus, dass der Geschäftsführer (Gf.) der Bf., Herr ***5***, über das von der Bf. betriebene Logistikunternehmen Herrn ***2*** als Geschäftspartner kennengelernt habe. Herr ***2*** sei damals in leitender Funktion eines Stahlhandelsunternehmens tätig, welches der Bf. Großtransportaufträge für Metallprodukte (galvanisierte Stahlrohre) von Indien nach Europa via Schiffsfracht erteilt hätte.

Zur Vorbereitung des geplanten Stahlhandels habe die WP- Privatstiftung sämtliche Anteile an der damaligen ***6*** GmbH erworben. Der Kauf sei ein Mantelkauf gewesen, die Verlustvorträge aus den Zeiträumen 2007 bis 2009 seien daher bei der Bf. nicht anzusetzen.

Herr ***2*** sei von der Bf. zu Beginn der Tätigkeit im Jahr 2010 als Mitarbeiter angestellt (Prokurist) worden und habe bereits von Beginn an entsprechende Kundenkontakte gepflegt. Die Bf. habe die Produkte bei den Erzeugern in Indien gekauft und dann an europäische Kunden verkauft. Zum Zeitpunkt der Verladung seien die Produkte Großteils bereits verkafut gewesen. Die Bf. habe daher letztlich eine Art Zwischenfinanzierungsfunktion für die Abnehmer. Aus diesem Grund sei in der Bf. Liquidität erforderlich gewesen, die über Bankkredite sichergestellt werden sollte. Hinsichtlich dieser Finanzierungsüberlegungen seien sowohl die Hausbank ***8*** als auch die ***9*** kontaktiert worden. Beide Banken hätten die Finanzierung abgelehnt, da die Bf. über keinerlei bisherige Erfahrungen im Stahlhandel verfügt habe und auch kein weiteres Anlagevermögen zur Besicherung vorweisen konnte.

Über Vorhalt der Richterin warum die Darlehensfinanzierungen und die Bevorschussung der Anlaufkosten über die ***4*** nicht schriftlich festgehalten worden sei, erklärt ***5***, dass er nun mehr auch erkenne, dass das damals wahrscheinlich sinnvoll gewesen wäre. Er sei aber davon ausgegangen, dass das Geschäft nach "Anschubfinanzierung" von selbst laufen würde und diese Vorschüsse alsbald an die ***4*** zurückgezahlt werden würden. Insgesamt habe sich das als unrichtig herausgestellt und er habe erkannt, dass er im Stahlgeschäft nicht wirklich das erforderliche Fachwissen habe. Letztlich sei daraus insgesamt ein Verlust von rund 400.000,00 € entstanden, was letztlich auch dazu geführt habe, diese Tätigkeit wegen Erfolglosigkeit einzustellen.

Im Juli 2012 sei durch Aufnahme eines zusätzlichen Mitarbeiters der ebenfalls im Stahlhandel tätig war, namentlich bei einem Kunden der Bf., versucht worden den Stahlhandel "ins Laufen" zu bringen. Letztlich hat sich das jedoch als nicht zielführend erwiesen.

Über Befragen des FAÖ, wieso die UID Nummer der ***7*** auf dem Briefkopf der Bf. ausgewiesen sei, gibt ***5*** an, dass das für ihn auch unverständlich sei und wahrscheinlich ein Fehler des Prokuristen ***2*** gewesen sei. Die ***7*** war eine Geschäftspartnerin der ***4*** und später auch der ***Bf-kurz***. Diese Geschäftsbeziehung hatte sich beide Male als nicht wünschenswert herausgestellt. Herr ***2*** sei zunächst Angestellter bei der Kundin der ***4*** gewesen, welche den Stahlhandel betrieb, dann Angestellter bei ***7*** und habe von dort zur Bf. gewechselt.

***5*** habe selbst nie Kundenkontakte gehabt, sondern diese ausschließlich dem Prokuristen ***2*** überlassen, weil dieser das notwendige Branchenwissen gehabt habe. Kontakt zum indischen Lieferanten habe Herr ***5*** anlässlich eines Europa-Aufenthaltes desselben (Besuch einer Stahlmesse) gehabt.

Nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und den ergänzenden Ausführungen in der Verhandlung kam auch das FA zum Ergebnis, dass die Bf. ab 2010 als Stahlhandelsunternehmen mit Außenwirkung gegenüber Kunden und Lieferanten aufgetreten war. Demgemäß beantragte auch das FA im Lichte des nunmehr klargelegten Sachverhaltes die Stattgabe der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die ***Bf-kurz*** ***Bf1*** wurde am als ***10*** GmbH ins Firmenbuch und sodann auf ***6*** GmbH umfirmiert. Am erfolgte die Eintragung der ***1*** als 75 % Gesellschafter der nochmals - nun schon auf ***Bf-kurz*** ***Bf1*** umfirmierten Bf. und des seit zum Prokuristen bestellten ***2*** als 25 % Gesellschafter. Geschäftsführer war ab 2010 bis zur Liquidation 2020 ***5***.

Der Erwerb der Geschäftsanteile im Jahr 2010 erfolgte mit dem Ziel einen Stahlwarenhandel aufzubauen. Es wurden sämtliche Geschäftsanteile erworben, die Geschäftsleitung geändert und der Unternehmensgegenstand getauscht. Es liegt daher - zwischen den Verfahrensparteien unstrittig - auch nach den Angaben der Bf. ein Mantelkauftatbestand vor.

Ab pflegte der Prokurist ***2*** die Kundenkontakte und führte Verkaufsverhandlungen. Auch gegenüber den Lieferanten trat im Regelfall ***2*** in seiner Funktion als Prokurist der Bf. nach außen auf. Ab wurde er dabei durch einen weiteren Mitarbeiter, ***3***, unterstützt. Beide Dienstnehmer der Bf. verfügten über die im Stahlhandel erforderlichen Branchenkenntnisse.

Die zur Abwicklung der Einkäufe erforderliche Finanzierung wurde jedoch von den Banken abgelehnt, da die Bf. nicht im Stahlhandel etabliert war und auch über kein nennenswertes Vermögen verfügte. Die Abwicklung der Geschäfte und die Rechnungslegung erfolgte sohin über die ***4***, kurz ***4*** genannt. Die Geschäftsanteile der ***4*** standen zu 100% ebenfalls im Eigentum der ***1***. Die Verkaufserlöse wurden in den Büchern der ***4*** erfasst. Im Gegenzug wurde der Bf. von der ***4*** die Infrastruktur und die Administration zur Verfügung gestellt. Lediglich die Personalkosten wurden von der Bf. selbst getragen und mittels Darlehensaufnahme von ***4*** finanziert. Schriftliche Verträge betreffend die wechselseitig erbrachten Leistungen wurden nicht abgeschlossen.

Ab 2013 konnte die Bf. die erforderliche Finanzierung selbst beibringen und wickelte daher ab diesem Zeitpunkt die Geschäfte ohne Zwischenschaltung der ***4*** selbst ab. Im Jahr 2013 erwirtschaftete die Bf. aus dem Stahlhandel einen Gewinn von 112.283, 38 €.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus den im Rahmen der Betriebsprüfung und der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und den glaubwürdigen Ausführungen des Gf. des Bf. Herrn ***5***. Seitens der belangten Behörde wurde die Richtigkeit dieser Darstellungen bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die Unternehmereigenschaft wird erworben, wenn eine selbständige Tätigkeit aufgenommen wird, die nachhaltig der Erzielung von Einnahmen dient (dienen soll).

Die Erbringung von Leistungen ist (noch) nicht erforderlich, erforderlich ist hingegen, dass die aufgenommene Tätigkeit ernsthaft auf die Erbringung von entgeltlichen Leistungen angelegt ist und dies nach außen in Erscheinung tritt (). Vorbereitungshandlungen sind daher ausreichend ( Rs Rompelman; , C-110/94 Rs INZO; , C-110/98 Rs Gabalfrisa; , C-396/98 Rs Grundstücksgemeinschaft Schlossstraße; , C-249/17 Rs Ryanair Ltd).

Als relevante Vorbereitungshandlungen werden solche nach außen gerichtete Handlungen erachtet, die jeder unbefangene Dritte als Vorbereitungshandlung für die Erzielung von Einnahmen ansieht (; , 2006/15/0175; ). Dabei gilt als Steuerpflichtiger, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben und erste Investitionsausgaben hiefür tätigt. Maßgeblich ist somit, wann - nach außen erkennbar - die ersten Anstalten zur Leistungserbringung (Einnahmenerzielung) getroffen werden (so bereits zum UStG 1972 ; , 96/13/0211; zum UStG 1994 -65, wonach die zum UStG 1972 ergangene Judikatur den Vorgaben des Unionsrechts entspricht; ebenso ; vgl auch BFH , V R 22/99: unternehmerische Tätigkeit bereits dann gegeben, wenn ein Angebot für eine zu erbringende Leistung abgegeben wird). Zu prüfen ist, ob die Handlungen auf die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit gerichtet sind, nicht entscheidend ist, ob die Handlungen nach Auffassung der Behörde wirtschaftlich zweckmäßig sind ().

Ob die Handlung ernsthaft der Vorbereitung künftiger Leistungen dient oder nicht, ist Tatfrage, für die die allgemeinen Regeln über die objektive Beweislast zum Tragen kommen.

Wie oben dargestellt, trat die Bf. sowohl gegenüber Kunden als auch Lieferanten nach außen auf, nahm Aufträge an und kaufte Waren ein. Ein Außenauftritt mit der Absicht Einnahmen zu erzielen lag daher ab 2010 vor. Dementsprechend ist auch seither vom Vorliegen der Unternehmereigenschaft auszugehen.

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Der Begriff "Betriebsausgaben" bezeichnet im EStG jene Aufwendungen, die im Bereich der betrieblichen Einkunftsarten (§ 2 Abs 3 Z 1 bis 3) anfallen. "Betriebsausgaben" liegen dann vor, wenn die Aufwendungen mit dem Betrieb in Zusammenhang stehen. Die Betriebsausgaben müssen durch den Betrieb veranlasst sein. Die betriebliche Veranlassung ist weit zu sehen; auf die Angemessenheit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Der Nichteintritt eines angestrebten Erfolgs schließt den Abzug einer Betriebsausgabe nicht aus (; , 0248/65; , 2846/78; , 3371/79). Die betriebliche Veranlassung kann auch nicht schon deshalb verneint werden, weil sich aus den im Lagebericht eines Unternehmens nach § 243 UGB kein Zusammenhang der Aufwendungen mit der betrieblichen Tätigkeit ergibt ().

Eine betriebliche Tätigkeit liegt bereits in der Vorbereitungsphase, sohin vor Erzielung der ersten Einnahmen vor, wenn sich der innere Entschluss des Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiert und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeitet (). Bei einer über einige Jahre hinausgehenden Vorbereitungsphase wird dabei besonderes Gewicht darauf zu legen sein, dass auf Grund der bereits gesetzten Handlungen des Steuerpflichtigen die eindeutige Absicht der künftigen Betriebseröffnung erweislich ist ().

Wie oben dargestellt konnte die Bf. anhand des vorgelegten Schriftverkehrs nachweisen, dass sie bereits ab 2010 gegenüber Kunden und Lieferanten im eigenen Namen mit einem Handelsunternehmen nach außen auftrat. Die bei der Bf. angefallenen Aufwendungen - vornehmlich Personalkosten - stehen daher jedenfalls mit dem Handelsbetrieb in ausreichendem Zusammenhang um deren Behandlung als Betriebsausgaben zu rechtfertigen. Die zweifellos ungewöhnliche Gestaltung der Geschäftsbeziehung mit der Schwestergesellschaft (kein schriftlicher Vertrag über die wechselseitigen Leistungen und deren Abgeltung) hat auf die Einstufung der hier streitgegenständlichen Aufwendungen als Betriebsausgaben der Bf. im Streitzeitraum keine entscheidungsrelevante Auswirkung.

Die Körperschafteuer bzw. die Verlustabzüge und der für die Jahre ab 2016 verbleibende verrechenbare Restverlust ergeben sich wie folgt:

Damit ergibt sich folgende Abgabenberechnung für 2014 und 2015:

Der restliche Verlustabzug für die Jahre nach 2015 beträgt - 196.841,98 €.

Klarstellend wird angemerkt, dass die Verluste aus den Jahren bis inklusive 2009 aufgrund Vorliegens eines Mantelkauftatbestandes - gegen die entsprechende Feststellung der Bp. wurden auch keine Einwendungen erhoben - nicht abzugsfähig sind

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine derartige Rechtsfrage liegt hier nicht vor zumal im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die Sachverhaltsfrage der erstmaligen Erkennbarkeit einer beabsichtigten Unternehmenseröffnung strittig war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103466.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at