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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2024, RV/7100351/2021

Wiederaufnahme auf Antrag - maßgeblich für neu hervorgekommene Tatsachen ist der Wissensstand des Antragstellers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Verl. N. 4, Adr., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2012 bis 2013 und Einkommensteuer 2012 bis 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Angefochten ist die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2012 bis 2013.

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen 2012 und 2013 schätzte das Finanzamt gemäß § 184 BAO die Besteuerungsgrundlagen und erließ dementsprechend die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide (Bescheide vom ).

Gegen diese Bescheide beabsichtigte die steuerliche Vertreterin (N WT GmbH) Beschwerde zu erheben und ersuchte mit Schriftsatz vom (beim Finanzamt eingelangt lt. Eingangsstempel am selben Tag), die Frist zur Einbringung der Beschwerde "aus Urlaubsgründen" bis zu verlängern. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt unter Hinweis auf die mehrmalige Verlängerung der Frist zur Einreichung der Steuererklärungen den Fristverlängerungsantrag ab. Am Ende der Bescheidbegründung wurde die N WT GmbH unter dem Punkt "Achtung!" auf die Hemmung des Fristenlaufes hingewiesen.

Die mit datierten Beschwerden (zwei Schriftsätze), die am zur Post gegeben worden waren (sh. Postaufgabestempel), enthielten keine Begründung sondern lediglich die Bitte, die Begründung "aus Urlaubsgründen" nachreichen zu dürfen.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom (vier Bescheide getrennt nach Abgabenart und Jahr), zugestellt jeweils am , die Beschwerden als verspätet zurück.

Die beiden als "Beschwerden" bezeichneten Schriftsätze, denen sowohl die Umsatzsteuererklärungen 2012 und 2013 als auch die Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 als Beilagen angefügt worden waren (datiert mit und am selben Tag beim Finanzamt eingelangt), wertete das Finanzamt als Vorlageanträge und legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht wies mit Beschluss vom , RV/7104066/2017, die Beschwerden als verspätet zurück; auf die Begründung wird verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte mit Beschluss vom , Ra 2019/13/0015, die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes und wies die außerordentliche Revision zurück.

Mit Anbringen vom regte die N WT GmbH die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Steuerbescheide 2012 und 2013 an. In Beantwortung des Mängelbehebungsauftrags vom hinsichtlich des Anbringens vom stellte die N WT GmbH klar, dass die Anregung auf Wiederaufnahme des Verfahrens die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 sowie die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 betreffe. Hinsichtlich des Vorliegens neuer Tatsachen und Beweismittel verwies die Vertreterin darauf hin, dass die Steuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 beim Finanzamt eingereicht worden seien und sich nunmehr im Akt befänden. Daraus ergäben sich jedenfalls neue Tatsachen im Vergleich zu den Steuerbescheiden auf steuerrechtlicher Ebene. Weiters habe sich bei der im Juli 2019 erfolgten Akteneinsicht herausgestellt, dass sich auf dem Kuvert mit der Beschwerde und den eingereichten Steuererklärungen ein Stempel der Post vom befinde. Der Sachverhalt hinsichtlich Postaufgabe und/oder Einlangen beim Finanzamt stelle eine neue Tatsache jedenfalls ein neues Beweismittel dar, welches die Wiederaufnahme rechtfertige. Hinsichtlich des genauen Wortlautes wird auf die nähere Begründung verwiesen.

Mit Bescheiden jeweils vom (getrennt nach Abgabenart und Jahr) wies das Finanzamt das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2012 bis 2013 ab; auf die Bescheidbegründungen wird verwiesen. Die Zustellung der Abweisungsbescheide erfolgte lt. Rückschein am an die N WT GmbH. Diese Bescheide sind Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht.

Die N WT GmbH ersuchte mit Schreiben vom (eingescannt beim Finanzamt am ) unter Hinweis auf die Vollmacht des Beschwerdeführers, die Frist zur Einbringung einer Beschwerde bis aufgrund von "unerwarteten Krankheitsgründen" zu verlängern.

Das Finanzamt gab diesem Antrag mit Bescheid vom insofern teilweise statt, als es die Beschwerdefrist bis auf den Tag der Bescheiderlassung, den , erstreckte (zugestellt am ). Auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.

Die N WT GmbH brachte am die Beschwerde (ohne Begründung) ein und beschränkte sich lediglich auf die Floskel "wird höflich gebeten, die Beschwerdebegründung nachreichen zu dürfen, wobei noch auch Formalitäten hinsichtlich Fristen abzuklären sind".

Den daraufhin erfolgten Mängelbehebungsauftrag vom , der der N WT GmbH am zugestellt worden war, erledigte bereits die neue Vertretung, die A WP GmbH, mit einer als "Ergänzender Schriftsatz zur Mängelbehebung betreffend Bescheidbeschwerde vom " bezeichneten Eingabe vom . Auf die ausführliche Begründung wird verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (lt. Rückschein zugestellt am an MMag. 4) wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.

Der Vorlageantrag vom erfolgte per FinanzOnline durch die A WP GmbH; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom zog der Beschwerdeführer die Anträge auf Entscheidung durch den Berufungssenat sowie Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Am bzw. langte ein ergänzendes Vorbringen eines von der N WT GmbH beauftragten Vertreters beim Bundesfinanzgericht ein.

II. Das Bunde sfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nachstehende steuerliche bzw. rechtliche Vertreter waren in den gegenständlichen Fall involviert:

  • N WT GmbH - 1

  • A WP GmbH - 2

  • J RA GmbH - 3

  • MMag. Thomas K - 4

Die N WT GmbH war in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2012 und 2013 die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers und für die Abgabe der Steuererklärungen verantwortlich.

Nach mehrmaliger Aufforderung an die N WT GmbH, die Steuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 abzugeben, und nach mehrmaliger Fristverlängerung zur Abgabe der Erklärungen, erfolgte seitens des Finanzamtes die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer und die Erlassung der Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2013 und der Einkommensteuerbescheide2012 bis 2013 vom .

Die mit datierten Beschwerden gab die N WT GmbH am zur Post. Der Ablauf der Beschwerdefrist war jedoch bereits am eingetreten, sodass das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen vom die Beschwerden als verspätet zurückwies.

Die Umsatzsteuererklärungen 2012 bis 2013 und Einkommensteuererklärungen 2012 bis 2013 legte die N WT GmbH erst am als Beilagen eines als "Beschwerde" bezeichneten Schriftsatzes vor und ersuchte, die Bescheide vom aufzuheben und die Veranlagung unter Würdigung der beiliegenden Steuererklärungen vorzunehmen. Diesen Schriftsatz wertete das Finanzamt als Vorlageantrag (wenn auch um Monate verspätet) und legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht bestätigte die Richtigkeit der Zurückweisung der Beschwerden mit Beschluss vom , RV/7104066/2017. Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich dieser Rechtsansicht an und wies die außerordentliche Revision mit Beschluss vom , Ra 2019/13/0015, zurück.

Die bekämpften Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2013 und Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2013 vom waren damit am in Rechtskraft erwachsen.

Hinsichtlich des genauen Ablaufs der von der N WT GmbH und den weiteren Vertretern gesetzten Maßnahmen wird auf die nachfolgende Chronologie des Verfahrensablaufes verwiesen.

Beschwerdegegenständliche Jahre 2012 bis 2013 - Umsatzsteuer und Einkommensteuer:

  • Mehrmalige Verlängerung der Abgabefrist der Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen 2012 bis 2013

  • Schätzung (U, E 2012-2013); lt. erfolgte die Zustellung am mittels RSb an Beschwerdeführer (Rückschein im vom Finanzamt vorgelegten Akt nicht enthalten)

  • Antrag auf Beschwerdefristverlängerung bis "aus Urlaubsgründen" durch die N WT GmbH - Datum des Postaufgabestempels

  • Abweisung Fristverlängerungsantrag (Hemmung des Fristenlaufes der Beschwerdefrist mit Einbringung des Antrages am bis Zustellung des Ablehnungsbescheides am )

  • Hinweis auf die Hemmung des Fristenlaufes:

  • "Achtung! Durch Ihren Antrag auf Fristverlängerung wurde der Lauf der Beschwerdefrist (Antragsfrist) gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem Ihnen diese Entscheidung zugestellt wird. Diese Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft."

  • Beschwerde (zwei Schriftsätze) durch die N WT GmbH (ohne Begründung: Inhalt der Schriftsätze beschränkte sich lediglich auf "höflich gebeten, die Begründung aus Urlaubsgründen nachreichen zu dürfen"); Postaufgabe lt. Stempel der Post

  • vier Beschwerdevorentscheidungen (Zurückweisung als verspätet: Restdauer der Beschwerdefrist 2 Tage - dh. letzter Tag ist der - Eintritt der Rechtskraft der bekämpften Bescheide); Zustellung an die N WT GmbH

  • "Beschwerden" (zwei Schriftsätze) samt Umsatzsteuererklärungen 2012 bis 2013 und Einkommensteuererklärungen 2012 bis 2013 durch die N WT GmbH eingebracht - als Vorlageantrag gewertet

  • Beschluss des BFG, RV/7104066/2017 - Zurückweisung der Beschwerden als verspätet

  • Revision an den VfGH, in eventu Abtretung an den VwGH, eingebracht durch die J RA GmbH; Nichtbehandlung durch den VfGH; in weiterer Folge ao. Revision an den VwGH

  • Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in eventu Wiederaufnahme des Verfahrens durch die N WT GmbH; (lediglich für E 2012 und 2013)

  • Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom zur Einbringung einer Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, zugestellt am an die N WT GmbH

  • Mängelbehebungsauftrag an die N WT GmbH betreffend den "in eventu gestellten" Wiederaufnahmeantrag vom ; zugestellt am

  • Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis "aus Urlaubsgründen" betreffend Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 durch die N WT GmbH (beim Finanzamt eingelangt am )

  • Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist bis "aus Urlaubsgründen" betreffend den Wiederaufnahmeantrag vom durch die N WT GmbH (beim Finanzamt eingelangt am )

  • Abweisung der Verlängerung der Beschwerdefrist betreffend Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013; lt. Rückschein zugestellt an die N WT GmbH am

  • Abweisung der Verlängerung der Mängelbehebungsfrist betreffend Wiederaufnahmeantrag vom ; lt. Rückschein zugestellt an die N WT GmbH am

  • Bescheid des Finanzamtes, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013 mangels aufgetragener Behebung der Mängel als zurückgenommen gilt; lt. Rückschein zugestellt an die N WT GmbH am

  • Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom durch die N WT GmbH (ohne Begründung: Inhalt des Schriftsatzes beschränkte sich lediglich auf "höflich gebeten, die Begründung aus Urlaubsgründen nachreichen zu dürfen"); Postaufgabe , eingelangt beim Finanzamt am

  • Versuchte Mängelbehebung aufgrund des Mängelbehebungsauftrages vom betreffend den "in eventu gestellten" Wiederaufnahmeantrag vom durch die N WT GmbH; eingelangt beim Finanzamt am

  • Mängelbehebungsauftrag zur Beschwerde betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013; lt. Rückschein zugestellt an die N WT GmbH am

  • Mängelbehebung durch die N WT GmbH betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013; eingelangt beim Finanzamt am

  • Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 2013; lt. Rückschein zugestellt an die N WT GmbH am

  • Akteneinsicht durch J RA GmbH

  • Zurückweisung der ao. Revision durch den VwGH, Ra 2019/13/0015

  • Anregung zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Jahre 2012 und 2013 durch die N WT GmbH (per FAX eingebracht am )

  • Mängelbehebungsauftrag betreffend Anbringen vom an die N WT GmbH; lt. Rückschein zugestellt am

  • Stellungnahme der N WT GmbH zum Mängelbehebungsauftrag bzw. Anregung zur amtswegigen Wiederaufnahme betreffend Steuerbescheide 2012 und 2013 (per FAX eingebracht am )

  • Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom (vier Bescheide jeweils getrennt nach Abgabenart und Jahr); lt. Rückschein zugestellt am an die N WT GmbH - angefochtene Bescheide

  • Antrag durch die N WT GmbH auf Beschwerdefristverlängerung bis aufgrund von "unerwarteten Krankheitsgründen" (Postaufgabestempel )

  • Bescheid betreffend Beschwerdefristverlängerung: teilweise Stattgabe - Fristverlängerung bis Tag der Bescheiderstellung ; zugestellt durch Hinterlegung; der N WT GmbH am zur Kenntnis gelangt: lt. Beschwerde: "Zu obiger Steuernummer erging der Bescheid vom , zugestellt am ….")

  • Beschwerde durch die N WT GmbH (ohne Begründung: Inhalt des Schriftsatzes beschränkte sich lediglich auf "höflich gebeten, die Beschwerdebegründung nachreichen zu dürfen, wobei noch auch Formalitäten hinsichtlich Fristen abzuklären sind"); Poststempel vom ; eingelangt beim Finanzamt am

  • Mängelbehebungsauftrag an die N WT GmbH; lt. Beschwerdeergänzung zugestellt am

  • Erteilung einer unbeschränkten Vertretungsvollmacht an MMag. 4 durch den Beschwerdeführer

  • Einbringung der Beschwerdeergänzung ("Ergänzender Schriftsatz zur Mängelbehebung betreffend Bescheidbeschwerde vom ") durch die A WP GmbH "unter Berufung auf die für dieses Verfahren erteilte Vollmacht gemäß § 77 Abs. 11 WTBG 2017"

  • Entziehung der Vertretungsvollmacht der N WT GmbH mit Ausnahme der Jahre 2012 und 2013 (eingeschränkte Vollmacht) durch den Beschwerdeführer;

  • Information des Finanzamtes, dass die A WP GmbH rückwirkend seit eine eingeschränkte Vertretungs-Vollmacht 2011, 2012 und 2013 habe, durch den Beschwerdeführer

  • Beschwerdevorentscheidung; lt. Rückschein zugestellt am an Mag. 4, da Inhaber der umfassendsten Vollmacht

  • Vorlageantrag per FinanzOnline durch die A WP GmbH

  • Mitteilung/Bestätigung des Beschwerdeführers an das Finanzamt, dass alleiniger steuerlicher Vertreter MMag. 4 sei und es darüber hinaus keine weiteren steuerlichen Vertretungen gebe

  • Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht

Die Vollmacht der N WT GmbH, die seit den 90er-Jahren steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers gewesen war, sowie die Vollmacht der nachfolgenden Steuerkanzlei A WP GmbH endete mit .

Seit ist alleiniger Vollmachtsinhaber (incl. Zustellvollmacht) MMag. 4, nach dessen Ableben im Jahr 2024 die Verlassenschaft nach MMag. 4

2. Beweiswürdigung

Verwiesen wird auf die Chronologie des Verfahrensablaufes. Die dort vorkommenden Datumsangaben sind durch Eingangsstempel des Finanzamtes, Postaufgabestempel oder durch Rückscheine belegt.

Steuerliche Vertretung/Vollmachten:

Der Beschwerdeführer informierte das Finanzamt mit Schreiben vom von der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses mit der N WT GmbH:

"Kündigung des Auftragsverhältnisses und Vertretungs-Vollmacht, rückwirkend per , ausgenommen die Jahre 2012 und 2013:

Wir informieren das zuständige Finanzamt bzw. die Finanzbehörde darüber, dass unser Auftragsverhältnis mit der Steuerkanzlei N WT GmbH per aufgekündigt wurde.

Die Steuerkanzlei N WT GmbH ist somit rückwirkend ab nicht mehr berechtigt, die Vertretungs-Vollmacht auszuüben.

Dies umfasst auch das Beendigen der Vollmacht-Vertretung für alle Kassenangelegenheiten, egal ob bar oder unbar, die mit den Behörden abzuwickeln sind, und alle Umbuchungs- und Rückzahlungsanträge, rückwirkend ab .

Davon ausgenommen ist die weiter aufrecht bleibende Vertretungs-Vollmacht durch die Steuerkanzlei N WT GmbH ausschließlich für die Jahre 2012 und 2013.

Im Zusammenhang mit den Jahren 2012 und 2013 ist die Steuerkanzlei N WT GmbH nicht mehr berechtigt, die Vertretungs-Vollmacht auszuüben für alle Kassenangelegenheiten, egal ob bar oder unbar, die mit den Behörden abzuwickeln sind, und alle Umbuchungs- und Rückzahlungsanträge."

Mit einem weiteren Schreiben vom informierte der Beschwerdeführer das Finanzamt von der Einschränkung der Vollmacht die A WP GmbH betreffend:

"Einschränkung der Vertretungs-Vollmacht, rückwirkend per , ausgenommen die Jahre 2012 und 2013, bzw. das Vorjahr 2011:

Wir informieren das zuständige Finanzamt bzw. die Finanzbehörde, dass die Steuerkanzlei A WP GmbH nur eine eingeschränkte Vertretungs-Vollmacht für die Jahre 2013, 2012 und 2011 hat.

Die Steuerkanzlei A WP GmbH hat keine Vertretungs-Vollmacht für alle Kassenangelegenheiten, egal ob bar oder unbar, die mit den Behörden abzuwickeln sind, bzw. für alle Umbuchungs- und Rückzahlungsanträge, dies gilt ohne Ausnahmen auch für ältere Jahre, 2011, 2012 und 2013."

Mit einem beim Finanzamt am eingelangten Schreiben stellte der Beschwerdeführer Folgendes hinsichtlich seiner steuerlichen Vertretung klar:

"Ich darf Ihnen hiermit mitteilen/bestätigen, dass meine steuerliche Vertretung Hr. WP/StB MMag. 4, Adresse, WT-Code, ab innehatte und hat (Vollmacht liegt vor und wurde dem Finanzamt übermittelt).

Darüber hinaus gibt es keine weiteren steuerlichen Vertretungen. Etwaige noch im System hinterlegte (FinanzOnline) oder aktenmäßig geführten steuerlichen Vertretungen für meine Person sind bitte sofort zu entfernen/löschen.

Für Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung."

Das Finanzamt hat der Bitte auf Löschung sämtlicher Vollmachten, mit Ausnahme jener für MMag. 4 Rechnung getragen. Alleiniger Vertretungsbevollmächtigte war somit MMag. 4

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Rechtslage

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

  • Rechtliche Erwägungen

Bei dem Anbringen vom handelt es sich verfahrentechnisch um einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Einen Grund für die Wiederaufnahme vermeint die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers darin zu sehen, dass die am eingebrachten Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen 2012 bis 2013 neu hervorgekommene Tatsachen enthielten; ebenso sei der im Zuge einer Akteneinsicht vorgefundene Postaufgabestempel auf dem Kuvert der Beschwerden nicht bekannt gewesen.

Strittig ist, ob ein Wiederaufnahmegrund für eine Antragswiederaufnahme vorliegt. Zu prüfen ist daher, ob nach dem im gegenständlichen Beschwerdefall zur Anwendung kommenden Tatbestand lit. b Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (zB ; ); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (zB ; ; ; ). Tatsachen sind nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge, soweit sie rational feststellbar sind (Ansichten, Absichten oder Gesinnungen wie zB die Zahlungsunwilligkeit, ) (Ritz, BAO5, § 303 Tz 21 ff).

Die Wiederaufnahmegründe für die Wiederaufnahme auf Antrag sind dieselben wie für eine amtswegige Wiederaufnahme (Ritz, BAO5, § 303 Tz 45 ff).

Hingegen ist, anders als bei der Wiederaufnahme von Amts wegen, wo der Wissensstand der Abgabenbehörde maßgeblich ist (in dem wiederaufzunehmenden Verfahren muss der Abgabenbehörde der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sein, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können), bei der Wiederaufnahme auf Antrag der Wissensstand des Abgabepflichtigen maßgebend. So bilden Umstände, die der Partei (§ 78) bekannt waren, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (Fischerlehner, Abgabenverfahren2§ 303 Anm 6).

Der Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich der uneinheitlichen Judikatur des Bundesfinanzgerichtes (Maßgeblichkeit des Kenntnisstandes der Partei bzw. des Kenntnisstandes der Abgabenbehörde) klargestellt, dass für die Wiederaufnahme auf Antrag die Sicht des Antragstellers maßgebend sei (). Der VwGH begründet diese Rechtsansicht lediglich mit § 303 Abs. 2 lit. b BAO. Nach dem diese Rechtsanschauung bestätigenden VwGH-Erkenntnisses vom , Ro 2016/15/0036, sei die Rechtsfrage zur Bedeutung des Kenntnisstandes der Parteien im Erkenntnis vom , 2014/15/0058, bereits beantwortet, sodass keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG mehr vorliege.

Der Wiederaufnahmewerber ist hinsichtlich der Wiederaufnahmegründe behauptungs- und beweispflichtig (Ritz, BAO5, § 303 Tz 55).

  • Behaupteter Wiederaufnahmegrund - Einbringung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen 2012 bis 2013 am :

Die beschwerdeführende Partei geht davon aus, dass durch die bloße Einbringung der Abgabenerklärungen der Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 2 lit. b BAO vorliege.

Das Argument, dem Beschwerdeführer bzw. seinem steuerlichen Vertreter seien im Zeitpunkt der Bescheiderlasssung Tatsachen und Beweismittel für eine korrekte Abgabenfestsetzung nicht bekannt gewesen, da diese erst bei Erklärungserstellung erhoben worden seien, geht ins Leere.

Sowohl 2012 als auch 2013 wurden seitens der Steuerkanzlei Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt, denen Geschäftsfälle zu Grunde gelegen sind. Von diesen Geschäftsfällen muss es Unterlagen gegeben haben. Es ist davon auszugehen, dass bereits zum größten Teil Belege vorhanden gewesen sein müssen, auch wenn diese eventuell bis zur Erklärungserstellung noch nicht aufgebucht worden waren.

Das Wissen des Beschwerdeführers und seiner Vertretung über (selbst) verwirklichte Sachverhalte ist evident. Die beschwerdeführende Partei hat keinerlei Ausführungen zu den konkreten für sie neu hervorgekommenen Tatsachen getroffen. Es existiert lediglich ein Verweis auf die eingereichten Steuererklärungen.

Ein Wiederaufnahmegrund ist hier nicht gegeben

  • Behaupteter Wiederaufnahmegrund - Unkenntnis des Poststempels vom auf dem Kuvert der Beschwerden:

Die Behauptung, erst bei der Akteneinsicht sei der beschwerdeführenden Partei das Datum des Poststempels bekannt geworden, ist nicht glaubwürdig. Das Finanzamt weist bereits in den Beschwerdevorentscheidungen vom auf das Aufgabedatum der Beschwerden am hin.

Es ist unwahrscheinlich, dass der N WT GmbH nicht bekannt war, wann sie die Beschwerde zur Post gegeben hat; hiezu muss es kanzleiinterne Aufzeichnungen geben.

Weiters ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die Kenntnis des Datums die Erlassung anderslautender Bescheide bewirken hätte können; hiezu gibt es keinerlei Ausführungen der steuerlichen Vertretung.

Ein Wiederaufnahmegrund ist hier nicht gegeben.

Insgesamt liegen keinen neuen Tatsachen oder Beweismittel vor, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag rechtfertigten.

Hinsichtlich der sonstigen behaupteten Verfahrensmängel wird auf die ausführliche Bescheidbegründung der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. Das Bundesfinanzgericht schließt sich diesen Argumenten vollinhaltlich an.

Die Zustellung dieses Erkenntnisses erfolgt neben den Verfahrensparteien noch an den einzigen Vollmachtsermächtigten, die Verlassenschaft nach MMag. 4. Sämtliche andere etwaiige in diesem Verfahren zu irgendeinem Zeitpunkt Bevollmächtigte stehen in keinem aufrechten Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer.

Auf das am bzw. beim Bundesfinanzgericht eingelangte ergänzende Vorbringen eines von der N WT GmbH beauftragten Vertreters war nicht näher einzugehen, da zu diesem Zeitpunkt (dh. seit ) kein aufrechtes Vollmachtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der N WT GmbH mehr bestand.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über den Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO (Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens) abgesprochen. Über die Maßgeblichkeit des Kenntnisstandes der Partei bei einer Wiederaufnahme auf Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058, abgesprochen. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100351.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at