Doppelte Haushaltsführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Julia Schlegl in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BFStNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Abs 1 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz Bf) beantragte mit der beim Finanzamt eingebrachten Erklärung zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 unter anderem Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von (in weiterer Folge kurz iHv) EUR 6.503,28 und Familienheimfahrten iHv EUR 1.000,00.
Mit dem daraufhin - nach einem beantworteten Ergänzungsersuchen - am ergangenen Einkommensteuerbescheid 2016 wurden die gegenständlichen Werbungskosten nicht anerkannt und wurde im Wesentlichen erläutert, dass im vorliegenden Fall keine Gründe für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung, wie zB relevante Einkünfte der Ehepartnerin, vorliegen.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde vom . Der Bf begehrte, die beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten anzuerkennen und brachte dazu in Erwiderung auf die Ausführungen des Finanzamtes im Wesentlichen begründend vor, dass er an seinem Familienwohnsitz in ***Ort*** (Slowakei) ein Einfamilienhaus besitzt und dort seine Frau und seine zwei unterhaltsbedürftigen Kinder leben. Eine Übersiedlung der gesamten Familie sei aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar. Zudem sei der Alleinverdienerabsetzbetrag für zwei Kinder nicht berücksichtigt worden.
Nach einem weiteren vom Bf beantworteten Ergänzungsersuchen wurde der Einkommensteuerbescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom zwar dahingehend geändert, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag anerkannt wurde, die beschwerdegegenständlichen Werbungskosten wurden jedoch weiterhin nicht anerkannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht gegeben sei und das bloße Vorhandensein minderjähriger, schulpflichtiger Kinder jedenfalls keine Unzumutbarkeit begründe.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtete sich der rechtzeitig eingebrachte Vorlageantrag.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, den Bescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuändern, da im Erstbescheid der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist slowakischer Staatsbürger und hat seinen Familienwohnsitz in ***Ort*** (Slowakei). Der im streitgegenständlichen Jahr gültige Arbeitsvertrag mit [...]***AG*** in Wien wurde am für vier Jahre (vom bis ) abgeschlossen und am durch einen Nachtrag auf unbestimmte Zeit verlängert. 2016 erzielte der Bf aus der nicht selbstständigen Tätigkeit als ***ABC*** und ab als ***AAA*** ein Jahresbruttoeinkommen iHv EUR 57.164,60. In der Nähe seines Arbeitsplatzes bewohnte der Bf eine Wohnung mit 52,3m2 Wohnfläche. Er fuhr in der Regel wöchentlich zu seinem Familienwohnsitz (2016 insg 50 Mal hin und zurück). Dort besaß er gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Einfamilienhaus im Wert von EUR 88.000,00, in dem der Bf gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen zwei minderjährigen Kindern (geb 2007 und 2016) lebte. Am Familienwohnsitz betreute die Ehefrau auch die gemeinsamen Kinder. Der jüngere gemeinsame Sohn wurde im streitgegenständlichen Jahr 2016 geboren. Die Ehefrau des Bf war bis zum Beginn des Mutterschaftsurlaubes im Krankenstand. Seit dem hatte sie Anspruch auf Mutterschaftsurlaub und bezog aus diesem Grund EUR 8,096 pro Tag. Der ältere Sohn besuchte im Jahr 2016 regelmäßig eine Volksschule in der Nähe des Familienwohnsitzes.
Im Jahr 2016 erwuchsen dem Bf Mietkosten iHv EUR 6.503,28 für die Wohnung in der Nähe des Tätigkeitsortes und Fahrtkosten für die Heimfahrten zu seiner Familie iHv EUR 1.000,00. Die Höhe der Kosten setzen sich aus der monatlichen Miete iHv EUR 541,94 und der Kosten für die Zugfahrscheine (Strecke: Wien - ***Stadt Y***, 2. Klasse iHv EUR 20,00 für einen Hin- und Retourfahrschein) zusammen. Der Arbeitgeber leistete dafür keine steuerfreien Ersätze.
In den Jahren 2012 bis 2014 hat das Finanzamt die beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten anerkannt. Im streitgegenständlichen Jahr wurden die Kosten vom Finanzamt nicht als Werbungskosten anerkannt.
Der dargelegte Sachverhalt wurde von der belangten Behörde nicht bestritten.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, insbesondere auf die vom Bf übermittelten Unterlagen, welche aufgrund der beiden Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vorgelegt wurden (ua auf den Einkommensteuerbescheid, den Dienstvertrag, das Gutachten des Einfamilienhauses in ***Ort***, die Schulbestätigungen, den Mietvertrag für die Wohnung in Wien, die Bestätigung des Krankenstandes, die Urkunde des Sozialamts über den Beginn des Mutterschaftsurlaubes und die Höhe der täglichen Zahlungen im Zusammenhang mit dem im Jahr 2016 geborenen Kind sowie auf die vorgelegten Fahrscheine).
Die Höhe der geltend gemachten Mietkosten (EUR 6.503,28) ergibt sich aus der monatlichen Miete iHv EUR 541,94. Als Nachweis wurden sowohl die Dauerrechnung als auch die Zahlungsnachweise vorgelegt. Die für die Heimfahrten zur Familie beantragten Kosten iHv EUR 1.000,00 konnte der Bf durch die vorgelegten Fahrscheine und durch seine Ausführungen, im Durchschnitt einmal wöchentlich (insg aber nur 50 mal) zu seinem Familienwohnsitz gefahren zu sein, ausreichend glaubhaft machen. Der Bf. legte für das streitgegenständliche Jahr 48 Fahrscheine iHv EUR 20,00 vor, was einem Betrag iHv EUR 960,00 entspricht. Die restlichen Fahrscheine sind laut Bf verloren gegangen. Um rechnerisch die beantragten EUR 1.000,00 zu vervollständigen, wurden lediglich zwei Fahrscheine nicht vorgelegt. Dass der Bf, der Ehemann und Vater zweier minderjähriger Kinder ist, 50 Mal im Jahr zu seinem Familienwohnsitz gefahren ist, erachtet das Gericht als glaubhaft. Untermauert wird dies noch damit, dass das jüngere gemeinsame Kind Anfang des streitgegenständlichen Jahres geboren wurde und es der Lebenserfahrung entspricht, dass ein Vater sein neugeborenes Kind möglichst oft sehen möchte.
Ergänzend ist auszuführen, dass der Bf auch eine Bestätigung seines Arbeitgebers vorgelegt hat, dass er keine steuerfreien Ersätze für Aufwendungen betreffend Wohnkosten in Wien und/oder Heimfahrten von ihm erhalten hat.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Werbungskosten sind nach § 16 Abs 1 Satz 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Sie sind über Verlangen der Abgabenbehörde nach Art und Umfang nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl ). Laut Judikatur des VwGH ist ein Sachverhalt glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, dass der vermutete Sachverhalt von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat (). Im streitgegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt, wie oben dargestellt, ausreichend glaubhaft gemacht.
Nach § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 idF BGBl I Nr 22/2012 dürfen bei Ermittlung der Einkünfte Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 idF BGBl I Nr 112/2012 angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.
Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort (doppelte Haushaltsführung) ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann (vgl ).
Aus der Begründung des VwGH zu der Entscheidung vom () lässt sich ableiten, dass der VwGH nunmehr bei einer Entfernung von über 80 km oder bei einer Fahrzeit (unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel bzw gegebenenfalls eines Pkw) von mehr als einer Stunde die Unzumutbarkeit annimmt (vgl. Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 (2022) § 16 Tz 170). Die vom Bf zurückzulegende Strecke (Wien - ***Ort***), erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls. Dies wird auch von der belangten Behörde nicht bestritten.
Fest steht daher, dass dem Bf die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnort nicht zugemutet werden konnte und er daher am Arbeitsort einen Wohnsitz begründen musste. Strittig ist lediglich, ob es ihm zugemutet werden konnte, den Familienwohnsitz im streitgegenständlichen Jahr an den Beschäftigungsort zu verlegen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit selbst, sondern stets durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Eine berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann ( ; ; ; ).
Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere auch in der privaten Lebensführung des Bf haben ().
Die belangte Behörde führte aus, dass dem Bf in den Jahren 2012-2014 die Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie die Fahrtkosten anerkannt wurden und somit die vorübergehende doppelte Haushaltsführung zugestanden wurde. Als vorübergehende doppelte Haushaltsführung werde bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen. Der Bf arbeite jedoch schon mehrere Jahre in Wien. Eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes sei allerdings nicht ersichtlich. Unter Verweis auf das BFG Erkenntnis vom , () führte die Behörde weiters aus, dass das bloße Vorhandensein minderjähriger, schulpflichtiger Kinder jedenfalls keine Unzumutbarkeit begründe.
Zuzustimmen ist der belangten Behörde dahingehend, dass das bloße Vorhandensein minderjähriger, schulpflichtiger Kinder alleine keine Unzumutbarkeit begründet. Es muss jeweils fallbezogen - vor dem Hintergrund des Kindeswohls - abgewogen werden, ob Umstände vorliegen, welche im konkreten Einzelfall im jeweiligen Streitjahr () eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar erscheinen lassen.
Wenn die belangte Behörde auf das oben genannte BFG Erkenntnis verweist, ist dem das Erkenntnis des entgegenzuhalten, in der das Höchstgericht das dort angefochtene Erkenntnis, unter anderem aus folgenden Erwägungen aufgehoben hat:
"Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen (Anm. eines minderj. Kindes) ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes ergeben kann (vgl. nochmals 2006/14/0038, VwSlg 8265/F, sowie zuletzt den Ra 2018/15/0075, mwN). Das Bundesfinanzgericht hätte daher dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Umstand, wonach seine Ehegattin am Familienwohnsitz in Polen drei minderjährige Kinder (ein Kleinkind sowie zwei Kinder im Kindergarten- bzw. Schulalter) betreue, nicht von vornherein keine Bedeutung beimessen dürfen."
Im fortgesetzten Verfahren () wurden die Kosten schließlich anerkannt.
Auch im Erkenntnis des wird mit Bezug auf die Ansicht vertreten, dass der Umstand, dass am Familienwohnsitz ein oder mehrere minderjährige Kinder durch eine erwachsene Bezugsperson zu betreuen sind, einen gewichtigen Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes darstellt. Es wird insbesondere auf die sprachlichen Barrieren für die schulpflichtigen Kinder verwiesen.
Die beiden eben angeführten Erkenntnisse, welche sich auf die Rechtsprechung des VwGH (Ra 2016/13/0016) beziehen, haben über einen mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt vergleichbaren Sachverhalt (minderjährige, schulpflichtige Kinder, die aufgrund des ausländischen Familienwohnsitzes eine andere Muttersprache haben und durch die Ehefrau betreut werden, welche abgesehen vom Kinderbetreuungsgeld keine wesentlichen Einkünfte bezieht) abgesprochen.
Ergänzend wird auf das Erkenntnis des hingewiesen. in dem die Sichtweise des BFG bestätigt wurde, dass eine Verlegung des Familiensitzes zumutbar war, obwohl die Ehefrau am Familiensitz das minderjährige Kind betreute.
Der Sachverhalt in diesem Erkenntnis ist jedoch nicht vergleichbar mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt. Der dortige Bf hatte zwar ebenfalls sein minderjähriges Kind, das in einem streitgegenständlichen Jahr vom dortigen Kindergarten in die Schule gewechselt ist, als einen Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung seines Familienwohnsitzes angegeben. Der Familienwohnsitz befand sich jedoch in Innsbruck und nicht im anderssprachigen Ausland. Es konnte somit keine sprachliche Barriere für die Unzumutbarkeit herangezogen werden, schon aus diesem Grund handelt es sich um keinen vergleichbaren Sachverhalt. Zudem ist das Preisniveau vom Familienwohnsitz in Innsbruck mit dem des Arbeitsortes Wien vergleichbar.
Mit dem Erkenntnis vom (Ro 2021/15/0037) änderte der VwGH nicht seine bisherige Rechtsansicht, sondern bestätigte lediglich seine ständige Rechtsprechung, dass jeweils fallbezogen - vor dem Hintergrund des Kindeswohls - abgewogen werden muss, ob Umstände vorliegen, welche im konkreten Einzelfall im jeweiligen Streitjahr eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar erscheinen lassen (vgl zB ).
Der vom Bf im streitgegenständlichen Fall angeführte Umstand, sein am Familienwohnsitz in der Slowakei lebendes Kind, sei minderjährig und schulpflichtig, stellt nach Ansicht des erkennenden Gerichts einen gewichtigen Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dar. Vor allem im Hinblick auf die sprachlichen Barrieren, aufgrund der nicht deutschen Muttersprache, besteht für das Kind keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit in Österreich am Arbeitsort des Bf. Laut Recherche und telefonischer Auskunft der Bildungsdirektion Wien, gibt es für slowakisch sprechende Kinder im streitgegenständlichen Jahr in Wien nur die Komenský Schule, die ihren Unterricht in Tschechisch und Deutsch anbietet. Jede Klasse wird von einem zweisprachigen Lehrerteam mit den Muttersprachen Tschechisch/Slowakisch-Deutsch begleitet. Nach ein paar Monaten verstehen die slowakisch sprachigen Kinder laut Auskunft der Direktorin der Komenský Volksschule - aufgrund der engen Verwandtschaft beider Sprachen - in der Regel den tschechischen Unterricht. Es sei ratsam die Schule schon ab der ersten Klasse zu besuchen. Ein späterer Quereinstieg sei jedoch möglich, wobei dieser für die Kinder herausfordernder sei. Grund hierfür ist insbesondere, dass die Kinder bereits ab der ersten Klasse an die Sprache herangeführt werden. Es besteht auch keine Aufnahmepflicht der Schule. Bei Quereinsteigern entscheide (wenn möglich nach ein paar Schnuppertagen) der Schulverein der Komenský Schule, ob eine Aufnahme des Kindes erfolgen kann. Der Sohn des Bf wechselte im streitgegenständlichen Jahr bereits von der dritten in die vierte Schulstufe. Ein Schulwechsel nach Wien ist somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht ohne größerer Hürden möglich.
Der Bf führte als weiteren Grund dafür, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes im Veranlagungsjahr 2016, unzumutbar gewesen sei, ins Treffen, dass er an seinem Familienwohnsitz ein Einfamilienhaus besitzt und dort seine Ehefrau und seine zwei unterhaltsbedürftigen Kinder leben. Unter Verweis auf § 16 Rz 345 LStR führte er weiter aus, dass die Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar sei. Der Verkauf des Einfamilienhauses würde aufgrund der Lage in diesem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen, da die Anschaffung einer adäquaten Unterkunft am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht möglich sei.
Darauf entgegnete die belangte Behörde im Wesentlichen, dass das Preisniveau in der Slowakei unbestritten noch niedriger sei als in Österreich, jedoch dieses nicht mehr mit dem vor einigen Jahren zu vergleichen sei. Besonders in der Westslowakei sei das Preisniveau im Vergleich zur Ostslowakei sehr gestiegen. Der Wohnsitz des Bf befinde sich gleich nahe der Bezirkshauptstadt ***Stadt Y***, also bei weitem nicht in einem absolut strukturschwachen Gebiet. Durch den Verkauf des Familienwohnsitzes könne ein adäquater Erlös von EUR 88.000,00 erzielt werden. In Anbetracht der als relativ sicher zu betrachtenden Beschäftigung bei ***AG***, sei davon auszugehen, dass jedenfalls eine adäquate (Miet)-Wohnung für eine vierköpfige Familie im Einzugsbereich von Wien zu finanzieren wäre. Dass statt eines Einfamilienhauses in Zukunft nur eine Wohnung bewohnt werden könne, sei kein Kriterium für die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer doppelten Haushaltsführung. Die belangte Behörde verwies noch darauf, dass der Bf im Jahr 2016 ein Jahresbruttoeinkommen iHv EUR 57.164,60 gehabt habe und dies weit über dem durchschnittlichen österreichischen Jahresbruttoeinkommen von EUR 33.000,00 gelegen wäre (Quelle: https://www.finanz.at/gehalt/).
Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist gegeben, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)-Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 (2022) § 16 Tz 170).
Auch nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung können erheblich höhere Lebenshaltungskosten in Österreich gegen die Zumutbarkeit der Verlegung sprechen (vgl. ).
Bei einer Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort des Bf (Wien) würden dem Bf nicht nur deutliche höhere Kosten für die Anmietung einer adäquaten Wohnung, sondern auch erheblich höhere Lebenshaltungskosten für die vierköpfige Familie erwachsen als in dem kleinen Ort ***Ort*** mit etwa 700 Einwohnern.
Ein Grund, der für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechen kann, ist, wenn der Verkauf des Einfamilienhauses bzw der Wohnung am Familienwohnsitz aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde und die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht möglich ist (vgl. Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 56).
Auch wenn das Jahresbruttoeinkommen des Bf über dem österreichischen Durchschnitt liegt, würde der Verkauf des Einfamilienhauses am Familiensitz - das im von der belangten Behörde eingeforderten Gutachten mit EUR 88.000,00 bewertet wurde - die Anschaffung einer adäquaten Wohnung bzw eines Hauses für eine vierköpfige Familie in Wien nicht ermöglichen.
Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass in der Westslowakei, zu der ***Ort*** gehört, das Preisniveau im Vergleich zur Ostslowakei sehr gestiegen ist. Im Vergleich zu Wien, also dem Arbeitsort des Bf, ist ***Ort*** dennoch als strukturschwach zu beurteilen. Der Preisniveauindex der Slowakei beträgt laut einer Studie des Statistischen Amts der Europäischen Union (EUROSTAT) im Jahr 2016 insg 68, jener von Österreich 107. Die Daten basieren auf den Ergebnissen einer Preiserhebung, die über 2400 Verbrauchsgüter und Dienstleistungen in ganz Europa erfasst und die Teil des Eurostat/OECD Kaufkraftparitätenprogramms ist. Preisniveauindizes (PNI) ermöglichen einen Vergleich der Preisniveaus der Länder im Verhältnis zum Durchschnitt der Europäischen Union: Liegt der PNI über 100, ist das betreffende Land im Vergleich zum EU-Durchschnitt relativ gesehen teurer. Liegt der PNI unter 100, ist das betreffende Land im Vergleich zum EU-Durchschnitt relativ gesehen günstiger (Verbraucherpreisniveau 2016 Eurostat). Im Westen der Slowakei ist das Preisniveau insg höher als in der Ostslowakei, aber es ist auch zu bedenken, dass es sich bei ***Ort*** um einen kleinen Ort mit etwa 700 Einwohnern handelt. Er befindet sich zwar nur ca 5 km von ***Stadt Y*** (der Bezirkshauptstadt) entfernt, aber auch ***Stadt Y*** ist (zumindest im Vergleich zu Wien) mit etwa 15.000 Einwohnern eine kleine Stadt. Das innerstaatliche Preisniveau ist üblicherweise in einem Ballungszentrum bzw in der Hauptstadt höher als im ländlichen Bereich.
Aus den aufgrund dieser Erwägungen angeführten Punkten zieht das Bundesfinanzgericht den Schluss, dass auch die wirtschaftlichen Gründe ein starkes Indiz für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes darstellen.
Darüber hinaus kommt im streitgegenständlichen Jahr noch der Umstand hinzu, dass die Ehefrau schwanger war. Die emotionalen und körperlichen Belastungen eines Umzugs in ein anderes Land mit einem schulpflichtigen Kind, das eine andere Muttersprache hat und den zusätzlichen wirtschaftlichen Nachteilen, sind einer schwangeren Frau bzw nach der Geburt einer Familie mit einem Neugeborenen jedenfalls unzumutbar. Dass die Ehefrau des Bf bereits vor Beginn des Mutterschutzes im Krankenstand war, muss als zusätzliches Indiz für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes gewertet werden.
In Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse war dem Bf im streitgegenständlichen Jahr daher die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus den oben angeführten Gründen unzumutbar.
War dem Bf die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar, ist zu beurteilen, welche mit diesem im Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen sind.
Als Werbungskosten aus einer doppelten Haushaltsführung kommen nur die unvermeidlichen Mehraufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort in Betracht (vgl zB ). Nach der Verwaltungspraxis können Kosten bezogen auf eine Kleinwohnung von rund 55m2 abgesetzt werden. Der VwGH bestätigte in seinem Erkenntnis vom , 2010/13/0148 eine in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Kürzung der Kosten einer größeren Wohnung auf Kosten einer Wohnung im Ausmaß von 60 m2 und einer Berechnung der zulässigen monatlichen Miete iHv EUR 800,-- für eine Wohnung in Wien im Jahr 2004 (vgl Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 4 Tz 366).
Im Vergleich dazu befinden sich im streitgegenständlichen Fall die monatlichen Mietkosten der Wohnung des Bf mit einer Wohnfläche von 52,3m2 iHv EUR 541,94 jedenfalls innerhalb dieser Grenzen. Die beantragten jährlichen Kosten iHv EUR 6.503,28, die sich aus der monatlichen Miete zusammensetzen und durch die vorgelegten Unterlagen nachgewiesen wurden, sind dem Bf zuzuerkennen.
Liegen die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vor, so sind auch die Kosten für die Familienheimfahrten des Arbeitnehmers von dem am Arbeitsort gelegenen Wohnsitz zum Familienwohnsitz abzugsfähig. Die Höhe der absetzbaren Kosten für die Familienheimfahrten ist durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG idF BGBl I Nr 22/2012 mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG idF BGBl I Nr 112/2012 begrenzt. (Vgl. Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 4 Tz 330).
Die vom Bf begehrten - und durch die vorgelegten Unterlagen nachgewiesenen - Fahrtkosten iHv EUR 1.000,00 befinden sich unterhalb dieser Höchstgrenze. Sie sind dem Bf. daher zuzuerkennen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die zu beantwortenden Rechtsfragen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst wurden (vgl zB , , 2013/15/0146, Ro 2021/15/0037) lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl mit weiteren Nachweisen).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | doppelte Haushaltsführung Familienheimfahrten |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100986.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at