Betriebsübergabe: Gemischt genutzte Liegenschaft ist nach ertragsteuerlichen Grundsätzen (privat-betrieblich) aufzuteilen; Bemessung vom Grundstückswert nach Pauschalwertmodell
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, Adr., vertreten durch Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich/FAÖ) vom , ErfNr1, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Grunderwerbsteuer wird gemäß
§ 7 Abs. 1 Z 2 lit a Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl 1987/309 idgF., im
Betrag von € 6.594,25 festgesetzt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit "Liegenschafts-Übergabsvertrag und Betriebs-Übergabsvertrag" vom hat Frau A, geb. 04/1946 (= Alter 72 Jahre), als Alleineigentümerin der Liegenschaft in EZ1GB-X., bestehend aus mehreren GSt Alpen/Wald sowie dem bebauten Gst 2x, diese Liegenschaft samt darauf errichtetem Beherbergungsbetrieb an die Tochter ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf) schenkungsweise übergeben (Pkt. II.1.).
Als Gegenleistungen wurden die Zahlung einer lebenslangen Versorgungsrente sowie die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechtes an der schon bisher von der Übergeberin bewohnten, im Erdgeschoß gelegenen Privatwohnung vereinbart (Pkt. III.1. und 2.).
Der Gesamtwert der Gegenleistungen wurde vertraglich mit gesamt kapitalisiert € 413.381 bewertet (Pkt. III.5.).
Unter Vertragspunkt III.5. wird anschließend unter Bezugnahme auf das Verkehrswertgut-achten des SV MagB v. - nach Aufschlüsselung ua. von Bodenwert, Sachwert und Ertragswert - der Verkehrswert netto des Gst 2x (Fremdenpension) mit gesamt € 2.052.700 festgehalten, wovon auf den betrieblichen Anteil eine Quote von 66 % und auf den Privatanteil eine Quote von 34 % entfällt (siehe auch im Begleitschreiben zum Vertrag v. ).
Die übrigen fünf Gst (Alpen/Wald) wurden mit zusammen € 84.295 bewertet.
In Gegenüberstellung der übergebenen Liegenschaftswerte, in Summe € 2.136.995, zum Wert der Gegenleistung, € 413.381, beträgt sohin die Gegenleistung 19,344 %.
Daran anschließend wird im Vertrag unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Z 1 lit c (betr. Verwandt-schaftsverhältnis Mutter-Tochter) und auf § 7 Abs. 1 Z 1a (Gegenleistung weniger als 30 %) Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl 1987/309 idgF., wonach von einem unentgeltlichen Erwerb auszugehen ist, folgende Grunderwerbsteuerberechnung vorgenommen:
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Zum Betriebsanteil: | |
Ausgehend von obigem Verkehrswert | € 2.052.700 |
Hievon 66 % Betriebsanteil | € 1.354.782 |
Abzüglich des Freibetrages gem. § 3 Abs. 1 Z 2 lit c GrEStG | - € 900.000 |
resultiert eine Bemessungsgrundlage von | € 454.782 |
3,5 % GrESt | € 15.917,37 |
Demgegenüber ist jedoch die Deckelung gem. § 7 Abs. 1 Z 2 lit b GrEStG zu beachten, somit gilt die Steuerlast 0,5 % von € 1.354.782, das ergibt € 6.773,91.
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Zum Privatanteil: | |
ds. 34 % aus € 2.052.700 = | € 697.918 |
zzgl. der nicht betrieblich genutzten Gst | € 84.295 |
Bemessungsgrundlage | € 782.213 |
Grunderwerbsteuer nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit a GrEStG (Stufentarif): € 17.627,46,
dh. in Summe voraussichtlich € 24.401,37 (siehe zu vor auch in Vertragspunkt IX. c) Steuern und Gebühren).
Laut Begleitschreiben wurde dem entsprechend die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer vorgenommen und der Abgabenbetrag am abgeführt.
2. Auf Anforderung durch das Finanzamt wurde das Verkehrswertgutachten des SV MagB v. beigebracht, worin der Verkehrswert des Gst 2x (Beherbergungsbetrieb) mit € 2.052.700 und ua. das Wohnungsgebrauchsrecht der Übergeberin im Wert von € 162.400 festgestellt worden war.
3. Das Finanzamt hat daraufhin am betr. den Übergabsvertrag v. folgende Bescheide erlassen:
a) zu ErfNr2:
Ausgehend vom "Grundstückswert" € 1.354.782 (= 66 % betrieblicher Anteil Gst 2x) abzüglich Freibetrag € 900.000 gem. § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG, sohin ausgehend von der Bemessungsgrundlage von € 454.782, wurde die Grunderwerbsteuer gem. § 7 Abs. 1 Z 2 lit b GrEStG (Stufentarif: bis € 250.000 x 0,5 % = € 1.250; weitere € 150.000 x 2 % = € 3.000; restliche € 54.782 x 3,5 % = 1.917,37) mit Festsetzungsbescheid gem. § 201 BAO im Betrag von € 6.167,37 festgesetzt.
Begründend wird auf die grundlegende Berechnung nach dem Stufentarif bei einer Deckelung mit maximal 0,5 % verwiesen und ausgeführt: In Ihrem Fall ergibt die Berechnung nach dem Stufentarif einen geringeren Steuerbetrag als die gedeckelte Berechnung; es wird daher nur die Berechnung nach dem Stufentarif dargestellt. Auf eine allfällige Gegenleistung entfällt eine Steuer von 3,5 %.
Neben der Begründung zur Ermessensübung zum § 201-Bescheid wird abschließend "auf den weiteren Grunderwerbsteuerbescheid hinsichtlich § 7(1)2GrEStG - Zusammenrechnung der Schenkungen vom gleichen Geschenkgeber ... (Betriebsliegenschaften und Privatliegenschaften-Zusammenrechnung wegen Staffeltarif)" hingewiesen.
b) zu ErfNr1:
Ausgehend vom "Grundstückswert" € 782.213 (= 34 % privater Anteil Gst 2x + übrige nicht betrieblich genutzte Gst) wurde die Grunderwerbsteuer mit 3,5 %, sohin im Betrag von € 27.377,46 festgesetzt; dies im Hinblick auf den früheren, für den Stufentarif nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit a GrEStG zu berücksichtigenden Erwerb von € 454.782.
Da lt. Begründung "die Betriebsübergabe steuerlich als weiterer Erwerb durch die gleichen Personen zu werten" sei, gelte der Staffelsatz (Stufentarif § 7(1)2 GrEStG) nur einmal.
4. In der gegen den Bescheid zu ErfNr1 (betr. erworbenen Privatanteil) rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird die GrESt-Berechnung ausgehend von € 84.295 (anstelle € 782.213) in Anwendung des Stufentarifes beantragt und im Wesentlichen vorgebracht:
Im angefochtenen Bescheid seien 34 % der Betriebsliegenschaft angesetzt worden, da es sich um die privat genutzte Unternehmerwohnung handle. Nach § 1 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) 1955 gelte der erste Abschnitt des zweiten Teiles (§§ 19 bis 68) nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze ua. auch für die Grunderwerbsteuer. Gemäß § 60 Abs. 2 BewG gelte das ganze Grundstück als Teil des gewerblichen Betriebes und als Betriebsgrundstück, wenn das Grundstück, das losgelöst vom Betrieb zum Grundvermögen zählen würde, zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem gewerblichen Betrieb diene. Der Freibetrag nach § 3 Abs. 1 Z 2a GrEStG sei bei unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Erwerben von Grundstücken anzuwenden, soweit sie zum Betriebsvermögen zählten. Es gebe keine spezielle Definition der "Grundstücke, soweit sie zum Betriebsvermögen gehören", sodass das Bewertungsgesetz anzuwenden sei. Es gebe keine Teilung wie im Ertragsteuerrecht, sondern sei eine Zuordnung bei mehr als 50 % des Wertes zum Betriebsvermögen vorzunehmen. Da die übergebene Fremdenpension zu mehr als der Hälfte dem Betrieb diene, sei dieses Grundstück zur Gänze dem gewerblichen Betrieb zuzuordnen. Damit sei sowohl der Freibetrag nach § 3 Abs. 1 Z 2a GrEStG wie auch die Einschleifregelung nach § 7 Abs. 2 b GrEStG auf die ganze Liegenschaft anzuwenden und die Bemessungsgrundlage im bekämpften Bescheid um den auf die Privatwohnung entfallenden Teil zu reduzieren. Entgegen der Bescheidbegründung gebe es keinen "früheren" sondern nur einen "gleichzeitigen" Erwerb, weshalb der Stufentarif auf gegenständlichen Erwerb anzuwenden sei.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und die Grunderwerbsteuer für den nichtbetrieblichen Teil des Übergabevertrages in Höhe von € 17.627,46 festgesetzt.
Bei Grundstücken, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt würden, sei - im Hinblick auf die Befreiung nach § 3 GrEStG - ertragsteuerlich eine Aufteilung vorzunehmen, sofern jeweils ein Nutzungsausmaß von mindestens 20 % vorliege. Als Betriebsvermögen sei ausschließlich der betrieblich genutzte Teil des Grundstückes anzusehen. Im Übrigen sei der Beschwerde stattzugeben und die Grunderwerbsteuer wie folgt zu bemessen:
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Grundstückswert privat lt. Schätzung | € 782.213 | |
Grunderwerbsteuer 250.000 | 0,5 % | € 1.250,00 |
Grunderwerbsteuer 150.000 | 2 % | € 3.000,00 |
Grunderwerbsteuer 382.213 | 3,5 % | € 13.377,46 |
€ 17.627,46 |
(im Einzelnen: siehe die Beschwerdevorentscheidung v. )
6. Im Vorlageantrag samt Ergänzung vom wurde auf die Behandlung eines ähnlich gelagerten Sachverhaltes beim 21. Salzburger Steuerforum und darauf verwiesen, dass lt. Auskunft seitens des BMF eine einheitliche Betrachtung und gemeinsame Berechnung vorzunehmen sei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Gesamtsenat des Bundesfinanzgerichtes wurden beantragt.
7. Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) wurde in der weiteren Ergänzung v. zusammengefasst das bisherige Beschwerdevorbringen (insbesondere zur Anwendung des BewG) wiederholt und ausgeführt, entgegen der Darstellung des Finanzamtes im Vorlagebericht v. (zu einem anders gelagerten Sachverhalt) werde von der Bf die nicht angewandte Deckelung mit 0,5 % auf das gesamte Grundstück gerügt; diese wäre im § 201-Bescheid zu ErfNr2 vorzunehmen gewesen. Insofern bleibe kein Raum für eine zusätzliche Versteuerung des privaten Anteiles der gleichzeitig übergebenen Betriebsliegenschaft in gegenständlich bekämpftem Bescheid. Dazu wurde ein Artikel von Schweisgut in SWK 6/2019, S 343 ff., vorgelegt.
7. Im Zuge einer persönlichen Vorsprache beim BFG am wurde mit dem steuerlichen Vertreter der Bf zunächst die Sach- und Rechtslage erörtert. Neben anderweitigen Einwendungen (ua. zur fraglichen Anwendung der Befreiung nach § 5 a Abs. 2 Z 2 NeuFöG) wird vom steuerlichen Vertreter letztlich vorgebracht, dass beide Bescheide grundlegend falsch seien, da anstelle des relevanten "Grundstückswertes" gem. § 4 GrEStG der viel höhere gemeine Wert/Verkehrswert laut SV-Gutachten der Bemessung zugrunde gelegt worden sei.
Es wurde dazu eine Grundstückswert-Berechnung nach § 4 GrEStG iVm der Grundstückswert-verordnung (GrWV) sowie eine Einheitswert- bzw. Bodenwertabfrage (€ 34,8829/m²) zur Liegenschaft EZ1GB-X vorgelegt, wonach - nach Überprüfung durch das BFG - der betr. Grundstückswert zutreffend € 1.458.894,39 beträgt.
Vom steuerlichen Vertreter wurde abschließend, bei Anerkennung dieses Grundstückswertes als Bemessungsgrundlage, eine Erledigung iSd § 300 BAO durch das Finanzamt angeregt.
8. Das BFG hat daraufhin mit Schreiben v. dem Finanzamt den aktuellen Verfahrensstand samt Übermittlung der Grundstückswert-Berechnung und der Einheitswert-/Bodenwertabfrage zur Kenntnis gebracht und nach detaillierter Darstellung einer vom Grundstückswert ausgehenden Neuberechnung der Grunderwerbsteuer um Äußerung zu einer eventuellen Erledigung gem. § 300 BAO in diesem Sinne (Bescheidaufhebung und Abänderung) ersucht.
9. Das Finanzamt hat dazu mit Schreiben v. im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
Nach § 4 Abs. 1 GrEStG ist dann, wenn der Steuerschuldner zB durch Beibringung eines Sachverständigen-Gutachtens nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstückes geringer ist als der nach der GrWV ermittelte Grundstückswert, der geringere gemeine Wert als Grundstückswert der Steuerbemessung zu grunde zu legen. Deklariere der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Wahlmöglichkeit in dieser Form, dass er den geringeren gemeinen Wert in Anspruch nehme, so könne - wie hier - davon ausgegangen werden, dass er die Vergleichs-rechnung (Vergleich zur Höhe des Grundstückswertes nach der GrWV) angestellt habe und der nachgewiesene gemeine Wert tatsächlich geringer sei. Es bestehe für das Finanzamt keine Verpflichtung zu überprüfen, welcher Wert der geringere sei. Eine nachträgliche Änderung der von der Bf gewählten Bemessungsmethode sei daher nicht rechtens, weshalb eine diesbezügliche Erledigung iSd § 300 nicht in Betracht komme.
10. Mit BFG-Schreiben vom wurde der Bf die BFG-Anfrage an das Finanzamt samt FA-Stellungnahme v. zur Kenntnis gebracht.
11. Mit Schreiben v. wurden seitens der Bf die vormaligen Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten BFG-Senat zurückgezogen.
II. Rechtslage:
A) Gesetzliche Bestimmungen:
1. Grunderwerbsteuergesetz:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl 1987/309 idgF. unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sich diese Rechtsvorgänge auf inländische Grundstücke beziehen.
Nach § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 sind unentgeltliche oder teilentgeltliche Erwerbe (§ 7 Abs. 1 Z 1) eines Grundstückes durch natürliche Personen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen von der Besteuerung ausgenommen:
a) Umfasst sind nur Grundstücke,
- soweit sie zum Betriebsvermögen eines erworbenen Betriebes oder Teilbetriebes
gehören, der der Einkunftserzielung gemäß § 2 Abs. 3 Z 2 oder 3 des
Einkommensteuergesetzes 1988 dient,
oder
- die der Mitunternehmerschaft von einem Mitunternehmer zur Nutzung überlassen sind ….
b) Der Übergeber hat im Falle einer Zuwendung unter Lebenden
- das 55. Lebensjahr vollendet oder
- ist wegen ... Funktionseinschränkungen … erwerbsunfähig ….
c) Die Befreiung steht nur bis zu einem Wert von 900.000 Euro (Freibetrag) zu. Liegt
ein teilentgeltlicher Erwerb vor, vermindert sich der Freibetrag aliquot …
Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idgF. ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung (§ 5), mindestens vom Grundstückswert zu berechnen. Bei Erwerben ua. nach § 7 Abs. 1 Z 1 lit c (gelten im Personenkreis nach § 26a GGG als unentgeltlich) ist die Steuer immer vom Grundstückswert zu berechnen. Der Grundstückswert ist entweder
- als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes (§ 53 Abs. 2
BewG) und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes (sogen. Pauschalwertmodell; die
näheren Modalitäten hiezu ergeben sich aus der Verordnung des BMfF betreffend
Festlegung der Ermittlung des Grundstückswertes (Grundstückswertverordnung - GrWV),
BGBl II 2015/442 idgF.) oder
- in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes
zu berechnen.
Weist ein Steuerschuldner nach, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als der nach der Verordnung ermittelte Grundstückswert, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Erfolgt dieser Nachweis durch Vorlage eines Schätzgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die Vermutung der Richtigkeit für sich.
Nach § 7 Abs. 1 Z 1 lit a GrEStG 1987 gilt ein Erwerb als unentgeltlich, wenn die Gegenleistung nicht mehr als 30 % des Grundstückswertes beträgt.
Nach § 7 Abs. 1 Z 1 lit c GrEStG 1987 gilt ein Erwerb unter Lebenden durch den in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG angeführten Personenkreis (bei nahem Verwandtschaftsverhältnis) als unentgeltlich.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit a GrEStG 1987 beträgt die Steuer bei einem unentgeltlichen Erwerb von Grundstücken
- für die ersten 250.000 Euro: …….. 0,5 %,
- für die nächsten 150.000 Euro: … 2 %,
- darüber hinaus: …………………….…. 3,5 %
des Grundstückswertes.
§ 7 Abs. 1 Z 2 lit b GrEStG 1987 lautet:
Bei Erwerben, die unter § 3 Abs. 1 Z 2 fallen, ist die Steuer nach lit a zu berechnen, beträgt aber höchstens 0,5 % vom Grundstückswert (Anm.: sogen. "Deckelung").
2. Bewertungsgesetz:
Gemäß § 1 Abs. 2 Bewertungsgesetz 1955 (BewG), BGBl 1955/148 idgF., gilt der erste Abschnitt des zweiten Teiles (§§ 19 bis 68) nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze ua. auch für die Grunderwerbsteuer.
Nach § 60 Abs. 1 BewG ist "Betriebsgrundstück" der zu einem gewerblichen Betrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von der Zugehörigkeit zum Gewerbebetrieb, ua. zum Grundvermögen gehören würde. In Abs. 2 leg. cit. wird bestimmt:
"Dient das Grundstück, das, losgelöst von dem gewerblichen Betrieb, zum Grundvermögen gehören würde, zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem gewerblichen Betrieb, so gilt das ganze Grundstück als Teil des gewerblichen Betriebes und als Betriebsgrundstück".
Bei einer gewerblichen Nutzung bis zu maximal 50 % "gehört das ganze Grundstück zum Grundvermögen".
B) Literatur/Judikatur/Rechtsansicht des BMF:
1. Begünstigt ist nach § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 einerseits der Erwerb durch Erbfall, andererseits die Schenkung durch die ältere bzw. nicht mehr erwerbsfähige Generation an die nächste Generation, also typischerweise die Betriebsfortführung in der Familie. Hinterlässt ein Unternehmer ein Grundstück gemeinsam mit einem (Teil-)Betrieb, steht der Freibetrag in dem Ausmaß zu, das seiner betrieblichen Nutzung entspricht. Für das Ausmaß der betrieblichen Nutzung sind die ertragsteuerlichen Grundsätze maßgeblich (Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Bd. II Grunderwerbsteuer, Rzn 16 und 41 zu § 3, letztere mit Verweis auf BMF 010206/0040-VI/5/2009 vom , III. 1.2.1.3.5.).
Aufgrund der Voraussetzung, wonach ausschließlich der Erwerb von Grundstücken im Betriebsvermögen vom Freibetrag gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 erfasst ist, muss nach den Bestimmungen des EStG 1988 ermittelt werden, ob bzw. inwieweit überhaupt steuerliches Betriebsvermögen vorliegt. Bei Grundstücken, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden, ist somit ertragsteuerlich eine Aufteilung vorzunehmen, sofern jeweils ein Nutzungsausmaß von mindestens 20 % gegeben ist. Als Betriebsvermögen ist dabei ausschließlich der betrieblich genutzte Teil des Grundstückes anzusehen (Arnold/Bodis, Kommentar zum GrEStG 1987, Rz 90 zu § 3).
Zu den Grundsätzen der Aufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken wird in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, 17. Aufl., in Tz 79 ff zu § 4 ua. ausgeführt:
Die räumliche Aufteilung bei Grundstücken (Gebäuden) nach der betrieblichen bzw. privaten Nutzung (idR bei unterschiedlicher Verwendung entsprechend der anteiligen Nutzfläche) unterbleibt dann, wenn der anders genutzte Teil nur von untergeordneter Bedeutung ist (zB ; vgl. EStR 2000 Rz 566). Untergeordnete Bedeutung liegt vor, wenn der Anteil bis zu 20 % des gesamten Grundstücks beträgt ( u.a.).
2. Der erste Abschnitt des zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes (§§ 19-68) umfasst alle Vermögensarten, für die Einheitswerte festgestellt werden (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz, Stand Juli 2022, Rz 3 zu § 1).
Mit der Novelle des GrEStG (BGBl I 2014/36) wurde die Anbindung an den dreifachen Einheitswert bzw. einfachen Einheitswert bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen für bestimmte Übertragungen, Erbanfall uam insbesondere im engeren Familienkreis zunächst beibehalten.
Mit der Novelle des GrEStG im Rahmen des Steuerreformgesetzes 2015/2016 (BGBl I 2015/118) wurde die Anbindung an den Einheitswert nur mehr für bestimmte Übertragungen, bei Erbanfall uam (zB durch Vermächtnis; bei Erwerb aufgrund einer Umgründung iSd Umgründungssteuergesetzes) im begünstigten Personenkreis gemäß § 26a Abs. 1 Z 1 GGG bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen beibehalten (siehe § 4 Abs. 2 GrEStG). Die Bestimmungen sind ab wirksam.
§ 4 Abs. 2 GrEStG 1987 regelt den Sonderfall der Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, indem anstelle des Grundstückswertes (§ 4 Abs. 1) die Anwendung des Einheitswertes angeordnet wird; dies zum Zweck der Entlastung der Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zB durch Erbanfall an nahe Angehörige zur Erhaltung und Fortführung agrarischer Strukturen ( G334 und G335/2020; siehe zu vor in Twaroch/Wittmann/Frühwald, aaO, in Rz 11 zu § 1).
III. Erwägungen:
1. Wie oben (II.B.2.) dargelegt, ist der erste Abschnitt des zweiten Teiles des Bewertungs-gesetzes (§§ 19-68 betr. Einheitsbewertung) gemäß § 1 Abs. 2 BewG 1955 nur nach "näherer Regelung" im GrEStG (§ 4 Abs. 2) anzuwenden, dh. ausschließlich auf Fälle (lt. VfGH auf den "Sonderfall") der Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im engeren Personenkreis nach § 26a GGG zB bei Erbanfall oä.
Ein solcher "Sonderfall" zwecks Erhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes liegt hier nicht vor. Aus diesem Grund kommt - entgegen dem Beschwerdevorbringen - bei gegenständlicher Liegenschaftsübertragung im Rahmen der Betriebsübergabe eine Anwendung der Bestimmung nach § 60 Abs. 2 BewG mit einer Betrachtung 50:50 ("dient das Grundstück zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem gewerblichen Betrieb, so gilt das ganze Grundstück als Teil des gewerblichen Betriebes und als Betriebsgrundstück") nicht in Betracht. Vielmehr ist nach geltender Rechtslage (siehe oben II.B.1.) bei Übertragung des gemischt-genutzten Grund-stückes nach ertragsteuerlichen Grundsätzen iSd EStG 1988 eine Aufteilung in einen betrieblich und privat genutzten Teil vorzunehmen, sofern jeweils ein Nutzungsausmaß von mindestens 20 % gegeben ist.
Bei der seitens der Bf im Rahmen der Selbstberechnung selbst bekannt gegebenen betrieblichen Nutzung von 66 % (= weniger als zumindest 80 %) kann daher nicht insgesamt von einem "Betriebsgrundstück" ausgegangen werden, sondern ist (wie bisher lt. eigener Berechnung und Finanzamt) eine Aufteilung privat - betrieblich vorzunehmen.
2. Zugleich ist aber der Bf hinsichtlich der strittigen GrESt-Bemessungsgrundlage dahin beizupflichten, dass hiezu grundsätzlich der "Grundstückswert" gem. § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 heranzuziehen ist, wozu nunmehr eine zutreffende Berechnung nach dem "Pauschalwert-modell" gemäß der GrWV vorgelegt wurde.
Abgesehen davon, dass es im Verfahren vor dem BFG kein Neuerungsverbot gibt, kann dem Finanzamt nicht dahin gefolgt werden, die Bf habe eine Wahl durch Zugrundelegung des "nachgewiesenen geringeren" gemeinen Wertes bzw. Verkehrswertes des Grundstückes lt. beigebrachtem Sachverständigengutachten getroffen und sei daran gebunden. Fest steht vielmehr, dass der nunmehr berechnete Grundstückswert lt. GrWV (€ 1.458.894,39) im Verhältnis zum Verkehrswert (€ 2.052.700) den deutlich geringeren Wert darstellt. Da nach dem Dafürhalten des BFG eine wissentliche oder beabsichtigte Heranziehung der höheren Bemessungsgrundlage durch die Steuerpflichtige wohl ausgeschlossen werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass zum Zeitunkt der Vertragserrichtung offenkundig bloß aus Gründen der Unkenntnis oä. die Steuerselbstberechnung irrtümlich ausgehend vom Verkehrswert durchgeführt wurde.
Dem diesbezüglichen Vorbringen kommt demnach Berechtigung zu. Unter Zugrundelegung des Grundstückswertes der Liegenschaft EZ1GB-X in Höhe von € 1.458.894,39 berechnet sich die Grunderwerbsteuer - nach Aufteilung in einen betrieblichen und privaten Teil (lt. EStG-Bestimmungen) wie bisher mit 66 % + 34 % - wie folgt:
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Betrieblicher Teil: | |
66 % vom Gst-Wert | € 962.870 |
abzügl. Freibetrag gem. § 3 GrEStG | - € 900.000 |
ergibt | € 62.870 |
hievon Grunderwerbsteuer Stufentarif I 0,5 % | € 314,35 |
Privater Teil: | |
34 % vom Gst-Wert | € 496.024 |
+ land- u. forstwirtschaftl. Liegenschaften | € 84.295 |
gesamt | € 580.319 |
hievon Grunderwerbsteuer lt. Stufentarif: | |
Stufe I (bis 250.000), hievon bereits verbraucht € 62.870, von restl. € 187.130 0,5 % | € 935,65 |
Stufe II, von weiteren 150.000 2 % | € 3.000,00 |
Stufe III, von darüber hinaus € 243.189 3,5 % | € 8.511,62 |
Grunderwerbsteuer gesamt privater Teil | € 12.447,27 |
Da gegenständlich - wie von der Bf zu Recht eingewendet - kein "früherer" sondern ein (1) einheitlicher Erwerb (Betriebsübergabe samt Liegenschaftsübergaben) stattgefunden hat, sieht sich das BFG zudem veranlasst, zwecks Herstellung eines rechtskonformen Zustandes unter Bedachtnahme auf eine insgesamt zutreffende Bemessung, ausgehend von der gesamt ermittelten Grunderwerbsteuer iHv € 12.761,62 (= betriebl. € 314,35 + privat € 12.447,27) den bislang bereits vorgeschriebenen Steuerbetrag iHv € 6.167,37 (siehe oben I.3.a) in Abzug zu bringen bzw. anzurechnen, sodass letztlich die Grunderwerbsteuer im Betrag von € 6.594,25 festzusetzen ist.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage war daher der Beschwerde insgesamt teilweise stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der strittigen Fragen, ob bewertungsrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen und welcher Wert für die Bemessung der Grunderwerbsteuer heranzuziehen ist, ergibt sich bereits in Anwendung der jeweils bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen; im Übrigen handelt es sich um die Lösung von Sachverhalts- bzw. Tatfragen im Einzelfall. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 4 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 2 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 60 Abs. 2 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100852.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at