Haftung gemäß § 9 BAO, Einschränkung der Haftung in Relation zu den vorhandenen liquiden Mitteln
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache von Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Grazer Treuhand Steuerberatung GmbH & Partner KG, Petersgasse 128a, 8010 Graz, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Haftungsbescheid gemäß §§ 9, 80 BAO zu Steuernummer **2** der **P1** LIMITED nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Abwesenheit des Haftungspflichtigen, jedoch in Anwesenheit seines Vertreters, des Vertreters der belangten Behörde **V1** sowie der ***1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid im Haftungsausspruch auf folgende Beträge eingeschränkt:
Umsatzsteuer 2013 von € 162,93
Umsatzsteuer 07/14 von € 675,02
Umsatzsteuer 08/14 von € 1.657,83
Umsatzsteuer 09/14 von € 282,41
Lohnsteuer 05/2014 von € 689,70
Lohnsteuer 06/2014 von € 889,30
Lohnsteuer 07/2014 von € 625,33
Lohnsteuer 08/2014 von € 1.904,08
Lohnsteuer 09/2014 von € 1.553,30
Dienstgeberbeitrag 10/2014 von € 42,87
Dienstgeberbeitrag 08/2014 von € 43,74
Dienstgeberbeitrag 09/2014 von € 45,22
Dienstgeberzuschlag 10/2014 von € 3,81
Dienstgeberzuschlag 08/2014 von € 3,90
Dienstgeberzuschlag 09/2014 von € 4,02
Summe € 8.583,66
Darüber hinaus wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Bf.) als Geschäftsführer der Firma **P1** LIMITED, als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 ff BAO für die derzeit unter anderem noch aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der **P1** LIMITED im Ausmaß von € 28.959,70 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Die Haftung werde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:
Umsatzsteuer 2013 von € 1.293,86
Umsatzsteuer 07/14 von € 5.380,91
Umsatzsteuer 08/14 von € 13.222,62
Umsatzsteuer 09/14 von € 2.251,32
Lohnsteuer 05/2014 von € 689,70
Lohnsteuer 06/2014 von € 889,30
Lohnsteuer 07/2014 von € 625,33
Lohnsteuer 08/2014 von € 1.904,08
Lohnsteuer 09/2014 von € 1.553,30
Dienstgeberbeitrag 10/2014 von € 342,93
Dienstgeberbeitrag 08/2014 von € 350,76
Dienstgeberbeitrag 09/2014 von € 361,78
Dienstgeberzuschlag 10/2014 von € 30,48
Dienstgeberzuschlag 08/2014 von € 31,18
Dienstgeberzuschlag 09/2014 von € 32,16
Summe € 28.959,70 (Anmerkung: Summe ergibt € 28.959,71).
Als Begründung wurde nach §§ 9 und 80 BAO Folgendes ausgeführt:
"Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Die diesbezüglichen Bescheide wurden Ihnen bereits im Haftungsvorverfahren (Schreiben vom ) zur Kenntnis gebracht. Bei den übrigen angeführten Abgaben handelt es sich um selbst gemeldete Selbstbemessungsabgaben. Durch die Selbstbemessung wurde die Rechtswirkung der Abgabenfestselzung geschaffen ().
Der Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum und fällig gewordenen Abgaben. Sie waren im Zeitraum vom - dato zum Geschäftsführer, und damit zum Vertreter der abgebenschuldnerischen Firma **P1** LIMITED bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.12.2014 zu AZ **S2** wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom TT.03.2015 wurde der am TT.03.2015 angenommene Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt, und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Gemäß diesem Beschluss erhalten die lnsolvenzgläubiger eine Gesamtquote von 20%. Hinsichtlich der die Sanierungsplanquote übersteigenden Abgabenrückstände (lnsolvenzforderungen) ist die Rechtswirkung des § 156 Abs. 1 IO eingetreten. Demnach sind 80 % der oa. Abgabenforderungen, die im Sanierungsverfahren zu den Konkursforderungen einzuordnen waren, bei der Firma **P1** LIMITED nicht mehr einbringlich.
Aus folgender Aufstellung ist zu entnehmen, welche Abgaben bei der Firma **P1** LIMITED uneinbringlich geworden sind:
Umsatzsteuer 2013 von € 1.293,86
Umsatzsteuer 07/14 von € 5.380,91
Umsatzsteuer 08/14 von € 13.222,62
Umsatzsteuer 09/14 von € 2.251,32
Lohnsteuer 05/2014 von € 689,70
Lohnsteuer 06/2014 von € 889,30
Lohnsteuer 07/2014 von € 625,33
Lohnsteuer 08/2014 von € 1.904,08
Lohnsteuer 09/2014 von € 1.553,30
Dienstgeberbeitrag 10/2014 von € 342,93
Dienstgeberbeitrag 08/2014 von € 350,76
Dienstgeberbeitrag 09/2014 von € 361,78
Dienstgeberzuschlag 10/2014 von € 30,48
Dienstgeberzuschlag 08/2014 von € 31,18
Dienstgeberzuschlag 09/2014 von € 32,16
Summe € 28.959,70.
[Unter Abzug der Sanierungsquote von 20% errechnen sich die oben dargestellten Beträge.]
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Daraus folgt: Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Umsatzsteuer ist vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung abgewartet werden darf.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftenden Lohnabgaben ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.
Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. Zl. 2001/15/0187).
Mit Schreiben vom zu Steuernummer **2** wurden Sie aufgefordert, darzulegen, dass Sie ohne Ihr Verschulden gehindert waren, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Sie sind dieser Aufforderung - sohin Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun - nach zweimaliger Fristverlängerung nicht nachgekommen.
Die höchstgerichtliche Judikatur geht davon aus, dass der Vertreter, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen hat, diesen ihm obliegenden Pflichten aber nicht nachkommt, einer besonderen Darlegungspflicht unterliegt.
Es trifft ihn die Beweislast, nämlich die besondere Verpflichtung, "darzutun", aus welchen Gründen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, er wäre seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen (vgl. VWGH , 95/15/0145 und , 2002/16/0168).
Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung (für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung) haben sie im Zuge des Haftungsvorverfahrens nicht erbracht. Es steht somit fest, dass Sie der Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sind.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung i.S.d. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.
Die Geltendmachung der Haftung stellt im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, zumal der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden kann. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. ). Letzteres steht hier fest.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird der Haftungsbescheid wie folgt angefochten:
"Nach ständiger Judikatur haftet der Geschäftsführer für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen.
Der Haftende ist dann exkulpiert, wenn nachgewiesen wird, dass die fristgerechte Begleichung der haftungsgegenständlichen Abgaben deshalb unterblieben ist, weil sie insgesamt über keine Mittel verfügt hat und deshalb keine Zahlungen leisten konnte, oder zwar über Mittel verfügt hat, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Abgabenbehörde nicht in einem geringeren Ausmaß befriedigt hat als andere Gläubiger.
Im oben angeführten Bescheid wurde eine gänzliche Ungleichbehandlung des Finanzamtes gegenüber anderen Verbindlichkeiten unterstellt und wurde diesbezüglich der gesamte Haftungsbetrag (im Ausmaß von 80 %) vorgeschrieben. Nach unseren Berechnungen hat sich aber ergeben, dass es keine Ungleichbehandlung des Finanzamtes mit anderen Verbindlichkeiten ergibt. So wurden in dem von ihnen angegeben Zeitraum bis Zahlungen in Höhe von EURO 54.350,98 an das Finanzamt getätigt. Dies wurde im Rahmen der unserem Mandanten zur Verfügung stehenden Mittel geleistet und sind unserem Mandanten aufgrund der andauernden Verlustsituation keine darüber hinausgehenden Mittel zur Begleichung aller aushaftenden Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden.
Weiters enthält der Haftungsbescheid an keiner Stelle einen Hinweis, wann die Umsatzsteuern 07/14, 08/14, 09/14, die Lohnsteuern 08/14, 09/14, der DB 08/14, 09/14 sowie der DZ 08/14 und 09/14 im Haftungsumfang von EUR 24.872,10 bescheidmäßig festgesetzt wurden und somit nach § 248 BAO bekämpfbar wäre.
Nach nunmehr ständiger Judikatur des VwGH zu GZ 98/13/0115 vom , 2005/13/0145 vom , 2011/16/0053 vom , 2013/16/0165 vom u.a., hat der Haftungsbescheid den Hinweis zu enthalten, dass die der Haftung zu Grunde liegenden Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden. Ohne Kenntnis des zu bekämpfenden Bescheides und gegebenenfalls der sonstigen Aktenstücke, auf die er verweist, zumindest aber ihrer wesentlichen Inhalte, werden sich diese Anforderungen nicht erfüllen lassen. Dieser Hinweis ist zweckorientiert auszulegen und im Rechtsmittelverfahren durch die Abgabenbehörde nicht verbesserbar.
Wir stellen daher den Antrag um Bescheidberichtigung dahingehend, dass der Haftungsbescheid vom ersatzlos aufgehoben wird."
Mit Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes 1/23 vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:
[...]
Die Limited schuldet dem Finanzamt Wien 1/23 unter der Abgabenkontonummer **2** **2** den Betrag in Höhe von 36.199,63 Euro an rückständigen Abgaben, die sich wie folgt zusammensetzen: (siehe Haftungsbescheid)
Für 80 % dieser Abgabenschuldigkeiten (Beträge siehe Spalte, Ausfall, Haftung in der obigen Tabelle) hat das Finanzamt mit Bescheid vom den Bf. gemäß § 9 BAO in Verbindungmit § 80 BAO zur Haftung herangezogen.
Hinsichtlich der Abgaben
Umsatzsteuer 2013, fällig am , von € 1.617,32
Lohnsteuer 05/2014, fällig am , von € 862,13
Lohnsteuer 06/2014, fällig am , von € 1.111,63
Lohnsteuer 07/2014, fällig am , von € 781,66
Dienstgeberbeitrag 10/2014, fällig am , von € 428,66
Dienstgeberzuschlag 10/2014, fällig am , von € 38,10
Summe: € 4.839,50
waren die betreffenden Abgabenbescheide dem - an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.) gerichteten - Vorhalt vom angeschlossen. Damit wurde der zur Haftung Herangezogene darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind.
Zum Beschwerdevorbringen
"Weiters enthält der Haftungsbescheid an keiner Stelle einen Hinweis, wann die Umsatzsteuern 07/14, 08/14, 09/14, die Lohnsteuern 08/14, 09/14, der DB 08/14, 09/14 sowie der DZ 08/14 und 09/14 im Haftungsumfang von EUR 24.872,10 bescheidmäßig festgesetzt wurde und somit nach § 248 BAO bekämpfbar wäre.
Nach nunmehr ständiger Judikatur des VwGH zu GZ 98/13/0115 vom , 2005/13/0145 vom , 2011/16/0053 vom , 2013/16/0165 vom u.a., hat der Haftungsbescheid den Hinweis zu enthalten, dass die der Haftung zu Grunde Hegenden Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden. Ohne Kenntnis des zu bekämpfenden Bescheides und gegebenenfalls der sonstigen Aktenstücke, auf die er verweist,zumindest aber ihrer wesentlichen Inhalte, werden sich diese Anforderungen nicht erfüllen lassen. Dieser Hinweis ist zweckorientiert auszulegen und im Rechtsmittelverfahren durch die Abgabenbehörde nicht verbesserbar" ist auszuführen:
Bei den nachstehenden, von der Haftung betroffenen Abgaben
Umsatzsteuer 07/14, fällig von € 6.726,14
Umsatzsteuer 08/14, fällig von € 16.528,27
Umsatzsteuer 09/14, fällig von € 2.814,15
Lohnsteuer 08/2014, fällig von € 2.380,10
Lohnsteuer 09/2014, fällig von € 1.941,62
Dienstgeberbeitrag 08/2014, fällig von € 438,45
Dienstgeberbeitrag 09/2014, fällig von € 452,23
Dienstgeberzuschlag 08/2014, fällig von € 38,97
Dienstgeberzuschlag 09/2014, fällig von € 40,20
Summe: € 31.360,13
handelt es sich um gemeldete, jedoch nicht entrichtete Selbstbemessungsabgaben. Wird für solche Abgaben die Haftung geltend gemacht, liegen dazu keine (an den Erstschuldner ergangene) Abgabenbescheide vor, die dem Haftungsbescheid beigelegt werden können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die Selbstbemessung die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung geschaffen (). Auf Letzteres wurde bereits im Vorhalt vom hingewiesen.
§ 248 BAO bezieht sich ausschließlich auf Bescheide über den Abgabenanspruch, nicht jedoch auf von der Primärschuldnerin selbstberechnete und gemeldete Abgaben. Ein Antrag gemäß § 248 BAO für selbst berechnete und gemeldete Abgaben ist im Gesetz nicht vorgesehen und schon deshalb nicht erforderlich, da dem Geschäftsführer die Berechnungsgrundlagen, Höhe etc. bekannt sein müssen (vgl. ). Behauptet der Haftende, dass die (vom Erstschuldner) gemeldete Umsatzsteuer unrichtig (zu hoch) ist, hat er dies näher zu konkretisieren und entsprechende Beweise für seine Behauptung vorzulegen. Geschieht dies nicht, ist von der Richtigkeit der Höhe der gemeldeten Umsatzsteuer auszugehen (vgl. dazu auch -F/10; ). Das gilt auch für gemeldete Lohnabgaben (vgl. ; ).
Zur Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Limited
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.12.2014, AZ **S2**, wurde über das Vermögen der Firma **P1** LIMITED das Sanierungsverfahren eröffnet. In diesem Insolvenzverfahren waren die haftungsgegenständlichen Abgaben zu den Insolvenzforderungen einzuordnen. Gemäß dem am TT.02.2015 angenommenen und mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.03.2015 bestätigten Sanierungsplanes erhalten die Insolvenzgläubiger der Limited eine Quote von 20 %. Hinsichtlich der die Sanierungsplanquote übersteigenden Abgabenforderungen (Insolvenzforderungen) ist die Rechtswirkung des § 156 Abs 1 IO eingetreten. Demnach sind 80 % der Abgabeninsolvenzforderungen bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich.
Die Haftung nach § 9 BAO erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Fälligkeitstermin in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 26). Die Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben liegt zwischen und .
Unbestritten ist, dass der Bf. in der Zeit vom bis dato zur selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der **P1** LIMITED bestellt war.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zur Lohnsteuer
Für Abgaben, die der Vertretene als Abfuhrverpflichteter nicht ordnungsgemäß abgeführt hat (zB Lohnsteuer nach § 82 EStG, Kapitalertragsteuer nach § 95 EStG, Steuerabzugsbeträge nach § 99 EStG) haftet der Vertreter in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn liquide Mittel zur Abfuhr dieser Abgaben nicht oder nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren (für die Lohnsteuer vgl. zB. ).
Zur Umsatzsteuer und den anderen haftungsgegenständlichen Abgaben (ausgenommen Lohnsteuer):
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().
Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich in der Behauptung, nach den Berechnungen des Bf. habe sich keine Ungleichbehandlung des Finanzamtes mit anderen Verbindlichkeiten ergeben. Es seien im angegeben Zeitraum bis 15.10.214 Zahlungen in Höhe von EURO 54.350,98 an das Finanzamt getätigt worden. Diese seien im Rahmen der dem Bf. zur Verfügung stehenden Mittel geleistet worden. Dem Bf. seien aufgrund der andauernden Verlustsituation keine darüber hinausgehenden Mittel zur Begleichung aller aushaftenden Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden.
Mit diesem allgemein gefassten Vorbringen wurde der den Vertreter treffenden qualifizierten Behauptungs- und Konkretisierungspflicht nicht entsprochen bzw. der Gleichbehandlungsnachweis nicht erbracht.
Im Vorhalt vom wurde dem Bf. unter ausführlichen Anleitungen und der Zitierung einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur zur Kenntnis gebracht, dass er sich bei Nichtvorhandensein ausreichender liquider Mittel zur Entrichtung sämtlicher Verbindlichkeiten von einer Inanspruchnahme zur Haftung für die gesamten uneinbringlich aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin nur befreien kann, wenn er - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - den Nachweis erbringt, welcher Betrag zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten bei Gleichbehandlung der Gläubiger zu entrichten gewesen wäre. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen genügt zur Haftungsbefreiung keinesfalls. Vielmehr hätte der Bf. die vorhandenen Mittel, die übrigen Schulden der GmbH sowie die Verwendung der vorhandenen Mittel darlegen müssen. Dazu wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe obige Aufgliederung) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen, in der alle damaligen Gläubiger der Firma **P1** LIMITED (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sind. Außerdem wäre rechnerisch darzustellen gewesen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden.
Vorliegend hat der Bf. den Nachweis der Gleichbehandlung nicht angetreten. In diesem Fall kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden, weil ohne seine Mitwirkung jener Anteil, der durch das schuldhafte Verhalten uneinbringlich geworden ist, nicht festgestellt werden kann (vgl. z.B. ). Die in der Beschwerde ins Treffen geführten Zahlungen in Höhe von EURO 54.350,98 an das Finanzamt ändern nichts daran, dass ein Nachweis für die Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis nicht erbracht wurde.
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zutreffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt vor allem darin, dass nur durch diese Maßnahme überhaupt eine zumindest teilweise Eindringlichkeit der betreffenden Abgabe gegeben ist, und nur so dem öffentlichen Interesse an der Abgabenerhebung nachgekommen werden kann. In Ausübung des freien Ermessens war daher dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, der Vorzug zu geben. Somit war spruchgemäß zu entscheiden."
Im Vorlageantrag vom wird wie folgt ausgeführt:
"Gegen den Haftungsbescheid vom haben wir das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und wurde unsere Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.
Wir stellen nunmehr den Antrag auf Entscheidung unserer Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und dürfen diesbezüglich wie folgt anmerken:
Nach ständiger Judikatur haftet der Geschäftsführer für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen.
Der Haftende ist dann exkulpiert, wenn nachgewiesen wird, dass die fristgerechte Begleichung der haftungsgegenständlichen Abgaben deshalb unterblieben ist, weil sie insgesamt über keine Mittel verfügt hat und deshalb keine Zahlungen leisten konnte, oder zwar über Mittel verfügt hat, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Abgabenbehörde nicht in einem geringeren Ausmaß befriedigt hat als andere Gläubiger.
Im oben angeführten Bescheid wurde eine gänzliche Ungleichbehandlung des Finanzamtes gegenüber anderen Verbindlichkeiten unterstellt und wurde diesbezüglich der gesamte Haftungsbetrag (im Ausmaß von 80 %) vorgeschrieben. Nach unseren Berechnungen hat sich aber ergeben, dass es keine Ungleichbehandlung des Finanzamtes mit anderen Verbindlichkeiten ergibt. So wurden in dem von ihnen angegeben Zeitraum bis Zahlungen in Höhe von EURO 54.350,98 an das Finanzamt getätigt. Dies wurde im Rahmen der unserem Mandanten zur Verfügung stehenden Mittel geleistet und sind unserem Mandanten aufgrund der andauernden Verlustsituation keine darüber, hinausgehenden Mittel zur Begleichung aller aushaftenden Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden.
Weiters enthält der Haftungsbescheid an keiner Stelle einen Hinweis, wann die Umsatzsteuern 07/14, 08/14, 09/14, die Lohnsteuern 08/14, 09/14, der DB 08/14, 09/14 sowie der DZ 08/14 und 09/14 im Haftungsumfang von EUR 24.872,10 bescheidmäßig festgesetzt wurde und somit nach § 248 BAO bekämpfbar wäre.
Nach nunmehr ständiger Judikatur des VwGH zu GZ 98/13/0115 vom , 2005/13/0145 vom , 2011/16/0053 vom , 2013/16/0165 vom u.a., hat der Haftungsbescheid den Hinweis zu enthalten, dass die der Haftung zu Grunde liegenden Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden. Ohne Kenntnis des zu bekämpfenden Bescheides und gegebenenfalls der sonstigen Aktenstücke, auf die er verweist, zumindest aber ihrer wesentlichen Inhalte, werden sich diese Anforderungen nicht erfüllen lassen. Dieser Hinweis ist zweckorientiert auszulegen und im Rechtsmittelverfahren durch die Abgabenbehörde nicht verbesserbar.
Ungeachtet der o.a. Ausführungen wird diesem Vorlageantrag der Nachweis in Form einer genauen Aufstellung nachgereicht, welche Beträge zu welchen Fälligkeitszeitpunkten bei Gleichbehandlung der Gläubiger zu entrichten gewesen wäre. Eine vorhergehende Übermittlung dieser Aufstellung war leider nicht möglich, da wir nicht im Besitz der notwendigen Unterlagen waren und diese angefordert werden mussten. Lange Zeit war der Verbleib diesen Unterlagen ungeklärt und werden wir erst in einigen Tagen im Besitz dieser Unterlagen sein.
Wir stellen daher den Antrag um Bescheidberichtigung dahingehend, dass der Haftungsbescheid vom ersatzlos aufgehoben wird.
Im Namen und im Auftrag unserer Klientin stellen wir auch den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung."
Mit Strafverfügung vom wurde der Bf. wegen nicht fristgerechter Entrichtung von L 05-07/2014 von € 2.755,42 und L, DB, DZ 10/2014 von € 3,094,05 wegen Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG verurteilt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes wurde diese Beschwerdesache aufgrund der Ruhestandsversetzung des davor zuständigen Richters mit der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Bearbeitung zugeteilt.
Zur Prüfung der behaupteten Gleichbehandlung wurde der Beschwerdeführer mit Vorhalt vom aufgefordert, die im Vorlageantrag vom angekündigte (der Nachweis in Form einer genauen Aufstellung werde nachgereicht, welche Beträge zu welchen Fälligkeitszeitpunkten bei Gleichbehandlung der Gläubiger zu entrichten gewesen wären. Eine vorhergehende Übermittlung dieser Aufstellung war leider nicht möglich, da wir nicht im Besitz der notwendigen Unterlagen waren und diese angefordert werden mussten. Lange Zeit war der Verbleib diesen Unterlagen ungeklärt und werden wir erst in einigen Tagen im Besitz dieser Unterlagen sein) Liquiditätsrechnung oder einen Nachweis einer Gleichbehandlung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nachzureichen.
Aufgrund unterschiedlicher Begründungen wurden laufend Fristerstreckungsersuchen eingebracht und diese aufgrund der dargestellten Gründe auch wiederholt, zuletzt auch die Vertagung der für anberaumten mündlichen Verhandlung, regelmäßig gewährt. Bei der Bewilligung der Fristerstreckung wurde auch darauf hingewiesen, dass noch eine mündliche Verhandlung beantragt wurde. Dazu wurde in einer E-Mail des steuerlichen Vertreters vom angekündigt, dass "wir einen Termin für die mündliche Verhandlung Ende September/Anfang Oktober 2023 vereinbaren können."
Angesichts der Frist von mehr als zweieinhalb Jahren war aus Sicht des BFG ausreichend Zeit zur Beantwortung des Vorhaltes.
In der mündlichen Verhandlung am wurde auf die Frage, ob entsprechend dem Vorhalt zur Nachreichung dieser Liquiditätsrechnung vom eine Liquiditätsrechnung vorliegt mitgeteilt:
"Vertreter Bf.: eine Gleichbehandlungsrechnung in dem Sinne gibt es nicht.
Vorgelegt wird eine Vielzahl an Unterlagen (wird als Beilagenkonvolut A zum Akt genommen) betreffend Kreditorenkonten, aus der laut Vertreter des Bf. einzelne Zahlungen der GmbH für Zug um Zug-Geschäfte gelb markiert sind. Es war dem Bf. wichtig, dass eine Sanierung (mit 20% Quote) zu Stande kommt. Es wurden damals nur wenige Zahlungen geleistet. Neben diesen Zahlungen für Zug um Zug-Geschäfte gab es keine weiteren liquiden Mittel.
Verhandlungsleiter: Festgestellt wird, dass eine Aufstellung der geleisteten Zahlungen bzw. eine Gleichbehandlungsrechnung, die den Kriterien des § 9 BAO entsprechen würde, nicht vorgelegt werden.
Vertreter Bf.: Ist es ein Problem, wenn ich die Aufstellung der liquiden Mittel im Verhältnis zu den offenen Verbindlichkeiten, den ans FA geleisteten Zahlungen und Verbindlichkeiten bis spätestens Montag, , per E-Mail übermittle?
Verhandlungsleiter: Nach Zustimmung von **V1** wird für diese Übermittlung die Frist bis eingeräumt. Sollte bis dahin eine Übermittlung nicht stattgefunden haben, wird aufgrund der derzeitigen Aktenlage entschieden werden.
Der Verhandlungsleiter verkündet den Beschluss, dass die Entscheidung gemäß § 277 Abs. 4 BAO der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt. Die bis per E-Mail übermittelten Unterlagen werden bei der Entscheidung noch berücksichtigt."
Am wurde eine Aufstellung folgender Daten übermittelt:
Offene Posten per Ende August 2014:
Kreditoren: 132.019,68
ÖGK:-1.062,88
Offene Posten per Ende November 2014:
Kreditoren: 110.848,03
ÖGK: 12.434,59 gesamt: 123.282,62
liquide Mittel: Verbrauch
Kassa 6.635,03 3.411,13
Erste Bank 21.784,21 -729,36
Summe 28.419,24 2.681,77 25.737,47
Zahlungen geleistet zwischen 01.09. und
Finanzamt 7.401,96
Geleistete Zahlungen gesamt: 124.944,45
Eingänge ab :
Kontoeingänge ab - 99.206,98
Zahlungen aus liquidem Bestand 25.737,47
Mittelverbrauch gesamt 124.944,45
Eine Gläubigerbevorzugung liegt objektiv nicht vor, da es sich beim weitaus überwiegenden Teil der Zahlungen um Zug-um-Zug-Zahlungen gehandelt hat. Leistung und Gegenleistung zwischen Schuldner und Gläubiger wurden in einem engen zeitlichen Zusammenhang gegeneinander ausgetauscht; entweder in Form von Bargeschäften, kurzen Abrechnungsintervallen oder Kostenvorschüssen.
Die Zug-um-Zug-Geschäfte waren nötig, um die Geschäftsbeziehungen aufrecht zu erhalten, und die bestehenden Aufträge abzuwickeln, um die Zahlungen von den Kunden zu erhalten, damit im Rahmen der Insolvenz eine Sanierung möglich war, und die Quote erfüllt werden konnte.
Alle Altlasten blieben unbedient und offen.
Die Zahlung der Gehälter incl. Lohnabgaben war deswegen notwendig, da ansonsten eine Fortführung des Betriebes nicht gewährleistet war.
Verbindlichkeiten zum Stichtag
Verbindlichkeiten per von 216.843,86 (darin FA 36.117,75)
Festgehalten wird, dass am Abgabenkonto der Primärschuldnerin derzeit ein Gesamtbetrag von € 63.196,07 von der Einbringung ausgesetzt ist, somit sich die Finanzamtsschulden im Nachhinein als unrichtig erwiesen haben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().
Uneinbringlichkeit der Abgaben nach Insolvenzverfahren:
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben fest, da über das Vermögen der **P1** LIMITED mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom TT.12.2014 AZ **S2** das Sanierungsverfahren eröffnet wurde. Mit Beschluss vom TT.03.2015 wurde der am TT.03.2015 angenommene Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt, und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Gemäß diesem Beschluss erhalten die lnsolvenzgläubiger eine Gesamtquote von 20%. Hinsichtlich der die Sanierungsplanquote übersteigenden Abgabenrückstände (lnsolvenzforderungen) ist die Rechtswirkung des § 156 Abs. 1 IO eingetreten. Demnach sind 80 % der oa. Abgabenforderungen, die im Sanierungsverfahren zu den Konkursforderungen einzuordnen waren, bei der Firma **P1** LIMITED nicht mehr einbringlich.
Aufgrund des Ergebnisses des Insolvenzverfahrens steht die Uneinbringlichkeit von 80 % der verfahrensgegenständlichen Abgabenforderungen, die im Sanierungsverfahren als Konkursforderungen anzumelden waren und die am Abgabenkonto aktuell noch unberichtigt aushaften, zweifelsfrei fest.
Aus dem Firmenbuch ist ersichtlich, dass der Bf. im Zeitraum vom - zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens amTT.12.2014 Geschäftsführer der Primärschuldnerin **P1** LIMITED war und damit als Vertreter für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich gewesen ist. Die Firma ist zwischenzeitig mit im Firmenbuch gelöscht.
Zusammengefasst war es daher Pflicht des Beschwerdeführers, die offen aushaftenden Abgaben der Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zu entrichten.
Liquiditätsrechnung:
Soweit in der Beschwerde angekündigt wurde: "Nach unseren Berechnungen hat sich aber ergeben, dass es keine Ungleichbehandlung des Finanzamtes mit anderen Verbindlichkeiten ergibt. So wurden in dem von ihnen angegeben Zeitraum bis Zahlungen in Höhe von EURO 54.350,98 an das Finanzamt getätigt. Dies wurde im Rahmen der unserem Mandanten zur Verfügung stehenden Mittel geleistet und sind unserem Mandanten aufgrund der andauernden Verlustsituation keine darüber hinausgehende Mittel zur Begleichung aller aushaftenden Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden;" ist festzuhalten, dass nach mehr als 32 Monaten der entsprechende Vorhalt, eine Liquiditätsrechnung nachzureichen, unbeantwortet bliebund auch in der mündlichen Verhandlung nicht nachgereicht wurde.
Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu (). Der Bf. wurde sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich auf die Gleichbehandlung, die qualifizierte Mitwirkungspflicht oder die jeweilige Fälligkeit der Abgaben hingewiesen. Entsprechende neue oder ergänzende Ausführungen sind trotz dieser Hinweise im Vorlageantrag (worin das Beschwerdevorbringen lediglich wiederholt wurde) oder einem ergänzenden Schriftsatz nicht vorgebracht worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Wie die Abgabenbehörde schon richtiger Weise ausgeführt hat, reicht die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht aus ().
Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. ebenfalls ).
Ein Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlichen Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter ().
Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0014;
Da - wie erwähnt - auch in der mündlichen Verhandlung ein Gleichbehandlungsnachweis nicht nachgebracht wurde, haftet der Beschwerdeführer im Sinne der zitierten VwGH-Judikatur für alle im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben zur Gänze.
Lohnsteuer
§ 78 Abs. 1 EStG 1988: Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Als Lohnzahlungen gelten auch Vorschuss- oder Abschlagszahlungen, sonstige vorläufige Zahlungen auf erst später fällig werdenden Arbeitslohn, Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenversorgung sowie im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten geleistete Vergütungen, wenn der Arbeitgeber weiß oder wissen muss, dass derartige Vergütungen geleistet werden.
Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.
§ 78 Abs. 3 EStG 1988: Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.
Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. Zl. 2001/15/0187).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. ; ).
Demnach bleiben die im Haftungsbescheid erwähnten Lohnsteuerbeträge (laut Abgabenkonto sind gesamt € 13.304,78 an Lohnsteuer 2014 von der Einbringung ausgesetzt) unverändert, nämlich
Lohnsteuer 05/2014 von € 689,70
Lohnsteuer 06/2014 von € 889,30
Lohnsteuer 07/2014 von € 625,33
Lohnsteuer 08/2014 von € 1.904,08
Lohnsteuer 09/2014 von € 1.553,30.
Nicht sanierbarer Mangel durch fehlende Bescheide??
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird: "Weiters enthält der Haftungsbescheid an keiner Stelle einen Hinweis, wann die Umsatzsteuern 07/14, 08/14, 09/14, die Lohnsteuern 08/14, 09/14, der DB 08/14, 09/14 sowie der DZ 08/14 und 09/14 im Haftungsumfang von EUR 24.872,10 bescheidmäßig festgesetzt wurden und somit nach § 248 BAO bekämpfbar wäre" ist auf die ständiger Judikatur des VwGH zu verweisen, der u.a. in seinem Erkenntnis vom , 2005/13/0145, ausgesprochen, dass dann, wenn der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist ().
Die Bestimmung des § 248 letzter Satz BAO soll iVm § 245 Abs 2 BAO sicherstellen, daß der zur Haftung Herangezogene in Kenntnis der relevanten Grundlagen des Abgabenbescheides innerhalb offener Rechtsmittelfrist eine begründete Berufung gegen den Abgabenbescheid erheben kann. Diese somit als Rechtschutzvorschrift anzusehenden gesetzlichen Bestimmungen können aber in Fällen nicht greifen, in welchen dem Haftungspflichtigen unrichtige oder unvollständige Grundlagen für den Abgabenanspruch mitgeteilt werden. Diesfalls ist der Haftungspflichtige nicht in der Lage, die allenfalls gebotenen Verteidigungsmittel richtig zu beurteilen und einzusetzen. Ein berufungsfristhemmender Antrag iSd § 245 Abs 2 BAO auf Mitteilung des dem Haftungspflichtigen noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches wäre verfehlt, weil der Abgabenanspruch - wenn auch unrichtig oder unvollständig - zur Kenntnis gebracht wurde ().
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2005/13/0145, ausgesprochen, dass dann, wenn der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0053; ).
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (vgl. ). Durch § 248 BAO ist dem Haftenden allerdings ein eigenständiger Rechtszug gegen den seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheid eingeräumt ().
Wird jedoch die Haftung für gemeldete, jedoch nicht entrichtete Selbstbemessungsabgaben geltend gemacht, liegen dazu keine (an die Primärschuldnerin ergangene) Abgabenbescheide vor, die dem Haftungsbescheid beigelegt werden können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die Selbstbemessung die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung geschaffen ().
§ 248 BAO bezieht sich ausschließlich auf Bescheide über den Abgabenanspruch, nicht jedoch auf von der Primärschuldnerin selbstberechnete und gemeldete Abgaben. Ein Antrag gemäß § 248 BAO für selbst berechnete und gemeldete Abgaben ist im Gesetz nicht vorgesehen und schon deshalb nicht erforderlich, da dem Geschäftsführer die Berechnungsgrundlagen, Höhe etc. bekannt sein müssen (vgl. ). Behauptet der Haftende, dass die (vom Erstschuldner) gemeldete Umsatzsteuer unrichtig (zu hoch) ist, hat er dies näher zu konkretisieren und entsprechende Beweise für seine Behauptung vorzulegen. Geschieht dies nicht, ist von der Richtigkeit der Höhe der gemeldeten Umsatzsteuer auszugehen (vgl. dazu auch -F/10; ). Das gilt auch für gemeldete Lohnabgaben (vgl. ; ).
Ein nicht sanierbarer Mangel im Zusammenhang mit den von der Primärschuldnerin selbstberechneten und gemeldeten Abgaben liegt daher nicht vor.
Schuldhafte Pflichtverletzung, Verschulden:
Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genügt (z. B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB. der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().
Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind (vgl. ; ).
In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom wegen nicht fristgerechter Entrichtung von L 05-07/2014 von € 2.755,42 und L, DB, DZ 10/2014 von € 3,094,05 wegen Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG verurteilt wurde. Auch wenn der Beschwerdeführer für L 10/2014 bestraft wurde, ist diese Abgabe nicht im Haftungsbescheid erfasst.
Allein aufgrund der Verurteilung ist für diese Abgaben und Zeiträume ein Verschulden schon geprüft und kann vom Finanzstrafverfahren übernommen werden. nicht zuletzt hätte dafür auch ein Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO erlassen werden können.
Da die darüber hinaus im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben nicht u den Fälligkeitstagen entrichtet worden sind, ist ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers gegeben.
Liquide Mittel
Für den Fall, dass die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, um sämtliche Verbindlichkeiten voll zu tilgen, ist für die Darstellung der Gläubigergleichbehandlung zunächst der Nachweis zu erbringen, dass die Abgabenschulden gegenüber anderen Verbindlichkeiten nicht benachteiligt wurden, indem konkret und nachvollziehbar dargelegt wird, dass von den Abgabenschulden nicht eine geringere Quote beglichen wurde als von anderen Verbindlichkeiten, wobei auch Zug-um-Zug Geschäfte zu berücksichtigen sind (vgl. für viele , mwN). Dabei kommt es nicht nur auf die am Fälligkeitstag geleisteten Tilgungen an; der Haftende hat vielmehr darzutun, dass er die vorhandenen liquiden Mittel ab der Fälligkeit für eine (im Vergleich zu anderen Gläubigern) anteilige Befriedigung des Abgabengläubigers verwendet hat (vgl. etwa ; , 97/14/0176). Gelingt dieser Nachweis nicht, ist die Haftung des Vertreters dennoch mit jenem Betrag begrenzt, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (vgl. ; , 96/15/0049), wobei es am Vertreter liegt, diese Quote zu berechnen. Dafür ist erforderlich, dass die gesamten (fälligen) Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin inklusive der Abgabenverbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der Abgaben den vorhandenen liquiden Mitteln gegenübergestellt werden und jene Quote errechnet wird, die sich bei gleichmäßiger Aufteilung der liquiden Mittel auf die (fälligen) Verbindlichkeiten sämtlicher Gläubiger ergibt (vgl. ; , 92/17/0042). In Zeiträumen nach der Fälligkeit der Abgaben zugeflossene liquide Mittel sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. ; , 2007/13/0137), weil die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten erst mit deren Abstattung endet (vgl. ; , 89/14/0043). Die quotenmäßige Berücksichtigung dieser weiteren liquiden Mittel kann gegebenenfalls auch überschlägig erfolgen (vgl. ; ).
Dem steuerlichen Vertreter wurde in der mündlichen Verhandlung zugestanden, die Verbindlichkeiten und liquiden Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten nachzureichen. Dies hat er insofern nachgebracht, als
die offenen Posten per Ende August 2014 und ,
liquide Mittel zum und zum sowie
geleistete Zahlungen zwischen 01.09. und dargestellt wurden.
Als Gesamtschulden per wurden € 216.843,86 (darin FA € 36.117,75) angegeben.
Nicht berücksichtigt wurde dabei offensichtlich, dass am Abgabenkonto der Primärschuldnerin ein Gesamtbetrag von € 63.196,07 von der Einbringung ausgesetzt ist, somit ein höherer Abgabenbetrag als der dargestellte FA-Betrag von € 36.117,75.
Aufgrund von Zug-um-Zug-Geschäften erfolgte ein Mittelverbrauch von gesamt € 124.944,45, die auch in dieser Höhe offenbar in dieser Zeit eingenommen wurden. Insofern ist eine Ungleichbehandlung mit anderen Gläubigern offensichtlich.
Geleistete Zahlungen gesamt: € 124.944,45, davon € 7.401,96 ans Finanzamt (=5,92%)
Weitere gemeldete Schulden gesamt: € 216.843,86, davon Finanzamt € 36.117,75 (=16,66%)
Korrekter Abgabenrückstand laut Abgabenkonto: € 63.196,07 minus 20% Quote € 12.639,21 = € 50.556,86 (= 23,31% der Gesamtschulden), davon wurden "nur" € 28.959,70 (rechnerisch € 28.959,71) als Haftung geltend gemacht.
Gesamtschulden (inkl. Zug-Um-Zug-Geschäfte): € 341.788,31 (inkl. € 70.598,03 beim FA)
Gesamtzahlungen (inkl. Zug-Um-Zug-Geschäfte): € 124.944,45 (inkl. € 7.401,96 ans FA)
Von den vorhandenen Schulden wurden € 124.944,45 (36,56%) bezahlt, davon ans FA € 7.401,96 (5,92%), sodass sich ein Quotenschaden von 29,64% bzw. € 8.583,66 (entspricht 29,64% von € 28.959,71) ergibt.
Bei gleichbehandelnder Bezahlung aller Schulden (nicht nur der Zug-um-Zug-Geschäfte) wäre somit von den vorhandenen liquiden Mittel 29,64% für die Abgabenschulden zu verwenden gewesen. Tatsächlich wurden nur 5,92% bezahlt. Somit verbleibt der erwähnte Quotenschaden von € 8.583,66.
Im Sinne der dargestellten VwGH-Judikatur erfolgte die quotenmäßige Berücksichtigung der liquiden Mittel "überschlägig", sodass sich unter Berücksichtigung von Rundungsdifferenzen, ausgenommen die unveränderten Lohnsteuerbeträge (siehe oben), die neuen Haftungsbeträge wie folgt errechnen:
Umsatzsteuer 2013 von € 162,93
Umsatzsteuer 07/14 von € 675,02
Umsatzsteuer 08/14 von € 1.657,83
Umsatzsteuer 09/14 von € 282,41
Lohnsteuer 05/2014 von € 689,70
Lohnsteuer 06/2014 von € 889,30
Lohnsteuer 07/2014 von € 625,33
Lohnsteuer 08/2014 von € 1.904,08
Lohnsteuer 09/2014 von € 1.553,30
Dienstgeberbeitrag 10/2014 von € 42,87
Dienstgeberbeitrag 08/2014 von € 43,74
Dienstgeberbeitrag 09/2014 von € 45,22
Dienstgeberzuschlag 10/2014 von € 3,81
Dienstgeberzuschlag 08/2014 von € 3,90
Dienstgeberzuschlag 09/2014 von € 4,02
Summe € 8.583,66.
Ermessen:
Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen ().
Liegen keine besonderen Umstände vor, die eine so späte Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als damaligen Geschäftsführer zur Haftung rechtfertigen könnten (das Finanzamt hat erst rund drei Jahren nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und einem Vorverfahren zum Haftungsbescheid den angefochtenen Bescheid erlassen), ist die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit gegenüber der vom Finanzamt ins Treffen geführten Zweckmäßigkeitserwägung jedenfalls zu berücksichtigen.
Jedenfalls war auch zu berücksichtigen, dass die lange Erledigungsdauer für zumindest mehr als 32 Monaten allein auf Fristerstreckungsansuchen des steuerlichen Vertreters zurückzuführen ist und der Beschwerdeführer bzw. sein steuerlicher Vertreter dadurch einen so nicht vorgesehenen - unverzinsten - Zahlungsaufschub erwirkt hat, was kein Argument für eine positive Ermessenübung sein kann.
In diesem Zusammenhang darf der Vollständigkeit halber auf die Judikatur des VwGH verwiesen werden, wonach ein Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht iSd § 270 Abs. 2 BAO (bereits) - auch wenn das für das vorliegende Verfahren "noch" nicht Anwendung findet - dann vorliegt, wenn aus objektiver Sicht keine sachlichen Gründe dafür vorliegen, dass im Verfahren eingebrachte Beweisanträge nicht schon bereits in einem früheren Verfahrensstadium, etwa bereits im abgabenbehördlichen Verfahren oder spätestens nach Bekanntgabe des Vorlageberichts (§ 265 Abs. 3 BAO) eingebracht hätten werden können (zB ).
[...]
Für eine weitere Reduzierung der Haftungsbeträge lagen keine ausreichenden Gründe vor.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in der höchstgerichtlichen Judikatur nicht einheitlich entschieden ist, war für die Entscheidung nicht relevant, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103677.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at