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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2024, RV/2100762/2017

Ein Sanierungsgewinn nach § 36 EStG 1988 entsteht bei einem Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung im Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung und nicht sukzessive nach Maßgabe der Ratenzahlungen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri1***, den Richter ***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LRi1*** und ***LRi2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Gerhard Peither, Sandgasse 16, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Einkommensteuer 2014 zu Steuernummer ***Bf-StNr*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde ua ein Sanierungsgewinn gemäß § 36 EStG 1988 veranlagt. Gegen diese Steuerfestsetzung gemäß § 36 EStG 1988 nach einem Schuldnachlass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . In der Beschwerde stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat. Vor Einbringung der Beschwerde wurde mit Eingabe vom ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum und mit Eingabe vom ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum eingebracht. Die gegenständliche Beschwerde erweist sich damit als fristgerecht eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat fand am in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Vertreters sowie einer Vertreterin des Finanzamtes statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Über den Beschwerdeführer wurde am ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Am wurde ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss des BG ***X*** vom wurde dieses Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und dem Schuldner (Beschwerdeführer) eine Restschuldbefreiung erteilt. Entsprechend der Begründung dieses Beschlusses erhielten alle Insolvenzgläubiger die rechtzeitig ihre Forderungen angemeldet hatten eine Quote von zumindest 10%.

Der Beschwerdeführer erzielte im Beschwerdejahr 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Sanierungsgewinn iSd § 36 EStG 1988). Das Finanzamt veranlagte im Beschwerdejahr 2014 den gesamten, sich aus der Restschuldbefreiung ergebenden Sanierungsgewinn iSd § 36 EStG 1988 und errechnete einen Nichtfestsetzungsbetrag in der Höhe von € 88.407,90 wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommensteuer mit Sanierungsgewinn
€ 98.231,-
Einkommensteuer ohne Sanierungsgewinn
€ 0,-
Differenz
€ 98.231,-
Quote lt Sanierungsverfahren
10%
Differenz der Quote auf 100%
90%
90% von € 98.231,- (Nichtfestsetzungsbetrag)
€ 88.407,90

Der Nichtfestsetzungsbetrag in der Höhe von € 88.407,90 wurde bei der Festsetzung der Einkommensteuer von der errechneten Einkommensteuer in Abzug gebracht und die Einkommensteuer mit € 9.823,- festgesetzt.

In der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid wird dazu Folgendes ausgeführt:

"Die Ermittlung der Höhe des Nichtfestsetzungsbetrages gem. § 206 lit. b BAO erfolgte in der durch § 36 (3) EStG 1988 normierten Weise. Dabei wurde unter Berücksichtigung des Schuldennachlasses in Höhe von EUR 207.179,47 die Einkommensteuer mit EUR 98.231,00 ermittelt und der Einkommensteuer ohne Berücksichtigung eines Schuldennachlasses in Höhe von EUR 0,00 gegenübergestellt. Aus dem sich so ergebenden Differenzbetrag wurde unter Anwendung der Quote im Sanierungsverfahren von 10 % der Nichtfestsetzungsbetrag gem. § 206 lit. b BAO mit 90 % von 98.231,00, das sind EUR 88.407,90, ermittelt.

In einem Sanierungsverfahren fallen die Sanierungsgewinne immer in dem Jahr an, in dem schuldbefreiende Quotenzahlungen erfolgen. Die Verteilung des Schuldnachlasses für das Jahr 2014 ergibt einen Betrag von EUR 29.597,07. Daraus folgt, dass die Einkommensteuer für das Jahr 2014 bei Berücksichtigung des anteiligen Schuldennachlasses EUR 14.907,69 beträgt. Ohne Berücksichtigung des Sanierungsgewinnes beträgt sie EUR 0,00. Der Differenzbetrag von EUR 14.907,69 ergibt bei Anwendung der Quote von 10 % im Sanierungsverfahren eine Nichtfestsetzungsbetrag gem. § 206 lit. b BAO in Höhe von EUR 13.416,93. Nach Abzug anrechenbarer Lohnsteuer in Höhe von EUR 5.207,48 und der Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988 von 0,28 verbleibt eine Abgabengutschrift in Höhe von EUR 3.717,00. Es wird nunmehr gebeten die Einkommensteuer 2014 im Sinne obiger Ausführungen festsetzen zu wollen."

In der die Beschwerde als unbegründet abweisenden Beschwerdevorentscheidung argumentierte das Finanzamt, dass im gegenständlichen Fall ein Abschöpfungsverfahren vorliege, in welchem mittels Beschluss vom die Restschuldbefreiung erteilt worden sei. Da gemäß § 36 EStG 1988 der Sanierungsgewinn bei einem Abschöpfungsverfahren erst mit der Erteilung der Restschuldbefreiung entstünde und nicht wie beantragt mit der jeweils erfolgten Quotenzahlung, könne der Beschwerde nicht stattgegeben werden.

In der mündlichen Verhandlung am hat der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter ergänzend ausgeführt, dass bei der Ermittlung der Quote das Honorar des Masseverwalters in der Höhe von € 12.654,56 sowie das Honorar des Treuhänders mit einem Gesamtbetrag von € 2.735,30 nicht berücksichtigt worden sei.
Außerdem würde nach Ansicht des Beschwerdeführers die steuergesetzliche Regelung betreffend die Sanierungsgewinne zu einer Ungleichbehandlung zwischen Verfahren mit Sanierungsplan und Abschöpfungsverfahren führen. Dies würde sich nach Ansicht des Beschwerdeführers ua auch darin zeigen, dass es zu "Progressionssprüngen" durch eine mangelnde Verteilung auf die einzelnen Veranlagungsjahre in welchen Quotenzahlungen erfolgten käme.
Insgesamt hat die bezahlte Quote 10% zuzüglich der Honorare für den Masseverwalter und den Treuhänder betragen.

2. Beweiswürdigung

Der Zeitpunkt der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens erschließt sich aus dem Beschluss des BG ***X*** vom (BFG-Akt OZ 12).

Die Höhe der an die Insolvenzgläubiger entrichteten Quote von 10% erschließt sich einerseits aus dem Beschluss des BG ***X*** vom (BFG-Akt OZ 13) und aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am .

Der dargestellte Sachverhalt erschließt sich im Übrigen aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen und aus den Parteienvorbringen in der mündlichen Verhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die im gegenständlichen Verfahren zu lösende Rechtsfrage ist, zu welchem Zeitpunkt bei einem Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung iSd §§ 199 bis 216 Insolvenzordnung (IO) ein aus einem Schuldnachlass resultierender Gewinn entstanden ist.

§ 36 EStG 1988 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (BGBl I Nr 58/2010) lautet wie folgt:

"(1) Sind im Einkommen eines Steuerpflichtigen aus einem Schulderlass resultierende Gewinne enthalten, hat die Steuerfestsetzung in den Fällen des Abs. 2 nach Maßgabe des Abs. 3 zu erfolgen.

(2)Aus dem Schulderlass resultierende Gewinne sind solche, die entstanden sind durch:
1. Erfüllung eines Sanierungsplans gemäß §§ 140 bis 156 der Insolvenzordnung (IO),
2. Erfüllung eines Zahlungsplanes (§§ 193 bis 198 IO) oder
3. Erteilung einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens (§§ 199 bis 216 IO).

(3)Für die Steuerfestsetzung gilt:
1. Es ist die Steuer vom Einkommen sowohl einschließlich als auch ausschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne zu berechnen und daraus der Unterschiedsbetrag zu ermitteln.
2. Auf den nach Z 1 ermittelten Unterschiedsbetrag ist der dem Schulderlass entsprechende Prozentsatz (100 Prozent abzüglich der Quote) anzuwenden.
3. Der nach Z 2 ermittelte Betrag ist von der Steuer abzuziehen, die sich aus dem Einkommen einschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne ergibt.
"

Zum Entstehungszeitpunkt des Sanierungsgewinnes ist festzuhalten, dass diesbezüglich eine Erhöhung des Betriebsvermögens immer erst im Zeitpunkt des Wegfalls der Schuld eintritt.

Bereits der Gesetzestext des § 36 EStG 1988 verweist in Absatz 2 Zahl 3 darauf, dass ein aus einem Schuldnachlass resultierender Gewinn bei Erteilung einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens gem §§ 199 bis 216 IO entstanden ist.

Nach § 213 Abs 1 Z 2 IO in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (BGBl I Nr 29/2010) hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist und die Insolvenzgläubiger während des Insolvenz- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10% der Forderungen erhalten haben. Gleichzeitig mit der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit ist.

Erst mit Beendigung des Abschöpfungsverfahrens tritt durch die Restschuldbefreiung eine endgültige Befreiung von den Insolvenzschulden ein. Durch den Wegfall dieser Schulden wird das Betriebsvermögen in diesem Zeitpunkt erhöht.

Im Fall der Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens entsteht ein begünstigter Gewinn erst nach Erteilung einer Restschuldbefreiung (vgl Heinrich in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG23 § 36, Rz 32; Kanduth-Kristen in Jakom, EStG17, § 36 Rz 19). Im Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung wird gem § 36 Abs 2 Z 3 EStG 1988 auf die Erteilung der Restschuldbefreiung abgestellt (vgl dazu Kanduth-Kristen, Ertragsteuerliche Neuerungen für Sanierungen in taxlex Heft 1, 2022/8, FN 13).

Für den gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt ist festzuhalten, dass mit Beschluss des BG ***X*** vom das Abschöpfungsverfahren beendet und die Restschuldbefreiung erteilt wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der nach § 36 EStG 1988 begünstigte Sanierungsgewinn entstanden.

Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch den Beschwerdeführer vorgebrachten Argumentation, dass bei der Ermittlung der Quote das Honorar des Masseverwalters in der Höhe von € 12.654,56 sowie das Honorar des Treuhänders mit einem Gesamtbetrag von € 2.735,30 nicht berücksichtigt worden sei, ist auszuführen, dass sowohl das Honorar des Masseverwalters, als auch das Honorar des Treuhänders gem § 46 Abs 1 IO als Kosten des Insolvenzverfahrens Masseforderungen darstellen. Diese Kosten sind nicht in die Quote betreffend die Insolvenzforderungen einzurechnen. Es war dementsprechend festzustellen, dass sich durch den Nachweis der Honorarforderungen des Masseverwalters und des Treuhänders keine betragliche Veränderung des Sanierungsgewinnes nach § 36 EStG 1988 ergibt.

Im Falle eines Sanierungs- oder Zahlungsplanes tritt der Schulderlass nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl zur alten Rechtslage ; ; ) nach Maßgabe der Ratenzahlungen sukzessive, also mit Erfüllung des Sanierungs- oder Zahlungsplanes ein. Ein nach § 36 EStG 1988 begünstigter Gewinn entsteht daher im Zeitpunkt der Erfüllung der im Zahlungs- oder Sanierungsplan festgelegten Quote.

Anders ist es jedoch, wie bereits dargelegt, im Falle eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung, in welchem der Sanierungsgewinn auf Grund des Schulderlasses erst mit der Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 213 IO entsteht (vgl dazu ua Kanduth-Kristen in Jakom, EStG17, § 36 Rz 18f). Diese unterschiedliche Behandlung hat ihre Ursache in der unterschiedlichen Regelung betreffend den Sanierungs- und Zahlungsplan sowie des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung in der Insolvenzordnung. Eine unzulässige Ungleichbehandlung von Sanierungsgewinnen in der gesetzlichen Regelung des § 36 EStG 1988, wie vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgebracht, kann durch den entscheidenden Senat nicht erkannt werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wenn auch für die gegenständliche Rechtsfrage noch keine höchstgerichtliche Judikatur ersichtlich ist, so war dennoch eine ordentliche Revision zu versagen, weil die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage klar und eindeutig anhand der Bestimmung des § 36 EStG 1988 zu lösen war. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag dementsprechend nicht vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100762.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at