zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.11.2024, RV/2100646/2021

§ 95 Abs. 4 EStG 1988: Keine Festsetzung von Kapitalertragsteuer gegenüber der ausschüttenden Gesellschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N. GmbH, Adr.Bf., vertreten durch Z.Z., Adr.StB, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuerfür den Zeitraum 2013 bis 2015 - dem Bundesfinanzgericht am zu RV/2100646/2021 und nochmalig am zu RV/2100083/2023 vorgelegt -, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende GmbH [in Folge: Bf.] ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom errichtete und im Firmenbuch mit eingetragenen Gesellschaft zu Firmenbuchnummer yyy. Geschäftszweig ist laut Firmenbuchauszug "Gastronomie". Im Beschwerdezeitraum 2013 bis 2015 war Herr X., geb. am Datum, als Geschäftsführer und als alleiniger Gesellschafter der Bf. im Firmenbuch eingetragen.

Bei der Bf. fand eine die Jahre 2013 bis 2015 betreffende Außenprüfung - Gegenstand Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer; Nachschauauftrag Umsatzsteuer für 1/2016-10/2017 - gem. § 147 BAO statt.

Im Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurden vom Außenprüfungsorgan u. a. in der Tz 5 auf Grund formeller und materieller Mängel im Rechenwerk der Bf. ein jährlicher Sicherheitszuschlag im Ausmaß von 15% des Umsatzes den Umsätzen und dem Gewinn hinzugeschätzt. Zudem wurden in der Tz 6 die von der Bf. getragenen Aufwendungen für eine vom Geschäftsführer gemietete Wohnung im 1. Stock des Gebäudes, in dessen Erdgeschoss sich das von der Bf. geführte Restaurant befindet, um 70% als privat veranlasst gekürzt.

Das Finanzamt nahm unter Zugrundelegung der Feststellungen der Außenprüfung mit Bescheiden vom die Verfahren Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2013 und 2014 wieder auf und setzte mit den Sachbescheiden vom selben Tag die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2013 bis 2015 neu fest.

Die Bf. brachte gegen die Bescheide über FinanzOnline am Beschwerde durch ihre steuerliche Vertretung ein, welche die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidungen vom (Jahre 2013 und 2014) bzw. (Jahr 2015) abwies bzw. betreffend Körperschaftsteuer 2015 und Umsatzsteuer 2015 geringfügig zu Gunsten der Bf. abänderte.

Die Bf. brachte in der Folge mit über FinanzOnline Anträge auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Verwaltungsgericht ein (Vorlageanträge).

Mit Erkenntnis vom , RV/2101008/2019, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gegen die Körperschaftsteuerbescheide und Umsatzsteuerbescheide 2013-2014 gemäß § 279 BAO als unbegründet ab. Die Bescheide betreffend Körperschaftssteuer 2015 und Umsatzsteuer 2015 wurden abgeändert.
Gegen dieses Erkenntnis brachte die Bf. Revision ein.

Die belangte Behörde erließ in Folge mit die nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2013 bis 2015, adressiert an die Bf., und führte begründend aus, dass die verdeckte Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 2 KStG 1988 eine außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegene Zuwendung einer Körperschaft an ihre Anteilsinhaber sei, die das Einkommen der Körperschaft zu Unrecht vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft hätten und eine steuerliche Maßnahme sei, die Vermögensverlagerungen zwischen Körperschaften und ihren Anteilseignern einer sachgemäßen Besteuerung zuzuführen. Im gegenständlichen Fall seien der Sicherheitszuschlag Tz. 5 und die Aufwendungen in Tz. 6 dargestellt, betroffen. Laut Beschluss des BFG GZ. RV/2100079/2021 vom und anlässlich einer Erörterung gem. §269 Abs.3 BAO vom vor dem BFG sei vom steuerlichen Vertreter eingeräumt worden, dass die Zuflüsse auf dem privaten Bankkonto des GF Hr. So richtigerweise als verdeckte Ausschüttungen zu qualifizieren seien. Im Erkenntnis vom , RV/2101016/2019, wäre das BFG dem Geschäftsführer als Beschwerdeführer gefolgt und habe die Einkünfte der angefochtenen Einkommensteuerbescheide um die Barzuflüsse in Höhe von 13.617,58 Euro gekürzt.
Die Kapitalertragsteuer werde vom Gesellschafter Herrn X. getragen.
Die Haftung gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 erscheine nicht oder nur erschwert durchsetzbar, unter Hinweis auf Bericht vom .

Mit Eingabe über FinanzOnline vom durch die steuerliche Vertretung ersuchte die Bf. um Fristverlängerung für die Einreichung der Beschwerde gegen die Kapitalertragsteuerbescheide 01-11/2013 und 01-11/2014 sowie 01-11/2015.

Nach gewährten Fristverlängerungen brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung am Beschwerden über FinanzOnline ein. In den Anbringen wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung postalisch nachgereicht werde.

Die belangte Behörde erließ in Folge einen Mängelbehebungsbescheid, in welchem die Begründung zur Beschwerde urgiert wurde.
Anm. BFG: Die Datumsangaben im Mängelbehebungsbescheid stimmen mit den Beschwerdeschreiben nicht überein. Da jedoch in der Beschwerdevorentscheidung vom auf Seite 2 festgehalten wurde, dass die Begründung nachgereicht wurde und im Übrigen von der belangten Behörde auch keine weiteren Ausführungen über die Nichterfüllung des Mängelbehebungsauftrags im Akt ersichtlich sind, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass mit der Beschwerdebegründung vom dem Mängelbehebungsbescheid entsprochen wurde.

In der am postalisch nachgereichten Beschwerdebegründung führte die Bf. unter Punkt "Sachverhalt" aus, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung gemäß § 150 BAO für die Jahre 2013 bis 2015 zur Feststellung formaler und materieller Mängel und in der Folge zur Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages von gerundet netto 274.000,00 Euro für drei Jahre insgesamt gekommen sei. Beanstandet worden seien Doppel- und Fehlbuchungen mit einer Auswirkung von gerundet 5.000,00 Euro auf die steuerliche Bemessungsgrundlage für den Gesamtzeitraum, fehlende Inventuren bei einem durchschnittlichen Lagerstand kleiner 5.000,00 Euro sowie ein Gesellschafterverrechnungskonto mit einem durchschnittlichen Stand von 160.000,00 Euro und einer Erhöhung im Jahr 2014 von zirka 40.000,00 Euro durch die Einbringung eines privaten Versicherungserlöses. Dieses Verrechnungskonto sei als Ansammlung von nicht erklärten Erlösen interpretiert und jeglicher Beweisantrag dazu negiert worden, obwohl dieses Konto klar mit den Erstanschaffungen im Gründungsjahr der Gesellschaft (2006) korrespondierten und in Buchhaltung und Anlageverzeichnis so sichtbar gemacht worden seien. Auch die Aufstockung dieses Kontos durch die Einbringung der Erlöse aus einem Versicherungsvertrag seien über das Girokonto der Gesellschaft abgewickelt und als solches in der Buchhaltung dargestellt worden. Die aus diesen Tatbeständen abgeleitete Berechtigung der Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages seien dem Steuerpflichtigen anlässlich der Schlussbesprechung zur Kenntnis gebracht worden, ohne dass dieser jemals vorher in die Überlegungen der Behörde über die Ableitung dieser Schätzungsergebnisse bzw. deren rechnerische Ermittlung eingebunden worden wäre.
Darüber hinaus bestünde ein klares Missverhältnis zwischen dem Wert der Beanstandungen und den zum Ansatz gebrachten Sicherheitszuschlägen und stehe diese Vorgangsweise dem Ziel entgegen, durch solche Schätzungen bzw. Hinzurechnungen den wahren Bemessungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen.
Unter Punkt "Begründung" verwies die Bf. darauf, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Parteiengehör ein wesentliches Prinzip des Verfahrens sei. Dieses Parteiengehör sei auch bei Schätzungen von Bemessungsgrundlagen bzw. bei der Festlegung von Sicherheitszuschlägen zu wahren. Ebenso würden Schätzungsergebnisse bzw. Sicherheitszuschläge einer Pflicht zur Begründung unterliegen. Eine Begründung habe die für die Schätzungsbefugnis entsprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Aus den angeführten Gründen seien die Kapitalertragsteuerbescheide 2013 bis 2015 daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Mit Beschluss vom , Ra 2021/15/0043, wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/2101008/2019, zurück. In seiner Entscheidung hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wurde und auch eine Verletzung des Parteiengehörs nach Abschluss der Außenprüfung nicht behauptet wurde. Bezüglich des Sicherheitszuschlag verweist der Verwaltungsgerichtshof auf das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts und darauf, dass eine nicht hinreichend Begründung des Sicherheitszuschlags im angefochtenen Erkenntnis vom Revisionswerbers weder behauptet noch nachvollziehbar dargetan wurde.

Die belangte Behörde wies in Folge mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerden betr. die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2013 bis 2015 ab und wies einleitend auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2101008/2019, hinsichtlich der Bescheide Körperschaftsteuer 2013 bis 2015, Umsatzsteuer 2013 - 2015 und Anspruchszinsen 2014 - 2015 zu Steuernummer xxx hin. Nach Darstellung der Beschwerde hielt die belangte Behörde in der Sachverhaltsschilderung fest, dass in der Außenprüfung an formellen und materiellen Mängel festgestellt worden seien: Fehlende Inventuren; Doppelbuchungen (Aufwand); fehlender Einkauf von Tee, Kaffee und Spirituosen bzw. fehlende Erlöse Tee; Einkäufe auf falsche Artikelgruppen gebucht, Kassabuchungen mit Datum Jänner im Juni verbucht; Kassastand konnte nicht ermittelt werden; fehlender Nachweis Mittelherkunft auf dem Verrechnungskonto des Geschäftsführers. Entsprechend sei eine Schätzung vorgenommen und ein Sicherheitszuschlag verhängt worden.
Diese Feststellungen bzw. Besprechungspunkte resultierend aus der durchgeführten Außenprüfung gem. § 147 BAO seien dem steuerlichen Vertreter und dem Geschäftsführer in den Räumlichkeiten des steuerlichen Vertreters am Ort1, am in Papierform übergeben und per Email bestätigt worden. Als Termin für die Beantwortung der Fragen bzw. Feststellungen sei der vorgemerkt worden. Der steuerliche Vertreter habe am darauf geantwortet und gemeint, bei dem Konvolut an offenen Punkten sehe sich der Geschäftsführer außer Stande, diese Fragen selbst zu beantworten und habe um eine Frist bis Mitte November und um Nachreichung der Anlagen "Muster a" und "Beilage b" gebeten. Diese Anlagen seien am nachgereicht und, unter Berücksichtigung der Terminwünsche des steuerlichen Vertreters, ein Vorbesprechungstermin für den und ein Termin für die Schlussbesprechung für avisiert worden. In der Beilage b) seien die Mängel angeführt und dem steuerlichen Vertreter schriftlich mitgeteilt worden, dass ein Sicherheitszuschlag verhängt werde.
Zum Vorbesprechungstermin am sei dann weder der steuerliche Vertreter noch der Geschäftsführer gekommen.
Auf die Höhe des Sicherheitszuschlages bzw. dessen Berechnung werde auf die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/2101008/2019, verwiesen.

Nach gewährten Fristverlängerungen brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , über FinanzOnline den Vorlageantrag gem. § 264 BAO ein, in welchem zur Erörterung der Beschwerdepunkte eine mündliche Verhandlung beantragt werde.

Die belangte Behörde legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht am auf elektronischem Wege vor. Im Vorlagebricht wurde unter Punkt "Stellungnahme" ausgeführt, dass aufgrund der gravierenden Mängel der Beschwerde schon in der BVE nicht voll stattgegeben werden haben können und wurde auf die Ausführungen im Erkenntnis des GZ. RV/2101008/2019, und den kausalen Zusammenhang mit den Feststellungen btr. Kapitalertragsteuer 2013 bis 2015 verwiesen.

In der nachgereichten Stellungnahme der Betriebsprüferin vom wurde u. a. festgehalten, dass die festgesetzte Kapitalertragsteuer aus den Feststellungen im BP-Bericht TZ. 5 und Tz. 6 resultiere. Bisher nicht in die Berechnung der Kapitalertragsteuer mit einbezogen worden seien die - in Folge aufgelisteten - Sparbuchguthaben, die der Geschäftsführer, Herr X. auf seinen Namen bzw. Losungswort in sein Privatvermögen verschoben habe (wie aus der Kontoregisterabfrage ersichtlich) - dies sei auch in der BVE nicht berücksichtigt worden. Die Sparbuchkopien würden vorgelegt. Die Entnahmen seien in der Buchhaltung der GmbH nicht gebucht worden.

Mit Eingabe vom zog die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung bei der Bf. für die Jahre 2013 bis 2015 wurde wegen Vorliegens formeller und materieller Mängel sowie wegen ungeklärten Vermögenszuwachs ein Sicherheitszuschlag in Ausmaß von 15% des Umsatzes den Umsätzen und dem Gewinn hinzugeschätzt [BFG-Akt OZ 16: BP-Bericht, Tz 5 der Beilage]. Weiters wurden die von der Bf. getragenen Aufwendungen für eine vom Geschäftsführer gemietete Wohnung um 70% als privat veranlasst gekürzt, ebenso die ebenfalls von der Bf. getragenen Energiekosten [BFG-Akt OZ 16: BP-Bericht, Tz 6 der Beilage].
Die belangte Behörde erließ in Folge unter Zugrundelegung dieser Feststellungen neue Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2015.
Gegen das die Beschwerde für die Jahre 2013 und 2014 abweisende und für das Jahr 2015 abändernde Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom , RV/2101008/2019, wurde eine außerordentliche Revision eingebracht. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Beschluss vom , Ra 2021/15/0043, zurück und bestätigte in der Begründung die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts [BFG-Akt OZ 20: VwGH Beschluss].

Die Feststellungen betreffend Sicherheitszuschlag und hinsichtlich Aufwandskürzungen wurden im Bericht vom von der Außenprüfung als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet [BFG-Akt OZ 16: BP-Bericht, Tz 7 der Beilage].
Die belangte Behörde erließ unter Zugrundelegung dieser Feststellungen mit unter Verwendung der amtlichen KESt 2-Formulare die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer und setzte die Kapitalertragsteuer iHv. 24.092,10 Euro (Zeitraum 2013), iHv. 31.609,08 Euro (Zeitraum 2014) und iHv. 40.979,14 Euro (Zeitraum 2015) fest.
Die Bescheide wiesen als Bescheidadressat die Bf. zu Handen der steuerlichen Vertretung auf.
In der Begründung wurde nach Anführung des § 95 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 EStG 1988, der Definition der verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 2 KStG 1988 und Verweisen auf den BFG-Beschluss RV/2100079/2021 vom und dem BFG-Erkenntnis RV/2101016/2019 vom ausgeführt:
"Die Kapitalertragsteuer wird vom Gesellschafter Herrn X. getragen. Die Haftung gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 erscheint nicht oder nur erschwert durchsetzbar, unter Hinweis auf Bericht vom " [BFG-Akt OZ 5 bis 7: KESt-Bescheide 2013-2015].

Gegen die Kapitalertragsteuerbescheide 2013 bis 2015 wurde in Folge Beschwerden eingebracht [BFG-Akt OZ 1-4: Beschwerden, Begründung].

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Aktenteilen und sind unstrittig.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Eingangs wird vom Bundesfinanzgericht festgehalten, dass es sich bei den Beschwerdeverfahren zu den GZ RV/2100646/2021 und GZ RV/2100083/2023 um dasselbe Verfahren - Beschwerden gegen die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2013 bis 2015 - handelt. Von Seiten der belangten Behörde wurden versehentlich am die Vorlageanträge vom nochmals zu RV/2100083/2023 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Zur Sache selbst führt das Bundesfinanzgericht aus:

Gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 sind Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Nach § 93 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

§ 95 EStG 1988 in den Fassungen der BGBl. I Nr. 135/2013, BGBl. I Nr. 13/2014 und BGBl. I Nr. 105/2014 lautet auszugsweise:
(1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Der Abzugsverpflichtete (Abs. 2) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer ...
(2) Abzugsverpflichteter ist:
1. Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital, einschließlich tatsächlich ausgeschütteter Erträge aus einem § 186 oder § 188 des Investmentfondsgesetzes 2011 oder einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde:a)Der Schuldner der Kapitalerträge, wenn dieser Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hatund es sich um Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß §27 Abs.2 Z1, §27 Abs.5 Z7 oder Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten im Sinne des §27a Abs.1 Z1 handelt.b)die auszahlende Stelle in allen anderen Fällen ...
(3) Der Abzugsverpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen ...
(4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt ...

§ 95 Abs. 4 EStG 1988 lautet in der Fassung BGBl I 2015/118 auszugsweise:
(4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach Abs. 1 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder
2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt ...

Zu den abzugsteuerpflichtigen Kapitalerträgen gehören - wie im Beschwerdefall gegeben - auch verdeckte Ausschüttungen (vgl. , mwN).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs liegt es im Falle verdeckter Ausschüttungen im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt. Die Kapitalertragsteuer ist dabei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur "ausnahmsweise" wird der Empfänger der Kapitalerträge gemäß § 95 EStG 1988 in Anspruch genommen (vgl. , Rn 24, mwN).

Von Seiten der Finanzverwaltung wird bei Konstellationen abzugsverpflichtete GmbH - Empfänger ist ein Gesellschafter die Haftung gem. § 95 Abs. 1 EStG 1988 mittels KESt 1-Formular ("Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer") gegenüber der abzugsverpflichteten (ausschüttenden) GmbH mit einem Kapitalertragsteuerhaftungsbescheid geltend gemacht.
Im Falle der "ausnahmsweisen" Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an den Empfänger der Kapitalerträge (Direktvorschreibung beim Steuerschuldner) erfolgt die Festsetzung gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 mittels KESt 2-Formular ("Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer" = Kapitalertragsteuerfestsetzungsbescheid).

Im Beschwerdefall wurde keine Haftung geltend gemacht und es wurden keine an die Bf. adressierten Haftungsbescheid erlassen. Nach der Begründung in den Bescheiden sollte die Kapitalertragsteuer vom Gesellschafter getragen werde. Folglich hätten an den Empfänger - also an den Gesellschafter - adressierte Kapitalertragssteuerbescheid erlassen werden müssen. Tatsächlich wurde aber die Kapitalertragsteuer mittels KESt 2-Formular ("Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer") der beschwerdeführenden GmbH als Empfängerin der Kapitalerträge vorgeschrieben.

Da die Bf. im Beschwerdefall nicht der "Empfänger der Kapitalerträge" im Sinne des § 95 Abs. 4 EStG 1988 war, war die Festsetzung der Kapitalertragsteuer bei der Bf. - unbesehen der Beurteilung der weiteren Vorbringen der Verfahrensparteien - schon aus diesem Grund rechtswidrig.
Die angefochtenen Bescheide waren daher spruchgemäß aufzuheben.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor da die gegenständliche Entscheidung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgt. Es war daher auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100646.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at