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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2024, RV/1100219/2024

Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig - rechtzeitig?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache Bf., A-Straße-xx, Gde X, NN, über die Beschwerden vom 22. bzw. gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich, Postfach 260, 1000 Wien, vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2020 und 2021 (Berichtigungsbescheide gemäß § 293 BAO zu den Bescheiden vom bzw. vom betreffend Einkommensteuer 2020 und 2021), Steuernummer ab-abc/defg, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe


Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) ist österreichische Staatsbürgerin und hatte in den Beschwerdejahren ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Nn. Sie erzielte in den Streitjahren in Österreich aus ihrer Beschäftigung beim AB Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben bezog sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vermietetes Objekt: G-Straße-yy, GDe Y) iHv 7.505,45 € (2020) bzw. 4.500,77 € (2021).

Nach elektronischem Einlangen ihrer Einkommensteuererklärungen (beschränkte Steuerpflicht) für die Jahre 2020 und 2021 am bzw. am wurde die Bf. mit Bescheiden vom bzw. vom im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG 1988) zur Einkommensteuer für die Jahre 2020 und 2021 (rechtskräftig) veranlagt.

Am erließ die Abgabenbehörde gemäß § 293 BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide für 2020 und 2021, in welchen sie nunmehr erklärungskonform auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in obgenannter Höhe ansetzte; dazu führte sie begründend an, dass in den Einkommensteuerbescheiden 2020 und 2021 vom und vom jeweils die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, obwohl ein Pflichtveranlagungsgrund gemäß § 102 Abs. 2 EStG 1988 vorliege, auf Grund eines Fehlers in der automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage (EDV) bei der Berechnung der Einkommensteuer nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden und dementsprechend die obgenannten Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 gemäß § 293 BAO zu berichtigen gewesen seien.
Im Hinblick auf die Ermessensausübung erklärte sie, dass im vorliegenden Fall das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit überwiegen würde und auch die steuerlichen Auswirkungen nicht bloß geringfügig seien.

Gegen diese gemäß § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 vom erhob die Bf. mit Anbringen (FinanzOnline) vom 22. und vom Beschwerde(n). Gleichzeitig stellte sie jeweils gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 den Antrag, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Dazu erklärte sie, dass sie in NN ansässig sei und dort keine Einkünfte erziele; die in § 1 Abs. 4 EStG 1988 angeführten Voraussetzungen für die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht seien damit erfüllt, weshalb sie um Veranlagung der Einkommensteuer 2020 und 2021 ohne den Hinzurechnungsbetrag gemäß § 102 Abs. 3 EStG 1988 ersuche.

Mit Einkommensteuerbescheiden 2020 und 2021 (Beschwerdevorentscheidungen gem. § 262 BAO) vom gab das Finanzamt den Beschwerden insofern statt, als es die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und allfällige Werbungskosten unberücksichtigt ließ, zumal die Bf. keinen Antrag auf Veranlagung dieser Einkünfte gestellt habe. Eine Begründung gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO könne entfallen, da ihren Beschwerden vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei.

Mit Bescheiden vom hob das Finanzamt diese Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 (Beschwerdevorentscheidungen) vom gemäß § 299 BAO jeweils mit folgender Begründung auf:
"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, war die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen.
Am wurde mit Beschwerdevorentscheidung über die am () eingereichte Beschwerde stattgebend entschieden. Im Zuge der am () eingereichten Beschwerde gegen den gem. § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 2020 (2021) vom wurde ein Antrag auf Veranlagung zur unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 eingebracht.
Die Anwendung gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 setzt voraus, dass die Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte bis 2022 nicht mehr als 11.000,00 € betragen und der Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist des Erstbescheides eingebracht wird.
Da Ihr Antrag im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG 1988 verspätet eingereicht wurde, erweist sich der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2020 (2021; Beschwerdevorentscheidung) vom als unrichtig."

Am erließ die Abgabenbehörde neue (abweisende) Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 (Beschwerdevorentscheidungen), mit welchen sie jeweils wiederum die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in obgenannter Höhe ansetzte. Begründend erklärte sie dabei jeweils Nachstehendes:

""Im Einkommensteuerbescheid 2020 (2021) vom () wurden die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, obwohl ein Pflichtveranlagungsgrund gem. § 102 Abs. 2 EStG 1988 vorliegt, aufgrund eines Fehlers in der automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage (EDV) für die Berechnung der Einkommensteuer nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Mit Bescheid vom wurde diese Unrichtigkeit berichtigt. Gegen diesen Bescheid wurde form- und zeitgerecht Beschwerde eingereicht.
Im Zuge der eingereichten Beschwerde vom () wurde ein Antrag gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 auf unbeschränkte Steuerpflicht eingereicht.
Gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 kann ein Antrag auf Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht bis zum Eintritt der Rechtskraft des entsprechenden Bescheides gestellt werden. Nach der Verwaltungspraxis ist darunter die "erste Rechtskraft" (Rechtskraft des Erstbescheides) gemeint.
Ihr am () gestellter Antrag gem. § 1 Abs. 4 EStG 1988 für das Veranlagungsjahr 2020 (2021) ist somit verspätet gestellt worden.
Ihre Beschwerde vom () war als unbegründet abzuweisen"".

Mit (im Hinblick auf die Sachbescheide als Vorlageanträge zu wertendem) Anbringen vom erhob die Bf. "Beschwerde gemäß § 243 BAO" gegen folgende Bescheide:
" Einkommensteuer 2020 - Aufhebung gem. § 299 BAO
Einkommensteuer 2020 (beschränkte Steuerpflicht) - Erstbescheid
Einkommensteuer 2021 - Aufhebung gem. § 299 BAO
Einkommensteuer 2021 (beschränkte Steuerpflicht) - Erstbescheid."
Sachverhalt 2020 und Beschwerdebegehren:
Am wurde die Einkommensteuererklärung 2020 beim Finanzamt eingereicht. Am erging der Einkommensteuerbescheid 2020 mit einer Steuerfestsetzung von 1.089,00 Euro. Am erfolgte durch das Finanzamt eine Berichtigung gemäß § 293 BAO. Es stellte sich heraus, dass der vom Finanzamt am erlassene Bescheid nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Im Zuge der Berichtigung wurden zusätzlich die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (AB) im Jahre 2020 berücksichtigt. Zusätzlich wurde bei der Ermittlung des Einkommens des Jahres 2020 der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 102 Abs. 3 EStG durch das Finanzamt berücksichtigt.
Auf Grund dieser Hinzurechnung wurde am innerhalb der Rechtsmittelfrist eine Beschwerde eingebracht. Die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hatte aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der (Erst)Bescheid des Jahres 2020 durch Einbringung der Beschwerde nicht rechtskräftig war. Im Rahmen dieser Beschwerde wurde gemäß § 1 Abs. 4 EStG die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht gestellt.
Der Beschwerde wurde in Folge stattgegeben.
Mit Bescheid von hob das Finanzamt gemäß § 299 BAO den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) vom auf. Der Spruch des Bescheides vom hätte sich nicht als richtig erwiesen, da der Antrag im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG verspätet eingereicht worden sei.
Mit Bescheid vom wurde wegen der Aufhebung ein neuer Erstbescheid Einkommensteuer 2020 erlassen. Dabei wurde die Hinzurechnung gemäß § 102 Abs. 3 EStG in Höhe von 9.000,00 Euro berücksichtigt. Begründend führt das Finanzamt aus, dass gemäß § 1 Abs. 4 EStG ein Antrag auf Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht bis zum Eintritt der Rechtskraft des entsprechenden Bescheides gestellt werden kann. Nach der Verwaltungspraxis ist darunter die erste Rechtskraft gemeint (Rechtskraft des Erstbescheides). Auf welche Rechtsvorschrift sich diese "Verwaltungspraxis" (Gesetz, Verordnung, Erlass) stützt, wurde nicht begründet.
Beschwerdebegehren:
Mit der Einbringung der Beschwerde stelle ich den Antrag, im Beschwerdeverfahren auf Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht.
Begründung:
Der am ergangen Einkommensteuerbescheid 2020 entsprach nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Erst mit der Erlassung des berichtigten Bescheides vom machte ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht einen Sinn. Das Finanzamt bezieht sich in der Begründung auf die "Rechtskraft des Erstbescheides". Bei dem nun erlassenen Einkommensteuerbescheid handelt es sich aber auch um einen Erstbescheid:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommensteuer (beschränkte Steuerpflicht) - Erstbescheid
4.208,00

§ 1 Abs. 4 EStG lautet wie folgt:
Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 12.816 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen.
Die Lohnsteuerrichtlinien führen in der Rz 7 unter anderem folgende Voraussetzung für die Anerkennung des Anträge gemäß § 1 Abs. 4 EStG aus:

  • Antragstellung bis zur Rechtskraft des Bescheides

Die Anwendung des § 1 Abs. 4 erfolgt somit auf Antrag (Wahlrecht). Der Antrag ist jährlich neu zu stellen; er kann bis zur Rechtskraft des ESt-Bescheides nachgeholt werden. Der Antrag ist bei jenem FA einzubringen, das für den Vollzug der beschränkten Steuerpflicht zuständig wäre.
Der Bescheid wird rechtskräftig, wenn keine oder eine verspätete Beschwerde erhoben wird. Eine rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Bescheid nicht rechtskräftig und auch nicht vollstreckbar ist. Gemäß § 115 Abs. 4 BAO hat die Behörde, solange sie noch nicht entschieden hat, auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen. Das bedeutet, im Rahmen der Beschwerde gibt es kein Neuerungsverbot.
Mein Antrag auf Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht im Rahmen der Beschwerde vom war daher im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen, weil er vor Rechtskraft des Erstbescheides 2020 und somit rechtzeitig gestellt wurde.
Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2020 gemäß § 299 BAO erfolgte daher zu Unrecht, weil der Spruch des Bescheides sich als richtig erweist. Ich stelle daher den Antrag die Veranlagung des Jahres 2020 unter Berücksichtigung des Antrages auf unbeschränkte Steuerpflicht durchzuführen. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 erfolgte auf Antrag (Wahlrecht) und wurde vor der Rechtskraft des ESt-Bescheides 2020 gestellt.
Sachverhalt 2021 und Beschwerdebegehren:
Der Sachverhalt und das Beschwerdebegehren sind ident mit dem Jahre 2020 (mit Ausnahme dem Finanzamt für das Jahr 2021 bekannten Bescheiddaten). Nur das es sich bei der Beschwerde um das Jahr 2021 ergeht. Ich verweise daher bezüglich Sachverhaltes und Begründung für das Jahr 2021 auf obige Ausführungen für das Jahr 2020.
Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2021 gemäß § 299 BAO erfolgte daher zu Unrecht, weil der Spruch des Bescheides sich als richtig erweist. Ich stelle daher den Antrag die Veranlagung des Jahres 2021 unter Berücksichtigung des Antrages auf unbeschränkte Steuerpflicht durchzuführen. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 erfolgte auf Antrag (Wahlrecht) und wurde vor der Rechtskraft des ESt-Bescheides 2020 (wohl: 2021) gestellt".

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt - wie der Bf. mitgeteilt wurde - die in Rede stehende Beschwerden unter Verweis auf seine Ausführungen in den Beschwerdevorentscheidungen vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; dies obwohl zu diesem Zeitpunkt die Beschwerden vom gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO noch nicht erledigt waren. Mangels Unzuständigkeit zur Entscheidung über die diesbezüglichen Beschwerden hat das Bundesfinanzgericht diese Beschwerden daher mit Beschluss (Verständigung gemäß § 281a BAO) vom an die Abgabenbehörde weiter- bzw. rückgeleitet.

Die Abgabenbehörde hat diese (die Aufhebungen gemäß § 299 BAO betreffenden) Entscheidungen mit abweisenden Beschwerdevorentscheidungen vom nachgeholt (auf die diesbezüglichen Bescheidbegründungen wird verwiesen); gegen diese Beschwerdevorentscheidungen wurden in der Folge keine Vorlageanträge eingebracht; sie wurden rechtskräftig (vgl. dazu auch die diesbezügliche E-Mail der Abgabenbehörde vom ).

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerden erwogen:


Im konkreten Fall war von nachstehendem in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Finanzgerichtes abgebildetem Sachverhalt auszugehen:

Die Bf. ist österreichische Staatsbürgerin und hatte in den Beschwerdejahren ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Nn. Sie erzielte in den Streitjahren in Österreich aus ihrer Beschäftigung beim AB Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben bezog sie im Hinblick auf das inländische Vermietungsobjekt "G-Straße-yy, GDeY" Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv 7.505,45 € (2020) bzw. 4.500,77 € (2021). In NN bezog sie in den Streitjahren keine Einkünfte (vgl. das diesbezügliche von der Abgabenbehörde unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Bf. in den Beschwerdeschriftsätzen vom 22. bzw. ).

Mit gegen die gemäß § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 vom erhobenen Beschwerden vom 22. und vom stellte die Bf. für die Streitjahre gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 jeweils den Antrag, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 sind beschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

Gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 26/2009) werden auf Antrag auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.

Mit dem am ausgegebenen BudgetbegleitG 2007, BGBl. I Nr. 24, wurde durch Anfügung eines letzten Satzes in § 1 Abs. 4 EStG 1988 klargestellt, dass die Option in die unbeschränkte Steuerpflicht nur bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich ist. Damit kann der Antrag auch nicht als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO interpretiert werden, der eine Bescheidänderung über die Rechtskraft hinaus ermöglichen würde [vgl. dazu Fuchs in Büsser/Ehrke-Rabel/Hirschler/Petritz/Sutter (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) Band III - Kommentar (45. Lfg 2009) § 1 EStG Rz 21; Grabner/Wiesner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 1 Anm 29 (Stand , rdb.at); Jakom/Marschner EStG, 2021, § 1 Rz 59; Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu Art. 3 Z 1 Budgetbegleitgesetz 2007].

Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene Personen, die im Inland entweder einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst "alle inländischen und ausländischen Einkünfte" (Welteinkommensprinzip). Ausländische Einkünfte müssen nach österreichischen Vorschriften ermittelt werden (vgl. Jakom/Marschner EStG, 2024, § 1 Rz 2).

Beschränkt steuerpflichtig sind jene Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz (oder nur einen Zweitwohnsitz) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Sie sind nur mit den im Inland erzielten, in § 98 aufgezählten Einkünften steuerpflichtig (Territorialitätsprinzip; vgl. Jakom/Marschner EStG, 2024, § 1 Rz 3).

Der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3) unterliegen gemäß § 98 Abs. 1 Z 2 und Z 6 EStG 1988 auch

  • die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die
    - im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder verwertet worden ist (Z 2),
    - aus inländischen öffentlichen Kassen mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden.

  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28), wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte
    - im Inland gelegen sind oder
    - in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder
    - in einer inländischen Betriebsstätte verwertet werden.

Nach § 102 Abs. 1 Z 2 lit. b 1 Teilstrich EStG 1988 sind lohnsteuerpflichtige Einkünfte gemäß § 70 Abs. 2 Z 1, wenn andere veranlagungspflichtige Einkünfte bezogen wurden, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt, zur Einkommensteuer zu veranlagen.

§ 102 Abs. 3 EStG 1988 bestimmt, dass bei beschränkt Steuerpflichtigen die Steuer gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. mit der Maßgabe zu berechnen ist, dass dem Einkommen ein Betrag von 9.000 Euro hinzuzurechnen ist.

§ 102 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 regelt jene Fälle der Pflichtveranlagung, bei denen bereits ein Steuerabzug vorgenommen wurde, aber dennoch eine Veranlagung erfolgen muss. Dementsprechend unterliegen gemäß lit. b 1 Teilstrich leg. cit. ab der Veranlagung 2020 lohnsteuerpflichtige Einkünfte der Pflichtveranlagung, wenn andere Einkünfte bezogen werden, die 730,00 € übersteigen. Damit erfolgte mit dem StRefG 2020 eine Gleichstellung mit unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern (vgl. Jakom/Marschner EStG, 2024, § 102 Rz 6).

Die Ermittlung des Einkommens erfolgt bei beschränkt Steuerpflichtigen auf Grundlage des § 33 iVm § 102 Abs. 3 EStG 1988.

Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass die Bf. mangels Wohnsitzes bzw. gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich mit ihren inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich der beschränkten Einkommensteuerpflicht in Österreich unterlag. Unstrittig hat sie in den beschwerdegegenständlichen Jahren neben ihren lohnsteuerpflichten Einkünften aus ihrer Beschäftigung beim AB auch im Hinblick auf ein inländische Vermietungsobjekt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen, welche jeweils 730,00 € überstiegen.
Wie von der Abgabenbehörde richtig vorgebracht, unterlagen ihre lohnsteuerpflichtigen Einkünfte aus ihrer Beschäftigung beim AB in den Beschwerdejahren sohin gemäß § 102 Abs. 1 Z 2 lit. b 1 Teilstrich EStG 1988 der Pflichtveranlagung.

Die Optionsmöglichkeit von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht in bestimmten Fällen iSd § 1 Abs. 4 EStG 1988 gewährt beschränkt steuerpflichtigen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der EU bzw. des EWR das Recht, als "unbeschränkt steuerpflichtig" behandelt zu werden.

Diese Option nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 ist ua. von der Stellung eines Antrages abhängig, der im Hinblick auf das jeweilige Kalenderjahr bis zum Eintritt der (ersten) Rechtskraft des Bescheides gestellt werden kann und bei dem Finanzamt einzubringen ist, das für den Vollzug der beschränkten Steuerpflicht zuständig wäre. Der Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, ist kalenderjahresbezogen und daher jährlich neu zu stellen [vgl. Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 1 Rz 64 und die Hinweise zur Änderung durch das Abgabenänderungsgesetz 2023 (Stand , rdb.at); Jakom/Marschner EStG, 2021, § 1 Rz 59; LStR 2002 Rz 11; es wird in diesem Zusammenhang auch auf die diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes in seinen Beschwerdevorentscheidungen vom verwiesen].

Wie oben im Verfahrensgang dargestellt, wurde die Bf. nach elektronischem Einlangen ihrer Einkommensteuererklärungen (beschränkte Steuerpflicht) für die Jahre 2020 und 2021 mit Bescheiden vom bzw. vom im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG 1988) auf Grundlage des § 33 iVm § 102 Abs. 3 EStG 1988 (Hinzurechnungsbetrag) zur Einkommensteuer für die Jahre 2020 und 2021 veranlagt. Diese Bescheide blieben unbekämpft und erwuchsen jeweils mit Ablauf der einmonatigen Frist zur Einbringung einer Beschwerde in Rechtskraft.

Die Bf. hat bis zur Rechtskraft dieser Bescheide keine Anträge iSd § 1 Abs. 4 EStG 1988 gestellt. Im gegenständlichen Fall wurden die genannten Optionsanträge vielmehr erst mit Beschwerden vom (2020) bzw. vom (2021) eingebracht und damit zweifelsohne nach Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 vom bzw. vom .

Angesichts dieser Überlegungen konnte den Beschwerden gegen die in Rede stehenden Sachbescheide kein Erfolg beschieden sein.

Zulässigkeit der Revision:


Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lagen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich auf Rechtsfragen, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.
Eine (ordentliche) Revision ist damit nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100219.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at