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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2024, RV/7101319/2023

Haftung gemäß § 9 BAO (Kontrollpflichten des Geschäftsführers fraglich)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden **V**, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter **L1** und **L2** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Andreas Köninger Wirtschaftprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Schottenfeldgasse 71/1/9, 1070 Wien, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO für Abgaben der ***1*** GmbH zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines steuerlichen Vertreters, des Vertreters des Finanzamtes Österreich **FA1** sowie der Schriftführerin zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid auf eine Haftung von € 136.832,03 im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von bis als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma ***1*** GmbH, Firmenbuchnummer ***2***, eingetragen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom tt. August 2017, GZ ***3***, wurde über das Vermögen der ***1*** GmbH (in der Folge: Primärschuldnerin) ein Konkursverfahren eröffnet, welches mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer von seiner beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme für die aushaftenden Abgaberückstände der Primärschuldnerin im Ausmaß von € 44.940,28 informiert. Darin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Angaben zu machen bzw. Unterlagen vorzulegen, die beweisen, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Für den Fall, dass die Auskünfte nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht würden, wurde im Vorhalt darauf hingewiesen, dass die Abgabenbehörde über die Heranziehung zur Haftung aufgrund der Aktenlage entscheiden werde. Aus der angefügten Rückstandsaufgliederung war ersichtlich, für welche Abgaben eine Haftung konkret angedacht war.

Der Haftungsvorhalt vom wurde - nach mehreren Fristverlängerungsanträgen - schließlich mit Schreiben vom beantwortet. Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung wurde für den Zeitraum Februar bis Juni 2016 eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie Saldenlisten vorgelegt. Hinsichtlich der haftungsrelevanten Kapitalertragsteuer 2012 und 2013 wurde auf ein beim Finanzamt Neunkirchen Wiener Neustadt geführtes Finanzstrafverfahren hingewiesen.

Am erging ein erster Ergänzungsvorhalt an den Beschwerdeführer, weil sich der haftungsrelevante Betrag inzwischen auf € 247.731,82 erhöht hatte. Die Erhöhung des haftungsrelevanten Betrages betraf im Wesentlichen Abgaben, die im Rahmen einer Betriebsprüfung festgesetzt wurden. Eine genaue Aufgliederung der haftungsrelevanten Abgaben war dem Ergänzungsvorhalt angeschlossen.

Der erste Ergänzungsvorhalt wurde nach zweimaliger Fristverlängerung mit Schreiben vom beantwortet. Es wurde auf ein bei der Staatsanwaltschaft geführtes Strafverfahren Bezug genommen, im Rahmen dessen bereits vorgebracht worden sei, dass das operative Geschäft der ***1*** GmbH nicht vom Beschwerdeführer abgewickelt worden sei, zumal dieser "hauptberuflich als Rechtsanwalt in Wien tätig" sei. Er habe weder Kontakt zu den Kunden gehabt, noch sei er in die Abwicklung der Transporte eingebunden gewesen und darüber hinaus noch viel weniger in Rechnungslegungen. Die Rechnungslegung und der Einfluss der Rechnungen in die Buchhaltung sei durch die gemäß UGB Handlungsbevollmächtigte ***4***, erfolgt, die die "Geschäfte des Unternehmens operativ führte." Die abgabenrelevanten Erklärungen und die steuerrechtliche Beratung sei durch die ***5*** OG erfolgt, die die entsprechenden Erklärungen gemeinsam mit Frau ***4*** vorbereitet, aufgearbeitet und erstellt habe. "Die steuerrechtlichen Angelegenheiten des Unternehmens sollten durch eine professionelle Steuerberatung geprüft und abgewickelt werden"; die relevanten Unterlagen seien nicht nur in die Buchhaltung des Unternehmens eingearbeitet, sondern vielmehr auch inhaltlich überprüft worden. Dies habe auch zu den von Seiten des Steuerberaters vorgenommenen Ausbuchungen von Rechnungen geführt, bei welchen kein Zahlungseingang bzw. Zahlungsfluss stattgefunden habe. Da der Beschwerdeführer über die Vorgangsweise hinsichtlich der einzelnen Rechnungslegung nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, hätten auch die von ihm durchgeführten stichprobenartigen Kontrollen in keiner Weise aufgezeigt, dass bei einzelnen Rechnungen ein tatsächlicher Hintergrund fehlen würde. Eine derartige Auffälligkeit habe auch nicht für die steuerrechtliche Vertretung bestanden. Aufgrund des Umstandes, dass in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen die Jahresumsätze jeweils Beträge von mehr als € 1 Million überschritten hätten und diesen naturgemäß eine Vielzahl von Transportleistungen zugrundegelegen sei, die auch durch entsprechende Banküberweisungen bezahlt worden seien, habe kein wie immer gearteter Anhaltspunkt bestanden, dass einzelnen Rechnungen keine tatsächlichen Leistungen zugrunde gelegen seien. Darüber hinaus habe es auch Forderungen des Unternehmens gegeben, die von Vertragspartnern nicht gezahlt worden seien und auch nicht einbringlich gemacht werden konnten. Dies sei im Hinblick auf ein allgemein bestehendes Geschäftsrisiko auch nicht unüblich bzw. auffällig gewesen. Insoweit habe der Beschwerdeführer weder abgabenrechtliche Pflichten verletzt noch gereiche es ihm zum Verschulden, jene Abgaben nicht erkannt zu haben, deren unterbliebene Entrichtung ihm nunmehr vorgehalten werde.

Unter Punkt 3 der Vorhaltsbeantwortung vom erfolgten Ausführungen, welche die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzungen für Umsatzsteuer 2012 bis 2014 und der Kapitalertragsteuer für diesen Zeitraum anzweifelten. So wurde ausgeführt, dass Gewinnausschüttungen an den Beschwerdeführer als Gesellschafter nie stattgefunden hätten. Dies sei auch das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gewesen. Hinsichtlich des Nachweises der Gläubigergleichbehandlung wurde auf das Schreiben vom und die mit diesem Schreiben übermittelten Unterlagen verwiesen. Ergänzend wurde noch eine Saldenliste der ***1*** GmbH per vorgelegt.

Am erging ein zweiter Ergänzungsvorhalt der belangten Behörde an den Beschwerdeführer. Die seitens des Beschwerdeführers im Schreiben vom aufgezeigten Unklarheiten hinsichtlich der Fälligkeiten der Kapitalertragsteuer 2012 bis 2014 wurden darin aufgeklärt. Weiters wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Abgabenbehörde im Haftungsverfahren grundsätzlich an den Inhalt der vorangegangenen Abgabenbescheide gebunden sei und aufgezeigt, dass keine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bestehe. Durch einen Freispruch in einem Verwaltungsstrafverfahren werde der Vertreter somit nicht von der Verpflichtung entbunden, im Haftungsverfahren die Gründe aufzuzeigen, die ihn ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Abgabenentrichtung gehindert haben. Vorgehalten wurde dem Beschwerdeführer darin außerdem, dass sich ein Vertreter in der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht behindern lassen dürfe. Eine abgabenrechtliche relevante Pflichtverletzung liege auch vor, wenn sich der Geschäftsführer mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. er eine solche Beschränkung in Kauf nehme. Außerdem wurden ergänzende Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung abverlangt.

Der zweite Ergänzungsvorhalt wurde nach mehreren Fristverlängerungen mit Schreiben vom beantwortet: Für die haftungsrelevanten Fälligkeiten , , , , , , , und wurden Quotenberechnungen durchgeführt und Aufstellungen und Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt. Hinsichtlich der haftungsrelevanten Lohnabgaben 2011 und 2012 wurde vorgebracht, dass diese bezahlt worden seien.

Mit Schreiben vom wurde nach Durchsicht sämtlicher vorliegender Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung von der belangten Behörde noch ein weiterer, dritter Ergänzungsvorhalt versendet. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache im Finanzamt erfolgten seitens des Beschwerdeführers diverse Erläuterungen zu seiner Eingabe vom . Er teilte ergänzend mit, dass es keine Bareinnahmen gegeben habe. Es seien lediglich fallweise Abhebungen vom Bankkonto vorgenommen worden, um damit kleine Rechnungen zu bezahlen. Die Geschäftsbeziehung mit der Bank sei 2015 beendet worden.

Unter Zugrundelegung sämtlicher vorgelegten Unterlagen wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. September2021 die Haftung des Beschwerdeführers im Ausmaß von € 145.728,70 ausgesprochen: Seitens des Beschwerdeführers sei der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung teilweise erbracht worden. Auf Grund der vorgelegten Unterlagen sei nachgewiesen worden, dass die Abgabenbehörde in den Monaten April 2014, Februar 2015 und April 2016 bei der Mittelverwendung nicht benachteiligt worden sei. Mangels Vorliegens einer schuldhaften Verletzung der Vertreterpflichten sei daher für diese Monate gar keine Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO auszusprechen gewesen. Im Monat Februar 2013 sei eine Benachteiligung um 29 %, im Monat Februar 2014 eine Benachteiligung um 35,2 %, im Monat Mai 2016 eine Benachteiligung um 21,8 %, im Juni 2016 eine Benachteiligung um 25 %, im Juli 2016 eine Benachteiligung um 14 % und im August 2016 eine Benachteiligung um 23 % gegenüber anderen Gläubigern festgestellt worden. Für die vorgenannten Monate sei daher die Haftung nur im Ausmaß, um das die Abgabenbehörde bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger mehr erlangt hätte, geltend gemacht worden. Für Jänner 2012, Jänner 2013, März 2014, Jänner 2015 und Jänner 2016 sei der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht worden, weshalb für diese Monate die Haftung für die gesamten offen gebliebenen Abgabenbeträge geltend gemacht worden sei. Hinsichtlich der offenen Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerbeträge erfolgte der Hinweis, dass diese vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen seien und die Haftungsinanspruchnahme dafür in voller Höhe erfolge. Dem Haftungsbescheid beigelegt waren jeweils die zugrundeliegenden Abgabenbescheide, sofern die Abgaben nicht selbst gemeldet worden waren.

Der Haftungsbescheid vom wurde dem Beschwerdeführer am durch Hinterlegung zugestellt. Nach dreimaliger Verlängerung der Rechtmittelfrist (aufgrund der Anträge vom , und ) langte bei der belangten Behörde am fristgerecht eine Beschwerde sowohl gegen den Haftungsbescheid vom als auch gemäß § 248 BAO gegen die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide ein.

In dieser Beschwerde brachte der Beschwerdeführer Einwendungen zur Richtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide (Punkte 1.2. bis 4.) vor, sowie - wie schon in seinen Stellungnahmen in Rahmen des Haftungsvorverfahrens -, dass er in das operative Geschäft der Gesellschaft nicht eingebunden gewesen sei (Punkt 5. - Verschulden). Die Rechnungslegung und der Einfluss der Rechnungen in die Buchhaltung sei durch die gemäß UGB Handlungsbevollmächtigte ***4*** erfolgt. Hinsichtlich der haftungsrelevanten Lohnabgaben 2011 und 2012 wurde ausgeführt, dass diese am überwiesen worden seien. Hingewiesen wurde außerdem darauf, dass der Umsatzsteuersteuerbescheid 2012 vom dem Haftungsbescheid nicht angeschlossen gewesen sei. Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages 2014 wurde ergänzend ein Kontoauszug der Sparkasse vom vorgelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde dem Beschwerdevorbringen teilweise Folge, weil der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom dem Haftungsbescheid nicht angeschlossen war. Der Haftungsbetrag wurde daher um die Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 8.896,67 eingeschränkt und der Haftungsbetrag von € 145.728,70 auf € 136.832,03 verringert. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Vorlageantrag vom 11. April2022 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Nach einer Vertagungsbitte fand am die beantragte mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat statt. In dieser brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass seine Lebensgefährtin als gewerberechtliche Geschäftsführerin und für die Konzession Angemeldete die Geschäfte geführt habe. Er habe die Konzession für zehn Fahrzeuge beantragt. Sämtliche Aufgabenbereiche in der GmbH sollte jedoch die Lebensgefährtin übernehmen, der Beschwerdeführer sei allein Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH gewesen und habe seine Bankverbindung zur Verfügung gestellt. Die abgabenrechtlichen Belange hat eine namentlich genannte Steuerberatungskanzlei in Wr. Neustadt für die GmbH erledigt, im Detail die Lohnverrechnung und die UVAs. Über Details sei er nicht informiert gewesen, das habe seine Tätigkeit als Rechtsanwalt zeitlich nicht zugelassen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma ***1*** GmbH ("Primärschuldnerin). In dieser Position war er insbesondere für die Entrichtung und Überwachung der Entrichtung der Abgaben der ***1*** GmbH verantwortlich. Er hat weder stichprobenartige Kontrollen durchgeführt noch ein den Anforderungen des Unternehmens internes Kontrollsystem geführt, um seinen Pflichten zur Entrichtung und Überwachung der Entrichtung der Abgaben der ***1*** GmbH nachzukommen. Er hat mit der nach UGB Handlungsbevollmächtigten ***4***, die die Geschäfte führte und seine Lebensgefährtin war, nicht über das Unternehmen gesprochen. Über die Details wurde er weder informiert, noch suchte er aktiv nach dieser Information. Der Beschwerdeführer hat die GmbH in rechtlichen Belangen als Rechtsanwalt vertreten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Haftung des Beschwerdeführers im Ausmaß von € 145.728,70 wie folgt ausgesprochen:

Mit Ausnahme des Umsatzsteuerbescheide 2012 vom (betreffend € 8.896,67) waren dem Haftungsbescheid alle mit * gekennzeichneten zugrundeliegenden Abgabenbescheide beigelegt, sofern die Abgaben nicht selbst gemeldet worden waren.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom tt August 2017, GZ ***3***, wurde über das Vermögen der ***1*** GmbH ein Konkursverfahren eröffnet. Auf Grund einer Mitteilung der Finanzbehörde gemäß Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz vom , GZ ***6***, galt die GmbH als Scheinunternehmen. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom tt. Oktober 2017 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer erstmals von seiner beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme für die aushaftenden Abgaberückstände der Primärschuldnerin informiert (Haftungsvorhalt). Weitere Ergänzungsvorhalte folgten, weil sich der haftungsrelevante Betrag nach Ansicht der Behörde auf Grund einer Betriebsprüfung zwischenzeitig auf € 247.731,82 erhöht hatte (erster Ergänzungsvorhalt vom ).

Der Beschwerdeführer legte zahlreiche Unterlagen vor, aus denen sich Folgende Benachteiligungen der Abgabenbehörde ergeben: Im Monat Februar 2013 wird eine Benachteiligung der Abgabenbehörde in Bezug auf die haftungsgegenständlichen Abgaben um 29 %, im Monat Februar 2014 eine Benachteiligung um 35,2 %, im Monat Mai 2016 eine Benachteiligung um 21,8 %, im Juni 2016 eine Benachteiligung um 25 %, im Juli 2016 eine Benachteiligung um 14 % und im August 2016 eine Benachteiligung um 23 % gegenüber anderen Gläubigern festgestellt. Für Jänner 2012, Jänner 2013, März 2014, Jänner 2015 und Jänner 2016 wurde der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht.

2. Beweiswürdigung

Die Geschäftsführerstellung des Beschwerdeführers sowie der Ablauf des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin ergibt sich unzweifelhaft aus dem historischen Firmenbuchauszug zu FN ***2***.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH insbesondere für die Entrichtung und Überwachung der Entrichtung der Abgaben der ***1*** GmbH verantwortlich war und es unterlassen hat, stichprobenartige Kontrollen durchzuführen und ein den Anforderungen des Unternehmens entsprechendes Kontrollsystem zu führen, um seinen Pflichten zur Entrichtung und Überwachung der Entrichtung der Abgaben der ***1*** GmbH nachzukommen, ergibt sich insbesondere aus den folgenden Überlegungen:

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass die Gesellschaft gegründet wurde, damit seine Lebensgefährtin und Zeugin, ***4***, die Geschäfte führen konnte. Wörtlich sagte er aus, "sämtliche Aufgabenbereiche sollte sie übernehmen". Die Zeugin hatte Erfahrung im Transportgeschäft, der Beschwerdeführer stellte seine Bankverbindung bzw. seine Bonität zur Verfügung und beantragte die Konzession für zehn Fahrzeuge. Die Zeugin war die gewerberechtliche Geschäftsführerin und auch für die Konzession angemeldet. Trotz der kleinen Größe des Unternehmens - es gab acht Fahrer - hat der Beschwerdeführer keine Jour Fixes oder dergleichen mit der Zeugin geführt und auch sonst nicht mit ihr über das Unternehmen gesprochen. Die Zeugin war am Firmenkonto zeichnungsbefugt und hat auch selbst Zahlungen an das Finanzamt geleistet sowie eigenständig Ratenvereinbarungen getroffen hat. Der Beschwerdeführer wurde davon immer nur "im Hintergrund" informiert. Über die Details wurde er weder informiert, noch suchte er aktiv nach dieser Information. Der Einwand, das habe seine Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht zugelassen, greift in diesem Zusammenhang nicht, zumal er als Rechtsanwalt wissen musste, welche Aufgaben und Pflichten einen Geschäftsführer einer GmbH treffen und außerdem in der mündlichen Verhandlung zugestand, dass er die GmbH in rechtlichen Belangen als Rechtsanwalt vertreten hat und zB bei Zahlungsausfällen geprüft hat, ob Einbringungsmaßnahmen zielführend waren. Der Beschwerdeführer sagte zudem aus, "aufgrund des großen Vertrauensverhältnisses" zu seiner Lebensgefährtin habe sich die Kontrolltätigkeit auf ein Minimum reduziert; er habe von sich aus Buchungen oder Belege nicht in Frage gestellt. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer angab, Rechnungsflüsse nicht konkret überprüft zu haben bzw. nur wenn das Zahlungsziel nicht eingehalten wurde, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keine Prüfungen oder stichprobenartige Kontrollen durchgeführt hat. Dies wurde durch die Aussage der Zeugin und Lebensgefährtin bestätigt, die aussagte, dass man zwar "im Großen und Ganzen" über die GmbH gesprochen habe, nicht jedoch im Detail. Bestimmte Kontrolltätigkeiten seien weder vereinbart noch sei vom Beschwerdeführer aktiv eine Prüfung verlangt worden.

Die Abgaben, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, ergeben sich unzweifelhaft aus dem hier relevanten zitierten Haftungsbescheid. Dass der Umsatzsteuerbescheid 2012 dem Haftungsbescheid nicht beigelegt war, ist unstrittig und ergibt sich aus den Eingaben des Beschwerdeführers und der belangten Behörde.

Dass der Beschwerdeführer für die genannten Monate die Abgabenbehörde im festgestellten Ausmaß benachteiligt hat, ergibt sich aus den Berechnungen, die dieser im Rahmen des sehr ausführlichen Haftungsvorhalteverfahrens bzw. Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde vorgelegt wurden. Aus diesem Vorhalteverfahren ergibt sich ebenso unzweifelhaft, dass der Beschwerdeführer für die Monate Jänner 2012, Jänner 2013, März 2014, Jänner 2015 und Jänner 2016 den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht hat.

Vor diesem Hintergrund durfte der erkennende Senat den festgestellten Sachverhalt als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Voraussetzungen für die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO

Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtig in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen/die Vertretene besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters/der Vertreterin an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Der Beschwerdeführer war wie festgestellt im haftungsrelevanten Zeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO. In dieser Position hatte er insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen.

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (). Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da sie mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde.

3.1.2.3. Zum Verschulden

a) Allgemeines

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters/der Vertreterin an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Zu den Pflichten des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der GmbH gehörte es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter/die Vertreterin bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er/sie hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann (). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters/der Vertreterin, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter/die Vertreterin nur deswegen haftet, weil er/sie die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter/die Vertreterin erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er/sie den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().

Hat der Geschäftsführer/die Geschäftsführerin aber nicht dargetan, weshalb er/sie nicht für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Dem Vertreter/der Vertreterin obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter/der Vertreterin obliegt es somit auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Aus dem sehr umfangreichen Vorhalteverfahren ergibt sich zusammengefasst unzweifelhaft, dass der Beschwerdeführer für die Monate Jänner 2012, Jänner 2013, März 2014, Jänner 2015 und Jänner 2016 einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht hat.

b) Schuldhafte Pflichtverletzung

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren eingewendet, das operative Geschäft der ***1*** GmbH sei nicht von ihm abgewickelt worden, sondern von der gemäß UGB Handlungsbevollmächtigten ***4***, die u.a. für den Kundenkontakt, die Abwicklung der Transporte und für die Rechnungslegungen verantwortlich gewesen sei. Die abgabenrelevanten Erklärungen und die steuerrechtliche Beratung sei durch die ***5*** OG erfolgt, die die entsprechenden Erklärungen gemeinsam mit Frau ***4*** vorbereitet, aufgearbeitet und erstellt habe. Seitens des Beschwerdeführers seien stichprobenartige Kontrollen durchgeführt worden, wobei sich aber keinerlei Auffälligkeiten ergäben hätten, insbesondere habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass einzelnen Rechnungen keine tatsächlichen Leistungen zugrunde gelegen seien. Mit diesem Vorbringen möchte der Beschwerdeführer dartun, dass ihn an der Nichtentrichtung der Haftungsbeträge kein Verschulden trifft.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.

Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt (; ; ).

Gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 ist die Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen. Ebenso bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Kalendermonats ist der Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs. 1 FLAG) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG iVm § 43 FLAG) zu entrichten. Der Dienstgeberbeitrag ist gem. § 41 Abs. 3 FLAG von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ().

Gemäß § 101 EStG 1988 ist eine Abzugsteuer (nach § 99 EStG 1988) spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen.

Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern, Lohnabgaben oder Kapitalertragsteuer jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw. Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().

Unter dem Aspekt des dem Vertreter vorzuwerfenden Verschuldens an der Verletzung der Vertreterpflichten ist es beachtlich, wenn er auf Grund eines Rechtsirrtums die Entrichtung der Abgaben unterlassen hat und ihm ausnahmsweise ein solcher Rechtsirrtum nicht vorzuwerfen wäre. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Jemand, der es unterlässt, geeignete Erkundigungen über die Rechtslage anzustellen, kann sich nicht erfolgreich auf entschuldigenden Rechtsirrtum stützen ().

Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter entbindet zwar den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären (). Dazu gibt es im vorliegenden Fall aber keine Hinweise.

Der Beschwerdeführer stützt sein Vorbringen vielmehr darauf, dass seine Lebensgefährtin für alles rund um die Geschäfte des GmbH verantwortlich gewesen sei. Wenn der verantwortliche Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt, wird er dadurch - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - aber nicht von seiner Verantwortung befreit: Es treffen ihn in einem solchen Fall Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen nach § 9 BAO führen kann (vgl. dazu zB ). Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Der zur Vertretung einer juristischen Person Berufene hat die Tätigkeit der von ihm beauftragten Person in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibt (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 122 f, und Ritz, Bundesabgabenordnung, § 9 Rz 12). Diese Überwachungspflicht besteht auch dann, wenn es noch nicht zu einer Fehlleistung der beauftragten Person gekommen ist (vgl. ; , 2001/14/0099, mwN).

Bei der Frage, ob der Geschäftsführer seinen Kontrollpflichten in "ausreichender" Weise nachgekommen ist, handelt es sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um eine solche der rechtlichen Beurteilung (). Dieser Beurteilung sind Feststellungen darüber zu Grunde zu legen, welche Überwachungsmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden.

Im vorliegenden Fall hat sich wie insbesondere aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung festgestellt ergeben, dass der Beschwerdeführer keine Überwachungsmaßnahmen gegenüber der von ihm beauftragten Person, seiner Lebensgefährtin, durchgeführt hat und auch von sich aus keine Stichproben durchgeführt hat.

Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen Verschuldens, sohin auch leichte Fahrlässigkeit (, mwNM ).

Somit ist im Verhalten des Beschwerdeführers ein für eine Haftung gemäß § 9 BAO relevantes schuldhaftes Fehlverhalten zu erblicken.

c) Lohnsteuer

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der oben erwähnte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht darstellt (zB Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 78 Anm. 19).

Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot.

d) Restliche im Haftungsbescheid genannte Abgaben

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer erstmals von seiner beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme für die aushaftenden Abgaberückstände der Primärschuldnerin informiert (Haftungsvorhalt). Weitere Ergänzungsvorhalte folgten, weil sich der haftungsrelevante Betrag nach Ansicht der Behörde auf Grund einer Betriebsprüfung zwischenzeitig auf € 247.731,82 erhöht hatte (erster Ergänzungsvorhalt vom ).

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen des Haftungsvorverfahrens zahlreiche Unterlagen vor, aus denen sich für bestimmte Monate und Abgaben - wie aus dem Sachverhalt und dem Haftungsbescheid ersichtlich - Benachteiligungen der Abgabenbehörde ergeben haben. Insoweit wurde vom Beschwerdeführer der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung unzweifelhaft in besagtem Ausmaß erbracht.

e) Nichtübermittlung von Bescheiden und Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzungen

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten. Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ).

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Beschwerde erheben; dies gilt auch für einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid, der an den Arbeitgeber ergangen ist (). Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (; ). Diese Beschwerden müssen nicht in gesonderten Schriftsätzen eingebracht werden ().

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde erhebt, so ist zunächst - wie auch in der mündlichen Verhandlung erläutert - nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen.

Dem hier angefochtenen Haftungsbescheid sind Abgabenfestsetzungsbescheide vorangegangen. Soweit sich die Beschwerde daher detailliert gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide wendet, handelt es sich dabei um Einwendungen, die in einem Rechtsmittelverfahren gemäß § 248 BAO bezüglich der Abgabenfestsetzungsbescheide zu klären sind.

Wird der Haftende nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt wurden, liegt ein so schwerer Mangel des Verfahrens vor, dass er im Verfahren über das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nicht mehr sanierbar ist (siehe dazu zB ; ).

Da dem Beschwerdeführer der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2012 aber nicht mit dem angefochtenen Bescheid übermittelt wurde, ist laut Judikatur des VwGH der darauf entfallende Betrag - im Sinne der Beschwerdevorentscheidung - aus der Haftung auszuscheiden.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.2.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. schon ).

Für den erkennenden Senat ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers, zumal das Haftungs(vor)verfahren zeitnah zum Konkurs der Primärschuldnerin in Gang gesetzt wurde und auch sehr umfangreich geführt wurde.

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde ist somit aus den dargelegten Gründen teilweise stattzugeben und der Haftungsbescheid wie mit Beschwerdevorentscheidung vom abzuändern; im Übrigen ist die Beschwerde aber als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101319.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at