Keine Familienbeihilfe, wenn sich das Kind im Maßnahmenvollzug befindet und die Kosten des Unterhalts von der öffentlichen Hand getragen werden
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/7101275/2023-RS1 | Befindet sich ein Kind im Maßnahmenvollzug und wird der typischerweise anfallende Unterhalt ausschließlich durch die öffentliche Hand getragen, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Maria Grohe, die Richterin Mag. Regina Vogt sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Heinrich Witetschka und Mag. Harald Zeller in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2020 bis April 2022, SVNr. ***1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers Dietmar Gratz zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Anspruchsüberprüfungsschreiben vom gab der Beschwerdeführer (Bf.) bekannt, dass sein Sohn ***2***, geb. ***8***, in der Justizanstalt ***3***, jetzt Forensisch- Therapeutisches Zentrum ***3*** (FRZ), aufhältig sei.
In der Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom wurde die Frage, wo sich ***2*** aufhalte und wer für die Kosten aufkomme, wie folgt beantwortet:
"Wie sie ersehen können und dies ist meine letzte aktuelle Fassung der Meldepflicht für meinen Sohn ***4***, ist mein Sohn aktuell noch immer in der ***5*** gemeldet.
Mein Sohn ist in der JVA ***3*** und ich bin Sachwalter. Für die Kosten meines Sohnes komme ich auf und trage alle Kosten. Weiters habe ich für meinen Sohn ***2***, wie Sie in den Unterlagen ersehen können, die gesamte Kinderbeihilfe immer auf das Konto meines Sohnes überwiesen. Ich habe mir keinen Euro behalten. Zusätzlich trage ich alle Kosten für meinen Sohn."
Beigelegt waren diesem Schreiben diverse Ausdrucke, wonach der Bf., soweit es den Rückforderungszeitraum betrifft, ab März 2020 monatlich € 379,40 bzw. ab August 2021 monatlich € 380.- auf das Sparkonto seines Sohnes überwiesen hat.
Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum März 2020 bis April 2022 i.H. von € 8.706,00 (FB) bzw. € 1.518,40 (KG) zurückgefordert.
Als Begründung wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 FLAG 1967 ausgeführt, dass das Kind nicht im Haushalt des Bf. lebe und er auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trage.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schreiben vom , eingelangt bei der Behörde am sowie am über FinanzOnline Beschwerde und begründete diese zunächst damit, dass sein Sohn erst am tt.11.2022 27 Jahre alt werde und und dies die gesetzliche Anspruchsdauer sei. Das Finanzamt habe die Familienbeihilfe schließlich ausbezahlt und er habe sie in gutem Glauben für seinen Sohn für die Zukunft angespart, jedenfalls sei er nicht mehr im Besitz des Geldes.
Am erließ die belangte Behörde eine abweisliche Beschwerdevorentscheidung und führte als Begründung folgendes aus:
"Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - 1967).
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt unter anderem nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält. (§ 2 Abs 5 lit. a FLAG 1967).
Teilt ein Kind zufolge Verbüßung einer Freiheitsstrafe Jahre hindurch nicht die Wohnung der Person, die den Anspruch auf Familienbeihilfe geltend gemacht hat, kann angesichts der Verpflichtung der zum Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Anstalt, für den Unterhalt des Strafgefangenen ohne Anspruch auf Ersatz zu sorgen, weder von einer Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Person die den Anspruch auf Familienbeihilfe geltend gemacht hat, noch von einer überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten durch die zuvor genannte Person gesprochen werden ().
Ihr Sohn ***4*** verbüßt seit in der JVA ***3*** eine Freiheitsstrafe. Die JVA ***3*** ist verpflichtet für Strafgefangene ohne Anspruch auf Ersatz für den Unterhalt zu sorgen, weshalb keine überwiegende Kostentragung Ihrer Seite für Ihren Sohn vorliegt.
Eine vorübergehende Abwesenheit im gemeinsamen Haushalt liegt nicht vor. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe ist seit 03/2020 nicht mehr gegeben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem der Bf. eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat beantragte. Als Begründung verwies er auf sein bisheriges Beschwerdevorbringen und ergänzte dieses wie folgt:
- Er sei davon ausgegangen, dass die Familienbeihilfe bis zum 27. Lebensjahr ausbezahlt werde und nicht nur bis zum 25.. Über eine diesbezügliche Gesetzesänderung sei er nie informiert worden. Im Übrigen sei bei anderen Familien die Familienbeihilfe mit Erreichen der Altersgrenze automatisch eingestellt worden, warum bei ihm nicht?
- Er habe die Familienbeihilfe nachweisbar immer auf das Kontos seines Sohnes überwiesen und sei daher nicht mehr im Besitz derselben.
- Er sei auch Sachwalter und Vater und bezahle für seinen Sohn seine Kleidung, Schuhe, zusätzliches Essen, Brillen (mind. 6 optische Brillen p. Jahr - da mein Kind nachweislich in seiner Motorik eingeschränkt ist), elektronische Geräte, und versuche, sein Leben so angenehm als möglich zu unterstützen.
- ***2*** sei immer bei ihm gemeldet gewesen und habe immer ein möbliertes Zimmer bei ihm.
- Weiters verweise er auf folgenden Pressekommentar:
Höchstgericht: "Keine sachliche Rechtfertigung, weshalb Risiko einer unrichtigen Beurteilung" der Behörden vom Leistungsemptänger zu tragen sein soll. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) schützt Eltern vor einer Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes, wenn sie dieses wegen eines Behördenfehlers irrtümlich bekommen haben, berichtete die "Presse". Immerhin würde dieser im Vertrauen auf die Leistung Dispositionen treffen, die er bei einer späteren Rückforderung nicht mehr rückgängig machen könne.
Das FTZ teilte dem Bundesfinanzgericht in mehreren E-Mails zusammengefasst folgendes mit:
• Herr ***7*** befindet sich seit im Forensisch-therapeutischen Zentrum ***3*** (vorm Bezeichnung Justizanstalt ***3***), Festnahmezeitpunkt war der
• Die Dauer der Unterbringung ist dzt, aufgrund der krankheitsbedingten Beeinträchtigung, nicht absehbar
• Herr ***7*** ist Untergebrachter gem § 21 Abs 1 StGB, die Kosten des Maßnahmenvollzuges trägt der Bund - Justizverwaltung
• Es wird seitens der Justizverwaltung kein Pflegegeld einbehalten, allfällige Ansprüche ruhen während der Unterbringung im Maßnahmenvollzug.
• Der Vater leistet keinen Kostenbeitrag zum Vollzug der Maßnahme, dies ist auch nicht rechtlich vorgesehen. Lediglich Insassen mit Pensionsbezug werden zum Kostenbeitrag herangezogen, dieser wird automatisiert abgezogen. Bei Herrn ***7*** ist das jedoch nicht der Fall, da er keine Pension bezieht.
• Der Vater von Herrn ***7*** überweist ihm als persönliche Zuwendung monatlich rd. € 300,00 auf sein Eigengeldkonto. Damit hat Herr ***7*** die Möglichkeit, sich Gegenstände für den täglichen Bedarf zu kaufen. Es steht in keinen Zusammenhang mit einem Kostenbeitrag für den Vollzug.
• ………..Die Bezahlung aller Kosten sind im StVG festgehalten, auch Medikamente,.. quasi alle Grundbedürfnisse, wo er einen Rechtsanspruch hat. Handy nicht, jedoch Brille, wenn es medizinisch indiziert und bestätigt wurde. Bücher, etc kann er sich in der ho Bibliothek ausborgen. Die Beschaffung von Bekleidung ist ebenso Teil unserer Verantwortung, insoweit der Insasse über keinerlei Geldmittel oder Einkommen verfügt.
• Herr ***7*** hat kein Einkommen ho., er erhält Zuwendung von seinem Vater, mit welchem ua. die Bekleidung bezahlt wird.
• ………..grundsätzlich sind wir verpflichtet, mittellosen Patienten Kleidung zu geben, Herr ***7*** hat seinen Sohn aber immer die Kleidung/Schuhe gekauft und bezahlt.
Der Bf. legte über Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes folgende Unterlagen vor:
Überweisungen auf das Eigengeldkonto, geführt vom FTZ:
2021:
Per E-mail vom wurden an das Bundesfinanzgericht noch folgende Rechnungen übermittelt:
2020:
- C&A 28.3.: 129,70 €
- Zalando 1.4.: 93,86
- Zalando 5.6.: 172,84
- Hervis : 64,99
- C&A 5.6.: 164,55
- Crocs : 20.-
2021:
- Conrad 9.6. : 39,99
- Amazon 12.8.: 92,76
- C&A 14.10.: 139,93 und 75,90
2022:
- Pearl 16.4.: 512.-
- -Amazon 26.4.: 21,20.-
Per E-Mail vom teilte der Bf. folgende Beträge mit, die von ihm monatlich für die private Krankenversicherung seines Sohnes aufgewendet worden seien:
2020: 57,10
2021: 58,30
2022: 60,53
Sämtliche vom Bf. dem Bundesfinanzgericht übermittelte Belege wurden der belangten Behörde per E-Mail vom zur Kenntnis gebracht.
Die belangte Behörde teilte dem Bundesfinanzgericht per Schreiben vom folgende Rechtsansicht mit:
"Bei Kind ***2*** (geb. ***8***) besteht auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres aufgrund der vorliegenden dauernden Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich ein Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag (Details siehe dazu unten betr. Stellungnahme zum Anschreiben vom ).Das anspruchsvermittelnde Kind ist allerdings gemäß § 21 Abs. 1 StGB seit imForensisch-therapeutischen Zentrum ***3*** untergebracht, wobei der Festnahmezeitpunkt bereits der war (siehe die Stellungnahme des genannten Zentrums).Das Familienlastenausgleichsgesetz normiert in § 6 Abs. 6 FLAG 1967 einen Ausschließungsgrund der Familienbeihilfe in Bezug auf einen Eigenanspruch des Kindes.Nach Ansicht des Finanzamt Österreich (FAÖ) ordnet § 6 Abs. 6 FLAG 1967 an, dass Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 Strafvollzugsgesetz, auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden, keinen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe haben. Personen, die von Maßnahmen betroffen sind, bei welchen es sich um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, sind von der Möglichkeit eines Eigenanspruches auf Familienbeihilfe ausgeschlossen. Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser Personengruppe umfassend zu sorgen. JeneUnterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden sind, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.
Vorbeugende Maßnahmen sind:
• Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher
Wenn jemand eine Tat begeht, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, und dafür nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil er unzurechnungsfähig war, kann er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden. Gleiches gilt auch für Täter, die zwar nicht unzurechnungsfähig sind, aber eine mit mehr als einjähriger Strafe bedrohte Tat unter dem Einfluss geistiger und seelischer Abartigkeit begangen haben.
Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher erfolgt dann vor Vollzug der daneben verhängten Freiheitsstrafe, wenn wegen Zurechnungsfähigkeit auch eine Freiheitsstrafe verhängt worden ist. Die Zeit der Unterbringung wird auf die Strafe angerechnet.
• Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher
Süchtige, die wegen Begehung einer Straftat im Zustand voller Berauschung oder wegen Begehung einer sonstigen Straftat in Zusammenhang mit ihrer Sucht verurteilt werden, können in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ein gewiesen werden.Die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher erfolgt vor Vollzug der stets daneben verhängten Freiheitsstrafe. Die Zeit der Unterbringung wird auf die Strafe angerechnet.
• Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter
Wird jemand ab 24 Jahren zu einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, so kann das Gericht die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter anordnen, wenn er bereits zwei Mal wegen einer Straftat gegen Leib und Leben verurteilt wurde, die jetzige Verurteilung sich wieder gegen Leib und Leben richtet und zu befürchten ist, dass er sonst weiterhin solche strafbaren Handlungen mit schweren Folgen begehen wird. Die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter erfolgt erst nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe. Dann hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Unterbringung noch notwendig ist.
• Einziehung
Gegenstände, die der Täter für eine Straftat verwendet hat oder verwenden wollte, werden beschlagnahmt und eingezogen, wenn dies wegen der spezifischen Beschaffenheit der Gegenstände notwendig erscheint, um weitere Straftaten mit diesen Gegenständen zu verhindern.
In Analogie dieser Rechtsvorschrift besteht nach Ansicht des FAÖ für den Kindesvater kein Anspruch auf Familienbeihilfe, zumal der VwGH in seiner Entscheidung vom , 2011/16/0173 festgehalten hat, dass bei einer verhängten Strafhaft die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, auch wenn die Eltern einen Beitrag zum Unterhalt leisten. Der Verwaltungsgerichtshof knüpft daher an seine Rechtsprechung zu Kindern an, deren typischer Unterhalt durch die öffentliche Hand gedeckt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2004/15/0103 und vom , 2007/13/0120) und nimmt in teleologischer Reduktion an, dass bei Strafhaft des Kindes kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist.
Nach Ansicht des FAÖ liegt hier kein Fall einer fiktiven Haushaltszugehörigkeit gem. § 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 vor. Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. 2006/13/0092) eine Unterbringung gern. § 21 Abs. 1 StGB der einer Anstaltspflege im Sinne des § 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 entspricht, so ist betreffend dem im Anschreiben vom zitierten Erkenntnis des BFG (, RV/7101662/2022) darauf hinzuweisen, dass darin keine fiktive Haushaltszugehörigkeit angenommen wurde. Dies wurde damit begründet, dass keine Beitragsleistung für die entstehenden Unterhaltskosten erfolgte.
Dazu zählen nicht nur die Kosten für die Unterbringung, sondern auch die sonstigen Kosten, die für Pflege bzw. Erziehung aufgewendet werden, z.B. ärztliche Betreuung. Jedoch stellen Aufwendungen, die für die Bedürfnisse des Kindes außerhalb des Maßnahmenvollzugs (Kosten der Wohnung am Hauptwohnsitz) erbracht werden, keine Unterhaltsleistungen dar.
Das FAÖ verweist auch auf die BFG-Entscheidung vom , RV/7100257/2016, welche folgenden RS beinhaltet:
"Im Beschwerdefall befindet sich der Sohn der Bf. im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 1StGB. Fest steht, dass der typischerweise anfallende Unterhalt des Sohnes der Bf. in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG erfasst ist. Die für einen Gefangenen in einem Maßnahmenvollzug verbleibenden Restbedürfnisse, sei es, dass sie von der Bf. in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht oder auch freiwillig gedeckt worden sein mögen, ändern daran nichts."
Es ist kein Grund zu sehen, warum der vorliegende Fall, bei dem ebenfalls § 31 Abs. 1 StVG zur Anwendung kommt, abweichend von einer Strafhaft zu beurteilen ist. Das Bundesfinanzgericht folgt somit der jüngeren Judikatur des VwGH (sh. ; , Ra 2014/16/0014). In teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 ist daher ab dem Zeitpunkt des Maßnahmenvollzugs kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben.
Betreffend die vom Bf. im Verfahren aufgeworfene Frage, wieso die Auszahlung der Familienbeihilfe nicht automatisch bei Vollendung des 24. Lebensjahres eingestellt worden sei wurde von der belangten Behörde folgendes mitgeteilt:
Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder in Berufsausbildung nur bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres (§ 2 Abs 1 lit b FLAG 1967). Unter bestimmten Voraussetzungen kann Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (zB. bei Absolvierung des Präsenz- oder Zivildienstes) bezogen werden. Ein Bezug darüber hinaus ist für volljährige Kinder vorgesehen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (§ 2 Abs 2 lit c FLAG 1967, auf § 8 Abs 5 ff FLAG 1967 wird verwiesen).
Im Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom wurde festgestellt, dass Kind ***2*** voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst denUnterhalt zu verschaffen. Dies wurde als Dauerzustand festgestellt und es wurde keine Nachuntersuchung festgesetzt. Auch wurde in diesem Gutachten festgestellt, dass dieser Zustand vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten ist.
Daher wurde die Familienbeihilfe (inkl. Erhöhungsbetrag) ohne Berufsausbildung auch nachdem 18. bzw nach dem 24. Lebensjahr weiter gewährt.
Dem Bf. wurde per E-Mail vom die Auffassung der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, wonach unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes , 2011/16/0173 kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn sich ein Kind in Strafhaft befinde. Dies gelte auch für den Maßnahmenvollzug, da hier wie dort für den Unterhalt des Kindes durch die öffentliche Hand gesorgt werde. Auch der Grund für die Ausbezahlung der Familienbeihilfe über das 24. Lebensjahr hinaus wurde dem Bf. im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht.
In der mündlichen Verhandlung am verwies der Bf. ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen darauf, dass der Staat (die Justizanstalt) nicht alles für seinen Sohn bezahle. So habe er z.B. Beträge überwiesen, damit sein Sohn vom Festnetz des Forensisch-therapeutischen Zentrums mit ihn telefonieren könne.
Des Weiteren gebe es in dem Zentrum einen Sparmarkt, wo man Dinge des täglichen Gebrauchs wie z. B Getränke, Zahnpasta und andere Hygieneartikel erwerben könne. Für diese Güter des persönlichen Konsums habe er dem Zentrum 55 € pro Woche überwiesen. Er habe das für seinen Sohn gemacht.
Die Familienbeihilfe habe er für seinen Sohn angespart, falls ihm irgendwann etwas zustoßen sollte, weil er sonst keine anderen Verwandte mehr habe, die sich um ihn kümmern könnten.
Die Vertreterin der belangten Behörde verwies auf deren bisheriges Vorbringen, insbesondere auf die Stellungnahme vom (siehe deren ausführliche Darstellung in den Entscheidungsgründen).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat im Zeitraum März 2020 bis April 2022 für seinen Sohn ***2*** (A), geb. am ***8***, Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe i.H. von € 321.- pro Monat (im September 2020 jedoch € 681.-) bezogen.
Inklusive des gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrages i.H. von € 58,40 wurden somit € 379,40 monatlich (im September 2020 € 739,40) ausbezahlt.
Diesen Betrag bzw. € 380.- hat der Bf. monatlich auf ein Sparkonto von A einbezahlt.
A befand sich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum im Maßnahmenvollzug in einem Forensisch Therapeutischen Zentrum (FTZ).
A verfügte über kein eigenes Einkommen und leistete keinen Kostenbeitrag.
Das FTZ führt für A ein sog. Eigengeldkonto, auf das der Bf. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum folgende Beträge überwiesen hat:
Von diesem Geld wurden A wöchentlich etwa 55 € überlassen, damit sich dieser im anstaltseigenen Geschäft Dinge des persönlichen Bedarfs und zusätzliche Lebensmittel kaufen sowie vom Festnetz aus mit dem Bf. telefonieren konnte.
Darüber hinaus bezahlte der Bf. für seinen Sohn eine private Krankenversicherung.
Nicht regelmäßig finanzierte der Bf. Kosten für Bekleidung, Brille etc., die er durch Übermittlung von Belegen, wie in den Entscheidungsgründen dargestellt, nachgewiesen hat.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie weitere Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes beim FTZ und Einholung ergänzender Unterlagen beim Bf..
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe und zwar über die Altersgrenze des § 2 FLAG 1967 hinweg.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Die Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die Unterhaltskosten überwiegend trägt.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Das Bestehen des Anspruches für ein Kind kann daher je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach-und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (z.B. ).
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Gem. § 8 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 beträgt die Familienbeihilfe für jedes Kind, das das 19.Lebensjahr vollendet hat, € 165,10.
Gem. Abs. 5 leg.cit. erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind das erheblich behindert ist um € 155,90, beträgt somit insges. € 321.-
Dem am ***8*** geborenen Sohn des Bf. wurde mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom dauernde Erwerbsunfähigkeit ab Dezember 2003 und somit vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt.
Die Familienbeihilfe wurde daher zunächst über das 24. Lebensjahr hinaus ausbezahlt.
Der Anspruch einer Person auf Familienbeihilfe setzt nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 grundsätzlich die Haushaltszugehörigkeit des Kindes voraus.
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gem. § 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
§ 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 enthält die gesetzliche Fiktion, dass diese Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, und die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der (erhöhten) Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt.
Ob der Aufenthalt des Sohnes im FTZ vorübergehend geplant war oder nicht, ist ex-ante zu betrachten.
Dabei kommt auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die polizeiliche Meldung ist hingegen nur ein Indiz (vgl. z.B. ). Dass A während der gesamten Zeit, die er im Maßnahmenvollzug verbrachte, an der gleichen Adresse wie der Bf. mit Hauptwohnsitz gemeldet war und dort ein Zimmer für ihn bereitgehalten wurde begründet daher keine Haushaltszugehörigkeit.
Da die Dauer des Aufenthaltes im FTZ bei dessen Beginn nicht absehbar war, ist im konkreten Fall von einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt auszugehen.
Damit steht aber fest, dass die Haushaltszugehörigkeit des Sohnes zum Haushalt des Bf., entgegen dem Beschwerdevorbringen, mit Beginn des Maßnahmenvollzuges und somit daher im Rückforderungszeitraum aufgehoben war.
Strittig ist, ob die vom Bf. getätigten bereits näher dargestellten Aufwendungen für seinen Sohn Unterhaltsleistungen darstellen, die einen Familienbeihilfenanspruch begründen.
Dazu ist folgendes auszuführen:
Gem. § 167 Abs. 1 StVG gilt § 31 StVG, wonach Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen haben, sinngemäß auch für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Im Sinne dieser gesetzlichen Vorschriften teilte auch das FTZ ***3*** dem Bundesfinanzgericht mit, dass die Kosten des Vollzugs betreffend A vom Bund getragen werden und weder A selbst (durch Einbehalten eines allfälligen Pensionsanspruchs) noch der Bf. einen Kostenbeitrag zum Vollzug leisteten. Die vom Bf. geleisteten Zahlungen und getätigten Anschaffungen stünden in keinem Zusammenhang mit den Kosten des Vollzugs.
Hinsichtlich eines allfälligen Beihilfenanspruches bezüglich eines in Strafhaft befindlichen Kindes führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2011/16/0173 aus, dass die Familienbeihilfe grundsätzlich den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern wolle. Dabei gehe das Familienbeihilfenrecht von typisierenden Sachverhalten aus, die den Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln. In diesem Sinne setze etwa gem. § 3 Abs. 4 FLAG 1967 der Beihilfenanspruch von subsidiär Schutzberechtigten voraus, dass sie keine Leistung aus der Grundversorgung erhalten. Der Gesetzgeber habe damit ausgedrückt, dass die Deckung typischer Unterhaltskosten durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Dies gelte nach der Judikatur auch für Kinder, die den Präsenz-oder Zivildienst absolvierten (, 2004/15/0103 und , 2007/13/0120).
Hinsichtlich eines in Strafhaft befindlichen Kindes kam der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis letztlich zu folgendem Schluss:
"Im Beschwerdefall war der typischerweise anfallende Unterhalt des M. in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung (jugendliche Straftäter sind nach § 58 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes - JGG - überdies ihrer körperlichen Entwicklung entsprechend reichlicher zu verpflegen) von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG erfasst (vgl. zur Abgrenzung von Untersuchungshäftlingen etwa den 1 Ob 352/98s). Die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, auch wenn sie vom Beschwerdeführer in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gedeckt worden sein mögen, ändern daran nichts.
Der Verwaltungsgerichtshof knüpft daher an seine Rechtsprechung zu Kindern an, deren typischer Unterhalt durch die öffentliche Hand gedeckt ist (vgl. die erwähnten hg. Erkenntnisse vom und vom ), und nimmt in teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 1 lit. a FLAG an, dass bei Sachverhaltsgestaltungen wie im Beschwerdefall kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist. Auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG braucht dabei nicht mehr eingegangen werden."
Im vorliegenden Fall befand sich der Sohn des Bf. im Maßnahmenvollzug, währenddessen aber lt. ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift ebenfalls der Bund zur Tragung der Unterhaltskosten verpflichtet ist. Daraus folgt, dass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Strafhaft auch auf Kinder anzuwenden ist, die sich im Maßnahmenvollzug befinden, da auch in diesen Fällen der Unterhaltsverpflichtete von der Unterhaltslast während der Dauer des Maßnahmenvollzuges befreit ist.
Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/16/0004, lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde, nämlich, dass vom Pensionsanspruch des Kindes, das sich im Maßnahmenvollzug befand, 80% zur Deckung der Unterhaltskosten an den Bund bzw. die Anstalt überwiesen worden waren.
Wörtlich führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Darin unterscheidet sich die Gestaltung des vorliegenden Revisionsfalls von derjenigen, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0173, zu Grunde lag. Im Revisionsfall durfte das Bundesfinanzgericht die Versagung der Familienbeihilfe nicht darauf stützen, dass die öffentliche Hand (hier: der Bund) die Kosten des typischen Unterhalts getragen hätte, denn dem Bund oder unmittelbar der Anstalt, in welcher der Sohn der Revisionswerberin untergebracht war, wurde ein Betrag vom Pensionsanspruch des Sohns der Revisionswerberin ausbezahlt.
…………..
Eine abschließende Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Fiktion des § 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 der für den Familienbeihilfenanspruch der Revisionswerberin erforderlichen Haushaltszugehörigkeit ihres Sohns im Revisionsfall gegeben wären oder nicht, erlauben die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis nicht."
Aus diesem Erkenntnis lässt sich für den gegenständlichen Fall folgendes ableiten:
Durch den Bezug des Verwaltungsgerichtshofes auf sein Erkenntnis vom , 2011/16/0173, dem der Sachverhalt zu Grunde lag, dass sich das Kind in Strafhaft befand, wird deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich eines allfälligen Beihilfenanspruches eines Elternteiles nicht zwischen Strafhaft und Maßnahmenvollzug unterscheidet, sondern die unterschiedlichen Rechtsfolgen daran knüpft, ob die Kosten des typischen Unterhalts vom Bund bzw. unmittelbar von der Anstalt, in der sich das Kind befindet, getragen werden oder nicht. Erst wenn diese Frage zu verneinen ist, ist -wie auch dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7106465/2019 zu entnehmen ist- zu prüfen, ob die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 greift und Familienbeihilfe deshalb zu gewähren ist, weil die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt, da der Beihilfenwerber zu den Kosten des Unterhalts des Kindes zumindest in Höhe der Familienbeihilfe beiträgt.
Auf Grund der im gegenständlichen Fall anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelangte der erkennende Senat nach Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu folgender Auffassung:
Der Sohn A des Bf. befand sich im Rückforderungszeitraum im Maßnahmenvollzug.
A bezog kein eigenes Einkommen, etwa eine Pension, mit dem ein Beitrag zum Unterhalt geleistet worden wäre.
Laut ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung des § 31 StVG i.V.m. § 167 StVG hat der Bund die Kosten des Maßnahmenvollzuges zu tragen. Dadurch ist der Bf. von seiner Unterhaltsbelastung entlastet, sodass ihm nach dem Zweck der Familienbeihilfe, nämlich der finanziellen Entlastung eines Unterhaltsverpflichteten, keine Familienbeihilfe zusteht.
Wenn der Bf. im Verfahren bei der belangten Behörde und beim Bundesfinanzgericht, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom darauf verwies, dass er nachgewiesenermaßen A bestimmte Geldbeträge zukommen ließ und auch selbst diverse Anschaffungen, insbesondere Bekleidung, für ihn tätigte, so handelte es sich dabei um die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2011/16/0173 angesprochenen verbleibenden Bedürfnisse, die über jene, die von der typischen Unterhaltsleistung wie Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung umfasst sind, hinausgehen.
Dafür spricht, dass die überwiesenen Geldbeträge dem A in Form wöchentlicher Beträge vom FTZ zur Verfügung gestellt wurden, damit sich dieser Gegenstände des persönlichen Bedarfs bzw. Konsums im anstaltseigenen Geschäft kaufen konnte. Auch war das FTZ im Rahmen seiner gesetzlich angeordneten Unterhaltstragung für die Zurverfügungstellung von Bekleidung für A verpflichtet. Wenn der Bf. selbst für A Bekleidung kaufte, so ist dies in Zusammenhang mit dem verständlichen Wunsch zu sehen, seinem Sohn den Aufenthalt im FTZ so angenehm wie möglich zu gestalten (siehe auch das Vorbringen im Vorlageantrag vom ). Anspruch auf Familienbeihilfe begründen diese Ausgaben des Bf. für seinen Sohn jedoch nicht.
Gem. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs. 1 FLAG 1967).
Dies gilt auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).
Zum Vorbringen des Bf., er habe die Familienbeihilfe in gutem Glauben bezüglich eines bestehenden Anspruches bezogen, ist auszuführen:
Aus § 26 Abs. 1 FLAG ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht, d.h. ohne dass dem Bezug ein gesetzlich geregelter Anspruch zu Grunde liegen würde, bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung; ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs 1 FLAG nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG ist keine Ermessensentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind daher im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs. 1 FLAG vom Finanzamt oder vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen (Wanke, a.a.O., § 26 Tz 15 mit Hinweis auf und , jeweils unter Hinweis auf ).
Der Verwaltungsgerichtshof führt in Erkenntnis vom ,2008/15/0029 diesbezüglich aus:
"Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2008/15/0323). Nach der ständigen Rechtsprechung steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. das hg Erkenntnis vom , 2006/13/0174)." Auch eine an den Bezieher der Familienbeihilfe ergangene Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag steht einer Rückforderung (§ 26 FLAG 1967) nicht entgegen (vgl. ).
Dass die Auszahlung durch das Finanzamt Österreich, entgegen der ursprünglichen Auffassung des Bf., unrichtig, nämlich über das 24. Lebensjahr hinaus erfolgt wäre, wurde bereits oben widerlegt.
Bezieher der Familienbeihilfe war der Bf.. Daran ändert auch nichts, dass er die erhaltenen Beträge auf ein Sparbuch des Sohnes überwiesen hat, da es sich dabei um bloße Mittelverwendung handelt. Zuwendungen zu Sparzwecken sind nach der Judikatur keine Unterhaltskosten (vgl. ; ).
Aufwendungen für die "Bereithaltung" eines Zimmers im Wohnungsverband können nicht als Unterhaltsleistungen angesehen werden, da damit keine (notwendigen) Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, welches im fraglichen Zeitraum in anderen Räumlichkeiten lebt, geleistet wurden, selbst wenn das Kind jederzeit wieder zurückkehren kann (-I/08 und in diesem Sinne )
Wenn sich der Bf. auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom , G181/2022 beruft und damit die Rückforderung einer vermeintlich irrtümlich durch die Behörde ausbezahlten Familienbeihilfe bekämpft, so ist dazu auszuführen:
Der VfGH hat mit diesem Erkenntnis die Wortfolge in § 31 Abs. 2 KBGG, "oder die Auszahlung von Leistungen irrtümlich erfolgte", ab als verfassungswidrig aufgehoben.
Dies deswegen, weil mit dem Kinderbetreuungsgeld der Gesetzgeber unter anderem das Ziel verfolge, die Betreuungsleistung der Eltern anzuerkennen und teilweise abzugelten (Erläut RV 620 BlgNR 21. GP, 549). Dies setze voraus, dass Empfänger von Kinderbetreuungsgeld ihre Berufstätigkeit und damit einhergehend ihr Erwerbseinkommen zugunsten der Kinderbetreuung einschränken (vgl VfSlg 18.705/2009). Dies komme insbesondere durch die in § 2 Abs. 1 Z 3 und § 24 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 KBGG normierte "Zuverdienstgrenze" sowie durch die Konzeption des Kinderbetreuungsgeldes als "Ersatz des Erwerbseinkommens" in §§ 24 ff leg cit zum Ausdruck.
Hinzu komme, dass die erwähnten Einschränkungen im Erwerbsleben der Empfänger von Kinderbetreuungsgeld nicht nur kurzfristige Einbußen darstellen. Der Gesetzgeber sehe dafür in der Regel einen Zeitraum von 61 bis 365 Tagen vor (vgl § 3 Abs. 1 und 5 sowie § 4b Abs. 1 und 4 KBGG).
Der Bezug von Kinderbetreuungsgeld gebühre nur auf Antrag. Bestehe Anspruch auf eine Leistung nach dem KBGG, ist gemäß § 27 Abs. 1 leg cit eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, voraussichtliches Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. In Rückforderungsfällen gemäß § 31 Abs. 2 2. Fall KBGG sei für den Leistungswerber bei Erhalt dieser Mitteilung ein Irrtum der Behörde nicht erkennbar. Er gehe daher davon aus und dürfe davon ausgehen, dass ihm das Geld zur Bestreitung der Kinderbetreuung zur Verfügung steht (VfSlg 14.095/1995). Auf dieser Grundlage treffe der Leistungswerber Dispositionen im Hinblick auf die Einschränkung der Erwerbsarbeit, die bei späterer Rückforderung der Leistung auf Grund eines Behördenfehlers nicht mehr rückgängig gemacht oder nachgeholt werden können.
Vor diesem Hintergrund sei für den VfGH keine sachliche Rechtfertigung erkennbar, weshalb bei Bekanntsein aller für die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld maßgebenden Umstände bei Gewährung dieser Leistung das Risiko einer unrichtigen Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen und folglich einer irrtümlich ausbezahlten Leistung vom Leistungsempfänger zu tragen sein soll, auch wenn er deren Unrechtmäßigkeit nicht erkennen musste.
Das Bundesfinanzgericht vertritt im Erkenntnis vom , RV/4100086/2023 die Rechtsansicht, dass die dargelegten Ausführungen zum Kinderbetreuungsgeld wegen der unterschiedlichen Rechtslage in Bezug auf die Familienbeihilfe im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.
Wie der VfGH im zit. Erkenntnis selbst ausführt, hat er "wiederholt darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber im Beihilfenrecht ein weiter - durch das Sachlichkeitsgebot begrenzter - rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl VfSlg 17.954/2006, 19.411/2011, 20.096/2016; ua). Dem Gesetzgeber steht es frei, ein Kinderbetreuungsgeld zu gewähren oder nicht (VfSlg 17.954/2006). Es ist ihm gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, ist dabei bereits als unsachlich zu werten; auch das Entstehen von Härtefällen macht für sich alleine eine Regelung noch nicht unsachlich (VfSlg 14.694/1996, 18.705/2009, 19.411/2011).
Im Erkenntnis VfSlg 18.705/2009 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass Rückforderungsvorschriften, die lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellen, in der österreichischen Rechtsordnung nicht ungewöhnlich (zB § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und verfassungsrechtliche Bedenken im Allgemeinen dagegen nicht entstanden sind und solche auch nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt wären (diese hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis VfSlg 14.095/1995 angenommen). Bedenken gegen die objektiven Rückforderungsvorschriften des § 26 FLAG 1967 bestehen daher im Allgemeinen nach Ansicht des VfGH nicht.
Der VfGH sieht die besonderen Umstände im KBGG darin, dass nach dessen Konzeption vorausgesetzt werde, dass Empfänger von Kinderbetreuungsgeld ihr Erwerbseinkommen zugunsten der Kinderbetreuung einschränken. Dies komme insbesondere durch die "Zuverdienstgrenze" sowie durch die Konzeption des Kinderbetreuungsgeldes als "Ersatz des Erwerbseinkommens" zum Ausdruck.
Dass Familienbeihilfenwerber im Hinblick auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ihr Erwerbseinkommen zugunsten der Kinderbetreuung einschränken und auf dieser Grundlage somit Dispositionen im Hinblick auf die Einschränkung der Erwerbsarbeit treffen, die bei späterer Rückforderung der Leistung auf Grund eines Behördenfehlers nicht mehr rückgängig gemacht oder nachgeholt werden könnten, entspricht nicht der Konzeption des FLAG und sind derartige Dispositionen im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Im Unterschied zum Kinderbetreuungsgeld erfordert der Bezug von Familienbeihilfe keine Disposition des leistungsbeziehenden Elternteils über seine Erwerbstätigkeit. Dass über die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag disponiert wurde, heißt im Rückforderungsfall "lediglich", dass die erhaltene Leistung zurückzuzahlen ist, nicht aber, dass Erwerbschancen in Erwartung der Leistung endgültig verloren gegangen sind.
Besondere Umstände, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die objektive Rückforderungsvorschrift des § 26 FLAG hervorrufen könnten, liegen daher nicht vor und ist die Regelung sachlich gerechtfertigt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der VfGH eine Rückforderungsvorschrift, die wie § 26 Abs 1 FLAG 1967 lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellt, worunter nach der ständigen Judikatur des VwGH auch ausschließlich auf einem Verschulden der Behörde beruhende unrichtige Auszahlungen der Familienbeihilfe zu verstehen sind, als in der österreichischen Rechtsordnung nicht ungewöhnlich angesehen hat und dass anders als beim Kinderbetreuungsgeld mit dem Bezug von Familienbeihilfe durch einen Elternteil keine irreversible Disposition über dessen Berufstätigkeit verbunden ist (siehe ).
Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge waren daher zu Recht für den Zeitraum März 2020 bis April 2022 zurückzufordern und es war wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Sowohl hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen für ein im Maßnahmenvollzug befindliches Kind Anspruch auf Familienbeihilfe besteht als auch unter welchen Voraussetzungen die Rückforderung von Familienbeihilfe zulässig ist folgt das Bundesfinanzgericht den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass die (ordentliche) Revision auszuschließen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101275.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at