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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.09.2024, RV/5101151/2020

Erhöhte Familienbeihilfe?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** SVNr. ***20***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , nunmehr FAÖ DS ***1***, betreffend Abweisung des Antrages v. auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe 09.2016-12.2018 für ihren Sohn ***10***, geb. ***23***, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Spruch des Bescheides v. wird gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat: "Ihr Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe betreffend ihren Sohn SVNr. ***19*** wird für den Zeitraum September 2016 bis November 2018 abgewiesen."

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig war, in welchem Zeitraum der Beschwerdeführerin (Bfin.) die erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn ***21*** ***10*** ***22***, SV Nr. ***19***, zusteht.

I. Verfahrensgang

Mit Antrag vom beantragte die seit dem Jahre 2008 in Österreich lebende Kindesmutter die erhöhte Familienbeihilfe für ihren am ***23*** geborenen Sohn ***10*** mit dem Hinweis auf seine Erkrankung (frühkindliche- Autismus- Störung). Der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wurde rückwirkend seit Geburt (***24***) gestellt. Der Kindesvater lebt in der ***25*** Republik. Die Kindesmutter ist Alleinerzieherin. Seit Oktober 2019 bezog sie auch für ihr Kind die Pflegegeldstufe 1.

Mit Abweisungsbescheid vom wurde die erhöhte Familienbeihilfe in Zeitraum 09/2016-12/2018 als unbegründet abgewiesen. Der Grad der Behinderung sei rückwirkend ab mit 50 % beziffert worden. Für die Monate September 2016 bis Dezember 2018 bestehe daher kann daher kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.

Beschwerde vom

Zusammenfassend führte die Kindesmutter und Bfin. aus, dass eine sehr weitreichende Autismus- Störung vorliege. Diese habe bereits ab Geburt ihres Sohnes bestanden. Es wurden im Verfahren eine Reihe von medizinischen Befunden vorgelegt. Die Einschränkungen ihres Sohnes seien offenkundig. Diese seien eben nicht erst mit Jänner 2019 vorgelegen, sondern bereits ab Geburt. Ihr Sohn habe keinen Blickkontakt. keine Interaktion. er habe ein stark abweichendes Verhalten, er müsse öfters ohne ersichtlichen Grund schreien, er hätte keine altersgerechte Sprachentwicklung sowie auffällige Verhaltensweisen. Seit seinem 15. Lebensmonat war seiner Krabbelstube, wobei diese Wahrnehmungen auch von den dort tätigen Pädagoginnen gemacht wurden. Es sei daher auch eine Zuweisung eines Integrationsplatzes in der Krabbelstube notwendig geworden.

Nach einer Diagnose im Krankenhaus der ***3*** in ***4*** wurde diese Autismus Störung auch bestätigt. Die Untersuchung fand am statt. Erst im Februar 2019 habe sie dann die Befunde bekommen.

In der Bestätigung des Facharztes für Kinder-und Jugendheilkunde in ***6*** vom , eingelangt bei der Familienbeihilfenbehörde am , wurde beim Sohn eine schwere Autismus -Spektrums-Störung diagnostiziert. Zitat des behandelnden Arztes. "Auch, wenn diese erst im Laufe der Entwicklung in den ersten Lebensjahren erkannt werde, bestehe diese jedoch sicherlich schon seit Geburt und sei nicht erst erworben worden. Ich bitte Sie, dies als erhöhte Familienbeihilfe zu berücksichtigen. Diese ärztliche Bestätigung diene der Vorlage beim Finanzamt für die erhöhte Kinderbeihilfe."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Auszugsweise lautet die Begründung: "Laut dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom liege ab eine 50 %ige GdB vor. Auf die gesetzliche Bestimmung des §§ 8 Abs. 5 FlAG 1967 wurde hingewiesen. Für das Finanzamt sei daher das SMS die einzige Untersuchungsinstanz. Ab ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zur verschaffen, durch eine Bescheinigung des SMS aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Im Gutachten vom sei der Grad der Behinderung aber erstmals mit mit 50 % festgestellt worden und nicht bereits ab Geburt. Daher werde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen."

Mit Vorlageantrag vom , eingelangt bei der Behörde am , wurden die Beschwerdeausführungen v. wiederholt. Die Bfin. beantragte ein neuerliches Gutachten zur Feststellung des Zeitpunktes der Behinderung. Weiters beantragte die Bfin., die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben. Es würden sehr wohl körperliche und psychische Beeinträchtigungen bei ihrem Sohn bereits ab der Geburt vorliegen.

Im Vorlagebericht des FA DS ***1*** wurde Folgendes ausgeführt:

"Beantragt wird der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Sohn ***10*** ***22*** ab Geburt (***24***). Der Erhöhungsbetrag wurde aufgrund des erstellten Gutachtens durch das Sozialministeriumservice vom ab Jänner 2019 zuerkannt. Das Gutachten vom weist den Grad der Behinderung von 50% rückwirkend ab aus. Der Zeitraum September 2016 bis Dezember 2018 war daher beischeidmäßig abzuweisen. Mit Einbringung der Beschwerde wurde ein neuerliches Gutachten angefordert. Das 2.Gutachten vom bestätigte den Grad der Behinderung von 50% rückwirkend ab , weshalb eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erging. Mit Vorlageantrag vom wurde ein weiteres Gutachten angefordert. Das 3.Gutachten vom weist nun den Grad der Behinderung von 50% rückwirkend ab aus.

Beweismittel: 1.,2. und 3.Sachverständigengutachten vom Sozialministeriumservice

Stellungnahme: Die Vorlage der Beschwerde erfolgt mit dem Antrag auf Stattgabe des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Monat Dezember 2018 und auf Abweisung für die Monate Dezember 2016 bis November 2018. Auf die Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung wird Bezug genommen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***23*** geborene Sohn der Bfin. leidet an frühkindlichem Autismus. Wann genau diese Erkrankung/Behinderung eingetreten war, war Gegenstand dieses Beschwerdevefahrens.

Folgende Befunde bzw. ärztliche Gutachten lagen dem Gericht nach der Aktenlage vor:

-Entwicklungsdiagnostik -Befund vom des Krankenhauses der ***3*** in ***4***:

Zum Zeitpunkt der Untersuchung am war das Kind beinahe 3 Jahre alt.

Achse I

F84.0 Autismus-Spektrums-Störung im Sinne eines frühkindlichen Autismus mit derzeit deutlich ausgeprägter Symptomatik mit hoher motorischer Unruhe und kurze Aufmerksamkeitsspanne

Achse II

Rückstand in expressiven Sprache rund um den Stand eines Einjährigen, stärkere Ausprägung expressiver Leistungen F 89 - allgemeine Entwicklungsverzögerung bei Sprache, Kognition, Feinmotorik,

Achse III

Nonverbale kognitive Minderleistung, derzeit 19 Monate

Achse 4

keine aktuellen körperlichen Erkrankungen Z.n. Hand- Fuß- Mund Krankheit bei 2000 AZ höhere Reaktion der 25 dB (schwer messbar)

Achse 5

familiäres Umfeld förderlich

Achse 6

Schwächen in der sozialen Kommunikation

Oberärztin Dr. Name, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde

Auf die Zusammenfassung dieser Befundung wird verwiesen.

Als Zwischenanamnese konnte festgehalten werden:

- seit Dezember 2019: ESDM -Therapien

- intensiv allgemeine Frühförderung bis zum Kindergartenbesuch im September 2019

- aktuell sei sie im September 2019 im Kindergarten ***15*** in einer Klein-Gruppe untergebracht.

Auch sei die Bfin. mit ihrem Sohn im Therapiezentrum in ***15*** zu logopädischen und ergotherapeutischen Maßnahmen gewesen.

Bestätigung des Krankenhauses der ***3*** in ***4*** vom

Eine weitere Untersuchung des Sohnes fand am im Krankenhaus der ***3*** in ***4*** statt. Zu diesem Zeitpunkt war der Sohn 3 bis 4 Jahre alt.

Arztbrief vom von Dr. ***5***, Facharzt für Kinder-und Jugendheilkunde in ***6***:

Anamnese:

Der Sohn habe eine Autismus-Spektrums-Störung mit sehr herausforderndem Verhalten.

Status:

Er verhält sich immer völlig unangepasst, will davonlaufen, muss bei jeder Untersuchung mit viel Kraft festgehalten werden.

Diagnose: Autismus mit herausforderndem Verhalten

Zusammenfassung: Er habe eine schwere Form des Autismus. Seine Wahrnehmung der Umgebung sei äußerst mangelhaft, er verhalte sich sehr oft aggressiv und gefährde sich und andere Personen dadurch. Er könne sich nur sehr eingeschränkt mitteilen. Bei allen hygienischen Maßnahmen benötige er über das Alter hinausgehende Unterstützung und Hilfe, er müsse auch dabei und beim an und Auskleiden fixiert werden. Er esse nur sehr ausgewählte Speisen, er müsse gefüttert werden, Schlafstörung wurde erst heute Melatonin verordnet. Er muss ständig beaufsichtigt und betreut werden. Die Mutter könne ihn keine Sekunde aus den Augen lassen und ist durch die schweren Herausforderungen sehr erschöpft. Der Betreuungsaufwand für ihn ist enorm.

Eine weitere Untersuchung fand schließlich dann am in der Landesstelle des Sozialministeriumsservice statt. Die Kindesmutter und die Cousine waren anwesend. Ein Allgemeinmediziner untersuchte den Sohn. Im Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. ***7*** mit 07/2019 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung mit 50 % und der Diagnose frühkindlicher Autismus festgestellt.

Insgesamt lagen im Verfahren 3 Gutachten zur Beurteilung der Autismusstörung des Sohnes der Kindesmutter vor.Und zwar jenes vom , vom und vom .

Aus dem Sachverständigengutachten v. nach der Einschätzungsverordnung II BGBl II Nr. 261/2010 ergibt sich Folgendes:

Begutachtung v. in der Landesstelle des SMS, Dr. ***8***, Allgemeinmediziner:

Anamnese: Letztgutachten Dr. ***7***, 07/2019, GdB 50%, Diagnose: frühkindlicher Autismus, derzeit ausgeprägt NEUFESTSETZUNG WEGEN BESCHWERDE BEZÜGLICH RÜCKWIRKENDER ANERKENNUNG: Schwangerschaft und Geburt unauffällig, Geburtsgewicht 2790g. Er sei kleiner gewesen (keine genaue Größe erinnerlich). Er wurde ca. 3 Monate gestillt. Bewegungsentwicklung: Krabbeln mit ca. 8 Monaten, Gehen mit ca. 1 Jahr. Sprachentwicklung: mit ca. 1 Jahr hat er begonnen, "Ma" zu sagen, was so viel wie "Mama" bedeutet. Zu Hause wird Spanisch gesprochen. Seit September besucht er einen Kindergarten der Caritas in ***4***, dort spricht er auch Deutsch. Er hat bis jetzt gelernt, Dreiwortsätze auf Spanisch zu sprechen, auf Deutsch kann er nur einzelne Wörter sprechen. Seit Oktober 2019 besteht Pflegegeldstufe.

1. Derzeitige Beschwerden: 1.: Den ganzen Tag sei er in Bewegung, unruhig

2. Die Sauberkeitserziehung ist noch nicht abgeschlossen. Er braucht noch Windeln.

3. Im Kindergarten würde er noch hauptsächlich alleine spielen, nicht mit anderen Kindern.

4. In der Krabbelstube sei er sehr unruhig gewesen; mit 15 Monaten habe er begonnen, die Krabbelstube zu besuchen. Habe auch kaum Blickkontakt gehalten. Behandlung(en) / Medikamente l Hilfsmittel: Behandlung: Logotherapie 1-mal pro Woche, psychologische Behandlung (Spieltherapie 2- mal pro Woche) Sozialanamnese: Die Eltern stammen aus der ***25*** Republik, die Mutter lebt seit 2008 in Österreich, der Vater lebt in der ***25*** Republik. Er hat einen älteren Bruder. Die Mutter ist alleinerziehend. Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Bestätigung von Dr. ***9***, Kinderfacharzt, 08/2019: Bei ***10*** besteht eine schwere Autismusspektrumsstörung, auch wenn diese erst im Lauf der Entwicklung in den ersten Lebensjahren erkannt wird, besteht sie doch sicherlich schon seit Geburt und ist nicht erst erworben worden. Ich bitte Sie, das bei der Zuteilung der erhöhten Familienbeihilfe zu berücksichtigen. KH ***11***, 12/2018 (Datum der Untersuchung), Diagnose: Autismusspektrumsstörung im Sinne eines frühkindlichen Autismus mit derzeit ausgeprägter Symptomatik mit hoher motorischer Unruhe und kurzer Aufmerksamkeitsspanne, Rückstand in der rezeptiven und expressiven Sprache rund um den Stand eines 1-Jährigen mit stärkerer Ausprägung expressiver Leistungen, allgemeine Entwicklungsverzögerung (Sprache, Kognition, Motorik), nonverbale kognitive Mindestleistung derzeit bei 19 Monaten liegend. Keine aktuellen körperlichen Erkrankungen.; bei 2000 HZ Hörreaktion bei 25 dB (schwer testbar); förderliches familiäres Umfeld, Schwächen in der sozialen Adaptation; er zeigt wenige ungewöhnliche sensorischen Interessen auch keine Manierismen, zeigt aber ein sehr repetitives Spielverhalten und repetitive Interessen an diversen Materialien; große Schwächen zeigt er in der Wechselseitigkeit, Blickkontakt wird nur bei sehr starker Freude eingesetzt, wird nicht eingesetzt, um eine Intension zu erreichen; er teilt keine Interessen, zeigt niemandem etwas, er stellt gemeinsame Aufmerksamkeit nicht spontan her; er reagiert nicht auf seinen Namen. Sein mimischer Ausdruck ist sozial ungerichtet. Dr. ***9***, 01/2020, Diagnose: Autismus mit herausforderndem Verhalten, heterozygote Alpha-Plus-Thalassämie, Zustand nach AT 09/2019; ***10*** hat eine schwere Form des Autismus, seine Wahrnehmung der Umgebung ist äußerst mangelhaft, er verhält sich sehr oft aggressiv, gefährdet sich und andere Personen dadurch, kann sich nur sehr eingeschränkt mitteilen; Eintragung im MKP von 12 /2018 durch Dr. ***9***: Diagnose : fröhliches Kind, Verdacht auf ASS ( bei Verhaltensauffälligkeit ist das Kästchen mit 'ja1 angekreuzt

Eintragung im MKP von 8/2019 durch Dr. ***9*** : DG: ASS, (bei VerhaltensauffäIligkeit ist das Kästchen mit 'ja' angekreuzt, Sprachentwicklung : Kästchen mit 'nein' angekreuzt, psychische und soziale Entwicklung: Kästchen mit 'auffällig' angekreuzt; bei sämtlichen früheren Untersuchungen durch Dr. ***9*** wurde im MKP als Diagnose: gesundes Kind angegeben Untersuchungsbefund: Allgemeinzustand: unauffällig Ernährungszustand: unauffällig Größe: 100,00 cm Gewicht: 20,00 kg Blutdruck: Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: fast 3 1/2-jähriger Junge -Kopf: grobneurologisch unauffällig, Gesicht symmetrisch innerviert, keine Lippenzyanose auf interne Untersuchung wird verzichtet, da er sehr abwehrend, ängstlich und schreiend reagiert; Arme: die Gelenke von der Form her unauffällig, grobe Kraft unauffällig Beine: die Gelenke von der Form her unauffällig, mäßiger Senkfuß beidseits Gesamtmobilität - Gangbild: unauffällig Psycho(patho)logischer Status: Antrieb massiv erhöht, von der Mutter mäßig gut lenkbar; ich zeige ihm dann das Maßband, das ich per Knopfdruck automatisch aufrolle; an diesem hat er großes Interesse; als ich es auf den Schreibtisch lege, nimmt er es und zieht wiederholt den Messstreifen heraus, um ihn dann wieder durch Knopfdruck verschwinden zu lassen; das bereitet ihm große Freude;Ergebnis der durchgeführten Begutachtung: Lfd. Nr. l Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: frühkindlicher Autismus deutliche Antriebssteigerung, soziale Einschränkung Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Deutliche Antriebssteigerung, soziale Einschränkung Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Keine Stellungnahme zu Vorgutachten: Keine Änderung des GdB; Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja GdB liegt vor seit: 01/2019 Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: keine Änderung zum Letztgutachten; die Eintragungen im jetzt vorgelegten Mutter Kind Pass reichen nicht aus ,um eine weiter zurückreichende Anerkennung des Gesamtgrades der Behinderung mit 50% zu begründen . Nachuntersuchung: in 5 Jahren Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Verlaufskontrolle Gutachten erstellt am von Dr. ***12***,Gutachten vidiert am von Dr. ***13*** ;

Aus dem Sachverständigengutachten v. nach der Einschätzungsverordnung II BGBl II Nr. 261/2010,ergibt sich Folgendes:

Begutachtung v. in der Landesstelle des SMS, Dr. ***14***

Untersuchung von 12:10 bis 12:30 Uhr in der Landesstelle des Sozialministeriumservice

"Das Kind könne nicht alleine gelassen werden. Er sei ständig in Bewegung. Mit Holzspielzeug verhalte er sich weitgehend ruhig. Er bekomme jetzt Frühförderung und Logopädie, für Ergotherapie stehe er auf der Warteliste.An jedem Mittwoch (außer in der Ferienzeit) muss die Kindesmutter am Nachmittag nach ***15*** fahren, um ***10*** abzuholen und mit ihm in die Stadt in die ***16*** zu fahren. Der Weg nach ***15*** sowie das Aufsuchen des Institutes für Sinnes- und Sprachneurologie in der ***16*** benötigt mindestens 1 Stunde. Von 15.30 -17 Uhr dauert die Therapie - also 1 1/2 Stunden. Die Kindesmutter muss anwesend bleiben, nachher fährt man nach Hause, was auch wieder 30 min. dauert. ... Seit Dezember fällt daher jeden Mittwochnachmittag ein Zeitaufwand von wenigstens 3 Stunden für die Kindesmutter zur Begleitung zur Therapie an (ausgenommen Ferienzeit). Weiters hat die Kindesmutter den Kläger im November 2019 einige Tage zu einem stationären Aufenthalt im KH der ***17*** begleitet.

* Bezüglich Erschwerniszuschlag:

Zu den Ausfällen im Sinnesbereich: Es bestehen deutliche Ausfälle im Sinnesbereich - ***10*** ist nun 3 Jahre alt und spricht nur wenige Wörter - Referenzalter entspricht einem 11-12-monatigem Kind.

Zur geistigen Entwicklungsstörung:

Es ist von einer allgemeinen Entwicklungsstörung auszugehen.

Zu den Verhaltensauffälligkeiten:

***2*** zeigt schwere Verhaltensauffälligkeiten - bei frühkindlichen Autismus, der in den vorliegenden Befundunterlagen als "Autismusspektrumstörung im Sinne eines frühkindlichen Autismus mit derzeit deutlich ausgeprägter Symptomatik" bezeichnet wird. Weiters wird von der Kindesmutter berichtet, dass ***10*** am Abend sehr lange braucht, bis er einschläft - das kann bis zu 1 -2 Stunden dauern. Sie muss bei ihm liegenbleiben, sonst würde er immer wieder aufstehen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr. 1 Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

frühkindlicher Autismus deutlich ausgeprägter Symptomatik mit hoher motorischer Unruhe und kurzer Aufmerksamkeitsspanne

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Punkt 1 ist das Hauptleiden und bestimmt den GdB von 50%.

Folgende beantragte bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

"heterozygote alpha plus Thalassämie", Z.n. AT 9/2019

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Keine Änderung des GdB von 50%.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

Dauerhaft: nein

GdB liegt vor seit: 12/2018

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Rückwirkende Anerkennung ist ab gesicherter gestellter Diagnose im ersten Befundnachweis 12/2018 (mit Datum der Untersuchung} möglich, ab diesem Zeitpunkt wurden Behandlungen empfohlen, davor keine bestätigten Therapien. Gutachten erstellt am von Dr.in ***18***;

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der elektronischen Aktenlage, dem gesamten Parteienvorbringen, insbesondere weiters aus dem ärztlichen SV-Gutachten v. (50 % GdB ab 12/2018).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag

Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht nur, wenn auch Anspruch auf den Grundbetrag besteht ().

Erhöhte Familienbeihilfe

Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. a, b, d, e, g, i, j, k oder l FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a, b, c, f, h, i, j oder k FLAG 1967, steht gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 dem Bezieher der Familienbeihilfe ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu, wenn das Kind erheblich behindert ist. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) aus anderen Gründen als zufolge einer Behinderung des Kindes, in der Regel wegen Minderjährigkeit oder wegen einer Berufsausbildung. Hingegen ist Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. c oder h FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d oder g FLAG 1967 entweder eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967) oder eine erhebliche Behinderung (§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. g FLAG 1967).

Behinderung

§ 8 Abs.5 FlAG 1967 normiert:

"Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist."

Diese Definition der Behinderung entspricht grundsätzlich jener in § 3 BEinstG, wonach eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen ist, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren, wobei auch hier als nicht nur vorübergehend ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten gilt. Zur Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie RL 2000/78/EG hat der EuGH judiziert, dass der Begriff "Behinderung" im Sinne der RL 2000/78/EG dahin auszulegen ist, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist (vgl. , 337/11 Ring und Werge). Eine "Funktionsbeeinträchtigung" bzw. eine "Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen ist eine Einschränkung jener Funktionen, die bei einem gesunden Gleichaltrigen in der Regel vorhanden sind (vgl. zu § 3 BEinstG). Nicht jede Funktionsbeeinträchtigung ist allerdings auch eine Behinderung. Zusätzlich ist nach dem BEinstG erforderlich, dass die Auswirkung der Beeinträchtigung die Teilhabe des Betroffenen am Arbeitsleben erschweren kann (vgl. ; ). Bei dieser Beurteilung ist auf den abstrakten Arbeitsmarkt abzustellen (vgl. ).

Das BEinstG ist auch für den Bereich des FLAG 1967 von Bedeutung, da gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 für die Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem FLAG 1967 § 14 Abs. 3 BEinstG ("Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen".)

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich(ab 2021) durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen (neue Rechtslage). Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) …

§ 13 FLAG 1967 lautet:

Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich(ab 2021) zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Erkrankung mit variierendem Verlauf

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v. H. bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert.

Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; .

Nachweisführung

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice). Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen. Die Beweisregelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis grundsätzlich vor (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 8 Rz 12 m w.N.), schließt deren ergänzende Anwendung aber nicht aus (vgl. ).

Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden. Sie hat diese aber zu prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung daher grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ). Dem um die Erstattung des Gutachtens ersuchten Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kommt aber die Befugnis zur Entscheidung (Zuerkennung oder Abweisung) über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht zu (vgl. ). Diese Entscheidung hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht auf Grund des Gutachtens oder der Gutachten sowie der sonstigen Beweismittel (§§ 166, 167 BAO) zu treffen.

Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , m.w N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , m.w.N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ). Die aus dem Befund abgeleiteten fachlichen Schlüsse (Gutachten im engeren Sinn) sind in nachvollziehbarer Weise darzustellen (vgl. etwa ). Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , m.w.N.).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , m.w.N). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ). Es ist nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Behörde des Verwaltungsverfahrens verpflichtet ist, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m.w.N.). Dies setzt voraus, dass sich die Behörde vor Erlassung ihrer Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 i.d.g.F. steht dem nicht entgegen. Auch wenn keine automatische Übermittlung des vollständigen Gutachtens durch das Sozialministeriumservice an das Finanzamt erfolgt, ist im Fall von Einwendungen gegen die Bescheinigung des Sozialministeriumservice das Gutachten von der Behörde beim jeweiligen Antragsteller beizuschaffen, um die Schlüssigkeit der Einwendungen beurteilen zu können. Eine den Verfahrensgesetzen entsprechende Verwendung personenbezogener Daten, auch wenn es sich um Gesundheitsdaten handelt, ist grundsätzlich auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig (vgl. zu Pflegschaftsverfahren).

Einwendungen gegen Gutachten

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m.w.N.). Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, haben ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden. Die unvollständige und unrichtige Befundaufnahme vermag auch ein Laie nachvollziehbar darzulegen (vgl. ; ; jeweils m.w.N). Das Verwaltungsgericht ist in diesem Fall verpflichtet, sich mit diesen - der Sachverhaltsfrage zuzurechnenden - Einwendungen auseinanderzusetzen (vgl. , m.w.N.; ).

Keine Beweisregeln in der Bundesabgabenordnung

Im gegenständliche Verfahren ist gemäß § 2 lit. a BAO die Bundesabgabenordnung anzuwenden. Die Bundesabgabenordnung kennt in ihren Bestimmungen über das Ermittlungsverfahren keine gesetzlichen Beweisregeln, insbesondere keine Regelung, dass die Feststellung des Vorliegens eines Grades der Behinderung von zumindest 50% oder des Eintritts einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ausschließlich davon abhängt, ob eine zeitnah erstattete ärztliche Bestätigung vorliegt (vgl. ). Nach § 166 BAO kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist. Die Behörde (und das Verwaltungsgericht) hat gemäß § 167 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht (vgl. ). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ; ; ; ; u.v.a.m.).

Die Beweiswürdigung ist nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut oder den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen. Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, daher, ob sie mit der objektiven Wahrheit übereinstimmt, entzieht sich dagegen der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser prüft die Beweiswürdigung somit nur auf ihre Schlüssigkeit (vgl. ; ; ; u.v.a.m.).

[...]

Im Gutachten vom wird der Beginn der Behinderung von 50% mit Jänner 2019 angegeben.

Das Gutachten vom setzt dagegen auch schlüssig den Beginn der Behinderung von 50% bereits mit Dezember 2018 an:

Zitat aus diesem Gutachten: "Begründung - GdB liegt vor seit: 12/2018; GdB liegt rückwirkend vor: Rückwirkende Anerkennung ist ab gesicherter gestellter Diagnose im ersten Befundnachweis 12/2018 (mit Datum der Untersuchung} möglich, ab diesem Zeitpunkt wurden Behandlungen empfohlen, davor keine bestätigten Therapien. Gutachten erstellt am von Dr.in ***18***;

Es kommt für die Gewährung des Erhöhungsbetrags nicht darauf an, ob ein Leiden bereits seit der Geburt bestanden hat. Für den Erhöhungsbetrag ist vielmehr von Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt ein Leiden einen Umfang angenommen hat, der einen Grad der Behinderung von mehr als 50% nach sich zieht (vgl. etwa , zu Autismuserkrankung).

"Frühkindlicher Autismus" beschreibt eine Kategorie der Autismus-Spektrum-Störungen, die sich durch Störungen der sozialen Interaktion, der Kommunikation und Sprache sowie der Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten manifestieren. Die Symptome des Frühkindlichen Autismus sind zwar meist schon von Geburt an vorhanden, machen sich aber erst in späterem Alter bemerkbar (vgl. https://autismus-institut.de/therapie-institut/was-ist-autismus/symptomatik/fruehkindlicher-autismus/).

Wie bereits zur Beweiswürdigung ausgeführt, bestehen seitens des Bundesfinanzgerichts keine Bedenken gegen die Richtigkeit der im Gutachten vom wiedergegebenen Daten.

Aus den im Gutachten vom wiedergegebenen Zitaten aus Befunden ergibt sich nichts, dass auf das Vorliegen einer Behinderung von zumindest 50% vor dem Dezember 2018 (bis zurückreichend ab 09/2016- der Geburt des Sohnes) schließen lässt.

Kein Nachweis eines Grads der Behinderung von zumindest 50% ab 09/2016 bis November 2018:

Kann eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice, das ein Grad der Behinderung von zumindest 50% bereits ab einem bestimmten Zeitpunkt besteht, nicht vorgelegt werden und kann daher ein Grad der Behinderung von zumindest 50% bereits ab diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Das Finanzamt hat die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die einem Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag entgegenstehen oder einschränken, der Antragsteller für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag begründen oder ausweiten bzw. eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen. Bescheinigt das Sozialministeriumservice lege artis einen Grad der Behinderung von zumindest 50% bis November 2018 nicht, geht dies zu Lasten des Antragstellers (vgl. u.v.a.).

Der Bf konnte den Nachweis eines Grads der Behinderung von zumindest 50% seines Sohnes für den Zeitraum zwischen Geburt und November 2018 nicht erbringen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Grundbetrags samt Erhöhungsbetrag liegen daher für den Zeitraum September 2016 bis November 2018 nicht vor.

Der Spruch des angefochtenen Bescheids wurde insoferne abgeändert, als sich der Zeitraum der Abweisung durch diese Entscheidung von September 2016 bis November 2018 (bisher bis Dezember 2018) einschränkte. Auch für Dezember 2018 und Folgezeitraum (wie schon bisher) wird daher die erhöhte Familienbeihilfe gewährt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens, und damit auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Teil der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. ; , m.w.N.).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
erhöhte Familienbeihilfe
ärztliche SV-Gutachten
GdB 50 %
Zeitraum
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5101151.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at