Keine Abgabennachsicht bei einem Säumniszuschlag wegen verspäteter Entrichtung der Umsatzsteuer für das vierte Quartal
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde der E**** M****, [Adresse], StNr *****/****, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten gemäß § 236 BAO hinsichtlich Säumniszuschlag für Umsatzsteuer 10-12/2023 zu Recht:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Datum vom setzte das Finanzamt von der Umsatzsteuer 10-12/2023 in Höhe von € 2.941,62 gemäß § 217 Abs 1 und 2 BAO mit 2% einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 58,83 fest.
Die Festsetzung sei erforderlich gewesen, weil die angeführte Umsatzsteuer nicht bis zum entrichtet worden sei.
Betreffend diesen Säumniszuschlag von € 58,83 beantragte die Beschwerdeführerin am per FinanzOnline gemäß § 236 BAO eine Nachsicht von der Entrichtung, wobei sie zusammengefasst zur Begründung ausführte, sie habe "von der Bezahlung der Umsatzsteuer" 10-12/2023 erst durch eine Nachschau in FinanzOnline bzw durch ihre Buchhalterin erfahren. Sie habe "vom Finanzamt keine Information (weder per Post noch per Mail-FinanzOnline) über den Rückstand erhalten". Die Umsatzsteuer sei sofort nach Kenntnisnahme des Rückstandes Mitte März 2024 am an das Finanzamt überwiesen worden.
Das Finanzamt wies mit dem angefochtenen Bescheid dieses Nachsichtsersuchen vom ab, wobei es in der Begründung zusammengefasst ausführte, es liege im Beschwerdefall weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit vor.
Eine persönliche Unbilligkeit liege insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedürfe es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genüge, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich seien, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden seien und die jeden gleich berührten, stellten keine Unbilligkeit dar.
Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, da es sich bei der Vorschreibung eines Säumniszuschlages lediglich um die Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage handle, die alle Abgabenpflichtigen in gleicher Weise treffe und es im Beschwerdefall weder zu einer anormalen Belastungswirkung noch zu einem atypischen Vermögenseingriff komme.
Da bereits die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen fehlten bleibe für eine Ermessensentscheidung kein Raum.
Zudem sei die Umsatzsteuer eine Selbstbemessungsabgabe und grundsätzlich vom Abgabenpflichtigen mittels Umsatzsteuervoranmeldung an das Finanzamt zu melden. Somit sollte dem Abgabenpflichtigen die Höhe der Umsatzsteuer bekannt sein.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde vom , in welcher die Beschwerdeführerin auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtete und die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte. Die Beschwerdeführerin bringt darin zusammengefasst vor, sie habe durch die behördlich verfügten Sperren ihrer beiden Gastgewerbebetriebe infolge COVID 19 in den Jahren 2020 und 2021 erhebliche Verluste zu verzeichnen gehabt und 2021 ein negatives Ergebnis erzielt. Die im Jahr 2021 erhaltenen COVID-Förderungen seien daher für sie existenziell notwendig gewesen. Zusätzlich sei ihr mit Bescheid vom Einkommensteuer für das Jahr 2021 von € 5.793 vorgeschrieben worden; sie habe gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben, die Höhe sei ihr nicht erklärbar, überdies sei der Betrag für sie nicht finanzierbar. Nach der Wiedereröffnung der beiden Lokale habe sich der Umsatz um einiges verringert, die Zahlungen und Abgaben seien jedoch fast gleichgeblieben. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2022 und 2023 seien noch ausständig, es würden jedoch dabei wohl weitere Zahlungen auf sie zukommen.
Aus all den angeführten Gründen sei sie der Ansicht, dass in ihrem Fall eine Unbilligkeit gegeben sei, da die zusätzlichen finanziellen Belastungen ihre wirtschaftliche Existenz gefährdeten. Sie habe im Oktober 2023 einen Bankkredit von ca € 32.000 aufgenommen, den sie auch in monatlichen Raten zurückzahlen müsse. Sie ersuche daher diese Umstände zu berücksichtigen und eine für sie tragbare, menschliche und wirtschaftlich gesehen zumutbare Entscheidung zu treffen und die beantragte Nachsicht zu erteilen.
Das Finanzamt legte die Beschwerde am ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vor. In seinem Vorlagebericht führte das Finanzamt ua aus, die Nachsicht sei am beantragt worden, am sei der Säumniszuschlag von € 58,83 vollständig entrichtet worden. Die in § 236 Abs 1 BAO geforderte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liege im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genüge, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Einen Sachverhalt, der für die Qualifikation als persönliche Unbilligkeit in Betracht käme, habe die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Die Voraussetzungen für die sachliche Unbilligkeit seien im angefochtenen Bescheid ausführlich begründet worden. Eine sachliche Unbilligkeit sei nicht gegeben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt gemäß § 217 Abs 1 und 2 BAO mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß § 217 Abs 4 BAO hinausgeschoben wird.
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Abs 1 findet gemäß § 236 Abs 2 BAO auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Die Bestimmungen des § 235 Abs 2 und 3 gelten gemäß § 236 Abs 3 BAO auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.
Den Nachsichtswerber trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht; er hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann.
Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Antragsteller.
Daher hat die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 4 mwN).
Gemäß § 236 Abs 2 BAO können auch bereits entrichtete Abgaben nachgesehen werden. Die Rechtskraft der Abgabenvorschreibung ist nicht Voraussetzung für die Nachsicht. Für die Nachsicht entrichteter Abgaben ist dabei an den Begriff der Unbilligkeit kein anderer (kein strengerer) Maßstab anzulegen als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgabenschulden (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 7 mwN).
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann nach Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein.
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 10).
Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet.
Allerdings bedarf es keiner Existenzgefährdung; es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, zB wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte. Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 10 mwN).
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.
Eine solche Unbilligkeit kann nach der Rechtsprechung beispielsweise vorliegen, wenn eine vom Gesetz objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt oder wenn die Inanspruchnahme von Bilanzierungswahlrechten bei einer Personengesellschaft zu einer Besteuerung des Gewinnanteiles eines Minderheitsgesellschafters zu mehr als 200 % führt; ebenso wenn die Festsetzung eines Säumniszuschlages ausschließlich durch die verzögerte Erledigung eines Umbuchungsantrages entstanden ist und den Abgabepflichtigen an der Verzögerung kein Verschulden trifft oder wegen einer für den durch die Umbuchung zu Begünstigenden unvorhersehbaren kontokorrentmäßigen Verrechnung nichts oder weniger umgebucht werden konnte, als im Zeitpunkt der Einbringung des Umbuchungsantrages an Guthaben des Antragstellers zu Buche stand (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 11 mwN)
Eine sachliche Unbilligkeit liegt jedoch nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist. Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 BAO.
Beim Säumniszuschlag ist ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen schuldhaftem Fehlverhalten und dessen steuerlicher Auswirkung (eine allenfalls darin erblickbare Härte) ein unmittelbares und gewolltes Ergebnis des starren Prozentsatzes (des § 217 BAO) vom nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrag (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 13 mwN).
Die Einhebung des Säumniszuschlages ist nicht allein schon deshalb unbillig, weil den Abgabenschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgabe kein Verschulden trifft. Diesfalls räumt § 217 Abs 7 BAO eine Korrekturmöglichkeit ein.
Die Einhebung eines Säumniszuschlages ist nicht wegen der geringen Dauer der Säumnis oder der finanziellen Situation des Nachsichtswerbers allein unbillig. Es ist eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage, dass der Säumniszuschlag bei kurzer Verzugsdauer einer höheren "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages entspricht als bei längerer Dauer. Eine Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages wird dadurch nicht begründet (RAE, Richtlinien für die Abgabeneinhebung Rz 1702 ff mwN).
Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes.
Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz/Koran, BAO7 § 236 BAO Rz 15 f mwN).
Die Beschwerdeführerin lässt durch ihr Vorbringen eine Existenzgefährdung ebensowenig erkennen wie außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen, welche mit der Abstattung der Abgabenschuld von € 58,83 verbunden wären, wie etwa wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte. Eine persönliche Unbilligkeit liegt somit nicht vor.
Wie das Finanzamt im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt handelt es sich bei der Vorschreibung eines Säumniszuschlages lediglich um die Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, welche alle Abgabenpflichtigen in gleicher Weise treffen. Im Beschwerdefall kommt es weder zu einer anormalen Belastungswirkung noch zu einem atypischen Vermögenseingriff. Ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff käme, liegt im Beschwerdefall gerade nicht vor. Eine sachliche Unbilligkeit liegt somit gleichfalls nicht vor.
Da somit weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt, fehlt es bereits an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Abgabennachsicht, es bleibt daher für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr.
Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.
Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1702 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103460.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at