Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe aufgrund des Vorliegens einer Berufsausbildung bzw. der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab März 2023 zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe nur mehr für den Zeitraum März 2023 bis Juli 2024 ausgesprochen wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Antrag, Ergänzungsersuchen, Abweisungsbescheid
Am wurde durch die Beschwerdeführerin der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab 03/2023 gestellt, wobei im Rahmen des Antrages darauf verwiesen wurde, dass sich das anspruchsvermittelnde Kind weiterhin in Berufsausbildung befinde.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin durch das belangte Finanzamt um die Übermittlung von Nachweisen betreffend das Vorliegen einer Berufsausbildung (Schulnachricht/Jahreszeugnis ab Wintersemester 2022 bis laufend) gebeten.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den beantragten Zeitraum (d.h. ab 03/2023) abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die geforderten Nachweise über das Vorliegen einer Berufsausbildung nicht vorgelegt worden seien und es somit nicht zur Auszahlung einer Familienleistung kommen könne.
B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag
Mit Eingabe vom wurde durch die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den obig angeführten Abweisungsbescheid vom erhoben. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend Antrag auf Familienbeihilfe vom für ***T*** ***SV-Nr. T*** ab März 2023 erhebe ich fristgerecht das Rechtmittel der Beschwerde. Die Begründung, dass die Familienbeihilfe abgewiesen wurde, da ich der Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen bin, ist nachvollziehbar. ***T*** hat in der Zeit ab dem Wintersemester 2022 aus gesundheitlichen Gründen kein positives Schulergebnis erbringen können, weshalb ich auch keine Zeugnisse vorlegen konnte.
Zusätzlich wurde im Rahmen dieser Eingabe ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung gestellt:
Hiermit beantragen ich rückwirkend die erhöhte Familienbeihilfe ohne Altershöchstgrenze, da unsere Tochter ***T*** dauerhaft außerstande ist, sich den Lebensunterhalt selbst zu verschaffen. Begründung: Seit ihrem 7. Lebensjahr sind wir auf der Suche nach medizinischer Unterstützung. Sie fällt nach mehr oder minder großen Anstrengungen immer wieder in lange anhaltende Erschöpfungszustände, begleitet von unterschiedlichen körperlichen Symptomen. Letztendlich wurde vom Neurologen ***Dr.1*** ME/CFS diagnostiziert. Folgende weitere Erkrankungen wurden in den letzten Jahren bei ***T*** festgestellt: Hashimoto, Boreliose, Epstein Barr Virus, Zöliakie. ***T*** war bereits über den Verein ***Verein*** in Psychotherapie. Nachdem ihre Therapeutin verzogen ist, hat ***T*** zu ***LS*** gewechselt, bei der sie sich nach wie vor psychotherapeutisch unterstützen lässt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde zunächst auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 verwiesen und anschließend unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "Berufsausbildung" dargestellt, dass eine Berufsausbildung "ernsthaft und zielstrebig" betrieben werden müsse, damit daraus ein Anspruch auf Familienbeihilfe abgeleitet werden könne. Das sei jedoch im Falle von ***T*** im streitgegenständlichen Zeitraum (d.h. Sommersemester 2023, beginnend mit 03/2023) nicht erfüllt. Es bestehe somit - mangels der Erfüllung der Voraussetzungen - kein Anspruch der Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967.
Auch aus dem ab 09/2023 festgestellten Grad der Behinderung von 30% lasse sich kein Anspruch auf Familienbeihilfe ableiten, da für ein volljähriges Kind gemäß § 2 Abs. 2 lit. c FLAG 1967 nur dann Familienbeihilfe zustehe, wenn das Kind wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei.
Mit Eingabe vom wurde durch die Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag eingebracht. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Die Ärztin Fr. ***Dr.2*** vom Sozialministeriumsservice war zu Beginn der Begutachtung so ehrlich, zu sagen, sie kenne die Diagnose ME-CFS nicht. Fr. ***Dr.2*** begründet ihre Einschätzung, unsere Tochter ***T*** wäre voraussichtlich nicht dauerhaft außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, mit einem fehlenden Nachweis einer integrativen Maßnahme. Hier möchte ich vorausschicken, wir sind seit ihrem 7. LJ auf der Suche, wie wir ***T*** medizinisch unterstützen können, damit sie den Alltag gut meistern kann. (Im Anhang sende Ich Ihnen einen Nachweis der von ***T*** bereits absolvierten integrativen Maßnahme ***Einrichtung***, die ***T*** von bis besucht hat.) Zur Zeit, bzw. seit ihrer Beendigung der Abendschule ist ***T*** kaum in der Lage, das Haus zu verlassen. Nach dem Wahrnehmen des Termins bei Fr. ***Dr.2*** in ***Ort3*** hat ***T*** beispielsweise 4 Tage gebraucht, um sich wieder zu erholen. Angesichts dessen ist es z. Z. nicht vorstellbar, dass ***T*** einer Integrativen Maßnahme nachgeht, bei welcher sie regelmäßig unser Haus zu verlassen hat. Wenn es eine derartige Maßnahme gibt, die ***T*** von zu Hause aus besuchen kann, zeigt ***T*** Bereitschaft, dies zu versuchen. Diesbezüglich haben wir uns mit der Caritas OÖ in Verbindung gesetzt und warten auf eine Antwort. Da ME-CFS eine Erkrankung ist, die eine gänzlich andere Therapie braucht, als andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, ersuchen wir um eine neuerliche Begutachtung durch einen Arzt oder eine Ärztin, die bereits mit dem Krankheitsbild Erfahrung hat.
C. Gutachten
a) Gutachten des Sozialministeriumservice vom (auszugsweise Wiedergabe)
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Alle in der Untersuchung vorgelegten und elektron. vorliegenden Befunde/Nachweise inkl. allfällig vorhandener Vorgutachten wurden eingesehen und berücksichtigt - maßgebliche Auszüge daraus werden nachstehend aufgelistet:
03/24 ***Dr.3***, AM: seit 2015 h.o. rezidivierend wegen chronischer Müdigkeit - bislang keine eindeutigen Pathologien. - Dauerhafte Eingliederung in das Schul- oder Arbeitssystem nicht möglich gewesen. Mit der aktuellen Diagnose POTS ev. Therapie mit Astonin H hilfreich.
02/24 ***Dr.1***, FA neurol.: ME/CFS; Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom - Versuch nun mit Astonin H in steigernder Dosierung bis zur Aufsättigung.
10/23 ***LS***, Psychoth.: Behandlungsbestätigung ab 02/23
09/23 ***Dr.1***, FA Neurol.: ME/CFS
01/22 ***Dr.4***, AM, Ganzheitliche Medizin: Auszug 02/20 bis 01/22Allergien, Darmdysbiose, Vit-B-Mangel, Borreliose, EBV, Hashimoto-Thyreoiditis,Schwermetallbelastung vor allem Arsen, Cadmium, Aluminium
Kopfschmerzen
Zöliakie
01/22 Labor ***Dr.5***: Ery, Cortisol und freies T3 gering erhöht, Eisenmangel, Vit D gering erniedrigt. Gliadin IgG-AK etwas erhöht, Transglutaminasen ijm Normbereich
01/19 ***KH*** SD-Sono (nur erste Seite): Multiple echoarme noduläre Veränderungen bis zu einem max. DM von 4mm. Keine Mehrvaskularisation. Vergröß. Lnn bds, zum Untersuchungszeitpunkt keine Einschmelzung...
11/18 ***KH***: Cephalea, Abdominalschmerzen bei Meteorismus, V.a. thyreoiditis de Quervain, Lymphadenitis colli, Zöliakie
09/15 Labor ***Dr.6***:Gliadin IgG AK erhöht (50,9), Gliadin IgA AK neg., endomysiale AK neg., EMA-Titer >1:10, EBV IgG- AK pos., keine Durchführung Transglutaminasen.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom, Chronic Fatigue. Anamnestisch seit Kindheit belastet, Schule abgebrochen aufgrund zunehmenden Energieverlusts diverser somatischer Beschwerden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, auch Versuch Abendschule anamnestisch dann abgebrochen. Jetzt oben genannte Diagnosestellung. Nach anamnestisch diversen Medikamenten nun vom Neurologen Versuch mit Astonin H, dieses anamnestisch heute begonnen. Begleitdepressio miterfasst, Psychotherapie. Keine Nachweise integrativer Maßnahmen. | 30 |
Gesamtgrad der Behinderung30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
laut Pos 1.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zöliakie - kein Nachweis entsprechend erhöhter Transglutaminasen. Anamnestisch glutenfreie Kost.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Erstgutachten
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
x jao nein
GdB liegt vor seit: 09/2023
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Laut Fachbefund 09/23 ***Dr.1***, hier erstmals Diagnose chronische Fatigue/Müdigkeit.
Frau ***T*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Aufgrund fehlender Nachweise integrativer Maßnahmen und bei normaler Kognition ist eine Arbeitsunfähigkeit nicht attestierbar.
[…]
b) Gutachten des Sozialministeriumservice vom (auszugsweise Wiedergabe)
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Sämtliche angeführten Befunde wurden zur Untersuchung mitgebracht und liegen in Kopie vor.
Klinisch psychologischer Befund, ***Dr. 7***, ***Ort3*** am
Diagnosen:
Psychische Belastung reaktiv auf körperliche Erkrankungen im Sinne von affektiven Symptomen (v.a. depressiver/ängstlicher Natur) gesicherte Diagnose Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS), angführte neurologische Diagnose aus den Vorbefunden, die durch die vorliegenden Ergebnisse in diesem Gutachten gestützt und abgesichert wird.
Zusammenfassung auszugsweise:
Aufgrund der reduzierten Belastbarkeit sind jedwede Aktivierungsmaßnahmen bei Frau […] weder sinnvoll noch gesundheitsförderlich. Die Prognose von ME/CFS ist im Allgemeinen schlecht, sodass von einer lebenslangen, chronischen Erkrankung ausgegangen wird (Davis et al. 2023), nur 5% erleben eine Spontanremission (Cairns & Hotopf, 2005).
Arbeitspsychologischer liegt wegen der engen Belastungsgrenzen keine Umschulbarkeit vor. Falls eine Arbeitstätigkeit ins Auge gefasst wird, sind nach 50 Minuten ununterbrochener Arbeitstätigkeit mind. 10 Minuten Zusatzpausen erforderlich. Berufskundlicherseits ist davon auszugehen, dass jegliche Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt (zB auch Tätigkeit wie die einer Portierin)nicht realistischerweise ausübbar sind. Das liegt u.a. darin begründet, dass der Pausenbedarf deutlich über dem liegt, derüblicherweise am allgemeinen Arbeitsmarkt toleriert wird (Rechtssprechung OGH, insbes. RS 0084414). Insgesamt lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass Frau […] dauerhaft außerstande sein wird, alleine für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Dies ist u.a. darin begründet, dass nach aktuellem Wissenstand bei ME/CFS lediglich eine symptomatische Behandlung möglich ist, jedoch keine ursächliche (Hoffmann et al., 2024). Dieser Sachverhalt schließt eine Funktionsfähigkeit wie vor der Erkrankung deutlich aus.
Laborbefund , ***Dr.6*** - Gliadin IgG AK 50,9U/ml (<12<) bei erniedrigtem gesamt IgA von 76mg/dl (90 - 450), positive Borrelien IgG AK und EBV-VCA IgG AK, ASL-O 744IU/ml (<150)
Arztbrief, ***KH*** vom - Diagnosen: Cephalea, Abdominalschmerzen bei Meteorismus, V.a. Thyreoiditis De Quervain, Lymphadenitis colli, Zöliakie
Befundbericht, ***Dr.4***, AM, ***Ort2*** am - Diagnosen: Allergien, Darmdysbiose, Vit. B Mangel, Borreliose, EBV, Hashimoto Thyreoiditis, Schwermetallbelastung v.a. mit Arsen, Cadmium und Aluminium, Kopfschmerzen, Zöliakie
Laborbefund vom , ***Dr.5*** - 25-Hydroxyvitamin D 24,59ng/ml (30 - 100)
Arztbrief ***Dr.1***, FA für Neurologie, Wien am - ME/CFS, POTS
Bestätigung ***Dr.3***, AM, ***Ort1*** - seit 2015 wegen chronischer Müdigkeit immer wieder in Behandlung und Abklärung. Eingliederung in Schul- und Arbeitssystem war nicht möglich.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Myalgische Enzehphalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS) - sgm.; Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS), ausgeprägte Post Exertional Malaise (PEM), langjährige Symptome, deutliche Beeinträchtigung im sozialen Leben und Alltag, somatische Beschwerden (Schwindel, Schmerzen - Kopf, Bauch, Hals, Extremitäten), psychische Belastung, regelmäßige Psychotherapie und Neurologische Kontrollen, Arbeitsfähigkeit nicht gegeben; | 50 |
Gesamtgrad der Behinderung50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung von 50 %.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zöliakie - eine eindeutige Diagnosestellung ist aufgrund der vorliegenden Befundkonstellation nicht möglich. (Gliadin IgG AK 50,9U/ml (<12<) bei erniedrigtem gesamt IgA von 76mg/dl (90 - 450), restl. Zöliakiebefunde oB, Blutabnahme wurde anamnestisch nach glutenfreier/armer Kost durchgeführt).
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung von 30% auf 50% aufgrund des aktuellen klinisch-psychologischen Befundes vom und der glaubhaften und auch durch vorliegende Befunde bestätigten Ausprägung der Beeinträchtigung.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:
x jao nein
GdB liegt vor seit: 08/2024
GdB 30 liegt vor seit: 09/2023
Frau ***T*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 08/2024
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Lt. aktuellem klinisch-psychologischem Gutachten wird Frau […] voraussichtlich nicht im Stande sein sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine Arbeitsfähigkeit/Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt ist zur Zeit nicht gegeben;
o Dauerzustand
x Nachuntersuchung: 10/2025
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Spontanremission bzw. Verbesserung möglich. Verlaufskontrolle unter Vorlage aktueller, aussagekräftiger Fachbefunde.
[…]
D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Anschreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerdeführerin um die Übermittlung zusätzlicher Unterlagen gebeten. Zusätzlich wurde sie darauf hingewiesen, dass verfahrensgegenständlicher Bescheid jener ist, mit dem vom belangten Finanzamt der Antrag auf Familienbeihilfe ab 03/2023 abgewiesen wurde. Da im Rahmen der gegenständlichen Beschwerde allerdings im Wesentlichen die Feststellung bekämpft wurde, dass ***T*** nicht voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (siehe das Gutachten des Sozialministeriumservice vom ) und auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer Berufsausbildung argumentativ nicht eingegangen wurde, wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, dies nachzuholen.
Im Rahmen der Rückmeldung vom wurde seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass es in erster Linie darum gehe, die erhöhte Familienbeihilfe zu beantragen bzw. gegen die Abweisung des entsprechenden Antrages vorzugehen. Die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe wegen Vorliegens einer Berufsausbildung könne - wie aus der Beschwerde vom hervorgeht - nachvollzogen werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat am einen Antrag auf Gewährung bzw. Weitergewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum ab 03/2023 gestellt, wobei begründend auf das Vorliegen einer Berufsausbildung des anspruchsvermittelnden Kindes (d.h. der Tochter der Beschwerdeführerin) verwiesen wurde.
Die Tochter der Beschwerdeführerin ist am tt.10.2003 geboren und hat somit am tt.10.2024 das 21. Lebensjahr vollendet. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat beginnend mit dem Wintersemester 2021 das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige in ***Ort3*** besucht. Spätestens ab dem Beginn des Wintersemesters 2022 (d.h. ab September 2022) hat die Tochter der Beschwerdeführerin kein positives Schulergebnis erbringen können. Der zeitliche Umfang des Schulbesuches hat im Zeitraum bis 12 Wochenstunden betragen.
Bei der Tochter der Beschwerdeführerin liegt seit 09/2023 ein Grad der Behinderung von 30% und seit 08/2024 ein Grad der Behinderung von 50% sowie eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen betreffend den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ergeben sich aus diesem.
Die Feststellung zum Geburtsdatum des anspruchsvermittelnden Kindes (d.h. der Tochter der Beschwerdeführerin) ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Antrag bzw. dem streitgegenständlichen Bescheid. Die Feststellung zum Beginn des Schulbesuches ergibt sich aus den Datenbanken der Finanzverwaltung, in die vom erkennenden Richter Einsicht genommen wurde. Die Feststellung, wonach spätestens mit Beginn des Wintersemesters 2022 kein positiver Schulerfolg vorliegt, ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde. Der zeitliche Umfang des Schulbesuches ergibt sich aus der Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums für Berufstätige vom .
Betreffend den festgestellten Grad der Behinderung bzw. die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wird wie folgt ausgeführt:
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden sind und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).
Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (). Durch ein Privatgutachten, Röntgenbilder, chemische Analysen oder Ähnliches könnte allenfalls die Schlüssigkeit der vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten widerlegt werden (z.B. mwN; ).
Zum Inhalt der vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten wird zunächst auf die obigen Ausführungen unter Punkt "I. C." verwiesen, in dem die Gutachten auszugsweise wiedergegeben wurden.
Demnach wurde im Rahmen des ersten Gutachtens (d.h. jenem vom ) ein Grad der Behinderung von 30% ab 09/2023 und keine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt. Im zweiten Gutachten (d.h. jenem vom ) wurde ein Grad der Behinderung von 50% ab 08/2024 (GdB 30% von 09/2023 bis 07/2024) sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab 08/2024 festgestellt.
Dieser Widerspruch zwischen den Gutachten (insbesondere betreffend die erst im Gutachten vom festgestellte voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen) ist - vor allem - auf ein in der Zwischenzeit von der Beschwerdeführerin eingeholtes klinisch-psychologisches Gutachten vom zurückzuführen. Aus diesem Gutachten ergibt sich die "gesicherte Diagnose", dass die Tochter der Beschwerdeführerin als an ME/CFS leidet, dass aufgrund der "reduzierten Belastbarkeit jedwede Aktivierungsmaßnahmen" bei der Tochter der Beschwerdeführerin "weder sinnvoll noch gesundheitsförderlich" seien, dass von einer lebenslangen, chronischen Erkrankung auszugehen sei und dass "berufskundlicherseits" nicht realistischerweise davon auszugehen sei, dass eine Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt werden könne, dies aufgrund des deutlich erhöhten Pausenbedarfes.
Es ist somit nicht unschlüssig, dass es im Gutachten vom - obwohl zwischen diesem Gutachten und dem Erstgutachten vom nur knappe sechs Monate liegen - zu einer deutlichen Erhöhung des Grades der Behinderung sowie zur erstmaligen Feststellung, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, gekommen ist. Dies wurde auch im Rahmen des Gutachtens vom entsprechend begründet, indem auf den aktuellen klinisch-psychologischen Befund vom sowie auf die "glaubhafte und auch durch vorliegende Befunde bestätigte Ausprägung der Beeinträchtigung" Bezug genommen wurde.
Auf Basis der obigen Ausführungen bestehen somit keine Bedenken, dieser Entscheidung das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
A. Rechtliche Grundlagen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
[…]
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]
c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
[…]
§ 8 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
B. Erwägungen
a) Vorliegen einer Berufsausbildung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen ( mwN).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ( mwN).
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt hat die Tochter der Beschwerdeführerin (mindestens) seit dem Wintersemester 2022 keine positiven Schulergebnisse vorzuweisen. Zudem bewegt sich der aus der vorgelegten Schulbesuchsbestätigung ersichtliche Stundenaufwand von 12 Wochenstunden deutlich unter jener Grenze, ab der davon ausgegangen werden kann, dass die Berufsausbildung "in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch" nimmt. Davon kann - nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des BFG im Falle von Ausbildungen, deren Ziel die Erlangung der Matura ist - erst ab einem Stundenausmaß von etwa 30 Stunden zuzüglich Hausaufgaben gesprochen werden (vgl. etwa ).
Auf Basis der obigen Ausführungen steht somit fest, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 abgeleitet werden kann.
b) Vorliegen einer erheblichen Behinderung
Gemäß der obig zitierten Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe - unter anderem - für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Dies ist - nach dem festgestellten Sachverhalt - im Falle der Tochter der Beschwerdeführerin (d.h. des anspruchsvermittelnden Kindes) ab 08/2024 erfüllt. Demnach war der angefochtene Bescheid insofern abzuändern, als die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe nur mehr für den Zeitraum 03/2023 bis 07/2024 ausgesprochen wird.
Soweit der (ebenfalls gestellte) Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung betroffen ist, liegt die Entscheidung über den derzeit anhängigen Antrag gemäß § 299 BAO gegen den entsprechenden Abweisungsbescheid vom beim belangten Finanzamt.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (z.B. mwN). Die Prüfung der Schlüssigkeit eines Gutachtens des Sozialministeriumservice ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Etwaige Rechtsfragen wurden im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst. Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100292.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at