dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres, Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe besteht höchstens für fünf Jahre rückwirkend ab Antragstellung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen die Abweisungsbescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab November 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der am x.xx.1995 geborene Beschwerdeführer (Bf.) beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung für sich ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.
In dem im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ("Sozialministeriumservice") erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Anführung der vorgelegten relevanten Befunde folgende Diagnose erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 60 v. H. seit November 2016 festgestellt:
In der Begründung wurde ausgeführt:
"Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Skoliose
Stellungnahme zu Vorgutachten: Keine maßgebende Änderung gegenüber dem PassGA
GdB liegt vor seit: 11/2016
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2016
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Am AAM krankheitsbedingt dzt nicht konkurrenzfähig."
Dieses Gutachten vidierte der leitende Arzt am .
In den Bescheiden vom wurden die Anträge des Bf. für den Zeitraum ab November 2016 abgewiesen mit der Begründung, dass Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung höchstens fünf Jahre rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung ausgezahlt werde (§ 10 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Weiters steht Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind zu, wenn das Kind wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein.
Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Dagegen brachte der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde ein, in der begründend ausgeführt wurde:
"Im Sachverständigengutachten von Drin ***1*** vom , wo ein rückwirkender Grad der Behinderung seit 11/2016 festgestellt worden ist, wurden wesentliche Fakten und Befunde über einen früheren Beginn meiner erheblichen Behinderung nicht miteinbezogen. Daher lege ich diese erneut bei.
Beweise:
• Beschluss der Stellungskommission ***2*** vom
• Klinisch-psychologisches Gutachten von Mag. ***3*** vom
• Befund von Dr. ***4*** vom
• Ärztlicher Befund von Dr. ***5*** vom (angeführt im Gutachten von Drin ***1***)
• Psychodiagnostischer Befund von Dr. ***6*** vom (angeführt im Gutachten von Drin ***1***)
Ich leide an Zwangsgedanken und -handlungen gemischt (ICD: 42.2), die im Sachverständigen Gutachten von Drin ***1*** unter die Richtsatzposition subsumiert wurden.
Zwangserkrankungen sind leider keine seltenen Störungen, immerhin sind etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Bedauerlicherweise befinden sich die meisten Betroffenen gar nicht in Behandlung oder nicht in einer adäquaten Behandlung. Epidemiologische Studien schätzen, dass die Lebenszeitprävalenz für Zwangserkrankungen bei 2,5% der Allgemeinbevölkerung liegt, die 1- Jahresprävalenz bei 1,5 bis 2,1%. Der Beginn liegt bei Männern meist im sechsten bis 15. Lebensjahr, bei Frauen meist zwischen 20 und 29 Jahren. Unbehandelt haben die meisten Betroffenen einen chronisch schwankenden Verlauf mit Symptomverschlechterung. Es gibt Hinweise auf eine erbliche Komponente. Manchmal treten gleichzeitig andere psychische Störungen wie Angsterkrankungen, Tics oder Depressionen auf (siehe https://befund.net/zwangsstoerungen-ocd/)
Obwohl umfassende wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, dass etwa 2,5% der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben eine Zwangsstörung entwickeln, und die Zwangserkrankung damit eine relativ häufig auftretende psychische Störung ist, dauert es häufig lange, bis die richtige Diagnose gestellt wurde und der Patient die adäquate Behandlung bekommt. Statistische Erhebungen konnten zeigen, dass Patienten im Mittel drei bis vier Ärzte oder Therapeuten aufsuchen müssen, bis die Zwangserkrankung richtig diagnostiziert und behandelt wird, und dass Betroffene durchschnittlich 17 Jahre und länger mit dem Zwang leben, bevor sie adäquate Therapie bekommen. Dies kann zum einen damit zusammenhängen, dass Zwänge häufig sehr schambesetzt sind oder dass Betroffene am Anfang noch wenig Einsicht darüber haben, dass ihr Verhalten und Erleben übertrieben und unsinnig sind. Zum anderen kann es eine ganze Weile dauern, bis ein Betroffener ein auf Zwangsstörungen spezialisiertes Behandlungsangebot findet.
Diese oben zitierten Studien und Erhebungen spiegeln sehr gut meinen Leidensweg wieder. Sehr früh äußerte sich meine Erkrankung in extremen Zornausbrüchen. Schon im kindlichen Alter traten unterschiedliche Ängste und Zwänge auf (Siehe Klinisch psychologisches Gutachten von Mag. ***3*** S.1f). Jedoch wurden diese Zwänge mit dem Gutachten von Mag. ***3*** von Februar 2014 fälschlicherweise als Asperger-Syndrom (F 85.5 nach ICD-10 oder 299.80 nach DSM-IV) gedeutet. Fakt ist, dass meine erhebliche Beeinträchtigung erstmals Anfang 2014 fachärztlich festgestellt worden ist.
Beweis: Gutachten von Mag. ***3*** vom Befund von und Dr. ***4*** vom
Erst mit einer erneuten psychodiagnostischen Testung von Dr. ***6*** vom konnte diese falsche Diagnose ausgeschlossen werden.
Schon in meiner Lehrzeit (Lehre von Oktober 2010 bis Juli 2013, mit Unterbrechung durch Betriebsschließung des ersten Lehrbetriebs, insgesamt zwei Lehrbetriebe) äußerten sich meine Zwänge sehr stark, so dass ich nur unter großer Anstrengung diese Ausbildung abschließen konnte. Hier ist mir erstmals aufgefallen, dass ich starken Zwängen unterliege, wenn zB. das Siegel einer Wasserflasche geöffnet wird und ein Glas daneben zerbricht, muss ich den Inhalt der Falsche entleeren, da ich Angst habe, dass Splitter hineingekommen sind.
Damit man sich ein klares Bild über meine Zwänge machen kann möchte ich hierfür einige Beispiele benennen:
- Beim Ansehen eines Films muss in meinem Kopf immer alles logisch sein, und ich muss dann so lange im Kopf eine Lösung finden bis alles eine Logik ergibt, das ist dann für mich sehr anstrengend./
- Beim Putzen gehe ich mehrmals über die entsprechende Fläche, bis mein Kopf sagt es passt, das ist ca. drei- bis fünfmal, kann aber auch öfter sein./
- Ich kontrolliere Kabel immer dahingehend, ob wohl alle richtig drinnen sind. Das mache ich dann, indem ich mehrmals drücke ob das Kabel auch fest genug sitzt. Dies kann ca. drei bis fünfmal oder auch öfter sein, und ich mache sogar hinter dem Möbelstück oder dem Gerät ein Video und kontrolliere, ob alles richtig drinnen ist./
- Ich drücke öfters die Kühlschranktür, ob Sie geschlossen ist, ca. zwei- bis dreimal, dies kann auch öfters sein./
- Ich kontrolliere die Tür mehrmals, ob sie zugesperrt ist./
- Ich kontrolliere den Herd, ob alle Schalter auf 0 gestellt sind, ca. drei- bis fünfmal, es kann auch öfters sein./
- Bei der TV Lautstärke gehe ich immer in Fünfer-Schritten vor, also 5, 10, 15 20..../
"In Gedanken muss immer alles eine Logik ergeben, also immer viele Zwänge in Gedanken, deswegen eben Gedanken und Handlungen."
Als weiteren Beweis meiner bereits vor November 2016 bestehenden starken Zwangsstörung lege ich auch den Beschluss der Stellungskommission ***2*** vom bei. Hier wurde erstmals meine erhebliche Beeinträchtigung festgestellt.
Um abschließend meinen langen Leidensweg zu untermauern, möchte ich noch meinen aktuellsten Befund über mein Tourette-Syndrom beilegen. Diese wurde erst im März 2024 festgestellt. Hierbei handelt es sich um eine dem Zwangsspektrum verwandte zugehörige Störung und dies zeigt sehr gut, wie komplex Zwangsstörungen sind.
Da ich einerseits im Antragsformular den Punkt "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung" angekreuzt habe und ich andererseits durch meine oben genannten Ausführungen den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Geburtstag dargelegt habe, stelle ich den ANTRAG:
Das Finanzamt Österreich möge im Rahmen einer Vorabentscheidung die angefochtenen Bescheide aufheben und meinen Antrag auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab Antragstelldatum rückwirkend auf fünf Jahre stattgeben."
Der Beschwerde beigelegt wurden
- Beschluss der Stellungskommission ***2*** vom
- Klinisch psychologisches Gutachten von Mag. ***3*** vom
- Befund von Dr. ***4*** vom
- Ärztlicher Befund von Dr. ***5*** vom (angeführt im Gutachten von Drin ***1***)
- Psychodiagnostischer Befund von Dr. ***6*** vom (angeführt im Gutachten von Drin ***1***)
- Befundbericht Dr. ***7*** vom (angeführt im Gutachten von Drin ***1***)
- Arztbrief von Dr. ***8*** vom
- Befundbericht Dr. ***7*** vom .
Unter Vorlage der Beschwerde samt Beilagen forderte das Finanzamt beim Sozialministeriumservice ein weiteres Sachverständigengutachten an.
Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde dieselbe Diagnose wie im Vorgutachten (VGA) erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wiederum ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 60 v. H. seit November 2016 sowie eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit seit November 2016 festgestellt.
Begründend wurde ausgeführt:
"GdB liegt vor seit: 11/2016
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Bestehend seit 2016-11-26 laut Arztbrief Dr. ***5***, Psychiater; Zwangsgedanken und -handlungen gemischt; weitere regelmäßige AB Dr. ***5*** und Dr. ***7*** zwischen 2016 und 2024.
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2016
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Weiterhin am AAM krankheitsbedingt nicht konkurrenzfähig."
Dieses Gutachten vidierte der leitende Arzt am .
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom ab und führte begründend aus:
"Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe wäre - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des FLAG - gegeben, wenn nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 bei Ihnen vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufgrund einer Behinderung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Besteht keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.
Die medizinischen Sachverständigengutachten gehen davon aus, dass eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedenfalls nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Da die Gutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zum gleichen Ergebnis kommen, ist das Finanzamt daran gebunden.
Hinsichtlich Ihrer Ausführungen, die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei bereits viel früher eingetreten, wird auf das Erkenntnis des verwiesen, in dem der Gerichtshof zum Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ausführt, dass § 6 Abs. 2 lit. d FLAG auf den Zeitpunkt des Eintritts der dauernden Erwerbsunfähigkeit abstellt. Eine solche Behinderung "kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt."
Im vorliegenden Beschwerdefall liegen die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 nicht vor, weil eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedenfalls nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist."
Daraufhin stellte der Beschwerdeführer fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der ergänzenden Begründung, dass im Sachverständigengutachten vom nicht sämtliche von ihm mit der Beschwerde vorgelegten Beweise zum Nachweis des Eintritts seiner Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres berücksichtigt worden seien.
Der Beschwerdeführer beantragt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Als weiteren Beweis legte er das Statusblatt von seiner Untersuchung beim Militärkommando ***2*** betreffend Untauglichkeit für das Bundesheer bei.
Im vom Finanzamt über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes angeforderten weiteren ärztlichen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom wurde unter Anführung der vorgelegten relevanten Befunde folgende Diagnose erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 60 v. H. seit Jänner 2014 festgestellt:
Begründend wurde ausgeführt:
"Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Sämtliche psychischen Probleme und deren Auswirkungen sind in der GS subsummiert.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Therapie und GS werden unverändert vom VGA übernommen.
Bezüglich des Zeitpunktes des Eintrittes der Selbsterhaltungsunfähigkeit ist anzuführen, dass sich dieser im Vorgutachten auf die vorliegenden Befunde (2016-11-26 laut Arztbrief Dr. ***5***, Psychiater; Zwangsgedanken und -handlungen gemischt; weitere regelmäßige AB Dr. ***5*** und Dr. ***7*** zwischen 2016 und 2024) stützte. Nun liegt eine Diagnosestellung eines Asperger Syndroms von einer Testung im Jänner und Feber 2014 vor. Die Diagnose wurde zwar später revidiert, aber die wesentliche und erhebliche psychische Problematik findet sich doch bereits in diesem Jahr wieder und wird in der weiteren Entwicklung auch durch den FB Dr.in ***5*** 11/2016 in ihrer erheblichen negativen Auswirkung auf die berufliche Eingliederung wiedergegeben. Dies auch vor dem Hintergrund offensichtlicher konsequenter und mehrfacher Ausbildungen zur Erleichterung einer beruflichen Eingliederung. Daher wird der Eintritt nun auf 01/2014 festgelegt.
GdB liegt vor seit: 01/2014
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Entsprechend klinisch psychologisches Gutachten von Mag. ***3*** vom und Befund von Dr. ***4*** vom .
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 01/2014
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Trotz mehrfacher und durchgezogener Ausbildungen war auf Grund der psychischen Problematik bisher keine stabile Eingliederung in ein Arbeitsverhältnis möglich, weshalb auch keine Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt wurde."
Dieses Gutachten vidierte der leitende Arzt am .
Mit Schreiben vom , beim BFG am eingelangt, zieht der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Das vorgenannte Sachverständigengutachten wurde dem Finanzamt zur Kenntnis übermittelt. In der dazu abgegebenen Stellungnahme vom teilt das Finanzamt mit, dass aufgrund des neuen Sachverständigengutachtens vom nunmehr vom Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen für die erhöhte Familienbeihilfe ab dem Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit auszugehen ist, wobei die bereits verjährten Zeiträume beachtet werden sollten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 bezweckt die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, mit Vollwaisen, für die niemand unterhaltspflichtig ist und die deshalb einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Der Gesetzgeber will mit dieser Bestimmung in jenen Fällen Härten vermeiden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen ().
Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. , , mwN, und ).
Im vorliegenden Fall liegt nunmehr ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom vor, das eine dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit Jänner 2014, also vor Vollendung des 21. Lebensjahres am x.xx.2016, feststellt.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist das Gutachten vollständig, ausführlich und schlüssig. Es wurden sämtliche vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Unterlagen bei der Erstellung des Sachverständigengutachtens des Sozialministeriumservice einbezogen.
Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.
Die Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung wurden vom Beschwerdeführer am rückwirkend im Höchstausmaß von fünf Jahren gestellt. Dieses Anbringen wurde in der Beschwerde vom wiederholt.
Der in den Abweisungsbescheiden vom angeführte Zeitraum ab November 2016 bis Jänner 2019 wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Aus diesem Grund wurde in der Beschwerdevorentscheidung vom der Spruch abgeändert.
Antragsgemäß liegen im gegenständlichen Fall nach § 6 Abs. 2 lit. d iVm § 10 Abs. 3 FLAG 1967 die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ab Februar 2019 vor.
Somit war wie im Spruch zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100473.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at