Abweichender Familienbonus Plus von Vereinbarung der Kindeseltern mittels Formular "E30"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Großschedl & Pußwald Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH, Marburger Straße 109, 8160 Weiz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im anhängigen BFG-Verfahren die Berücksichtigung des Familienbonus Plus (nachfolgend Fabo+) für die beiden Töchter der Beschwerdeführerin (Bf) aus ihrer geschiedenen Ehe bei der Arbeitnehmerveranlagung (ANV) 2021.
Die Bf begehrt mit Verweis auf eine Verzichtserklärung des Kindesvaters mittels Formular "E30" vom Jänner 2019 ganzjährig den vollen Fabo+ für beide Kinder. Zudem bestünden Unterhaltsrückstände.
Das Finanzamt Österreich (FA) geht davon aus, dass zivilrechtliche Vereinbarungen den gesetzlichen Anspruch unberührt lassen. Da der Kindesvater im Verfahrenszeitraum seinen Unterhaltsverpflichten zur Gänze nachgekommen sei, stehe beiden Elternteilen jeweils der halbe Fabo+ zu.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
I. Als Ergebnis der finanzgerichtlichen Ermittlungen (Auswertung der als unbedenklich erachteten Vorlageunterlagen und abgabenbehördlichen Datenbankrecherchen) legt das BFG der gegenständlichen Entscheidung den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen zugrunde:
Die als Lehrerin tätige Bf ist seit 2010 vom Vater ihrer im Okt 2003 bzw. Nov 2006 geborenen Töchter geschieden.
Im Verfahrenszeitraum bezog sie ganzjährig die Familienbeihilfe (FB) für beide Kinder.
Der Ex-Gatte war nach dem Beschluss des Bezirksgerichtes (BG) XY vom , Gz 99PU999/99 ab Okt 2020 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 642,- € verpflichtet (338,- € für die ältere Tochter bzw. 304,- € für die jüngere Tochter).
Im abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahren wurde nachgewiesen, dass er diesen Zahlungsverpflichtungen im Jahr 2021 zur Gänze nachkam (Beilagen zu Beschwerde/ Vorlageantrag; Bankunterlagen/Ex-Gatte mit Zahlungsnachweisen, BFG-Akt OZ3ff u OZ 11ff).
Laut Kontomitteilungen der Bezirkshauptmannschaft (BH) XY als Jugendwohlfahrtsbehörde vom (für die ältere Tochter) bzw. 1.Sept 2023 (für die jüngere Tochter) wurden vom Kindesvater im Jahr 2021 jeweils die gemäß dem Gerichtsbeschluss vom Dez 2020 monatlich zur Vorschreibung gelangten Beträge an den Wohlfahrtsträger bezahlt.
Die mit der Zahlung für Sept 2021 endende Aufstellung zur älteren Tochter ist einerseits durch das Datum des Ausdrucks und anderseits durch die mit der Volljährigkeit begrenzte gesetzliche Vertretungsbefugnis der BH XY begründet.
Die aus Sicht des BFG unbedenklichen Bankunterlagen des Kindesvaters belegen monatliche Überweisungen in Höhe des gerichtlich festgelegten Unterhalts bis zum Jahresende, mit Zahlungen ab Nov 2021 unmittelbar an die ältere Tochter.
Für die jüngere Tochter ergeben sich aus den Unterlagen beider Elternteile übereinstimmend ganzjährige Unterhaltszahlungen von monatlich 304,- €.
Nach den Unterlagen der BH XY bestanden gegenüber beiden Töchtern Unterhaltsrückstände aus Zeiträumen vor 2021, die sich im Verfahrenszeitraum bezüglich der jüngeren Tochter um 545,97 € bzw. bezüglich der älteren Tochter bis um 428,86 € verminderten (Schriftsatz 5.Jän 2021 u. Kontomitteilungen BH XY, BFG-Akt OZ 3ff u. OZ 9).
Bei der laufenden Lohnverrechnung der Bf berücksichtigte der Landesschulrat Steiermark als deren Dienstgeber (DG) gemäß vorgelegter Vereinbarungen zwischen den Kindeseltern (2x Formular "E30" vom ) ganzjährig der volle Fabo+ für beide Kinder.
Der Einkommensteuer (ESt)-Bescheid 2021 des Kindesvaters vom 27.Sept 2022 erging nach einem parallel bei der Bf und dem Ex-Gatten durchgeführten Ermittlungsverfahren erklärungsgemäß und erwuchs in Rechtskraft. Berücksichtigt wurde ganzjährig ein Unterhaltsabsetzbetrag (UAB) und der halbe Fabo+ für beide Töchter (876,- € u. 1.416,68 €).
Die Bf beantragte in der ANV-Erklärung 2021 den vollen Fabo+ für beide Kinder.
Im ESt-Bescheid 2021 vom und der Beschwerdevorentscheidung vom kam jedoch, mit Verweis auf die entsprechende Geltendmachung durch den Unterhaltszahler, ebenfalls nur ein halber Fabo+ von 1.416,68 € zum Ansatz.
II. Der Familienbonus Plus betrug im Jahr 2021 für Kinder bis zum vollendeten 18.Lebensjahr mtl. 125,- €, für ältere Kinder mtl. 41,68 € (§ 33 Abs 3a Z 1 EStG 1988, § 124b Z 392 EStG 1988).
§ 33 Abs 3a Z 3 EStG 1988 idF 2021 lautet, soweit verfahrensrelevant:
"Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 (…) zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 (…) zustehenden Betrages.
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 (…) zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 (…) zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 (…) zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
d) Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 (…) zustehenden Betrag beantragen."
§ 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 idF vor BGBl I Nr 108/2022 normierte bis für den Unterhaltsabsetzbetrag:
"Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro (…) monatlich zu."(…)
Für Zeiträume vor In-Kraft-Treten des BGBl I Nr 108/2022 ist nach der VwGH-Judikatur bei der Zuordnung von Unterhaltszahlungen primär entscheidend, für welches Kind bzw. welchen Zeitraum Zahlungen nach der Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bzw. bei deren Fehlen, nach der Widmung des Unterhaltsschuldners geleistet wurden (; ).
III. Auf Basis der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage erweist sich der angefochtene ESt-Bescheid 2021 vom als rechtskonform.
Nach dem Verfahrensergebnis kam der Ex-Gatte der Bf seiner Unterhaltspflicht im Jahr 2021 für beide Töchter zur Gänze nach und hatte daher Anspruch auf den in der ANV-Erklärung 2021 beantragten und im ESt-Bescheid 2021 vom 27.Sept.2022 berücksichtigten ganzjährigen UAB und den halben Fabo+ für beide Kinder. Entsprechend beschränkte sich der Anspruch der Bf im Jahr 2021 ebenfalls auf den halben Fabo+ für die Töchter.
Die Begrenzung auf den halben Fabo+ bei der Geltendmachung durch die Bf und ihren Ex-Gatten ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die beiderseitige Antragstellung (§ 33 Abs 3a Z 3 lit c EStG 1988) und ist einer abweichenden zivilrechtlichen Vereinbarung der Kindeseltern nicht zugänglich.
Die Formulierung des § 33 Abs 3a Z 3 EStG räumt der Abgabenbehörde bei einer Antragstellung kein Ermessen hinsichtlich der Zuordnung ein. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen hat das Finanzamt antragsgemäß vorzugehen ("Der Familienbonus Plus ist ……entsprechend der Antragstellung …..wie folgt zu berücksichtigen").
Ob der Unterhaltszahler seinen Anspruch in der ANV-Erklärung geltend macht, liegt allein in seiner Entscheidung. Der Gesetzgeber hat in Form der Bestimmung des § 33 Abs 3a Z 3 lit c EStG Vorkehrung für den Fall einer Uneinigkeit der Kindeseltern über eine Inanspruchnahme des Fabo+ getroffen. Auch insofern ist der Abgabenbehörde bei der Anwendung kein Ermessen eingeräumt.
Die von der Bf eingewendete Vereinbarung mittels Formular "E30" dient ausschließlich der Vorlage beim Dienstgeber zum Zweck der bereits unterjährigen Berücksichtigung eines Fabo+ bei der laufenden Lohnverrechnung. Eine Überprüfung der tatsächlichen Geltendmachung ist für den DG weder vorgesehen noch möglich, da der Unterhaltszahler sowohl den UAB als auch den Fabo+ erst nach Ablauf des Kalenderjahres in der ANV-Erklärung beantragen kann.
Die Berücksichtigung eines Fabo+ durch den DG entfaltet keine Bindungswirkung für die Abgabenbehörde. Zur Vermeidung bzw. Korrektur einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme wurde der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs 1 Z 12 EStG 1988 normiert bzw. steht das Verfahrensinstrument des § 295a BAO zur Verfügung.
Da der Ex-Gatte der Bf nach den getroffenen Feststellungen im Jahr 2021 der gesetzlichen Unterhaltspflicht für seine Töchter zur Gänze nachkam, war im ESt-Bescheid 2021 der Bf lediglich die zweite Hälfte des Fabo+ für beide Töchter zu berücksichtigen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren nicht zu klären. Soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, folgt die Entscheidung dem klaren Wortlaut der verwendeten gesetzlichen Bestimmungen sowie der angeführten VwGH-Judikatur.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100589.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at