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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2024, RV/2100451/2023

Keine Veranlagung ausländischer Unternehmer bei Übergang der Steuerschuld (§ 19 UStG 1994)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri***, die Richterin***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und ***LRi2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ECA Schreiner und Stiefler Steuerberatung GmbH, Wiener Straße 86-88/2/13, 3500 Krems/Donau,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des***FA*** zu Steuernummer ***BF1StNr1*** vom betreffend Umsatzsteuer 2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Ve rfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1***, ist eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung mit Sitz in ***A***, Deutschland.

Am reichte die Bf. eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2018 ein, in der sie Umsätze iHv 1.602,30 Euro und Vorsteuern iHv -49.199,46 Euro erklärte.

Mit Bescheid vom wurde die Bf. zur Umsatzsteuer veranlagt, wobei das Finanzamt von Umsätzen von Null ausging und auch keine Vorsteuern in Abzug brachte. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Der Vorlageantrag vom wurde vom GZ. RV/2100628/2022 dahingehend erledigt, dass der Umsatzsteuerbescheid 2018 unter Zurückverweisung in der Sache gemäß § 278 BAO an das ***FA*** aufgehoben wurde, weil vom Finanzamt nicht geprüft wurde, ob die Bf. überhaupt ein Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 ist, ob die Bf. eine Betriebsstätte oder Geschäftsleitung im Inland hat und welche Umsätze die Bf. dem Ort und der Höhe nach getätigt hat bzw. ob die erklärten Vorsteuern in Zusammenhang mit den erbrachten Umsätzen stehen.

In dem in weiterer Folge ergangenen und hier angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2018 vom wurden abermals weder Umsätze, noch Vorsteuern angesetzt.

Begründend verwies das Finanzamt auf "Ausführungen im Nichtveranlagungsbescheid 2020 vom ". Diesem ist zu entnehmen:

"Die ho. Ermittlungen (vgl. auch BP-Bericht vom , ABNr.: 554081/20 531047/21) betreffend die geschäftliche Aktivität der ***Bf1*** ergaben, dass diese kein eigenständiger Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 ist. Eine unternehmerische Tätigkeit wurde bis dato nicht nachgewiesen, womit sich auch die weiteren Ermittlungsaufträge des BFG (hins. Betriebsstätte, Geschäftsleitung im Inland...) erübrigt haben.

Eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist eine auf dem Recht der Europäischen Union basierende Gesellschaft, die in Österreich als Personengesellschaft betrachtet wird. Ihr Zweck ist die Erleichterung und Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Eine EWIV darf selbst kein Gewerbe oder einen freien Beruf gegenüber Dritten ausüben. ***Bf1*** dient "ihren Mitgliedern und assoziierten Mitgliedern als Cost- und Servicecenter"/ bloß unselbständige Abrechnungsplattform und ist sohin nicht als eigenständiger Unternehmer tätig. Mangels Unternehmereigenschaft kann ***Bf1*** sohin keine Vorsteuern geltend machen - ***Bf1*** schuldet jedoch die Umsatzsteuer 2018 und 2019 auf Grund der "Inrechnungstellung" (§ 11 Abs. 14 UStG 1994).

Anm.: Selbst im Falle einer unternehmerischen Tätigkeit ("ausländischer Unternehmer") wären (abziehbare) Vorsteuern im Vorsteuererstattungsverfahren iSd VO Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 zu beantragen gewesen (vgl. Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Umsatzsteuer 2015-2017) - wobei jedoch eine Geltendmachung von Vorsteuern, die eigentlich die Mitglieder der ***Bf1*** betreffen (s.u.), zu finanzstrafrechtlichen Konsequenzen führen könnte.

Nach Ansicht der ho. Finanzverwaltung handelt es sich bei ***Bf1*** um eine vorgeschobene Konstruktion mit der Intention, die Besteuerung von Erträgen der Mitglieder zu vermeiden und wurde dabei die unrichtige Zuordnung von Umsätzen in Kauf genommen. Aufwendungen der privaten Lebensführung der Mitglieder wurden in das Rechnungswesen der ***Bf1*** aufgenommen.

Eine EWIV hat nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen (vgl. EWIVG). Ihre Tätigkeit muss im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder stehen und darf nur die Hilfstätigkeit hierzu bilden. Die Gewinne einer EWIV sind auf die Mitglieder nach dem im Gründungsvertrag vorgesehenen Verhältnis oder, falls dieser hierüber nichts bestimmt, zu gleichen Teilen aufzuteilen und von jedem Mitglied direkt zu versteuern.

Die von der ***Bf1*** erklärten Umsätze und Vorleistungen mit (geltend gemachter) österreichischer Vorsteuer sind unmittelbar den Mitgliedern (vgl. BP-Bericht P. 1.5.) zuzurechnen - es konnten keine Rechtsgrundlagen (Abtretungsverträge o.ä.) vorgelegt werden, die ein anderes Ergebnis zu lassen würden; auch die "Neue Satzung" mit Gültigkeit ab lässt keinen anderen Schluss zu.

Die Voraussetzungen für eine Jahreserklärung und einen USt-Bescheid 2020 iRd Umsatzsteuer-veranlagungsverfahrens sind dadurch nicht erfüllt - eine Veranlagung gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994 hat hier nicht zu erfolgen."

In der nach verlängerter Frist eingebrachten Beschwerde vom führte die Bf. aus, dass ihr eine Unternehmereigenschaft iSd § 2 Abs. 1 UStG zukomme und der Umsatzsteuerbescheid eine ungeeignete materielle Begründung aufweise. Hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten gab die Bf. an, sie selbst sei nicht gewerbliche tätig, nehme jedoch für ihre Mitglieder Hilfsgeschäfte wahr und koordiniere deren unternehmerische Abläufe. Zu dieser Aktivität gehöre auch die Versorgung der Mitglieder und selbständigen Partner mit Werbeartikeln, die von der Fa. ***1*** bezogen werden. Die Fa. ***1*** habe bis zum Jahr 2017 Werbematerialien (Kugelschreiber, Werbematerial) kostenlos zur Verfügung gestellt. Aufgrund einer bestehenden Rechtunsicherheit sowie der Empfehlung des Steuerberaters sei ab 2018 der Bezug dieser Werbematerialien auf entgeltliche Abrechnung umgestellt worden. Die Lagerung dieser Werbematerialien erfolge in einem gesondert eingerichteten Konsortiallager in Salzburg. Darüber hinaus verweies die Bf. auf Punkt 2 der Stellungnahme des Geschäftsführers vom , wonach festgelegt worden sei, dass die Bf. nicht gewerblich tätig sei. Die wirtschaftliche Tätigkeit bestehe darin, den Mitgliedern der Bf. Erleichterungen zukommen zu lassen, die zur Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Mitglieder beitragen sollen. Entsprechend dem Art 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 2137/85 des Rates vom muss die Tätigkeit einer EWIV im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Mitglieder im Zusammenhang stehen. Zu diesen wirtschaftlichen Tätigkeiten würden unter anderem zählen:

• Abschluss eines Kooperationsvertrages sowie Preisverhandlungen mit der Fa. ***1***
• Anmeldung bei diversen Veranstaltungen sowie Miete und Organisation des Konsortiallagers, Anmietung eines Büros, Bezahlung von Standgebühren
• Zentraler Einkauf von Equipment für den Standaufbau
• Zentraler Einkauf von Ausstellungswaren zu Sonderkonditionen
• Gesamtlieferung von Gewinnspielkarten an die Fa. ***1***
• Kauf und Servicierung einer eigenen Software für alle Mitglieder der Bf.
• Fakturierung und Inkassotätigkeit in Richtung des Geschäftspartners ***1***, sowie Endabrechnung für Mitglieder und Hilfskräfte

Die Fa. ***1*** erhalte von den Partnern und Mitgliedern generierte "leads", organisiere Beratungen und den Verkauf an Endkunden. Der Nachweis über die unternehmerische Tätigkeit sei mit ausreichender Stellungnahme vom erfolgt. Der Zweck der Bf. liege darin, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern. Die Feststellung des Finanzamtes, dass es sich bei der Bf. lediglich um eine vorgeschobene Konstruktion handle mit der Intention, die Besteuerung von Erträgnissen der Mitglieder zu vermeiden, werde ebenfalls bestritten und auf das Deutsche Handelsrecht verwiesen. Das Deutsche Handelsrecht sehe die Möglichkeit vor, dass es auf der Rechtsgrundlage der "EWIV" zulässig sei, Gewinnrücklagen für spätere Investitionen und Ausgaben zu tätigen. Diese Rücklagenbildung trage im Sinne einer "EWIV" den Gedanken der Projektverwirklichung Rechnung und werde dann angewendet, wenn die "EWIV" entsprechende satzungsgemäße Projekte beschließe. Die Rücklage selbst sei ergebnisneutral einzustellen und für den Fall, dass Geldbeträge übrigbleiben, ergebniswirksam aufzulösen.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründete das Finanzamt damit, dass die Geschäftstätigkeiten der Bf. in Form von Verlosung von Werbeartikeln und den daraus generierten Kontaktdaten den Mitgliedern der Bf. zuzurechnen sei. Die Bf. kaufe keine Ware ein, die sie selbst weiterverkaufe. Die Bf. diene ihren Mitgliedern als Cost- und Servicestelle und stelle eine unselbstständige Abrechnungsplattform dar, die nicht selbstständig als Unternehmen tätig sei. Der Geschäftsführer der Bf. habe für sich selbst als Mitglied einen Kooperationsvertrag mit der Fa. ***1*** abgeschlossen, der in wirtschaftlicher Betrachtungsweise gem. § 21 BAO unmittelbar zwischen dem Mitglied und der ***1*** zustande gekommen sei. Mangels Abtretungsverträge seien Vorleistungen sowie Umsätze unmittelbar den Mitgliedern zuzurechnen. Unter Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse sei die Bf. wirtschaftlich und organisatorisch ihren Mitgliedern untergeordnet. Die Annahme, dass es sich bei der Bf. um ein vorgeschobenes Konstrukt handle, mit der Intention, die Besteuerung von Erträgen der Mitglieder zu vermieden und dabei die unrichtige Zuordnung von Umsätzen in Kauf zu nehmen, halte das Finanzamt mangels gegenteiliger Nachweise weiterhin aufrecht.

Mit ihrem rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vom verwies die Bf. hinsichtlich der Begründung auf das Beschwerdevorbringen.

Auf Anfrage des BFG (welche Umsätze wurden ausgeführt, woraus resultieren die Vorsteuern?, Ersuchen um Vorlage des Formulars U70 betr. Unternehmereigenschaft) übermittelte die Bf. am ein Schreiben des Finanzamtes Berchtesgarden über die Vergabe einer Steuernummer (für Umsatzsteuer) und den Bescheid über die Vergabe einer UID. Als Nachweis der Umsätze in Österreich (erklärt: 1.602,30 Euro) übermittelte die Bf. eine Rechnung vom über zwei Handelswaren ("Vorführwaren") an das Mitglied ***2***, Wien zum Preis von insgesamt 1.485,52 Euro (vom Listenpreis wurden 50% Rabatt in Abzug gebracht) + 20% USt wobei vereinbart ist, dass die Zahlung über die Provisionsabrechnung erfolgt sowie eine Rechnung vom über die Lieferung von 170 kg Äpfeln und 95 kg Birnen zum Preis von 59,40 Euro + 10% USt (Rechnung "im Auftrag des Mitglieds ***Gf***"). Die Rechnungen weisen im Kopf die Firma ***Bf1*** in ***A***, Deutschland samt UID und Datum aus. Ein Firmenlogo wie auf der Homepage (***Bf1***; abgefragt am ) findet sich auf den Rechnungen nicht.

Als Eingangsrechnungen hat die Bf. folgende Rechnungen vorgelegt (Auflistung wie vorgelegt):

[...]

Das Werbematerial "***1*** ***Werbematerial***" mit Halstuch wird laut Angaben des Gf. ***Gf*** (Telefonat mit dem Finanzamt am ) dafür verwendet, dass auf Messen Teilnahmekarten für Gewinnspiele mit den Maskottchen verteilt werden und die Werbeleistung an den Lieferanten der Maskottchen verrechnet wird (Übergang der Steuerschuld).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am erläuterte der Geschäftsführer Ing. ***Gf*** die geschäftlichen Aktivitäten der Bf. in Österreich: Die Bf. hat mit der österr. Niederlassung der Fa ***1*** den Verkauf von so genannten "leads", das sind im Wesentlichen Kontaktdaten potentieller Kunden, vereinbart. Die Bf. erhält diese leads gegen Entgelt von ihren Mitgliedern oder anderen selbständigen Kooperationspartnern, die auf Messen in Österreich vertreten sind.

Daneben hat die Bf. noch 14 weitere Geschäftsfelder, auf deren Gebiet ihre Mitglieder tätig sind, bei denen nur Kosten angefallen sind.

Befragt nach dem Verkauf von 2 Handelswaren an das Mitglied Frau ***2***, Wien konnte der Gf. der Bf. nur Mutmaßungen anstellen: Sicher sei, dass die Bf. bei der Firma ***1*** Sonderkonditionen habe, weshalb es sinnvoll sei, dass die Bf. und nicht Frau ***2*** die Handelswaren kaufe. Ob die verrechneten Handelswaren aus Lagerbeständen der Bf. stammten, konnte der Geschäftsführer nicht eindeutig nachvollziehen. Es sei auch denkbar, dass die Handelswaren erst nach Rechnungsstellung bei der Fa. ***1*** bestellt wurden.

Das Finanzamt ergänzte zur Höhe der Umsätze, dass der nicht durch Rechnung belegte Betrag von 44,90 Euro laut Notiz des Prüfers aus einer Fehlbuchung stammten.

Der stV verwehrte sich abermals ausdrücklich gegen die Unterstellung des Finanzamtes, die Bf. sein ein "vorgeschobenes Konstrukt". Das Europäische Institut der EWIV werde in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt (als Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft, Genossenschaft usw.), was der Bf. allerdings nicht zum Vorwurf gemacht werden könne.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1***, ist eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung mit Sitz in ***A***, die in Deutschland seit 2016 zur Umsatzsteuer erfasst ist und über eine UID verfügt (Schreiben des Finanzamtes Berchtesgarden bzw. des Bundeszentralamtes für Steuern: UID ab ).

Am reichte die Bf. eine aktenkundige Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2018 ein, in der sie Umsätze iHv 1.602,30 Euro und Vorsteuern iHv -49.199,46 Euro erklärte.

Die erklärten steuerpflichtigen Inlandsumsätze bestehen laut Abgaben der Bf. aus der Lieferung von zwei Handelswaren (Vorführwaren) an das Mitglied ***2*** (Rechnung vom über 1.485,52 Euro (Rabatt: 50% des Listenpreises) + 20% USt) wobei vereinbart ist, dass die Zahlung über die Provisionsabrechnung erfolgt und von 170 kg Äpfeln und 95 kg Birnen (Rechnung vom "im Auftrag unseres Mitglieds ***Gf***" über 59,40 Euro + 10% USt). Die Rechnungen weisen im Kopf die Firma ***Bf1*** in ***A*** Deutschland samt UID und Datum aus. Ein Firmenlogo wie auf der Homepage (www.***Bf1***.com; abgefragt am ) findet sich auf den Rechnungen nicht. Die Differenz von 44,90 Euro stammt aus einer Fehlbuchung (Angabe des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung am ).

Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Bf. in Österreich bestehen aus dem im eigenen Namen erfolgten Verkauf von "leads" (Kundenkontaktdaten) an die Firma ***1***, Österreich. Um die "leads" zu erhalten, werden von Mitgliedern und Kooperationspartnern der Bf. auf Messen Teilnahmekarten für Gewinnspiele mit den Maskottchen "***1*** ***Werbematerial*** mit Halstuch" verteilt (Telefonat des Gf. ***Gf*** mit dem Finanzamt am , mündliche Verhandlung am ). Die Maskottchen werden von der Bf. eingekauft (aktenkundige Eingangsrechnungen lt Anfragebeantwortung vom ). Die Mitglieder verrechnen ihre Arbeitsleistung an die Bf. (Angabe ***Gf*** in der mündlichen Verhandlung am ).

Die Vorsteuern resultieren laut mit Schreiben der Bf. vom vorgelegten Eingangsrechnungen (siehe dazu auch die Auflistung im Verfahrensgang) im Wesentlichen aus dem Kauf von Werbematerial (***1*** ***Werbematerial*** mit Halstuch), Verpflegung, Reparaturen, Treibstoff und Öl sowie weitere Rechnungen betr. Landwirtschaft (Hühnerstall, Futter, Motorsäge usw.). Eine Rechnung über Äpfel und Birnen findet sich nicht. Eine Eingangsrechnung über 2 Handelswaren findet sich auch nicht.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

UStG 1994 idF BGBl 118/2015:

§ 21

(4) Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Enden mehrere Veranlagungszeiträume in einem Kalenderjahr (§ 20 Abs. 1 und 3), so sind diese zusammenzufassen. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat.

Die Übermittlung der Steuererklärung hat elektronisch zu erfolgen. Ist dem Unternehmer die elektronische Übermittlung der Steuererklärung mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar, hat die Übermittlung der Steuererklärung auf dem amtlichen Vordruck zu erfolgen.

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt und das Verfahren der elektronischen Übermittlung der Steuererklärung mit Verordnung festzulegen. In der Verordnung kann vorgesehen werden, dass sich der Unternehmer einer bestimmten geeigneten öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle zu bedienen hat.

Unternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 erster Gedankenstrich, die im Inland keine Umsätze ausgeführt haben oder nur Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, und die ausschließlich eine Steuer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz oder Abs. 1a schulden, hinsichtlich der sie zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, werden nur dann zur Steuer veranlagt, wenn sie dies ausdrücklich schriftlich beantragen.

(…)

(9) Der Bundesminister für Finanzen kann bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Bei nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern kann weiters bestimmt werden, dass bestimmte Vorsteuerbeträge von der Erstattung ausgeschlossen sind. In der Verordnung kann festgelegt werden:

ein besonderes Verfahren für die Vorsteuererstattung,

ein Mindestbetrag, ab dem eine Vorsteuererstattung erfolgt,

innerhalb welcher Frist der Erstattungsantrag zu stellen ist,

dass der Bescheid über die Erstattung der Vorsteuerbeträge elektronisch zugestellt wird,

wie und in welchem Umfang der zu erstattende Betrag zu verzinsen oder zu vergebühren ist.

Vorsteuern im Zusammenhang mit Umsätzen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers sind nur erstattungsfähig, wenn die Umsätze in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen. Einem Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und Umsätze ausführt, die zum Teil den Vorsteuerabzug ausschließen, wird die Vorsteuer höchstens in der Höhe erstattet, in der er in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre.

Schaffung eines eigenen Verfahrens für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer, BGBl 279/1995 idF BGBl 158/2014 (kurz: Erstattungsverordnung)

Artikel I

Erstattung der Vorsteuerbeträge in einem besonderen Verfahren

Berechtigte Unternehmer

§ 1 (1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum

- keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder

- nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder

- nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder

- im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen,

ausgeführt hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.

(…)

§ 3 (1) Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag …

2.2. Unternehmereigenschaft

Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 UStG 1994).

Die Fähigkeit, Unternehmer im Sinn des § 2 UStG 1994 zu sein, besitzt jedes Gebilde, das als solches Leistungen im umsatzsteuerlichen Sinn erbringt. Die Unternehmerfähigkeit ist weder mit einem bestimmten zivilrechtlichen Status noch mit einer bestimmten Rechtsform verknüpft (). Erforderlich ist allerdings ein Auftreten nach außen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG6, § 2 Tz 17, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Anders als in der Beschwerde vom angegeben, hat die Bf. nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am sehr wohl im eigenem Namen Geschäfte mit der Firma ***1*** abgeschlossen, nämlich den Verkauf von "leads" (Kontaktdaten potentieller Kunden).

Bereits durch diese Geschäfte ist die Bf. nach außen aufgetreten und wurde durch diese selbständige, nachhaltige Tätigkeit mit Einnahmenerzielungsabsicht zum Unternehmer. Dass die Bf. auch weitere unternehmerische Tätigkeiten ausübt, ergibt sich aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer in Deutschland (Land ihres Sitzes).

Da die Unternehmereigenschaft auch unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtsform einer EWIV oder der ertragsteuerlichen Erfassung gegeben ist, ist die Bf. unabhängig von allfällig unterschiedlich vorgenommener ertragsteuerlicher Behandlung als ausländischer (deutscher) Unternehmer anzusehen.

2.3. Umsatz im Inland

Ausländische Unternehmer, die in Österreich keine Umsätze oder nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) erzielen, können ihre Vorsteuern nur im Rahmen des so genannten Erstattungsverfahrens gem. VO BGBl 279/1995 (Erstattungsverordnung) in der jeweils gültigen Fassung beantragen. Demgegenüber sind auch ausländische Unternehmer zur Umsatzsteuer zu veranlagen, wenn sie steuerpflichtige Umsätze im Inland (Österreich) ausgeführt haben.

Die Bf. ist als ausländischer Unternehmer in ihrem Sitzstaat zur Umsatzsteuer erfasst.

Für den betragsmäßig größten Teil der bekannt gegebenen Umsätze (Verkauf von "leads" an die Firma ***1***) gilt, dass diese sonstigen Leistungen (Überlassung von Information) gem. § 3a Abs 6 UStG 1994 in Österreich (Sitz des Leistungsempfängers) ausgeführt werden. Bei sonstigen Leistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der leistende Unternehmer im Inland weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat und der Leistungsempfänger Unternehmer ist (§ 19 Abs 1 UStG 1994). Für diese Umsätze geht die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger (Fa ***1***) über.

Die von der Bf. als steuerpflichtige Umsätze im Inland erklärten Lieferungen bestehen aus der Lieferung von Äpfel und Birnen (Re vom ) und der Lieferung von zwei Handelswaren an das Mitglied ***2*** (Re vom ).

Die Ausführung dieser Umsätze durch die Bf. in Österreich ist jedoch nicht glaubhaft:

Die Bf. handelt laut eigenen Angaben (Beschwerde vom ) nicht mit Obst und in den vorgelegten Eingangsrechnungen findet sich auch keine über die Lieferung von Obst in das Lager in Österreich. Herr Ing. ***Gf*** betreibt hingegen eine Landwirtschaft und die Verrechnung erfolgte "im Auftrag unseres Mitglieds ***Gf***", also in fremdem Namen, weshalb die Lieferung der Äpfel und Birnen Herrn ***Gf*** und nicht der Bf. zuzurechnen ist.

Auch die Lieferung von zwei Vorführmatratzen an das Mitglied ***2*** in Österreich ist nicht glaubhaft: In den vorgelegten Eingangsrechnungen findet sich nur eine Rechnung der Firma ***1***, AT vom , in der eine orthopädische Handelswaren 90x200 zum Listenpreis von 1.498 Euro netto abzüglich Rabatt von 40,5% und 3 Oberbetten 140x200 an die Adresse "***Adr***" geliefert werden. Adressiert ist die Rechnung an ***Bf1***, zHd ***2***.
Die im Dezember in Rechnung gestellten zwei Handelswaren weisen ebenfalls einen Listenpreis von je 1.498 Euro aus. Der Rabatt, der in diesem Fall eingeräumt wurde, macht aber 50% aus, sodass mit Rechnung vom zwei Handelswaren zum Preis von 1.485,52 Euro + 20% USt verrechnet wurden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Bf. im März nur eine Handelswaren eingekauft hat, aber im Dezember zwei Handelswaren verrechnet hat und dem Umstand, dass in der Rechnung der Firma ***1***, AT vom Frau ***2*** bereits als Empfänger ausgewiesen ist (***Bf1*** zu Handen ***2***), ist unter Beachtung der wirtschaftlichen Realität davon auszugehen, dass es sich bei den beiden am verrechneten Handelswaren nicht um dieselbe Ware handelt, wie beim Einkauf am .

Damit hat die Bf. zwei Handelswaren in Rechnung gestellt, deren Lieferort Österreich sich schwer erklären lässt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte der Geschäftsführer die Herkunft der Handelswaren nicht eindeutig erklären: Es handle sich entweder um bereits im Lager befindliche Handelswaren oder die Handelswaren seien zuerst verrechnet und dann erst bei der Fa ***1*** bestellt worden.

Soweit die Handelswaren bereits im Besitz der Bf. waren, bleibt ungeklärt, wie sie ins österreichische Lager gekommen sind (kein Einkauf 2018, kein ig Verbringen erklärt), da sie ja ansonsten nicht von einem Ort in Österreich (Konsortiallager der Bf.) an einen anderen Ort in Österreich (Sitz der ***2***) geliefert werden können. Es wäre bei dieser Beweislage gleichermaßen plausibel, dass die Handelswaren von Deutschland nach Österreich geliefert wurden.
Auch erscheint es widersprüchlich, dass im März Handelswaren von der Fa ***1*** an die Bf. zHd ***2*** geliefert wurden, während bei einem im Wesentlichen gleichen Vorgang im Dezember die Fa. ***1*** gar nicht involviert gewesen sein soll. Überdies ist der im Dezember von der Bf. gewährte Rabatt (50%) höher als der von der Fa. ***1*** im März gewährte Rabatt (40,5%).

Soweit die Handelswaren erst später (d.h. nach der Inrechnungstellung durch die Bf.) bei der Fa ***1*** bestellt wurden (und demgemäß auch erst danach an Frau ***2*** geliefert werden konnten), ist die Versteuerung nach Maßgabe der Bestimmungen über Anzahlungen vorzunehmen. Bei Anzahlungen entsteht die Steuerschuld in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Anzahlung vereinnahmt wird (§ 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG 1994). Aufgrund der in der Rechnung angegebenen Zahlungsweise "Die Zahlung erfolgt durch die Provisionsabrechnung" ist in dem Fall davon auszugehen, dass die Verrechnung erst nach dem möglich ist, da Provisionen typischerweise am Ende eines Monats/Quartals abgerechnet werden. Gegenteiliges konnte die Bf. nicht dartun. Die Anzahlung wäre damit erst 2019 zu versteuern.

Insgesamt hat die Bf. im Streitjahr 2018 in Österreich nur Umsätze ausgeführt, für die die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht, weshalb sie nicht zu veranlagen ist. Vorsteuern können nur im Rahmen des so genannten Erstattungsverfahrens geltend gemacht werden.

Die Beschwerde war daher - wie im Spruch ersichtlich - abzuweisen.

2.4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100451.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at