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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.10.2024, RV/7101299/2023

Keine Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt)

Beachte

Revision eingebracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Forsthausgasse 16-20, 1200 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab Dezember 2021 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.), geb. 1970, vertreten durch das VertretungsNetz-EV, brachte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung ein.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da die Bf. zum Untersuchungstermin im Sozialministeriumservice nicht erschien.


In der Beschwerde vom wird von der Erwachsenenvertreterin ausgeführt, dass die Gutachten darin übereinstimmen würden, dass bei der Bf. eine "primäre Leistungsreduktion" vorliegt, die die Wertigkeit einer geistigen Behinderung erreicht. Diese primäre Leistungsreduktion bestehe also seit Geburt. Die Bf. habe in Konsequenz ab Einschulung die Sonderschule besucht und habe nach Ende der Schulpflicht aufgrund der primären Leistungsreduktion vor allem in den Teilbereichen Realitätsanpassung, Kritikfähigkeit, Zahlenverständnis, komplexere Rechnungen, keine Berufsausbildung erwerben können. Das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten auf Basis des Behinderteneinstellungsgesetzes vom konstatiere einen Grad der Behinderung von 60% und bestätige, dass zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein geschützter Arbeitsplatz oder ein integrativer Betrieb leistungsadäquat seien. Der nach Verlust neu ausgestellte Behindertenpass konstatiere einen Grad der Behinderung von 60%. Mit Bescheid vom sei der Bf. eine Invaliditäts-Pension zugesprochen worden. Damit liege bei der 1970 geborenen Bf. inzwischen dauernde Erwerbsunfähigkeit vor. Mit Antrag vom sei deshalb die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe beantragt worden. Im Zuge des Verfahrens sei das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, beauftragt worden, ein Sachverständigengutachten zu erstellen. Eine Verständigung der Erwachsenenvertreterin vom geplanten Untersuchungstermin sei nicht erfolgt. Mit Bescheid vom habe die belangte Behörde den Antrag abgewiesen und die Ablehnung damit begründet, dass die Bf. zum Untersuchungstermin nicht erschienen sei.

Beweise:
Psychiatrisch neurologisches Gutachten, Univ.-Prof-Dr. Otto L., vom
Nervenfachärztliches Sachverständigengutachten Dr. H., vom
Behindertenpass, neu ausgestellt am , unbefristet gültig
Abweisungsbescheid des Finanzamt Österreich vom , ho. eingelangt am
PVA: Bescheid Berufsunfähigkeitspension, vom

Weiters wurde in der Beschwerde unter Pkt. 4 "Beschwerdegründe" von der Erwachsenenvertreterin vorgebracht, dass das Finanzamt Kenntnis gehabt habe, dass die Bf. eine Erwachsenenvertretung habe und die gerichtliche Erwachsenenvertretung unter anderem die Vertretung vor Behörden umfasse. Die Ladung zum Untersuchungstermin beim Sozialministeriumservice hätte daher der Erwachsenenvertretung zugestellt werden müssen, da die Bf. auf Grund ihrer kognitiven Beeinträchtigungen nicht in der Lage sei, selbständig einer Vorladung zu einem Untersuchungstermin Folge zu leisten.

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung umfasse unter anderem die Vertretung vor Behörden, sodass eine Zustellung der Ladung zur Untersuchung an die gesetzliche Vertreterin erforderlich gewesen wäre.

Es werde der Antrag gestellt, das Sozialministeriumservice (SMS), Landesstelle Wien, möge eine Begutachtung durch eine Fachärztin / einen Facharzt aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie vornehmen und die Ladung der Erwachsenenvertreterin zustellen,

gemäß § 274 BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen und gemäß Art 130 Abs 4 B-VG und § 279 BAO in der Sache selbst entscheiden und der Bf. die erhöhte Familienbeihilfe ab Antragstellung gewähren, in eventu den angefochtenen Bescheid gern § 278 BAO mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

Die Bf. wurde am in der Landesstelle des Sozialministeriumservice von Dr.in Dok1, Ärztin für Allgemeinmedizin untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
siehe auch PASS-GA vom
Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit 50%
Anfälle aus dem Epiformenkreis 30%
Gesamt-GdB 60%

Derzeitige Beschwerden:
Laut Auskunft der Betreuerin:
Frau X. ist seit 2018 besachwaltet, davor wurde sie von der Mutter und dann vom Onkel der Mutter betreut, wo sie allerdings nicht besachwaltet war. Unterstützung braucht Frau X. vor allem bei Behördenwegen, in der Kommunikation, in finanziellen Angelegenheiten. Im persönlichen Bereich ist sie eigenständig. Ebenso ist sie in der Lage öffentliche Verkehrsmittel eigenständig zu verwenden.

Warum ich in eine Sonderschule gekommen bin, weiß ich nicht. Ich habe 26 Jahre in einer Verpackungsfirma gearbeitet. Wie der Chef dann in Pension gegangen ist, wurde ich gekündigt. 52 Wochen lang war ich dann als Reinigungskraft in einer Firma angestellt. Von dort aus bin ich dann, schnuppern gegangen in eine Tagesstruktur. In dieser Tagesstruktur bin ich nach wie vor. Dort mache ich Auftragsarbeiten, wie z.B. Kuvert einschlichten.

Epileptische Anfälle hatte ich schon keine mehr. Das war nur phasenweise. Das war eigentlich nur einmalig 2001.

Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel: keine Medikamente

Sozialanamnese:
eigene Wohnung, teilbetreut, in BU seit 01/2019, hat in einer Verpackungsfirma 26 Jahre gearbeitet, Sonderschule besucht, Besachwaltet, kein Pflegegeld, aktuell in einer Werkstätte, nicht verheiratet, keine Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Däturinsangabe):
Psychiatrisch neurologisches Gutachten Dr. Otto L. Facharzt für Neurologie und: Psychiatrie vom

Es handelt sich um eine primäre Leistungsreduktion, die vor allem in Teilbereichen Realitätsanpassung, Kritikfähigkeit, Zahlenverständnis, komplexe Rechnungen die Wertigkeit einer geistigen Behinderung erreicht. Aus fachärztlicher Sicht sollte in der finanziellen Situation geholfen werden und es sollte auch die Wohnung sichergestellt werden. Sonst benötigt die-Patientin keinerlei Hilfe.

[...]

Pensionsversicherungsanstalt vom
BU ab dem 1.1:2019
Urkunde der Erwachsenenvertretung vom
Sachwalterbeschluss vom

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 01/2004

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die Fähigkeit sich selbst den Unterhält zu verschaffen ist nicht gegeben, da kognitive Beeinträchtigungen vorhanden sind; welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen.

Das Finanzamt legte die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei der Bf. sei das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Die Erwachsenenvertreterin stellte namens der Bf. am einen Vorlageantrag, verwies auf ihre Ausführungen in der Beschwerde vom und verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, , und 2009/16/0310 mwN). wonach die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Sozialministeriumservice zugrundeliegenden Gutachten gebunden sind und diese nur dahingehend prüfen dürfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten einander nicht widersprechen

Im Sachverständigengutachten des BASB Landesstelle Wien, werde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung eine "Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit unterer Rahmensatz festgestellt, da eine Teilselbständigkeit gegeben sei, Pos. Nr. ". Es werde ein Grad der Behinderung von 50 % angeführt. Der Grad der Behinderung liege seit 01/2004 vor. Die Rückdatierung sei ab SVG von 01/2004 möglich.

Die Antragstellerin sei laut Gutachten voraussichtlich dauernd unfähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, weil kognitive Beeinträchtigungen vorhanden seien, welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen würden. Es handle sich um einen Dauerzustand. Der Eintritt der Selbsterhaltungsunfähigkeit werde mit Jänner 2004 angegeben.

Nach dem Sachverständigengutachten bewirke die kognitive Beeinträchtigung die Erwerbsunfähigkeit. In der Anamnese werde der Besuch der Sonderschule korrekt vermerkt. Die Positionsnummer werde in der Einschätzungsverordnung BGBl I I2012/251 als "Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen" überschrieben.

Die kognitive Beeinträchtigung der Antragstellerin bestehe seit der Geburt.

Die Antragstellerin habe das Gutachten des Univ.Prof. Dr. L. vom vorgelegt, wonach eine primäre Leistungsreduktion bestehe, die die Wertigkeit einer geistigen Behinderung erreiche. Der Besuch der Sonderschule werde in der Anamnese angeführt. Von einer Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit mittleren Grades werde auch im ärztlichen Sachverständigengutachten vom , erstellt von Dr. H. ausgegangen. Auch dort werde der Besuch der Sonderschule angeführt.

Beweis:

Beilage ./A Psychiatrisch Neurologisches Gutachten Univ.Prof. Dr. L. vom
Beilage ./B Ärztliches Sachverständigengutachten Dr. H. vom
Zeugeneinvernahme Herr X., Dorf (Onkel)
Beim Wiener Stadtschulrat angeforderte, noch vorzulegende Nachweise über den Sonderschulbesuch.

Das Gutachten des BASB Landesstelle Wien erscheine insofern unschlüssig als die kognitive Beeinträchtigung bereits im Kindesalter vorgelegen sei, wie der Sonderschulbesuch belege. Der Grad der Behinderung von 50 % und der Eintritt der Selbsterhaltungsunfähigkeit sei aber erst ab Jänner 2004 als erbracht angesehen worden, obwohl kein anderer oder weiterer Grund für eine zusätzliche kognitive Beeinträchtigung nachweisbar sei, die die Erwerbsunfähigkeit bewirkt haben könnten. Damit würden die Feststellungen ("GdB liegt vor seit: 01/2004" und "Frau X. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den. Unterhalt zu verschaffen: JA. Dies besteht seit: 01/2004") den von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung () geforderten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht erreichen, weshalb das Gutachten auch aus diesem Grund mit Unschlüssigkeit belastet werde.

Die Antragstellerin sei, wie die im Rahmen der Beschwerde vom übermittelten Beweise belegen würden, aufgrund einer seit Geburt bestehenden geistigen Behinderung nicht erwerbsfähig, die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe sei daher zu Unrecht abgewiesen worden.

Beilagen:
Psychiatrisch Neurologisches Gutachten Univ.Prof. Dr. L. vom
Ärztliches Sachverständigengutachten Dr. H. vom "

Das psychiatrisch neurologische Gutachten von Univ.Prof. Dr. L. vom lautet:

"FRAGESTELLUNG

War seit der Geburt die vorhandene psychische Beeinträchtigung so stark ausgeprägt, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21 Lebensjahr vorhanden war?

Vorgutachten im Verfahren Zahl für die Erwachsenenvertretung von Prof. Otto L.:

Es handelt sich bei der Untersuchten nach Unterlagen und Befund um eine primäre Leistungsreduktion, die vor allem in Teilbereichen, Realitätsanpassung, Kritikfähigkeit, Zahlenverständnis, komplexere Rechnungen die Wertigkeit einer geistigen Behinderung erreicht.

Aus fachärztlicher Sicht sollte ihr in der finanziellen Situation geholfen werden und es sollte auch die Wohnung sichergestellt sein.

Nach dem Gutachten wurde ihr auch ein Erwachsenenvertreter beigestellt.

Dem von der Erwachsenenvertretung am vorgelegten Ergänzungsantrag zum Vorlageantrag geht auszugsweise hervor:

"Die beiliegenden Informationen zur Schul-Karriere meiner Kurandin wurden mir erst am zur Verfügung gestellt. Aus diesen geht hervor, dass Frau X. nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht 1976/77 zurückgestellt wurde und mit dem folgenden Schuljahr 1977/78 in die Allgemeine Sonderschule wechselte. Der sonderpädagogische Förderbedarf wurde mit Bescheid vom zuerkannt."

Auszug aus dem Ärztlichen Gesamtgutachten zum Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom , Dr. M., FA f. Neurologie und Psychiatrie

1. Anamnese:

Die Patientin kommt in Begleitung einer Mitarbeiterin des Sachwalters. Das Sachwaltergutachten von Hrn. Prof. L. vom ist vorliegend. Bei der Patientin besteht eine Schwachbegabung. Sie hat die Sonderschule besucht, war dann bei Jugend am Werk und wurde von dort zu einer Verpackungsfirma vermittelt. Dort hat sie 25 Jahre gearbeitet. Ais der Chef in Pension gegangen sei, sei sie als Erste gekündigt worden. Kurze Zeit später sei ihre Mutter verstorben, mit der sie zusammengelebt habe. Zunächst habe sich ein Onkel um sie gekümmert, der sich aber viel in Deutschland aufhalte. Wegen nicht bezahlter Rechnungen mußte dann eine Sachwalterschaft eingerichtet werden. Inzwischen war die Patientin 6 Monate lang bei der Bandgesellschaft {Tagesstruktur) "auf Probe". Es gefalle ihr dort sehr gut und sie möchte dort weiter hingehen.

Die Mitarbeiterin des Sachwalters gibt an, dass die Patientin sehr unkritisch sei und wichtige Dinge nicht mitteile. So habe sie z.B. schon seit Oktober 2018 kein warmes Wasser in der Wohnung und habe sich mit kaltem Wasser gewaschen…

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt

Die Bf. wurde 1970 geboren und vollendete am xx. August 1991 das 21. Lebensjahr.

Die Bf. wurde nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht 1976/77 zurückgestellt und wechselte mit dem folgenden Schuljahr 1977/78 in die Allgemeine Sonderschule. Der sonderpädagogische Förderbedarf wurde mit Bescheid vom zuerkannt.

Die Bf. arbeitete von 1989 bis 2015 in einer Verpackungsfirma. Danach war die Bf. arbeitslos.

Die Bf. hat seit eine Erwachsenenvertretung.

Am wurde ihr eine Berufsunfähigkeitspension zugesprochen.

Dr. Dok1 reihte in ihrem Gutachten vom die Erkrankung/Behinderung der Bf. unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung , welche bei kognitiver Leistungseinschränkung folgende Behinderungsgrade vorsieht:

Dr. Dok1 setzte den Gesamtgrad der Behinderung mit 50% fest und bescheinigte der Bf. eine Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab .

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt und den von der Bf. vorgelegten, im Sachverhaltsteil angeführten, Unterlagen.

Im Beschwerdefall hat das Bundesfinanzgericht zu beurteilen, ob die von Dr. Dok1 in ihrem Gutachten vom getroffene Feststellung, wonach bei der Bf. die Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, schlüssig, vollständig und nachvollziehbar ist.

Die Sachverständige bezog bei ihrer Beurteilung, wann bei der Bf. die Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich eingetreten ist, die unten angeführten Befunde bzw. Gutachten mit ein:

Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde der Bf. als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung eine "Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit unterer Rahmensatz festgestellt, da eine Teilselbständigkeit gegeben sei". In dem Gutachten wurden keine Feststellungen über eine Erwerbsunfähigkeit getroffen.

Dr. Otto L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, stellte bei der Bf. im psychiatrisch neurologischen Gutachten vom eine primäre Leistungsreduktion vor allem in Teilbereichen Realitätsanpassung, Kritikfähigkeit, Zahlenverständnis, komplexe Rechnungen, fest. Die Wertigkeit erreiche eine geistige Behinderung. Aus seiner fachärztlichen Sicht sollte der Bf. in finanziellen Situationen geholfen werden und auch die Wohnung sichergestellt werden. Sonst benötige die Patientin keinerlei Hilfe.

Das Gutachten der PVA vom stellt eine Behinderung seit dem ersten Dienstverhältnis fest. In der Gesamtbeurteilung wird festgehalten, dass die Arbeit in der Verpackungsfirma nur mit Entgegenkommen des Dienstgebers und der Kollegen möglich war. Es wird aber nicht darauf eingegangen, ob sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gar nicht arbeitsfähig gewesen wäre. Es wird nicht explizit eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr festgestellt.

Im Privatgutachten vom bescheinigt Univ.-Prof. Dr. Otto L., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, allgem. beeid, und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger der Bf. eine schwere Leistungseinbuße seit Geburt. Sie sei "nie wirklich arbeitsfähig" gewesen und habe nur auf Grund von sehr entgegenkommenden Arbeitgebern und auf Grund ihrer Freundlichkeit einige Zeit arbeiten können.

Dr. Dok1 gelangte zu der Feststellung, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit seit Jänner 2004 vorliegt. Bei dieser Einschätzung stützte sich die Sachverständige auf das nervenärztliche Sachverständigengutachten von Dr. H. vom , in welchem dieser der Bf. einen Grad der Behinderung von 60% konstatierte und bestätigte, dass zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein geschützter Arbeitsplatz oder ein integrativer Betrieb leistungsadäquat seien.

Der Bf. wurde auch erst am eine Berufsunfähigkeitspension zugesprochen.

Zusammenfassend stellt das Gericht Folgendes fest:

Die Sachverständige stellte auf Grund der vorgelegten relevanten Befunde bei der Bf. eine Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen fest.

Intelligenzminderung ist ein Zustand von verzögerter oder unvollständiger Entwicklung der geistigen Fähigkeiten; besonders beeinträchtigt sind Fertigkeiten, die sich in der Entwicklungs-periode manifestieren und die zum Intelligenzniveau beitragen, wie Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten.

Der Bf. war es trotz ihrer Erkrankung/Behinderung - wenn auch offensichtlich auf Grund des Entgegenkommens durch den Dienstgeber - möglich, 26 Jahre in einer Verpackungsfirma zu arbeiten. Bei einer derart langen Beschäftigungszeit kann davon ausgegangen werden, dass die Bf. eine ihr adäquate Leistung erbracht hat.

Von der Bf. wurden keine relevanten Befunde vorgelegt, denen zufolge Dr. Dok1 eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr feststellen hätte können.

Es ist daher nicht unschlüssig, wenn sich die Sachverständige bei ihrer Beurteilung, dass eine Erwerbsunfähigkeit ab 2004 vorliegt, auf das Gutachten von Dr. H. bezogen hat.

Das Bundesfinanzgericht erachtet die von Dr. Dok1 in ihrem Gutachten vom getroffene Feststellung, wonach bei der Bf. eine Erwerbsunfähigkeit seit 2004 vorliegt, als mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechend an.

Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass eine kognitive Leistungseinschränkung, die zweifelsfrei seit Geburt besteht oder durch andere Umstände verursacht wird, für sich allein noch nicht bedeutet, dass eine Person niemals imstande war, einer für sie adäquaten Arbeit nachzugehen oder dass eine Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden hat.

Da sich die Bf. im Jahr 2004 bereits im 34. Lebensjahr befand, stand ihr aber weder die Familienbeihilfe noch der Erhöhungsbetrag zu.

Rechtsgrundlagen:

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 lautet:

Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt.

§ 8 FLAG 1967:

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung:

Gutachten Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice:

Nach den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens) nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ; ).

Anwendung der Richtsatzverordnung:

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag bei volljährigen Personen:

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 5 ). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr einge-tretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 21). (vgl. ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG 1967 hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ; ).

Bei der Feststellung, ab welchem Zeitpunkt die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ziehen die sachverständigen Ärzten des Sozialministeriumservice neben der Anamnese, den Untersuchungsergebnissen und dem ärztlichen Erfahrungswissen die von den Antragstellern vorgelegten relevanten Befunde heran.

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Erwerbsunfähigkeit:

Erwerbsunfähigkeit hat ihre Ursache in der Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit.

Kognitive Leistungseinschränkungen

Kognition umfasst alle Funktionen des Menschen, die für Wahrnehmung, Erkennen, Denken, Lernen und Wissen stehen. Kognitive Störungen betreffen temporäre oder anhaltende Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit. Symptome dafür sind Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Sprach- und Orientierungsprobleme, Gedächtnisverlust.

Intelligenzminderung

Intelligenzminderung ist ein Zustand von verzögerter oder unvollständiger Entwicklung der geistigen Fähigkeiten; besonders beeinträchtigt sind Fertigkeiten, die sich in der Entwicklungsperiode manifestieren und die zum Intelligenzniveau beitragen, wie Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten. Eine Intelligenzminderung kann allein oder zusammen mit jeder anderen psychischen oder körperlichen Störung auftreten.

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit

Der VwGH stellte im Erkenntnis vom , 2013/12/0215, zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit fest, dass die Person in der Lage sein müsse, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei abstrakt zu beurteilen, d.h. es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei; es komme aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorlägen. Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer solchen Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit. c FLAG 1967 bzw. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.

Eine kognitive Leistungseinschränkung, die zweifelsfrei seit Geburt besteht oder durch andere Umstände verursacht wird, bedeutet für sich allein noch nicht, dass eine Person niemals imstande war, einer für sie adäquaten Arbeit nachzugehen oder dass eine Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden hat.

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Eine Mitwirkungspflicht ist gerade in den Fällen wichtig und unerlässlich, in denen der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit von Personen gestellt wird, die erheblich älter als 21 bzw. 25 Jahre alt sind.

Die Vorlage von "alten" und relevanten Unterlagen (Befunden, Bestätigung über Spitalsaufenthalte oder Therapien etc.) seitens des Antragstellers ist gerade dann wichtig bzw. unerlässlich, wenn ein Sachverständiger (weit rückwirkend) den Zeitpunkt festzusetzen hat, seit wann ein bestimmter Behinderungsgrad vorliegt oder wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Der Antragsteller hat auch die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. ; ).

Gelingt ihm dies nicht, etwa wenn relevante Befunde fehlen oder vom Antragsteller, warum auch immer, nicht vorgelegt werden (können), können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache auch darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Diese Auffassung vertritt auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung [Rz 10 - 35]. Es sei wohl nicht zu bestreiten, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen. Auch der Sachverständige könne aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf komme es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen sei oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen könne. Der Sachverständige könne in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Somit werde es primär an den Beschwerdeführern, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich ihre bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (Verweis auf die Entscheidungen des ; , RV/0687-W/05).

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen bzw. richterlichen Beweiswürdigung.

Bindung des Finanzamtes und des Bundesfinanzgerichtes an die Gutachten des Sozialministeriumservice, soweit diese schlüssig, vollständig und nachvollziehbar sind

Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Die Beihilfenbehörden, und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ).

Zusammenfassend wird festgestellt, dass das BFG die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zufolge der vorstehenden Ausführungen als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig erachtet.

Im gegenständlichen Fall besteht keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Daher steht weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage, wobei das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden ist, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at