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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.11.2024, RV/6100007/2022

1. Heranziehung des Vermieters als Gesamtschuldner bei einer Bestandvertragsgebühr 2. Verfassungswidrigkeit der Gebührenbefreiung für Verträge über Miete von Wohnräumen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Mietvertrag vom mit der Firma ***Mieter*** e.U., ErfNr ***ErfNr*** zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Gebühr betreffend den Mietvertrag vom mit der Firma ***Mieter*** e.U. nach einer erfolgten Außenprüfung gem § 201 BAO iHv 6.737,47 Euro gegenüber dem Vermieter (beschwerdeführende Partei) fest. Dabei ging sie - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei - von einer bestimmten Vertragsdauer von 4 Jahren plus unbestimmter Dauer von 3 Jahren aus.

Gegen den Bescheid wurde am Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Nachforderung gegenüber der beschwerdeführenden Partei unbillig sei, weil sich der Mieter als unseriös erwiesen habe, mit der Zahlung der Bestandvertragsgebühr und des Mietzinses laufend in Rückstand gewesen sei, bis das Bestandverhältnis in Folge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Mieters im April 2020 beendet wurde. Weiters sehe die beschwerdeführende Partei einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot, wenn Mietverträge über Wohnräume steuerbefreit seien, Mietverträge über Geschäftsräume jedoch der Gebührenpflicht unterliegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen.

Dagegen wurde mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht und begründend auf die Beschwerde verwiesen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zurückgezogen.

Die belangte Behörde legte den Akt am dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Mietvertrag vom hat die beschwerdeführende Partei als Vermieterin Geschäftsräumlichkeiten im Objekt ***Adr*** ***X*** an die Firma ***Mieter*** e.U. als Mieterin vermietet.

Der Mietvertrag lautet auszugsweise:
[…]

II. MIETVEREINBARUNG

Der Vermieter vermietet nun und der Mieter mietet das in Punkt I.A. beschriebene Bestandsobjekt zu den Bedingungen dieses Vertrages wie folgt:

1. Beginn und Dauer des Mietverhältnisses:

Das Mietverhältnis beginnt am , 00:00 Uhr und wird auf die bestimmte Dauer von 10 Jahren abgeschlossen. Es endet daher ohne dass es einer Aufkündigung bedarf automatisch mit Ablauf des .
Vorzeitige Kündigung siehe Punkt VIII.
2. […]

III. MIETZINS, BETRIEBSKOSTEN, HEIZUNG

1. Grundmiete/Hauptmietzins:

Die wertgesicherte Grundmiete beträgt unter Berücksichtigung des Ausstattungszustandes und der Vertragsdauer netto 6.314,00 zzgl UST in gesetzlicher Höhe (derzeit 20%), diese wertgesichert, siehe dazu unten.

2. Betriebskosten:

Auf das Bestandobjekt entfällt ein Anteil an den gesamten Betriebskosten und öffentlichen Abgaben (zusammen "Betriebskosten" genannt) entsprechend der Nutzfläche. […]

Aktuell ergibt sich für das Mietobjekt ein monatlicher Betrag an Betriebskosten-Vorauszahlung von gerundet € 270,00 zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer (derzeit 20%).
[…]

3. Heizkosten:
[…]

Auf Grund der letzten Jahresabrechnung ergibt sich derzeit eine monatliche Vorauszahlung von € 100,00 zuzüglich der Umsatzsteuer in der jeweils geltenden gesetzlichen Höhe, derzeit 20%.

4. Bruttogesamtmietzins und Fälligkeit:

Der Gesamtmietzins setzt sich daher wie folgt derzeit zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Grundmiete (Hauptmietzins) wertgesichert
€ 6.314,00
Betriebskosten-VZ
€ 270,00
Heizkosten VZ
€ 100,00
Summe netto
€ 6.684,00
20 % UST
€ 1.336,80
Gesamt pro Monat
€ 8.020,80

[…]

VIII. VERTRAGSAUFLÖSUNG UND RÜCKSTELLUNG

Das Vertragsverhältnis endet automatisch zum Vertragsende ohne dass es seiner Kündigung bedarf. Die Vertragsteile werden spätestens 6 Monate vor Betragsende über eine allfällige Vertragsverlängerung Gespräche führen.

1. Vorzeitige Lösung des Mietverhältnisses:

Ordentliche Kündigung durch Mieter: der Mieter hat das Recht, den Vertrag erstmals zum und danach jeweils zum Ende eines Quartals jeweils unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten vorzeitig schriftlich aufzukündigen. Sofern eine Kündigung zu beabsichtigt ist, muss also dem Vermieter die schriftliche Kündigung des Mieters spätestens am zugehen.
[…]

IX. KURZPUNKTE
[…]
4. Zahlung der Vertragskosten und Gebühren:

Die Vertragsparteien tragen die ihnen im Zusammenhang mit der Eingehung dieses Vertrags entstehenden bzw. entstandenen Kosten selbst, die staatliche Rechtsgeschäftsgebühr nach dem Gebührengesetz in Höhe von € 2.887,49 (voraussichtlich!! hängt von der Dauer des Vertrages ab) wird zur Gänze vom Mieter übernommen.
[…]

Über die Firma ***Mieter*** e.U. wurde mit Beschluss vom ***1*** vom Landesgericht ***X*** der Konkurs eröffnet. Der Konkurs wurde mit Beschluss vom ***2*** mangels Kostendeckung aufgehoben. Am erfolgte die amtswegige Löschung gem § 10 Abs 2 FBG.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist insoweit unstrittig und ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, zu denen auch die Bescheidbeschwerde und der Vorlageantrag gehören.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Gebühr wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom gem § 201 BAO iHv 6.737,47 Euro festgesetzt. Der Bescheid ergab eine Nachforderung iHv 3.849,98 Euro.

Gem § 33 TP 5 Abs 1 GebG unterliegen Bestandverträge und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im allgemeinen 1 vH.

Die von der belangten Behörde berechnete Bemessungsgrundlage iHv 673.747,20 Euro und festgestellte gebührenrechtlich bestimmte Dauer von 4 Jahren und darüber hinaus unbestimmte Dauer von drei Jahren des Mietvertrages wurde von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten.

Bestritten wurde zunächst die Festsetzung der Gebühr gem § 201 BAO gegenüber dem Bestandgeber, der beschwerdeführenden Partei.

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gem § 201 BAO nach Maßgabe des Abs 2 von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabebescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gem § 201 Abs 2 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Aufgrund der von der belangten Behörde durchgeführten Prüfung und Überprüfung des vorliegenden Mietvertrages wurde festgestellt, dass der selbstberechnete Betrag nicht richtig berechnet wurde. Somit sind neue Tatsachen hervorgekommen, die eine Festsetzung gem § 201 Abs 2 Z 2 BAO rechtfertigen.

Die Festsetzung erfolgte gegenüber der beschwerdeführenden Partei als Vermieter, was aufgrund des Vorliegens einer Gesamtschuld gem § 28 GebG grundsätzlich zulässig ist.

Gem § 16 Abs 1 Z 1 lit a GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft im Inland errichtet und von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkt der Unterzeichnung.

Der Mietvertrag wurde von beiden Vertragsparteien im Inland unterzeichnet und ist somit die Gebührenschuld entstanden.

Gem § 28 GebG sind zur Entrichtung der Gebühren bei zweiseitigen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde verpflichtet.

Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie nach § 28 Abs 6 GebG zur ungeteilten Hand verpflichte die Gebühr zu entrichten. Bei Vorliegen eines solchen Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen steht der Abgabenbehörde als Gläubiger - entsprechend den Grundsätzen der Solidarhaftung - die Wahl zu, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne zur Leistung heranziehen will.

Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen. Würden nun dadurch, dass auf die besonderen Umstände des Schuldverhältnisses und der Schuldnerbeziehungen Rücksicht genommen wird, Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, dann erschiene es nicht ermessensgerecht (damit nicht iSd Gesetzes), würde sich die Abgabenbehörde über die besonderen Gegebenheiten des Gesamtschuldverhältnisses hinwegsetzen. Vor allem die Regelungen im Innenverhältnis dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn bei gleichen Gläubigerchancen und Gläubigerrisken, wenn bei so und so gesicherter Gläubigerposition mehrere Lösungsmöglichkeiten bestehen und ohne Beeinträchtigung der berechtigterweise zu wahrenden Gläubigerinteressen vertreten werden können, dann wäre es ermessensfehlerhaft, würde bei Geltendmachung des Anspruches, bei Auswahl der Schuldner und bei Festlegung des Ausmaßes ihrer Heranziehung nicht auf das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern Bedacht genommen werden ().

Liegen Umstände vor, die eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe erkennen lassen, wird eine Vorschreibung an den Gesamtschuldner, der nach dem Innenverhältnis die Abgabe nicht tragen sollte, naheliegen (Wukovits in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band 1 (2023) § 28 GebG Rz 30). Ein Spielraum für eine Ermessensübung liegt aber dann nicht mehr vor, wenn die Finanzbehörde die Steuer wegen offenbarer Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim zuerst herangezogenen Gesamtschuldner dem weiteren, noch verbliebenen Gesamtschuldner vorschreibt. Im Hinblick darauf, dass in diesem Zeitpunkt kein anderer zahlungspflichtiger Gesamtschuldner mehr vorhanden ist, ist die Abgabenbehörde gar nicht mehr in der Lage, im Rahmen eines Ermessensspielraumes eine andere Entscheidung zu treffen, um ihrer Verpflichtung, für die Einbringung der ausstehenden Abgaben zu sorgen, nachzukommen (Wukovits in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band 1 (2023) § 28 GebG Rz 32 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Mit Rücksicht auf den aktenkundigen Umstand, dass die Gebühr beim Mieter aufgrund des Konkurses uneinbringlich war, erfolgte daher die Vorschreibung an die beschwerdeführende Partei als verbliebene Gesamtschuldnerin dem Gesetz und der hiezu vertretenen herrschenden Ansicht entsprechend zu Recht.

Dem Einwand der beschwerdeführenden Partei, dass die Festsetzung der Nachforderung unbillig sei (mit Verweis auf und ) ist zu entgegnen, dass eine etwaige Unbilligkeit der Einhebung im Nachsichtsverfahren gem § 236 BAO zu klären ist und nicht Sache des hier anhängigen Verfahrens der Festsetzung der Mietvertragsgebühr gem § 33 TP 5 GebG.

Von Seiten der beschwerdeführenden Partei erfolgte weiters der Einwand, dass die Vergebührung von Geschäftsraummieten gegenüber Wohnraummieten verfassungswidrig sei.

Nach § 33 TP 5 Abs 4 Z 1 GebG sind seit Verträge über die Miete von Wohnräumen gänzlich gebührenfrei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung einer Beschwerde wegen benachteiligender Vergebührung von Geschäftsraummieten gegenüber Wohnraummieten abgelehnt (zu , ). In der Sukzessivbeschwerde, bei der an den VwGH die Anregung herangetragen wurde, eine Gesetzesprüfung beim VfGH zu beantragen, äußerte auch der VwGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken und lehnte die Beantragung einer Normenkontrolle ab ().

Die zitierten Ablehnungsbeschlüsse sind zwar keine "Sachentscheidungen", jedoch können sie als ein starkes Indiz für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit gewertet werden.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass für die Beurteilung der Befreiung gem § 33 TP 5 Abs 4 Z 1 GebG die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes entscheidend ist. Beim Abschluss der Verträge muss feststehen, dass die Gebäude oder Gebäudeteile letztlich überwiegend Wohnzwecken dienen sollen (vgl ). Da auf die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes und nicht auf die unmittelbare Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses abgestellt wird, sind juristische Personen als Bestandnehmer von der Befreiung nicht ausgeschlossen.

Bei der Differenzierung zwischen (gebührenpflichtiger) Geschäftsraummiete und (befreiter) Wohnraummiete ist auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu verweisen, der mit Der Befreiung das Ziel verfolgte, die teilweise finanziell angespannten Wohnungsmieter zu entlasten und es sich daher um eine zulässige, politisch motivierte Steuergesetzgebung handelt, die in den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum fällt (siehe auch Twardosz, Befreiung der Wohnraummiete, SWK 32/2017, 1329).

Eine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung kann vom Bundesfinanzgericht nicht erkannt werden.

Das BFG sieht im Hinblick auf die Vergebührung von Geschäftsraummieten gegenüber Wohnraum keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Es war spruchgemäß zu entscheiden

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Fall das Erkenntnis auf die zahlreich angeführte, ständige Rechtsprechung des VwGH Bedacht genommen hat, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 28 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 5 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100007.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at