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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.10.2024, RV/7103512/2024

Rückforderung Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind ***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum September 2022 - August 2023, Ordnungsbegriff ***3***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) gab am bekannt, dass sein Sohn ***1*** eine Schule in England besuche. Der mit datierten Bestätigung der Yeshiva Gedola D'London ist zu entnehmen, dass ***1*** (geb. ***2***) seit (- 08/2024) "Vollzeitstudent" sei.("This is to confirm that the above-named student is studiying full time Torah Studies at levels 2 & 3 (this is equivalent to an NVQ at the same levels). This course commenced in and is due to end in august 2024". Der Bf. ersuchte um "Verlängerung" der Familienbeihilfe.

Mit Rückforderungsbescheid vom forderte das FA die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für ***1*** für den Zeitraum September 2022 - August 2023 zurück. Begründend wurde auf die §§ 5 Abs. 3 und 26 Abs. 1 FLAG sowie auf § 33 Abs. 3 EStG 1988 verwiesen. Aufgrund des Auslandsaufenthalt von ***1*** seit September 2022 in einem Drittland bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr.

Mit Schreiben vom erhob der Bf. Beschwerde. Sein Sohn habe große Konzentrationsschwierigkeiten. Es gebe im religiösen-jüdischen Bereich keine entsprechende Hochschule in der EU, weshalb man sich für eine Schule in England entschieden habe. Beigelegt wurde eine Bestätigung des Psychosozialen Zentrums vom , wonach bestätigt wurde, dass ***1*** von März 2012 - August 2016 in Behandlung gewesen sei. Weiters wurde der Klinisch-Psychologische Befund des ***4*** vom beigefügt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde ab, weil ***1*** seit 09/2022 bis voraussichtlich 08/2024 eine Schule in England besuche. Bei diesem Zeitraum handle es sich nicht nur um einen vorübergehenden Zeitraum im Ausland. Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich, fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres unterbrechen nicht den ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland.

Der Bf. beantragte mit Schreiben vom die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Ergänzend führte er im Schriftsatz vom aus, dass ihm bewusst sei, dass sich die Gesetze aufgrund des Brexit geändert hätten. Er ersuche um Verständnis dafür, dass seine Familie als Privatpersonen nicht die Verantwortung für die negativen Folgen dieser Veränderung tragen könnten. Sein Sohn werde während des Schulbesuchs regelmäßig finanziell unterstützt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezog für seinen Sohn ***1*** (geb. ***2***) von 09/2022 - 08/2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

***1*** besucht seit in London, West Grreen Road, durchgehend die Yeshiva Gedola D'London - Schule. Der Bf. unterstützt seinen Sohn regelmäßig.

Ein Antrag des Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab September 2023" wurde aufgrund des noch andauernden Auslandsaufenthaltes von ***1*** iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 abgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und den vorgelegten Unterlagen und ist nicht strittig.
Es ist erwiesen, dass ***1*** seit als Vollzeitstudent in London die Yeshiva Gedola D'London besucht und (zumindest bis 07/2024) ein Thorastudium absolviert(e). Der vom Bf. am gestellte Antrag auf Familienbeihilfe ab 09/2023 und dessen Abweisung vom (§ 5 Abs. 3 FLAG 1967) untermauern seinen ständigen Aufenthalt in London.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG ) 1967 lautet:
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 lautet:
Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Ständiger Auslandsaufenhalt

Yeshiva's sind traditionelle jüdisch-rabbinische Bildungseinrichtungen. Der Sohn des Bf. besuchte im strittigen Zeitraum die insgesamt zweijährige Ausbildung in Großbritannien (London), also in einem Drittstaat.

Im Beschwerdefall ist zu klären, ob sich ***1*** im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ständig im Ausland aufgehalten hat.

Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa ; ; ). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 5 Rz 9).

Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. ).

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ).

Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. ; ; ; ; ; RV/0454-G/12).

Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. ).

Hingegen ist im beschwerdegegenständlichen Fall der Auslandsaufenthalt des Sohnes auf eine jedenfalls zweijährige Dauer angelegt (gewesen).

Bereits ein einjähriger Auslandsaufenthalt auch nur zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl. unter Hinweis auf Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371).

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. ).

Im Beschwerdezeitraum 09/2022 bis 08/2023 stand daher der ständige Auslandsaufenthalt des Kindes der Gewährung von Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags entgegen (vgl. etwa auch zu einer Ausbildung an einer Islamischen Religionsschule in der Republik Bosnien-Herzegowina oder , sowie RV/0454-G/12, zu welcher Entscheidung die Behandlung der dagegen erhobenen VwGH-Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt wurde; vgl. auch zu einer fünfjährigen Ausbildung in einem Priesterseminar in Serbien).

Das Vorbringen des Bf., wonach um Verständnis gebeten werde, dass die Familie nicht die Verantwortung für die negativen Folgen der Veränderungen, die durch den Brexit entstanden seien, tragen könne, vermag ebenso wie der Umstand, dass finanzielle Unterstützung geleistet werde und dass es im europäischen Raum keine Hochschule für den religiös-jüdischen Bereich gebe, der Beschwerde aufgrund der o.a. Rechtsprechung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die zu Unrecht gewährten Beträge waren daher gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzufordern.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als nicht rechtswidrig und war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur folgt.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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