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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.10.2024, RV/2100835/2022

Schätzung eines Telekommunikationsunternehmens aus dem Drittland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Assurance GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien,

über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr des Finanzamtes Österreich ) vom betreffend Festsetzung Umsatzsteuer 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 (gilt betr. 2013 und 2015 nunmehr gem. § 253 BAO als gegen die Bescheide vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2015 gerichtet) und
betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015
sowie gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuer 2014, 2016 und 2017, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zum Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1-12/2013 und 1-12/2015 und betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2013 - 2017

zu Recht erkannt:

I. Der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2012 wird abgeändert. Die Umsatzsteuer wird mit 75.759,46 Euro festgesetzt

II. Die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2013 - 2016 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

III. Der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2017 wird abgeändert. Die Umsatzsteuer wird mit 28.691,69 Euro festgesetzt.

IV. Die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zum Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1 -12/2013 und 1-12/2015 werden - ersatzlos - aufgehoben.

V. Die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1- 12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 und die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2014, 2016 und 2017 werden - ersatzlos - aufgehoben.

VI. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

beschlossen:

I. Die Beschwerde gegen die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2013 und 2015 wird als gegenstandslos erklärt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf) ist ein in einem Drittland (DL) ansässiger Mobilfunkbetreiber, der in Österreich über keinen Sitz und keine Betriebsstätte verfügt. Die Bf. beantragte für die Zeiträume 2013ff die Erstattung von Vorsteuern. Diese Vorsteuern resultieren aus Rechnungen österreichischer Mobiltelefonnetz-Betreiber (Provider) und betreffen die Verrechnung bzw. Abrechnung von Roaminggebühren. Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers zur Nutzung durch die Kunden der Bf.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom betreffend Festsetzung Umsatzsteuer 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 hat das Finanzamt der Bf ausschließlich Vorsteuerberichtigungen gem. § 16 UStG 1994 wg. Minderung der Bemessungsgrundlage vorgeschrieben, weil dem Finanzamt bekannt wurde, dass die österreichischen Mobiltelefonnetz-Betreiber (Provider) nachträglich Rabatte auf die verrechneten Roaminggebühren gewährt haben.

Mit den ebenfalls hier angefochtenen Bescheiden vom wurde die Bf. zur Umsatzsteuer 2013 - 2017 veranlagt. Das Finanzamt schätzte darin die Umsätze, die die Bf. in Österreich an ihre Kunden erbracht hat. Aus den angefochtenen Bescheiden ergibt sich weiters, dass das Finanzamt die im Erstattungsverfahren beantragten Vorsteuern in Abzug gebracht hat und diese um Rabatte gemäß § 16 UStG 1994 berichtigt hat um so zum Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuer zu kommen. Die Bescheide begründete das Finanzamt mit gesonderter Bescheidbegründung (auszugsweise) wie folgt:

"Die Firma ***Bf1*** hat - Rechtslage ab - in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen, dh. ihre Umsätze im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekommt auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers. Eine Umsatzsteuervoranmeldung/ -erklärung unter Berücksichtigung des Gewinnaufschlags bzw. erhaltener Rabatte wäre abzugeben gewesen (siehe Blg). (…)

Das Unternehmen hat es unterlassen, dem Finanzamt Umsätze in Österreich durch die Abgabe von Umsatzsteuerveranlagungserklärungen (U1) zu erklären. (…)

Da die in Österreich erbrachten Leistungen vom geprüften Unternehmen nicht offengelegt wurden, waren diese zu schätzen.

Als Grundlage für die Schätzung der in Österreich ausgeführten Umsätze werden die Eingangsrechnungen von den österreichischen Telekomanbietern ohne Berücksichtigung nachträglich gewährter Gutschriften bzw. Rabatte herangezogen. Dadurch erhält man die Umsätze auf der "Vorleistungsebene", also die Preise, die sich die Netzbetreiber untereinander in Rechnung stellen. Den Grundsätzen eines ökonomisch denkenden Kaufmanns folgend, ist darüber hinaus noch ein Gewinnaufschlag zu berücksichtigen, der den Mobilfunknetz-Teilnehmern (weiter)verrechnet wird. Dies auch deswegen, da jeder Unternehmer bzw. jeder gesellschaftsrechtliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft nach Gewinnen streben muss, um das "Überleben" des Betriebes zu gewährleisten. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens wurden Roaminggebühren wiederholt als weitaus überhöht kritisiert (Konsumentenschutzorganisationen). Ab dürfen Netzanbieter aus der EU bzw. dem EWR ihren Kunden für die Mobilfunknutzung im EU/EWR-Raum keine Roamingzuschläge mehr in Rechnung stellen. Dies betrifft jedoch nicht die Telekommunikationsfirmen in den Drittstaaten und werden dort die hohen Telefongebühren/ Roamingaufschläge weiterhin an (deren) Kunden verrechnet.

Nach Ansicht des ho. Finanzamtes erscheint daher unter Berücksichtigung aller Umstände ein Gewinnzuschlag von 30% - im unteren Bereich - als angemessen. Der auf diese Art ermittelte Inlandsumsatz ist mit 20 % zu versteuern. Die zahlenmäßige Darstellung der Berechnung ist der Beilage zu entnehmen. (…)

Die IT-Systemprüfung mit Standort Wien konnte erst nach aufwändigen/mehrmonatig dauernden und mehrmaligen Abgleichungen der im Jahr 2017 übermittelten Daten [...eine Liste sämtlicher Kunden, die in einem Drittland ein Telekommunikationsunternehmen, soweit es mit diesen Unternehmen Abrechnungen und Gutschriften gab, bzw. deren Debitorenkonten mit sämtlichen Gutschriften pro Jahr (mit und ohne Umsatzsteuer und inklusive dem Leistungszeitraum, Drittstaaten) bzw. die von ausländischen Telekommunikationsunternehmen an ihre Unternehmen ausgestellt wurden] der drei betroffenen inländischen Telekommunikationsunternehmen:

***Provider AT1*** AG,
***Provider AT2*** GmbH und
***Provider AT3*** GmbH (vormals ***Provider AT4*** GmbH)

diese für den Prüfungszeitraum 2010-2016 in die Prüfsoftware ACL einlesen und im November 2017 auswerten. Es wurden die (§ 16 UStG 1994) Daten/Tabellen für die jeweiligen Drittlands- Telekombetreiber in eine entsprechende/nahezu gleiche Form gebracht, um die Auswertung unternehmensübergreifend zu erleichtern (TADIG-Code/ROAMINGPARTNER/Herkunft=NAME /Jahr/USt/ Gesamtergebnis) und abschließend sämtliche Daten zur Übermittlung in Excel-Tabellen (siehe Beilage) exportiert."

Für die Nichteinreichung der berichtigten Rechnungen (Rabatte, die zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges führen) wurden mit den Festsetzungsbescheiden vom Verspätungszuschläge für die Zeiträume 1-12/2012, 1- 12/2013 und 1-12/2015 verhängt. Die diesbezüglichen Verfahren 2013 und 2015 wurden mit Bescheiden vom wieder aufgenommen und am selben Tag wurden Bescheide über Verspätungszuschläge betr. die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2013 - 2017 erlassen.

Die Bescheide betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1-12/2012, 1- 12/2013 und 1- 12/2015 vom sowie betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2013 - 2017 vom wurden mit Beschwerden vom mit der Begründung bekämpft, dass Erklärungen eingereicht worden seien.

Am erhob die Bf. auch Beschwerden gegen die Festsetzungsbescheide Umsatzsteuer 1-12/2012, 1- 12/2013 und 1-12/2015 und gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2013 - 2017, in denen die Bf. das Vorliegen von Umsätzen im Inland bestritt. Es sei ausschließlich das Erstattungsverfahren anzuwenden, womit auch die Verspätungszuschläge hinfällig wären.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2017 sowie den Verspätungszuschlag 2017 abweichend mit 6.103.489,66 Euro (statt 1.428.513,26 Euro) bzw. 610.348,97 Euro (statt 142.851,33 Euro) fest und wies die übrigen Beschwerden als unbegründet ab.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Behandlung der Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht.

Aufgrund der zwischenzeitig ergangenen Rechtsprechung des VwGH bestritt die Bf. nunmehr die Steuerpflicht in Österreich dem Grunde nach nicht mehr.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht brachte sie vor, dass für die Jahre 2013 und 2015 eine Veranlagung zur Umsatzsteuer nicht ohne Wiederaufnahme des Verfahrens durchgeführt werden könne, da das Verfahren zur Umsatzsteuer der betroffenen Jahre bereits abgeschlossen sei. Für die Wiederaufnahme der Verfahren betr. Verspätungszuschlag 2013 und 2015 lägen keine neuen Tatsachen vor.

Die Verspätungszuschläge seien überhaupt nicht zu verhängen, weil die Bf. davon ausgegangen sei, dass sie keine Umsatzsteuerpflicht in Österreich treffe und ohnedies Erstattungsanträge eingereicht habe.

Aufgrund der fehlenden Versuche zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach erstmaliger höchstgerichtlicher Feststellung von deren Steuerpflicht im Jahr 2021 und der Missachtung des Parteiengehörs erweise sich die Schätzung der Ausgangsumsätze entsprechend den vorstehenden Ausführungen als rechtswidrig.

Auch der Höhe nach sei die Schätzung falsch:

"Da die gegenständlichen Rabatte unstrittiger Weise gewährt wurden (und die darauf entfallene Minderung des Vorsteuerabzugs seitens des Finanzamtes entsprechend festgesetzt wurde) müssen sie, um den tatsächlichen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen, jedenfalls in die Berechnung der Ausgangsumsätze miteinbezogen werden. Auch die Annahme des Finanzamtes, dass sämtliche Ausgangsumsätze an Nichtunternehmer erbracht werden, scheint in dieser Hinsicht nicht realitätsgetreu. Gerade Roamingdienstleistungen werden aufgrund oft hoher Kosten im Ausland primär von Geschäftsreisenden in Anspruch genommen, sodass eine Schätzung von deren Anteil am Ausgangsumsatz mit 50% uE sachgerecht erscheint. Da für die gegenständlichen Dienstleistungen an Unternehmer das Reverse Charge Verfahren zur Anwendung kommt, sind diese Erlöse von der Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Ausgangsumsätze auszuscheiden."

Schließlich wies die Bf. darauf hin, dass sie im Jahr 2012 keinen Erstattungsantrag gestellt hätte, weshalb es im Jahr 2013 auch zu keiner entsprechenden VSt-Berichtigung kommen könne.

Über Einladung des BFG, für Zwecke der Umsatzberechnung die tatsächlichen Umsatzzahlen bekannt zu geben, übermittelte der steuerliche Vertreter der Bf. am per Mail ein Schreiben. Darin wurde auszugsweise vorgebracht:

"Materiellrechtlich möchten wir zunächst ausführen, dass die von österreichischen Telekommunikationsunternehmen erhaltenen Rabatte wie in der Beschwerde vom ausgeführt anerkannt werden. Zur Gutschrift von ***Provider AT1*** iHv EUR 23.374.882,- (USt: EUR 4.674.976,40) vom (vgl anbei) ist aber anzuführen, dass diese uE kein "typischer" nachträglicher Rabatt ist, sondern eine Korrektur von Rechnungen aus den Vormonaten darstellt. Diese Gutschrift aus September 2019 (gemeint wohl 2017) verweist ausdrücklich auf eine Korrektur der Rechnungen aus Juni, Juli und August 2017. Vermutlich erklärt sie sich nur durch einen Abrechnungsfehler durch die A1 bzw die Clearing-Stelle. Dieser Abrechnungsfehler durch ***Provider AT1*** verdeutlicht aber, wie unsachlich die Schätzungsmethodik des Finanzamtes ist: In allen anderen Jahren liegt das Vorsteuervolumen bei ca EUR 220.000 bis EUR 320.000 per annum. Im Jahr 2017 ergibt sich aufgrund der fehlerhaften A1-Rechungen ein VSt-Betrag iHv EUR 4.761.710,88 und ein VSt-Berichtigungserfordernis iHv EUR EUR 4.674.976,40, dh saldiert ein VSt-Abzug iHv ca EUR 90.000. Diesen Abrechnungsfehler verwendet das Finanzamt als Vorwand, um für 2017 eine Ausgangs-USt festzusetzen, die jene der anderen Jahre um den Faktor 20 übersteigt. Es ist augenscheinlich, dass derartige Schwankungen in den Umsätzen völlig realitätsfern sind und daher die Vorgehensweise, die nicht um Entgeltsminderungen reduzierten Vorleistungen als Basis für die Schätzung der Ausgangs-USt zu verwenden, verfehlt ist. Allerdings hat unser Klient nunmehr (u.a.) für das Jahr 2017 ohnedies die relevanten Umsätze ermitteln können, sodass die Besteuerung auf Basis dieser erfolgen kann (vgl nachstehend).

Höhe des Gewinnaufschlags:
***Bf1*** hat nunmehr die im Zeitraum 09-12/2016 sowie 2017-2022 in Österreich mit Roamingdienstleistungen erzielten Umsätze ermitteln können und möchte diese anbei bekanntgeben. Für frühere Zeiträume stehen auskunftsgemäß keine Daten zur Verfügung. Zu den angehängten Dokumenten möchten wir erklären, dass diese einmal im vom Klienten bereitgestellten Original und einmal mit Bearbeitung von uns als steuerliche Vertretung übermittelt werden. Die Ausgangsumsätze sind in Saudi Arabischen Riyal gehalten und wurden von uns mittels des im Währungsrechner auf finanzen.at ersichtlichen Wechselkurses zum 31.12. eines jeden Streitjahrs in Euro umgerechnet. Aus Vereinfachungsgründen wurde diese Praktik auch bei den Eingangsleistungen - sofern in Dollar verbucht - angewandt. Es ergeben sich in unser Bearbeitung somit geringe Unschärfen aufgrund von Wechselkursdifferenzen. Da für das Jahr 2016 nur anteilige Daten zur Verfügung stehen, wurden diese von uns für das Gesamtjahr hochgerechnet - auch hier ergeben sich somit gewisse Unschärfen. Die sich teilweise ergebende Differenz zwischen beantragter Erstattung und tatsächlich verbuchten Vorleistungen erklärt sich vermutlich damit, dass versehentlich nicht alle Eingangsrechnungen in die Erstattungsanträge aufgenommen wurden.

Aus den vom Klienten vorgelegten Daten ergibt sich - zugegebenermaßen (mit Ausnahme der Gutschrift von ***Provider AT1***; diese wurde als Berichtung von Eingangsrechnungen derselben Periode bereits im laufenden Jahr 2017 berücksichtigt) vor Abzug der nachträglich erhaltenen Rabatte, die jedoch auch nach den Feststellungen des Finanzamtes ohnedies im Verhältnis zu den Eingangsleistungen gering sind - von 2017 bis 2021 ein durchschnittlicher Gewinnaufschlag von 20,41%; das Jahr 2016 wurde von uns hier nicht berücksichtigt, da keine Zahlen für das Gesamtjahr zur Verfügung stehen. Da dieser Gewinnaufschlag aus den tatsächlichen Geschäftszahlen unseres Mandanten ermittelt wurde, wird er auch für die Jahre 2013-2016 anzunehmen sein. Gerne möchten wir hier erwähnen, dass unser Mandant zu ***Nr*** an der Saudi Stock Exchange notiert ist und dementsprechend Buchhaltungs- und Reportingstandards unterliegt, die jenen, denen an der Wiener Börse gelistete Aktiengesellschaften unterliegen, grundsätzlich vergleichbar sind. Unser Mandant kann daher die gesetzliche Vermutung der ordnungsgemäßen Führung von Büchern nach § 163 Abs 1 BAO mitsamt deren Wirkungen in Anspruch nehmen. Die Zahlen unsere Klienten erscheinen auch deshalb plausibel, da sie einen kontinuierlichen Umsatz bis 2019, einen massiven Einbruch durch die Corona-Epidemie 2020 sowie eine signifikante Erholung im Jahr 2021, die aber noch lange nicht dem "Vor-Corona-Niveau" entspricht, zeigen. Dies entspricht auch der Tourismus-Entwicklung in diesen Jahren. Zudem hat sich eine vergleichbare Marge auch bereits bei anderen Telekomanbietern aus Drittstaaten in von uns geführten Parallelverfahren als realitätsnah herausgestellt.

Da sich bereits der vom Finanzamt in den ursprünglichen Schätzungen unterstellte Gewinnaufschlag von 30% als überhöht erweist, bleibt kein Raum für die Annahme eines höheren Gewinnaufschlags. Die nunmehr vom Finanzamt - in Verkennung der wirtschaftlichen Realität - vorgebrachten Gewinnaufschläge von tausenden Prozent sind als rein fiktiv zu betrachten, da sie - wenn überhaupt - nur bei Abrechnung je Minute Roamingtelefonie bzw je MB Datenroaming erzielbar sind. Tatsächlich erfolgt der Verkauf von Roamingdienstleistungen aber beinahe ausschließlich über sogenannte Roamingpakete, die Pauschalpreise für ein gewisses Roamingvolumen vorsehen. Beispielsweise bietet unser Mandant aktuell folgende Roamingpakete für Österreich an (alle aktuellen Roamingpakete sind unter diesem Link abrufbar: https://***6***):
7-Tagespass mit 10 GB Datenvolumen, ermäßigen Ausgangsgesprächsgebühren von SAR 1,03 pro Minute und freien Eingangstelefonaten für SAR 230,-
14-Tagespass mit 25 GB Datenvolumen, ermäßigten Ausgangsgesprächsgebühren von SAR 1,03 pro Minute und freien Eingangstelefonaten für SAR 345,-
Monatspass mit effektiv 150 GB Datenvolumen (Fair-Use 5 GB pro Tag), ermäßigten Ausgangsgesprächsgebühren von SAR 1,03 pro Minute und freien Eingangstelefonaten für SAR 517,50

Zum heutigen Tageskurs entsprechen SAR 230,- etwa EUR 57,22, SAR 345,- etwa EUR 85,84 und SAR 517,50 etwa EUR EUR 128,75. Somit ergibt sich für das kleinste Roamingpaket ein Verkaufspreis pro MB Datenroaming von EUR 0,57 Eurocent, beim größten von sogar nur EUR 0,09 Eurocent; der Minutenpreis für Ausgangstelefonate liegt in allen drei Fällen bei EUR 0,26, während für Eingangstelefonate gar kein Entgelt verrechnet wird. Selbst wenn man unterstellt, dass der durchschnittliche User nur die Hälfte seines Roamingpakets ausnutzt, ergeben sich Beträge, die keinesfalls Gewinnaufschläge von mehreren 1.000 % und mehr ermöglichen. Die vom Finanzamt vorgebrachten Gewinnaufschläge entsprechen somit in kleinster Weise den tatsächlichen wirtschaftlichen Realitäten, was sich auch in den nun offen gelegten Umsatzzahlen widerspiegelt.

Abschließend ist festzuhalten, dass auch ein Vergleich der Roamingmargen welche österreichische Telekommunikationsdienstleister erzielen können, mit jenen die ein saudi-arabisches Telekommunikationsdienstleister erzielen kann, unsachlich ist, da das wirtschaftliche Entwicklungsniveau der beiden Länder vollkommen unterschiedlich ist. So hat das österreichische BIP pro Kopf in den Streitjahren zwischen USD 44.195,82 und USD 51.786,38 betragen, während das saudi-arabische mit USD mit USD 19.977,79 bis USD 23.878,59 durchschnittlich nur etwa 45 % des österreichischen Niveaus erreicht. Aufgrund dieses unterschiedlichen Entwicklungsniveaus können saudi-arabische Telekommunikationsdienstleister mit der selben Leistung weniger Ertrag erzielen als österreichische Telekommunikationsdienstleister. Ein äußerer Betriebsvergleich zwischen beiden ist daher unzulässig.

Da für unseren Mandanten nunmehr konkrete Margen für den Zeitraum 2017 bis 2021 vorliegen, welche einen deutlich besseren Rückschluss auf die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen erlauben, ist der durchschnittliche Gewinnaufschlag von 20,41% auch den Schätzungen für die Vorjahre zu Grunde zu legen. Basierend auf den solcherart ermittelten Ausgangsumsätzen ist im nächsten Schritt eine Unterscheidung zwischen unternehmerischen und nichtunternehmerischen Leistungsempfängern zu treffen, da gegenüber unternehmerischen Leistungsempfängern das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt. Da unser Klient den Anteil unternehmerischer Leistungsempfänger nicht ermitteln kann, wird weiterhin beantragt, diesen - wie im Vorlageantrag vom dargestellt - zu schätzen und bei der Berechnung der Ausgangsumsatzsteuer auszuscheiden. Die Schätzung des Anteils unternehmerischer Leistungsempfänger ist der BFG-Rspr auch nicht fremd: So hat zuletzt etwa das BFG bei der Frage, ob eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung besteht, den Anteil unternehmerischer und nichtunternehmerischer Leistungsempfänger im Schätzungsweg ermittelt (vgl ; dies in Anlehnung an die Ausführungen der Generalanwältin Kokott im EuGH-Verfahren zum Fall , Rs C-378/21, P GmbH). Das BFG betont darin auch, dass der Anteil unternehmerischer Leistungsempfänger sachgerecht anhand der Art der Leistung zu ermitteln ist. Wir regen daher an, dem Finanzamt Ermittlungen aufzutragen, inwieweit die österreichischen Telekomanbieter Leistungen an Unternehmer und Nichtunternehmer erbringen. Der diesbezügliche Prozentsatz könnte dann auch einer sachgerechten Schätzung im gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt werden."

Beigelegt wurden Excel-Listen die offenbar Umsätze aufgegliedert nach Einzelgesprächsnachweisen enthalten, wobei die einzelnen Leistungen entweder in Euro oder in US Dollar angegeben sind. Die Datei "***2***" beinhaltet Daten der Jahre 2012 - 2021, die Dateien "***5***" Daten der Jahre 2016 - 2021, wobei die Daten 2016 nur für die Monate Jänner - August vorhanden sind und auf 12 Monate hochgerechnet wurden.

Der Gewinnaufschlag von 20,41% wurde vom steuerlichen Vertreter so berechnet, dass die verrechneten Umsätze der Jahre 2017 - 2021 mit den Vorleistungen der Jahre 2017 - 2021 verglichen wurden. Daraus ergibt sich der durchschnittliche Gewinnaufschlag.

Vergleicht man die die Streitjahre betreffenden Beträge aus der Datei "***2***" mit den im Erstattungsverfahren eingereichten Rechnungen, so ergibt sich für das Streitjahr 2017 folgendes Bild: Beantragt wurden 4.761.710,88 Euro, von der Bf. in der Liste angesetzt wurden 100.495,46 Euro. Zieht man vom beantragten Betrag die Berichtigung lt. der von der Bf. vorgelegten Rechnung von 4.674.976,40 Euro ab, so kommt man auf einen Betrag von 86.734,48 Euro. Auch für das Jahr 2016 stimmt der hochgerechnete Betrag von 281.164,24 Euro nicht mit dem beantragten Betrag von 226.582,39 Euro überein.

Bezogen auf die einzelnen Jahre differieren auch die Gewinnaufschläge stark: So ergibt sich laut der Rechnung der Bf. in der Datei "***3***" für das Jahr 2016 ein Abschlag in Höhe von rund 24%, während 2017 ein Aufschlag von rund 37%, für das Jahr 2018 von rund 20%, für das Jahr 2019 ein Aufschlag von rund 9%, für das Jahr 2020 ein Aufschlag von rund 190% und für das Jahr 2021 abermals ein Abschlag von rund 9% errechnet wird.

In einer Stellungnahme vom erklärte das Finanzamt zur Berichtigung im Jahr 2017:

"VAT-offices (hier ***4***) betrieben massives Marketing bei den TK-Firmen und boten dort ihre Dienste an - für das Entgegennehmen und Weiterreichen der Unterlagen/ Rechnungen verrechneten sie eine Provision in Höhe von 10 %.

Diese VAT-offices konzentrierten sich aber nur auf gewisse Länder - so auch auf Österreich, wo sie aus Erfahrungen bereits wussten, dass ihre U5/Erstattungsanträge "erfolgreich" sind.

Bei den Erstattungsanträgen, vor allem den arabischen Raum betreffend, ließ sich auf Basis der eingereichten Erstattungsanträge erkennen, dass im Laufe der Jahre immer neue Länder dazugekommen sind, die ihre Erstattungsanträge in Österreich eingereicht haben und ist auch aufgefallen, dass man am Anfang nur geringe Erstattungsbeträge/-anträge einreichte.

Bei "Erfolg", dh. wenn die Beträge/Vorsteuern rückerstattet wurden, stiegen die beantragten Vorsteuerbeträge oft sehr plötzlich und sehr hoch an - so auch hier im Jahr 2017 (siehe Blg)!"

Zur Höhe des Gewinnaufschlages heißt es:

"Zur schätzungsweise Ermittlung der Ausgangsumsätze/zur Plausibilisierung der Aufschläge hat die belangte Behörde Auskunftsersuchen an österreichische Telekommunikationsunternehmen verschickt und eine Aufstellung ihrer Aufschläge bei den Roaminggebühren in den gegenständlichen Jahren abverlangt.

Mit Antwortschreiben vom wurde ua. bekanntgegeben, dass nur Daten für die Jahre ab 2016 geliefert werden können ("aufbewahrungspflichtige Zeiträume"). Eine Darstellung pro Einheit sei für Roaming nicht möglich, daher wurde eine Gesamtaufstellung der Kosten ("Cost") und der Einnahmen ("Revenue") iZm verrechneten Roaminggebühren vorgelegt. Dabei ergibt sich bei Telefongesprächen ein Aufschlag von 174%, bei SMS ein Aufschlag von 202% und bei Datenvolumen sogar ein Aufschlag von 651%.

Der durchschnittliche Aufschlag beträgt daher 342%.

Die Roaminggebühren für Datenvolumen machen in absoluten Zahlen den größten Teil der Einnahmen aus. Einkaufspreise werden laut Antwortmail vom auf Minutenbasis bzw. MB vereinbart. In diesem Einkaufspreis müssen sowohl die variablen Entgelte als auch die Paketpreise Deckung finden. Es ist eindeutig erkennbar, dass die Aufschläge in den gegenständlichen Jahren weit über 30% betragen haben.

Die hohen Kosten bei Handynutzung im Drittland kann man auch noch anhand der derzeitigen Preise erkennen, so ist auf der Homepage von A1 bzw. Magenta ersichtlich, dass ein abgehendes Gespräch/Telefonat, zB in Saudi Arabien € 4,99/Min bzw. € 3,49 kostet. Innerhalb der EU wird der gleiche Preis wie für Inlandstelefonate verrechnet (Zone 1 € 0,00), in Drittländern der Zone 2 wird für ankommende Gespräche € 1,49/Min, in der Zone 3 bzw. 4 (betreffend Saudi Arabien) € 2,49/Min, für Datenvolumen € 15,00/MB bzw. € 15,36/MB verrechnet (Anm.: innerhalb der EU gilt der gleiche Preis wie in Österreich € 0,00/MB).

Die Aufschläge für Roaming sind und waren weltweit extrem hoch, wie die obige Darstellung aus Sicht eines österreichischen Kunden, der im Ausland telefoniert bzw. im Internet surft, eindeutig zeigt und wäre es weltfremd zu glauben, dass es umgekehrt aus Sicht eines Saudi Arabien-Kunden anders ist. Die bisherigen Aufschläge von 30% sind nach den obigen Ausführungen isoliert betrachtet sicherlich deutlich zu niedrig.

Die Berechnung der Preise pro Einheit bei den Roamingpaketen geht davon aus, dass genau die gekaufte Höchstmenge (Daten bzw. Minuten) verbraucht wird, was völlig unrealistisch ist. Eine Berechnung der Preise pro Einheit würde sich aus der tatsächlichen Nutzung der Kunden ergeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für die Beschwerdeführerin nur Kosten entstehen, wenn tatsächlich die Netze der österreichischen Mobilfunkunternehmen verwendet werden. Der tatsächliche Gewinn(aufschlag) ist daher gerade bei den Roamingpaketen sehr unterschiedlich. Es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass selbst bei einer 100%igen Nutzung der gekauften Minuten/Daten für die Bf. ein Gewinn entsteht.

Festgehalten wird weiters, dass die Bf. bisher zum Ausmaß der unternehmerischen Kunden keinerlei Unterlagen vorgelegt hat. Auch wenn es in eventu glaubwürdig ist, dass keine exakte Feststellung der Anzahl der unternehmerischen Kunden möglich ist, verfügt die Beschwerdeführerin, welche "zu ***Nr*** an der Saudi Stock Exchange notiert ist und dementsprechend Buchhaltungs- und Reportingstandards unterliegt", über Daten, die eine Schätzung erleichtern würden (Gesellschaft oder natürliche Person als Kunde, Anzahl der Telefonnummer, Häufigkeit der Aufenthalte in Österreich, etc.). Die Nutzung in Österreich müsste jedenfalls den einzelnen Kunden zugeordnet werden können, insbesondere bei den Umsätzen, die den Kunden direkt verrechnet wurden.

Trotz der fehlenden Mitwirkung der Beschwerdeführerin wäre es unrealistisch zu behaupten, dass es keinerlei unternehmerische Kunden gegeben hat, die in Österreich das Handy genutzt haben. Dies wurde auch bereits bisher in den sehr niedrigen Aufschlägen berücksichtigt (siehe oben).

Im äußerst niedrigen Aufschlag von 30% ist bereits eine bestimmte Anzahl an unternehmerischen Kunden berücksichtigt.

Es wird noch einmal festgehalten, dass weiterhin keinerlei Nachweise bzw. Beweismittel über die Qualifikation der Leistungsempfänger vorgelegt wurden. Außerdem haftet der leistende Unternehmer gem. § 19 Abs. 1 letzter Satz UStG für die Umsatzsteuer. Nachdem die Bf. in den streitgegenständlichen Jahren selbst die Steuerpflicht in Österreich bestritten und somit auch keine Rechnungen mit Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld ausgestellt hat, kann ausgeschlossen werden, dass die Leistungsempfänger tatsächlich die Umsatzsteuer abgeführt haben. Mangels Vorlage einer entsprechenden Kundenliste kann auch nicht festgestellt werden, ob bzw. in welchem Ausmaß die unternehmerischen Leistungsempfänger ein Recht auf Vorsteuerabzug hatten.

Einem Ausscheiden von einem gewissen Prozentsatz von Umsätzen für unternehmerische Leistungsempfänger kann die belangte Behörde daher nicht zustimmen.

Betrachtet man die beiden Punkte isoliert, dann müsste jedenfalls ein deutlich höherer Aufschlag berücksichtigt werden (vgl. der durchschnittliche Aufschlag beträgt 342%). Gleichzeitig könnte dann ein bestimmter Prozentsatz an unternehmerischen Kunden berücksichtigt werden, wobei bei unternehmerischen Kunden davon auszugehen ist, dass insbesondere größere Unternehmen eher Roamingpakete in Anspruch nehmen und somit der Anteil an den Umsätzen hinsichtlich der Höhe niedriger ist. Mangels Vorlage von Unterlagen bewegt man sich bei der Schätzung der unternehmerischen Kunden allerdings völlig im Dunkeln.

Eine Reduktion der Aufschläge bei gleichzeitigem Ausscheiden eines Anteils der Umsätze als RC-Umsätze würde nach Ansicht der belangten Behörde zu einem wirklichkeitsfremden Ergebnis führen. (…)

Im Übrigen sind die Beträge in den übermittelten umfassenden Excel-(Original)Tabellen mit Umsatzzahlen ab 9/2016 im Anhang der ua. Stellungnahme des steuerlichen Vertreters, in der "die tatsächlichen Gewinnaufschläge bekannt gegeben" werden (sollen), nicht überzeugend/ aussagekräftig und widersprüchlich. Dass sich die Differenz zwischen beantragten Vorsteuern/ tatsächlich gebuchten Vorleistungen daraus ergäbe, "versehentlich nicht alle Eingangsrechnungen in die Erstattungsanträge aufgenommen" zu haben, erscheint - nach oa. Ausführungen, insbesondere auch zu ***7***., der vormalig vereinbarten und x.fach. ab 2010ff (bis etwa zur Kenntnis GPB-IT in den Jahren 2016/2017 mit Ergebnis/anher übermittelter Rabattdaten 2010-2016 id Liste 11/2017) ausgeübten TK-Vorgehensweise bei Drittlandsunternehmen: hohe U5-Anträge ohne Abzug nachträglich gewährter Rabatte (vgl. U5 01-12/2017) - wohl höchst unglaubwürdig.

Unter der Berücksichtigung der vorhandenen Informationen über Roaminggebühren im Drittland erscheint die bisher vorgenommene Umsatzschätzung der belangten Behörde sich jedenfalls im unteren Bereich des Möglichen zu bewegen."

Mit Beschwerdeergänzung vom hat die Bf. u.a. hinsichtlich des Streitjahres 2012 bekannt gegeben, dass aufgrund des Ablaufs der Aufbewahrungsfrist in ihrem Heimatstaat keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Aus dem Geschäftsverlauf könne jedoch abgeleitete werden, dass 2012 Umsätze in Österreich iHv 1.641.454,93 Euro erzielt wurden, denen Vorsteuern iHv 252.531,53 Euro gegenüberstehen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Folgender Sachverhalt ist aktenkundig und wird von den Verfahrensparteien nicht bestritten:

Die Bf. ist ein in einem Drittland (DL) ansässiger Mobilfunkbetreiber, der in Österreich über keinen Sitz und keine Betriebsstätte verfügt. Die Bf. beantragte für die Zeiträume 2013ff die Erstattung von Vorsteuern. Diese Vorsteuern resultieren aus Rechnungen österreichischer Mobiltelefonnetz-Betreiber (Provider) und betreffen die Verrechnung bzw. Abrechnung von Roaminggebühren. Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers zur Nutzung durch die Kunden der Bf.

Mit Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheiden vom wurde die Umsatzsteuer für die Zeiträume 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 festgesetzt. Mit Bescheiden vom wurde die Bf. zur Umsatzsteuer 2013 - 2017 veranlagt.

Mit Bescheiden vom wurden Verspätungszuschläge für Umsatzsteuer 1- 12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 festgesetzt; die Verfahren hinsichtlich der Zeiträume 1 -12/2013 und 1-12/2015 wurden mit Bescheiden vom wiederaufgenommen und gleichzeitig Verspätungszuschläge für Umsatzsteuer 2013 - 2017 festgesetzt.

Bf. und Finanzamt stimmen aufgrund der zwischenzeitig ergangenen Rechtsprechung des VwGH dahingehend überein, dass die Bf. in den Streitjahren 2012 - 2017 Umsätze in Österreich erzielt hat. Streit besteht über die Höhe der Umsätze.

Die Bf. hat die tatsächlich für Roaming in Österreich erzielten Umsätze für die Jahre 2017 - 2021 aus ihren Buchhaltungsunterlagen ermittelt und ist so auf einen Gewinnaufschlag von durchschnittlich 20,41% gekommen. Dieser Aufschlag sei für alle Jahre anzunehmen. Der Anteil der unternehmerischen Abnehmer konnte nicht bekannt gegeben werden, da diese Unterscheidung in DL nicht gemacht wird. Dennoch sei ein Anteil bei der Schätzung anzunehmen.

Hinsichtlich des Jahres 2017 kam es bei der Berichtigung zu einer Besonderheit: Die von der Bf. beigelegte Gutschrift vom berichtigt die in den Monaten Juni, Juli und August 2017 verrechneten Leistungen um den Betrag von 23.374.882 Euro Entgelt + 4.674.976,40 Euro USt. Es werden damit nicht Vorsteuern der Vorjahre berichtigt, sondern die Vorsteuern des laufenden Jahres.

Laut Unterlagen des Finanzamtes hat die Bf. im Jahr 2017 einen Erstattungsantrag betr. Vorsteuern iHv 4.761.710,88 Euro, jedoch keine Berichtigung eingereicht.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Festsetzungsbescheide Umsatzsteuer 2013 und 2015

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet (§ 253 BAO).

Im Beschwerdefall sind die Umsatzsteuer-Jahresbescheide 2013 und 2015 an Stelle der Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheide 1-12/2013 und 1-12/2015 getreten, weshalb die Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide nunmehr als gegen die Jahresbescheide 2013 und 2015 gerichtet gelten und als solche zu erledigen sind.

2.2. Umsatzsteuerbescheide 2013 - 2017

"Fehlende" Wiederaufnahme der Verfahren

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom , Ra 2022/15/0087 entschieden, dass auf § 21 Abs 9 UStG 1994 gestützte Bescheide (Erstattungsbescheide) der Erlassung von Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheiden gem. § 21 Abs 4 UStG 1994 nicht entgegen stehen (vgl. Rz 27 des zit. Erkenntnisses).

Daher waren die Verfahren zur Vorsteuererstattung 2013 und 2015 nicht wiederaufzunehmen.

Schätzungsberechtigung und Schätzungsmethode

Der , "SK Telecom Co. Ltd" entschieden, dass in Sachverhaltskonstellationen wie sie im Beschwerdefall gegeben sind, die Leistung im Inland erbracht wird. Im Tenor heißt es dazu:

"Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen. "

Unstrittig, da auch höchstgerichtlich (, "SK Telecom Co. Ltd" bzw. VwGH) klargestellt, führte die Bf. Umsätze gem. Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in Österreich aus. Streit besteht über die Höhe dieser Umsätze.

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 184 Abs 1 BAO).

Im Beschwerdefall hat die Bf. keine Umsätze bekannt gegeben. Das Finanzamt musste daher eine Schätzung vornehmen.

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen.

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint ( unter Verweis auf Ritz, BAO3, § 184 Tz 3 und 12).

Im Beschwerdefall erscheint die gewählte Gewinnaufschlag-Methode geeignet zu sein, den tatsächlichen Gegebenheiten nahe zu kommen, da die Bf. außer den Roaminggebühren keine Kosten im Inland hat und die Roaminggebühren unstrittig an ihre Kunden weiterverrechnet. Dass Unternehmer Kosten mit Aufschlag weiterverrechnen liegt in der Natur des Unternehmers, der ja bestrebt ist, Gewinne (Überschüsse) zu erzielen.

Das Finanzamt hat dazu in den angefochtenen Bescheiden vom betreffend Umsatzsteuer 2013 - 2016 auf die aus den beantragten Vorsteuern herausgerechneten Nettobeträge der Roaminggebühren einen Gewinnaufschlag von 30% angewendet und angegeben, dass sie bei der Wahl der Höhe des Aufschlages berücksichtigt habe, dass es teilweise zum Übergang der Steuerschuld gem. § 19 UStG 1994 und zur Verrechnung mittels Pauschalen, allenfalls auch zu Rabatten gekommen ist.

Die Bf. hat demgegenüber Exel-Listen über Eingangsleistungen (2012 - 2021) und Ausgangsleistungen (2016 - 2021) vorgelegt. Daraus ergibt sich für das Jahr 2016 ein Abschlag in Höhe von rund 24%, während 2017 ein Aufschlag von rund 37%, für das Jahr 2018 von rund 20%, für das Jahr 2019 ein Aufschlag von rund 9%, für das Jahr 2020 ein Aufschlag von rund 190% und für das Jahr 2021 abermals ein Abschlag von rund 9% errechnet wird.

Solche Daten sind nicht geeignet, eine Schätzung, die den wahren Besteuerungsgrundlagen nahekommt, zu untermauern: Zunächst betreffen die Daten nicht nur die Streitjahre. Auch lässt sich keine Tendenz im Sinne einer "Unternehmenspolitik" ableiten, wie das beispielsweise gegeben wäre, wenn die Aufschläge in allen Jahren ähnlich oder kontinuierlich steigend bzw. fallend wären. Für jedes Jahr ergibt sich ein anderer Prozentsatz. Der durchschnittliche Aufschlag wird durch Gegenüberstellung der Umsätze und Vorleistungen der Jahre 2017 - 2021 ermittelt, obwohl teilweise Daten aus 2016 vorhanden sind. Bezöge man diese ein (im Jahr 2016 kam es zu einem Abschlag) wäre der durchschnittliche Aufschlag niedriger. Ermittelte man den durchschnittlichen Aufschlag durch Zusammenrechnen der %-Sätze der einzelnen Jahre, käme man für den Zeitraum 2017-2021 auf einen durchschnittlichen Aufschlag von 49,4% (37% + 20% + 9% + 190% - 9% = 247% : 5 Jahre).

Das Finanzamt hat demgegenüber die Höhe des Aufschlages auch mit veröffentlichten Kosten anderer Unternehmer verglichen bzw. abgeglichen und festgestellt, dass der Aufschlag von 30% sehr niedrig gewählt ist. Bei dieser Sachlage ist es wahrscheinlich, dass diese Art der Schätzung den wahren Besteuerungsgrundlagen nahekommt, zumal auch die im Erstattungsverfahren beantragten Vorsteuern in Abzug gebracht wurden und tatsächlich stattgefundene Vorsteuerberichtigungen erfasst wurden.

Schätzung Umsatzsteuer 2012

Auch im Jahr 2012 hat die Bf. Umsätze im Inland erzielt, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Die Besonderheit im Jahr 2012 besteht darin, dass die Bf. weder im Jahr 2011, noch im Jahr 2012 einen Erstattungsantrag gestellt hat. Daher sind die im Jahr 2012 angefallenen Vorsteuern dem Finanzamt nicht bekannt. Gleichwohl erfolgten im Jahr 2013 Rabattgutschriften, woraus zu schließen ist, dass im Jahr 2012 tatsächlich Vorsteuern in Rechnung gestellt wurden.

Die Bf. hat dazu mit Schreiben vom Inlandsumsätze iHv 1.641.454,93 Euro und Vorsteuern iHv 252.531,53 Euro bekannt gegeben. Die Höhe dieser Umsätze und Vorsteuern entspricht dem Geschäftsverlauf der übrigen Streitjahre und kann als den wahren Besteuerungsgrundlagen entsprechend angesehen werden.

Hinsichtlich der vom Finanzamt vorgenommenen Vorsteuerberichtigung ist zu beachten, dass der Bf. für das Jahr 2011 mangels Antrags auch keine Vorsteuern erstattet wurden. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so hat der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.

Die Bf. hat für die im Jahr 2011 in Rechnung gestellte und im Jahr 2012 berichtigte Umsatzsteuer tatsächlich keinen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Daher ist auch keine Berichtigung gem. § 16 UStG 1994 vorzunehmen.

Der Bescheid 2012 war daher wie folgt abzuändern:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen (KZ 000}
1.641.454,93
Davon sind zu versteuern mit: 20 % Normalsteuersatz (KZ 022)
1.641.454,93
Summe Umsatzsteuer
328.290,99
Berechnung der abziehbaren Vorsteuer: Gesamtbetrag der Vorsteuern (KZ 060)
252.531,53
Berichtigung gemäß § 16 (KZ 067)
0
Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuer
252.531,53
Berechnung der Steuer
75.759,46

Schätzung Umsatzsteuer 2013 - 2016

Die Art der Schätzung betreffend die Jahre 2014 - 2016 kommt - wie oben beschrieben - den wahren Besteuerungsgrundlagen nahe. Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2014 - 2016 war daher wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

Schätzung Umsatzsteuer 2017

Für das Jahr 2017 ist zunächst zu beachten, dass es offenbar statt der in den anderen Jahren vorherrschenden Praxis der nachträglichen Rabattierung zu einem Abrechnungsfehler gekommen ist, der noch im laufenden Jahr berichtigt wurde: Die aktenkundige Gutschrift der ***Provider AT1*** iHv 23.374.882,- Euro (USt: 4.674.976,40 Euro) vom verweist ausdrücklich auf eine Korrektur der ebenfalls aktenkundigen Rechnungen aus Juni, Juli und August 2017. Eine Berichtigung der Vorjahre wurde 2017 nicht vorgenommen.

Für dieses Jahr hat die Bf. zusätzlich dazu mit Eingaben vom bzw. ihre tatsächlich erzielten Umsätze in Höhe von 577.130,82 bekannt gegeben. Diese Umsätze sind etwas höher, als es sich bei der Anwendung eines 30%igen Gewinnaufschlages auf die aus den Vorsteuern (86.734,48 Euro) errechneten Eingangsumsätze (433.672,40 Euro) ergäbe (nämlich 563.774,12 Euro).

Damit ist gleichzeitig gezeigt, dass die Berechnungsmethode des Finanzamtes den wahren Besteuerungsgrundlagen nahe kommt.

Die Berechnung der Umsatzsteuer 2017 ergibt folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen lt Rechenwerk
577.130,82
Davon sind zu versteuern mit: 20 % Normalsteuersatz (KZ 022)
577.130,82
Summe Umsatzsteuer
115.426,17
Berechnung der abziehbaren Vorsteuer: Gesamtbetrag der Vorsteuern lt Antrag (KZ 060)
-4.761.710,88
Berichtigung gemäß § 16 (KZ 067)
4.674.976,40
Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuer
  • -86.734,48
Berechnung der Steuer
28.691,69

2.3. Verspätungszuschläge 2012-2017

Wiederaufnahme Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1 -12/2013 und 1-12/2015

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden ( mit Hinweis auf mwN; ).

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gem. § 303 BAO von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Beschwerdefall wurden die Verfahren zur Wiederaufnahme der Verspätungszuschläge für die Jahre 2013 und 2015 im Wesentlichen offenbar deshalb wiederaufgenommen, weil dem Finanzamt bekannt wurde, dass die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat. (Die Wiederaufnahme stützt sich laut Verweis auf die Begründung der Umsatzsteuer-Jahresbescheide).

Der Umstand, dass die Bf. Umsätze im Inland erzielte, musste dem Finanzamt jedoch bereits aufgrund der im Vorsteuer-Erstattungsverfahren eingereichten Original-Rechnungen bekannt gewesen sein, weshalb keine für eine Wiederaufnahme des Verfahrens notwendige neue Tatsache vorliegt. Eine Wiederaufnahme der Verfahren ist daher nicht zulässig und die entsprechenden Bescheide waren daher aufzuheben.

Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid entsprochen, so ist eine gegen die Sachentscheidung gerichtete Bescheidbeschwerde gemäß § 261 Abs 2 BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären, weil gemäß § 303 Abs 3 BAO durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

Daher waren die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zum Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1 -12/2013 und 1-12/2015 wie im Spruch ersichtlich aufzuheben.

Aufgrund dieser Aufhebung waren die Beschwerden gegen die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2013 und 2015 gegenstandslos zu erklären.

Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1- 12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 und für Umsatzsteuer 2014, 2016 und 2017

Der gesetzliche Zweck der Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und die Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Mit Verspätungszuschlägen wird die Säumnis bei Erfüllung der Abgabenerklärungspflicht und die daraus für die Finanzverwaltung/den Fiskus entstehenden Folgen und Risken geahndet ().

Im Beschwerdefall hat die Bf. rechtzeitig Erstattungsanträge eingebracht. Damit hat die Bf. ihre Abgabenerklärungspflicht erfüllt, auch wenn die Abgabenerklärungen der Höhe nach unrichtig waren, weil die Bf. die Minderung der Bemessungsgrundlage und die Umsätze nicht in die Erklärungen aufgenommen hat.

Mit dem Verspätungszuschlag wird jedoch nur die Nichtabgabe der Steuererklärung und nicht die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung geahndet. Damit besteht bereits dem Grunde nach keine Grundlage für die Verhängung des Verspätungszuschlages.

Im Übrigen liegt die Festsetzung von Verspätungszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (), wobei ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines für das Ermessen wesentlichen Verschuldens ausschließen kann ().

Die Bf. hat nur Erstattungsanträge eingereicht, weil sie die Auffassung vertreten hat, dass die VO 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei bzw. es zu keiner Ortsverlagerung käme. Dass es sich dabei um eine vertretbare Rechtsansicht handelt, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass das BFG in der Rechtssache "SK Telekom" deshalb ein Vorabentscheidungsersuchen eingebracht hat.

Mit einem Verspätungszuschlag soll nur das Fehlverhalten, Abgabenerklärungen nicht fristgerecht einzubringen, sanktioniert werden. Keinesfalls soll ein drohender Verspätungszuschlag Abgabepflichtige daran hindern, eine andere Rechtsauffassung als das Finanzamt zu vertreten.

Die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 1- 12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2015 und die Bescheide vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 2014, 2016 und 2017 waren daher wie im Spruch ersichtlich aufzuheben, weil die Bf. fristgerecht Erklärungen eingereicht hat. Die Erklärungen waren zwar im Nachhinein gesehen unrichtig, jedoch beruhte die Unrichtigkeit auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, weshalb die Bf. auch kein für die Verhängung eines Verspätungszuschlages wesentliches Verschulden trifft.

2.4. Revision

Gegen ein Erkenntnis bzw. einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wird nicht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100835.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at