Zulässigkeit einer Bescheidänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO (erst) anlässlich Ergehen der meritorischen Beschwerdeerledigung betr. den Feststellungsbescheid
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100375/2024-RS1 | § 295 Abs. 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid – und der materiellen Rechtslage – entsprechen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 E3, unter Verweis auf ). Jede meritorische Beschwerdeerledigung tritt ab ihrer Erlassung an die Stelle des angefochtenen Bescheides. Daher löst auch eine (nachträgliche) abweisende Beschwerdeerledigung betreffend einen bislang nicht im abgeleiteten Bescheid berücksichtigten Feststellungsbescheid iSd § 192 BAO die Verpflichtung zur Bescheidänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO aus (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 Anm. 7). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Stb***, ***Stb_Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Bescheidänderung gem. § 295 BAO zur Einkommensteuer 2005, Steuernummer ***Bf_StNr*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (Bf) war im Beschwerdejahr 2005 ua an der ***A*** GmbH und atypisch stille Gesellschafter (St.Nr. ***A_GmbH_StNr***; im Weiteren: ***A***) sowie der ***B*** GmbH und atypisch stille Gesellschafter (St.Nr. ***B_GmbH_StNr***; im Weiteren ***B***) beteiligt.
Der Bf reichte am seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 über FinanzOnline ein; die Veranlagung erfolgte mit Bescheid vom erklärungsgemäß unter Berücksichtigung eines Verlustes aus der Beteiligung an der ***B*** iHv € ***Betrag_1***. Einkünfte/Verluste aus der Beteiligung an der ***A*** waren nicht bzw. mit Null Euro erklärt worden.
Am wurde der Einkommensteuerbescheid vom gem. § 295 Abs. 1 BAO dahingehend abgeändert, dass der Verlust aus der Beteiligung an der ***B***, auf Grundlage der am im Feststellungsverfahren dieser atypisch stillen Gesellschaft ergangenen Erledigung, nicht anerkannt wurde. Gegen diesen abgeänderten Einkommensteuerbescheid wurde am (damals noch) Berufung erhoben; in der Berufungsvorentscheidung vom erfolgte eine Verböserung, indem der bislang anerkannte Verlust aus einer weiteren Beteiligung des Bf an der ***C*** GmbH u. Mitges. gekürzt, und als weder ausgleichs- noch vortragsfähig iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 behandelt wurde. Am wurde der Vorlageantrag gestellt.
Am erließ die Abgabenbehörde eine zweite Berufungsvorentscheidung, in welcher der am ergangene Änderungsbescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO aufgehoben, und der ursprünglich erklärte Verlust aus der Beteiligung an der ***B*** iHv € ***Betrag_1*** wiederum (erklärungsgemäß) anerkannt wurde. Der Grund dafür war, dass es sich bei der als Nichtfeststellungsbescheid intendierten Erledigung vom um einen Nichtbescheid gehandelt hatte. Im Weiteren von der Abgabenbehörde durchgeführte Maßnahmen gem. § 293 und § 299 BAO wurden vom Bf erfolgreich bekämpft: Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid, mit welchem die zweite Berufungsvorentscheidung vom gem. § 299 BAO aufgehoben worden war, seinerseits wieder aufgehoben.
Zwischenzeitlich war im Feststellungsverfahren betreffend die ***A*** am nach Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO ein neuer Feststellungsbescheid ergangen, welcher mit Berufung vom angefochten wurde. Der Feststellungsbescheid erwuchs mit der teilweise stattgebenden Erledigung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101107/2014, in Rechtskraft. Der dem Bf sohin aus dieser Beteiligung zustehende Verlustanteil iHv € ***Betrag_2*** wurde mit Bescheidänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO vom berücksichtigt.
Ebenfalls im gem. § 303 BAO wiederaufgenommenen Verfahren erging am ein neuer Erstbescheid, nämlich ein Nichtfeststellungsbescheid, im Feststellungsverfahren der ***B***. Das gegen diesen Nichtfeststellungsbescheid geführte Beschwerdeverfahren endete mit dem abweisenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100470/2014.
Am erließ die Abgabenbehörde den nunmehr im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO unter Nichtberücksichtigung des Verlustes aus der Beteiligung an der ***B***. In der Bescheidbegründung wurde dargelegt, es handle sich laut Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom bei der genannten atypisch stillen Gesellschaft um keine steuerliche Mitunternehmerschaft, eine Gewinnfeststellung sei unterblieben. Es sei daher beim Bf eine Bescheidanpassung gem. § 295 Abs. 1 BAO durchzuführen gewesen.
2. Gegen den gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid vom wurde am Beschwerde erhoben. Es wurde ausgeführt, die Einkommensteuer 2005 sei nach diversen Bescheidänderungen und -aufhebungen zuletzt am im Rahmen einer Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO festgesetzt worden. In jenem Bescheid seien die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit € -***Betrag_3*** veranlagt worden, wobei ein Betrag von € -***Betrag_1*** auf die Beteiligung an der ***B*** GmbH und atypisch stille Gesellschafter entfalle. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO seien diese im Vorbescheid berücksichtigten negativen Einkünfte unter Bezugnahme auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/7100470/2014, mit Null Euro angesetzt worden, wodurch sich die insgesamt veranlagten Verluste aus Gewerbebetrieb auf € ***Betrag_4*** reduziert haben.
Mit dem genannten Erkenntnis habe das Bundesfinanzgericht den Grundlagenbescheid vom , mit dem die Nichtfeststellung der Einkünfte ausgesprochen worden sei, vollumfänglich bestätigt. Es habe aufgrund dieses Erkenntnisses somit keine nachträgliche Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides stattgefunden, welche eine Maßnahme nach § 295 Abs. 1 BAO rechtfertigen könne. Ein auf § 295 BAO gestützter Bescheid dürfe nur ergehen, wenn ein Grundlagenbescheid nachträglich, also nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides, erlassen oder abgeändert werde. Werde ein Grundlagenbescheid vor dem abgeleiteten Bescheid erlassen oder abgeändert, und entgegen der Bindung im später ergehenden abgeleiteten Bescheid nicht berücksichtigt, sei diese Rechtswidrigkeit nicht im Wege des § 295 BAO sanierbar.
3. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes darauf verwiesen, dass mit Ergehen des BFG-Erkenntnisses RV/7100470/2014 der Nichtfeststellungsbescheid für die ***B*** GmbH und atyisch stille Gesellschafter erstmalig rechtskräftig bestätigt worden sei. Im Zeitpunkt der Erlassung des Änderungsbescheides vom sei der Abgabenbehörde daher der Ertrag des Bf aus dieser Beteiligung für das Jahr 2005, zumal das Feststellungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch offen gewesen sei, noch nicht endgültig bekannt gewesen.
Gemäß § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO könne mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden sei. Nachdem der Bf den von der Abgabenbehörde in der Veranlagung angesetzten, nicht rechtskräftig festgestellten Beteiligungsertrag erfolgreich bekämpft habe, sei mit der Bescheiderlassung gem. § 295 BAO rechtskonform bis zur Rechtskraft des Nichtfeststellungsbescheides 2005 zugewartet worden.
4. Im Vorlageantrag vom wurde in Ergänzung zum Beschwerdevorbringen die Auffassung vertreten, es sei zwar grundsätzlich zulässig, mit einer Bescheidänderung gem. § 295 BAO bis zur formellen Rechtskraft des nachträglich erlassenen bzw. abgeänderten Grundlagenbescheides zuzuwarten, gerade das habe die Abgabenbehörde im gegenständlichen Fall jedoch nicht getan. Sie habe den Grundlagenbescheid vom , mit dem ausgesprochen worden sei, dass eine Einkünftefeststellung betreffend die ***B*** GmbH und atypisch stille Gesellschafter unterbleibe, im gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheid vom nicht berücksichtigt. Somit sei auch die Aussage in der Beschwerdevorentscheidung, dass der Abgabenbehörde bis zum Ergehen des Erkenntnisses RV/7100470/2014 nur der in der Einkommensteuererklärung genannte Verlustanteil iHv € ***Betrag_1*** bekannt gewesen, unrichtig. Es bleibe festzuhalten, dass der abgeleitete Bescheid vom jedenfalls nach dem Nichtfeststellungsbescheid vom erlassen worden sei, und mit dem genannten Erkenntnis des BFG keine Änderung des Grundlagenbescheides stattgefunden habe.
Unter Verweis auf Literaturstellen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde im Vorlageantrag abschließend geltend gemacht, dass, wenn ein Grundlagenbescheid wie jener vom vor dem abgeleiteten Bescheid (hier: Bescheid vom ) erlassen bzw. abgeändert werde und entgegen der Bindung im später erlassenen abgeleiteten Bescheid nicht berücksichtigt werde, diese Rechtswidrigkeit nicht durch eine Änderung gem. § 295 BAO sanierbar sei.
5. Im Vorlagebericht vom verwies die Abgabenbehörde neuerlich auf § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO, sowie darauf, dass der angefochtene Bescheid in Übereinstimmung mit dieser Bestimmung ergangen sei. Würde der im Vorlageantrag vertretenen Rechtsauffassung gefolgt, wären all jene Fälle einer Bescheidänderung gem. § 295 BAO nicht zugänglich, in denen eine Berücksichtigung von Beteiligungserträgen infolge eines offenen Rechtsmittels im Feststellungsverfahren unterbleibe, und jenes Rechtsmittel abweisend erledigt würde, da es in solchen Fällen grundsätzlich nicht zu einer Änderung iSd § 295 BAO komme.
6. Am wurde ein Erörterungstermin durchgeführt. Zusammengefasst führte der steuerliche Vertreter unter Verweis auf § 192 BAO und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/15/0143, aus, dass infolge der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides im Feststellungsverfahren der ***B*** vom dieser, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig, bei der Erlassung des abgeleiteten Bescheides am jedenfalls zu berücksichtigen gewesen sei.
II. Sachverhalt
1. Mit Bescheid vom wurde im Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO der ***B*** ausgesprochen, dass eine Feststellung von Einkünften für das Jahr 2005 unterbleibt. Es handelt sich dabei um einen Feststellungsbescheid iSd § 192 BAO.
2. Im von diesem Feststellungsverfahren abgeleiteten Einkommensteuerverfahren des Bf erging am eine Beschwerdevorentscheidung (über die Beschwerde vom - Anm.), in welcher der og. Nicht-Feststellungsbescheid unberücksichtigt blieb.
3. Am erließ die Abgabenbehörde im Einkommensteuerverfahren des Bf einen gem. § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 unter Berücksichtigung des teilweise stattgebenden Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101107/2018, im Feststellungsverfahren der ***A***.
Nach Ergehen des abweisenden Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100470/2014, erließ die Abgabenbehörde im Einkommensteuerverfahren des Bf am einen gem. § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005, welchem nunmehr auch die Feststellungen des Grundlagenbescheides vom zugrunde gelegt wurden.
Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Akteninhalt.
III. Rechtslage und Erwägungen
1. Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, Meßbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Die Bindungswirkung iSd § 192 eines Feststellungsbescheides (§§ 185 ff) als Grundlagenbescheid für von ihm abgeleitete Bescheide tritt bereits mit seiner Bekanntgabe (§ 97 Abs. 1), somit nicht erst mit seiner formellen Rechtskraft ein. Im Fall der Abänderung eines die Bindungswirkung des § 192 auslösenden Feststellungsbescheides, zB durch Beschwerde(vor)entscheidung, sind die abgeleiteten Bescheide § 295 Abs. 1 zufolge von Amts wegen abzuändern oder ggf. aufzuheben. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 192 Anm. 4 u. 5 mwN)
Mit Ergehen des Nichtfeststellungsbescheides betreffend die ***B*** am lag ein Grundlagenbescheid für den davon abgeleiteten Einkommensteuerbescheid des Bf vor, der nach § 192 BAO der am erlassenen Beschwerdevorentscheidung ungeachtet der Tatsache zugrunde zu legen gewesen wäre, dass zu diesem Zeitpunkt seine Rechtskraft noch nicht eingetreten war.
2. Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gem. § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
Unter der im letzten Satz der genannten Bestimmung angesprochenen Rechtskraft wird die formelle Rechtskraft verstanden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 Anm. 5; Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) § 295 BAO Rz 22). Bereits mit Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101107/2014, erwuchs der Grundlagenbescheid im Feststellungsverfahren betreffend die ***A*** in formelle Rechtskraft, und wurde der damit rechtskräftig festgestellte Verlustanteil des Bf an dieser Mitunternehmerschaft mit dem gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid vom erfasst. Die formelle Rechtskraft des Nichtfeststellungsbescheides vom betreffend die ***B*** ist mit Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100470/2014, eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt stand sohin endgültig fest, dass eine Berücksichtigung des vom Bf erklärten Verlustes aus seiner atypisch stillen Beteiligung an der ***B*** zu unterbleiben hatte. Die Abgabenbehörde hat erst dies zum Anlass genommen, den Einkommensteuerbescheid des Bf für das Jahr 2005 gem. § 295 Abs. 1 BAO abzuändern, und die bis dahin erklärungsgemäß erfasste Beteiligung am Verlust der atypisch stillen Gesellschaft nunmehr zu streichen.
Vom Bf wird die Ansicht vertreten, der erklärte Verlustanteil hätte, zumal der Grundlagenbescheid (Erstbescheid) über die Nichtfeststellung bereits am ergangen war, aufgrund der in § 192 BAO normierten Bindungswirkung bereits im abgeleiteten Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO vom unberücksichtigt bleiben müssen. Die Berücksichtigung des erklärten Verlustanteils in jenem Bescheid stellt dem Rechtsmittelvorbringen zufolge eine Rechtswidrigkeit dar, die mit dem im Weiteren am erlassenen Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO nicht sanierbar sei. Zur Untermauerung verweisen die Beschwerde vom bzw. der Vorlageantrag vom auf Ritz, BAO6, § 295 Rz 3 u. 4, sowie auf höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Ein auf § 295 gestützter Bescheid darf nur ergehen, wenn ein Grundlagenbescheid nachträglich (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert wird und wenn dieser nachträgliche Bescheid dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam ist. Wird ein Grundlagenbescheid vor dem abgeleiteten Bescheid erlassen bzw. abgeändert und entgegen der Bindung im später ergehenden abgeleiteten Bescheid nicht berücksichtigt, so ist diese Rechtswidrigkeit nicht durch eine Änderung (Aufhebung) gem. § 295 sanierbar (Ritz/Koran, BAO7, § 295 Rz 3f). Die zitierte Kommentarstelle verweist auf Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 Anm. 7:
§ 295 Abs. 1 bietet, wie sich aus der Verwendung des Wortes "nachträglich" ergibt, keine verfahrensrechtliche Handhabe dafür, einen Bescheid, bei dessen Erlassung rechtswidrigerweise nicht berücksichtigt wurde, dass ein Grundlagenbescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder ergangen war, zu ändern oder aufzuheben. Hingegen ist in solchen Fällen die (nachträgliche) Abweisung einer Bescheidbeschwerde gegen einen vor dem abzuleitenden Bescheid ergangenen Grundlagenbescheid Anlass für eine Folgeänderung, weil jede meritorische Beschwerdeentscheidung (oder jede Beschwerdevorentscheidung) ab ihrer Erlassung an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt.
Zwar war im Zeitpunkt der Erlassung des abgeleiteten Bescheides (gegenständlich: Der Beschwerdevorentscheidung vom ) der Grundlagenbescheid bereits erlassen. Es hätte also grundsätzlich bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom der Grundlagenbescheid Berücksichtigung finden, der in der Erklärung beantragte Verlustanteil sohin nicht anerkannt werden dürfen. Die Abweisung einer Bescheidbeschwerde als unbegründet ist jedoch so zu werten, als ob das Bundesfinanzgericht eine mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmende Entscheidung erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 20 mwN; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 279 E57 u. E59 mwN; Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 [2023] § 279 BAO Rz 18 mwN). Das vollinhaltlich abweisende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100470/2014, löste daher die Verpflichtung der Abgabenbehörde aus, mittels Bescheidänderung gem. § 295 BAO einen mit dem Inhalt des Erkenntnisses in Einklang stehenden Einkommensteuerbescheid zu erlassen.
So ist zwar dem Bf grundsätzlich beizupflichten, wenn er vorbringt, es sei gegenständlich keine "nachträgliche" Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines (erstinstanzlichen) Feststellungsbescheides erfolgt. Dennoch war die Bescheidänderung gem. § 295 BAO anlässlich des Ergehens der (nachträglichen) abweisenden Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes im gegenständlichen Fall zwingend geboten. Dass bereits am aus Anlass des Erkenntnisses im Verfahren RV/7101107/2018 eine Bescheidänderung gem. § 295 BAO erfolgt ist, steht dem nicht entgegen.
3. Im Übrigen wird in der Literatur durchaus sogar die Meinung vertreten, eine Bescheidänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO sei auch in Fällen jedenfalls geboten, in denen bei Erlassung des abgeleiteten Bescheides übersehen wurde, dass bereits ein Grundlagenbescheid vorlag (Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 [2023] § 295 BAO Rz 7 mwN). Vor dem Hintergrund des Normzwecks des § 295 Abs. 1 BAO ist dieser Ansicht jedenfalls beizupflichten und war die gegenständlich vorgenommene Bescheidänderung auch aus diesem Grund zulässig: Die Bestimmung soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid - und der materiellen Rechtslage - entsprechen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295 E3 mwN).
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur im Beschwerdeverfahren zu lösenden Rechtsfrage, ob eine Berücksichtigung der Feststellungen im Grundlagenbescheid gem. § 192 BAO jedenfalls bereits in der BVE vom zu erfolgen gewesen wäre, und eine Bescheidänderung gem. § 295 BAO mangels nachträglicher Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines (erstinstanzlichen) Feststellungsbescheides nicht mehr zulässig war, oder ob eine Verpflichtung zur Bescheidänderung gem. § 295 BAO durch die (nachträgliche) abweisende Beschwerdeerledigung ausgelöst wurde bzw. die Erlassung eines gem. § 295 BAO geänderten Bescheides auch bei Übersehen eines bereits vorliegenden Grundlagenbescheides zulässig bzw. geboten ist, liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Revision war daher zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 192 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100375.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at