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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2024, RV/5100191/2024

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab Jänner 2023" zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Antragstellerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. f bis j FLAG 1967 für die Gewährung der Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr nicht erfülle.

Dagegen richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom .
Die Bf. legte eine Bestätigung des Sozialhilfeverbandes ***SHV*** vor, wonach sie in der Zeit von bis in einem Seniorenheim eine sogenannte "Berufsorientierung in der Pflege" absolviert habe und vertritt die Auffassung, dass die länger als acht Monate dauernde Arbeit im Seniorenheim ein Freiwilliges Sozialjahr darstelle und ihr daher die Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr zustehe.
In einer Beschwerdeergänzung vom legte die Bf. die Vereinbarung mit dem Sozialhilfeverband ***SHV*** vom zur "Berufsorientierung in der Pflege" vor und führte sinngemäß aus, dass sie nach dieser Vereinbarung im Jahr 2015 für die Dauer von 12 Monaten ein Freiwilliges Sozialjahr in einer Einsatzstelle nach dem Freiwilligengesetz absolviert habe. Zudem verweise sie auf die in ihren Fall anzuwendende COVID-Sonderregelung des FLAG 1967.

Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Die Erhöhung der Altersgrenze bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auf Grund der Absolvierung eines Freiwilligen Sozialjahres komme dann zur Anwendung, wenn für den Zeitraum der Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres keine Familienbeihilfe bezogen worden sei. Seit dem sei während einer Freiwilligentätigkeit Familienbeihilfe zu gewähren.
Werde ein Freiwilliges Sozialjahr bei einem anerkannten Träger nach dem Freiwilligengesetz absolviert, so erhalte die Teilnehmerin/der Teilnehmer kein monatliches Entgelt.
Da für die Bf. im gesamten Kalenderjahr 2015 Familienbeihilfe bezogen worden sei, bestehe auch bei einer späteren Absolvierung eines Freiwilligen Sozialjahres keine Anspruch auf Familienbeihilfe über das vollendete 24. Lebensjahr hinaus.
Die von der Bf. beigebrachte Vereinbarung sei keine Bestätigung über die Absolvierung eines Freiwilligen Sozialjahres, auch wenn diese Berufsorientierung bei einer anerkannten Einsatzstelle absolviert worden sei.

In der als "Nachtrag zu Einspruch" bezeichneten und als Vorlageantrag zu wertenden Eingabe vom , brachte die Bf. vor, dass sie während der "Berufsorientierung in der Pflege" im Jahr 2015 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe und damals ihre Mutter anspruchsberechtigt gewesen sei und dies nach Ansicht der Bf. nicht bedeute, dass sie nunmehr auf die Familienbeihilfengewährung bis zum 25. Lebensjahr verzichten müsse.

Das Finanzamt legte die Beschwerde samt den Verfahrensakten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die am ***GebDat*** geborene Beschwerdeführerin (Bf.) absolvierte beim Sozialhilfeverband ***SHV*** im Seniorenheim ***SH*** in der Zeit von bis eine "Berufsorientierung in der Pflege". Das Beschäftigungsausmaß betrug 40 Wochenarbeitsstunden. Das monatliche Entgelt betrug in den ersten drei Monaten 600,00 Euro brutto, in den drei weiteren Monaten 750,00 Euro brutto und ab dem siebenten Monat 900,00 Euro brutto inkl. Sonderzahlung und Sonn- und Feiertagszuschlag. Laut Einkommensteuerbescheid 2015 betrugen die steuerpflichtigen Bezüge (KZ 245) aus dieser Tätigkeit insgesamt 8.002,75 Euro.

Auf der Homepage des Sozialhilfeverbandes ***SHV*** heißt es (https://www.shvbr.at/karriere/):
"Berufsorientierung in der Pflege
Der Sozialhilfeverband
***SHV*** bietet Jugendlichen die Möglichkeit, in einem der Bezirksseniorenzentren eine "Berufsorientierung in der Pflege" zu absolvieren.
Durch dieses Angebot können die Jugendlichen ab 16 Jahren wertvolle Erfahrungen sammeln.
Die Berufsorientierung in der Pflege richtet sich vor allem an junge, interessierte und sozial engagierte Menschen, die den Bereich der Pflege und Betreuung alter Menschen näher kennenlernen möchten und womöglich in weiterer Folge diesen Berufsweg einschlagen werden. Nicht selten wird durch diese Berufsorientierung in der Pflege das Interesse an einer Ausbildung in einer der Sozialbetreuungs- bzw. Pflegeberufen geweckt.

Während dieser Tätigkeit erhalten die Jugendlichen ein Taschengeld und sind versichert. Weiters bietet der ***SHV*** den Jugendlichen kostenlose Verpflegung an.

Der Aufgabenbereich der Jugendlichen in der Berufsorientierung in der Pflege beschränkt sich grundsätzlich auf hauswirtschaftliche Tätigkeiten in den Bezirksseniorenzentren. Darüber hinaus werden die Jugendlichen in der alltäglichen Betreuung der BewohnerInnen sowie in der Mitgestaltung von Aktivitäten (Veranstaltungen, Feste, etc.) im Alltagsbetrieb miteingebunden."

Im Jahr 2015 erfolgte der Familienbeihilfenbezug durch die Mutter der damals noch minderjährigen Bf.

In der Zeit von September 2019 bis September 2021 absolvierte die Bf. an einer Berufsfachschule in Deutschland eine Ausbildung zur staatlich geprüften Masseurin und medizinischen Bademeisterin und im Anschluss daran von Oktober 2021 bis März 2022 ein im Rahmen dieser Ausbildung vorgesehenes Pflichtpraktikum.
Ab Oktober 2022 absolviert sie in Deutschland eine Ausbildung zur Physiotherapeutin.

Einer Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom zufolge gewährte das Finanzamt Familienbeihilfe für die Zeiträume von September 2019 bis März 2022 und von Oktober 2022 bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres der Bf. im Dezember 2022.

2. Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten, auf die Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sowie auf die angeführten Angaben auf der Auf der Homepage des Sozialhilfeverbandes ***SHV***.

3. Rechtslage

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen des § 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lauten:

"§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(7) Die Anspruchsdauer nach Abs. 2 lit. a bis c und lit. f bis i verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

a) für volljährige Vollwaisen, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,

…"

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967).

Gemäß § 55 Abs. 19 FLAG 1967 gilt für das Inkrafttreten durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2012, eingefügter Bestimmungen Folgendes samt ergänzender Maßgaben:

c) § 6 Abs. 2 lit. j ist bis mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Vollwaisen, für die die Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 1 lit. k gewährt wurde, ein Anspruch nach § 6 Abs. 2 lit. j ausgeschlossen ist,
… .

4. Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (, , , ).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides hat das Finanzamt über die Zeiträume "ab Jänner 2023" abgesprochen. Damit ist auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes auf diese Zeiträume beschränkt.

Mit der Vollendung des 24. Lebensjahres am ***Dat.*** hat die Bf. die vom Gesetzgeber eingezogene allgemeine Altersgrenze für den Bezug der Familienbeihilfe erreicht.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob ein über die diese allgemeine Altersgrenze hinaus bis zum vollendeten 25. Lebensjahr bestehender Anspruch der Bf. vorliegt.

Die Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012, ermöglicht nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 lit. k FLAG 1967 keine Verlängerung der Familienbeihilfengewährung über das 24. Lebensjahr hinaus.

Ein über das vollendete 24. Lebensjahr hinausgehender Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach dem Willen des Gesetzgebers bei Kindern, die sich in Berufsausbildung befinden, nur dann, wenn einer der fünf gesetzlich vorgesehenen Verlängerungstatbestände vorliegt.

Der im Beschwerdefall in Betracht kommende Verlängerungstatbestand des § 6 Abs. 2 lit. j FLAG 1967 ist zeitlich befristet und gemäߧ 55 Abs. 19 FLAG 1967 lediglich bis anzuwenden. Daher scheidet eine Anwendung des genannten Verlängerungstatbestandes für die hier maßgeblichen Zeiträume "ab Jänner 2023" aus.

Durch das 6. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 28/2020, wurde dem § 6 FLAG 1967 ein Abs. 7 angefügt, der gemäß § 55 Abs. 45 FLAG 1967 mit in Kraft getreten ist und nach dessen lit. a. sich die Anspruchsdauer nach Abs. 2 lit. a bis c und lit. f bis i im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise verlängert.

Die Bf. absolvierte von bis einen Lehrgang zur staatlich geprüften Masseurin und medizinischen Bademeisterin und im Anschluss daran von bis ein sechsmonatiges Pflichtpraktikum. Sie schloss somit die Berufsausbildung innerhalb der in den Ausbildungsvorschriften (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) vorgesehenen Ausbildungszeit ohne Verzögerung (und acht Monate vor Vollendung des 24. Lebensjahres) ab.
Der Beginn der weiteren Berufsausbildung zur Physiotherapeutin erfolgte am .
Bei dieser Sachlage liegt durch die COVID-19-Krise keine Beeinträchtigung vor, die die Dauer der Berufsausbildung über die Altersgrenze hinaus verlängerte.

Aus den angeführten Gründen musste somit die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100191.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at