Ist der Hochschullehrgang für "ErzieherInnen für die Lernhilfe" Berufsausbildung iSd FLAG 1967?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***8*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, SVNR ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend die Tochter ***2*** ***6***, SVNR ***3***, samt Rückforderung der anteiligen Geschwisterstaffel, für den Zeitraum 4/2021 bis 6/2022, in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF***, in der Sitzung vom , zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Hinsichtlich des Zeitraumes 4/2021 bis 12/2021 wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
Hinsichtlich des verbleibenden Zeitraumes 1/2022 bis 6/2022 werden zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückgefordert und die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Das Finanzamt forderte von der Beschwerdeführerin (Bf) Für den Zeitraum 4/2021 bis 6/2022 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zurück mit der Begründung:
"Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Zu ***6*** ***2***:
Familienbeihilfe steht für volljährige Studierende unter folgenden Voraussetzungen zu:
• Das Kind hat das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet
• Das Kind besucht eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung
• Das Kind ist ordentliche Studierende oder ordentlicher Studierender
• Das Kind befindet sich innerhalb der vorgesehenen Studienzeit
Diese Voraussetzungen treffen bei Ihrem Kind nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Für außerordentliche Studierende besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
In der gegen den Rückforderungsbescheid erhobenen Beschwerde vom führte die Bf aus:
"Ich beantrage hiermit die Aussetzung der angeforderten Betrag von 2813,40 Euro, das ich für meine Tochter ***6*** ***2*** wehrend Ihrer Studium bezogen habe, aus folgenden Gründen: Meine Tochter wurde von der Schule falsch als außerordentlichen Schülerin eingestuft. Nach den ausgeführten Gespräch mit der Schule, hat sie nachträglich eine Bestätigung als normale Schülerin erhalten. Diese Bestätigung habe ich ans Finanzamt Graz bereit eingereicht und bitte es um Berücksichtigung. Vielen Dank"
Nach den im Vorhalteverfahren vorgelegten Unterlagen wie Abschlusszeugnis, ECTS-Nachweise und Studienzeitbestätigung, erfolgte eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom :
"Begründung
Was ist eine Berufsausbildung?
Das Kind verwendet seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches Fachwissen zu erlernen und schließt diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung ab. Die Ausbildung hat eine angemessene Unterrichtsdauer und ist nicht auf Allgemeinbildung wiezum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet.
Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?
• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür
• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an
Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.
Ihre Tochter ***2*** absolvierte im Zeitraum - den von der Pädagogischen Hochschule ***7*** angebotenen Hochschullehrgang "Erzieherinnen und Erzieher für die Lernhilfe".
Die Ausbildung endete mit Ablegung der Abschlussprüfung am .
***2*** war als außerordentlich Studierende gemeldet, da laut Hochschule Hochschullehrgänge außerordentliche Studien darstellen.
Laut Studienplan dauert der Hochschullehrgang 3 Semester und umfasst 60 ECTS-Punkte bzw. 52,5 Semesterwochenstunden mit je 15 Einheiten á 45 Minuten.
Zulassungsvoraussetzungen sind das vollendete 18. Lebensjahr, Kenntnisse der deutschen Sprache auf Niveau C1, erforderliche Sprech- und Stimmleistung und grundsätzliche persönliche Eignung.
Aus den Sozialversicherungsdaten ist ersichtlich, dass Ihre Tochter im Zeitraum - bei der Städtischen Tagesbetreuung ***7*** beschäftigt war.
Laut telefonischer Auskunft handelte es sich dabei um ein Pflichtpraktikum.
Die Einkommensgrenze wurde nicht überschritten.
Eine schriftliche Anfrage an die Universität ***7*** vom zum Thema Anerkennung des Praktikums wurde bis dato nicht beantwortet. Die Zeit der Absolvierung des Hochschullehrganges stellt bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen eine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes (FLAG 1967) dar.
Wenn das Arbeitspensum für 3 Semester 52,5 Wochenstunden beträgt, bedeutet dies, dass sich die monatliche Ausbildungszeit auf zirka 3 Stunden beläuft.
Aufgrund der vorliegenden Informationen ist festzustellen, dass diese Ausbildung nicht die volle bzw. überwiegende Zeit von ***2*** in Anspruch genommen hat und somit auch kein Anspruch auf Familienleistungen besteht."
Im Vorlageantrag vom brachte die Bf vor:
"Hinsichtlich der Begründung meines Begehrens und der beantragten Änderungen verweiseich auf meine Beschwerde bzw. möchte diese ergänzen wie folgt:
Es trifft nicht zu, dass meine Tochter ***9*** ***6*** Ihre Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig verfolgt hat. Dies geht aus der beigelegten Studienzeitbestätigung hervor, es wurden mehr als 60 ECTS erreicht, die auch Praxisstunden in einer Praxishauptschule umfasste.
Bei der Teilzeitbeschäftigung meiner Tochter bei der Städtischen Tagesbetreuung ***7*** von bis handelte es sich nicht um ein Pflichtpraktikum - es war ein Nebenjob im Ausmaß von 15 Wochenstunden, wie Sie dem beigelegten Arbeitsvertrag entnehmen können. Dass es sich hier um ein Pflichtpraktikum gehandelt hatte, ist offenbar ein Missverständnis. Daher blieb die Anfrage an die Universität ***7*** offenbar auch unbeantwortet.
Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass mir die Familienbeihilfe zusteht und die Rückforderung nicht zu Recht besteht.
Es ist festzuhalten, dass die Ausbildung die überwiegende Zeit meiner Tochter in Anspruch genommen hat und beantrage ich daher die Entscheidung durch den Senat."
Das Finanzamt führt im Vorlagebericht vom unter Verweis auf die Ausführungen in der BVE aus:
"Die Tochter der Beschwerdeführerin absolvierte im Zeitraum - an der Pädagogischen Hochschule ***10*** einen Hochschullehrgang für Erzieherinnen und Erzieher für die Lernhilfe. Die Tochter hatte den Status einer "außerordentlich Studierenden".
Der Hochschullehrgang wurde mit Prüfung vom abgeschlossen.
Für den Abschluss des Lehrganges waren Prüfungen im Ausmaß von 60 ECTS-Punkten (bzw. 52,5 SWS mit je 15 Einheiten à 45 Minuten) notwendig, umgelegt auf eine tatsächliche Studiendauer von 4 Semestern nahm die Ausbildung somit nicht die volle bzw. überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch.
Weiters absolvierte sie vom bis ein Praktikum bei der Städtischen Tagesbetreuung ***7***, bei diesem Praktikum handelte es sich aber nicht um ein Pflichtpraktikum (schriftliche Anfrage an die Hochschule blieb unbeantwortet, aber Bestätigung der Mutter im Vorlageantrag).
Die im Vorlageantrag erwähnte Praxiszeit an einer Schule wurde weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren erwähnt/belegt.
Da die Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule ***10*** nicht die volle bzw. überwiegende Zeit der Tochter in Anspruch genommen hat, besteht nach Meinung des Finanzamtes kein Anspruch auf Familienleistungen."
Am fand die von der Bf. beantragte nicht mündliche Senatssitzung statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) und ihr Gatte sind in Österreich berufstätig.
Die Tochter ***2*** der Bf, geboren am ***4*** und ***5*** Staatsbürgerin, war im Zeitraum - an der Pädagogischen Hochschule ***10*** für den Hochschullehrgang für Erzieherinnen und Erzieher für die Lernhilfe eingeschrieben. Die Tochter hatte den Status einer "außerordentlich Studierenden".
Grundsätzlich dauert der Hochschullehrgang 3 Semester, die Tochter brauchte insgesamt 4 Semester für den Abschluss.
Im vierten Semester, dem Sommersemester 2022 wurde nur mehr die mit 2 ECTS bewertete Abschlussarbeit verfasst und ein Begleitseminar zur Abschlussarbeit mit 1 ECTS bewertet, es wurden keine weiteren Prüfungen abgelegt.
Der Hochschullehrgang wurde mit abgeschlossen mit der Bezeichnung für die Absolventin mit "Akademische Erzieherin für die Lernhilfe".
Für den Abschluss des Hochschullehrgangs waren Nachweise von insgesamt 60 ECTS-Punkten notwendig mit einer mit 2 ECTS bewerteten Abschlussarbeit, ein entsprechender Nachweis "Transcript of Records" über 60 ECTS wurde vorgelegt.
Laut Curriculum für den Hochschullehrgang umfasst dieser 52,5 Semesterwochenstunden mit je 15 Einheiten à 45 Minuten, das entspricht 590,625 Echtstunden zu 60 Minuten und 859,375 Stunden Selbststudienanteil, das sind (zumindest) 1450 Stunden und 50 Stunden für die Abschlussarbeit.
Vom bis war die Tochter Angestellte bei der Städtischen Tagesbetreuung mit 15 Wochenstunden. Dabei handelte es sich um eine Teilzeitbeschäftigung und nicht um ein Pflichtpraktikum.
Es ist aber glaubhaft, dass die Tochter auch Praktikumsstunden in einer Praxishauptschule absolvierte.
Weiters ist laut Curriculum die Absolvierung eines zertifizierten 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurses nachzuweisen.
Das Finanzamt forderte die Familienleistungen für den (daher verfahrensgegenständlichen) Zeitraum 4/2021 bis 6/2022 die Tochter betreffend samt anteiliger Geschwisterstaffel zurück, da es offenbar davon ausging, dass die Ausbildung nicht die gesamte Ausbildungszeit über die volle bzw. überwiegende Zeit der Tochter in Anspruch nahm bzw. die Semesterwochenstunden für ein Semester nicht verdreifachte und auch keine Selbststudienzeit berücksichtigte.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und aus dem Curriculum zum Lehrgang.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
2Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. … …
§ 26 FLAG 1967 lautet:
§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.
§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
§ 35 Hochschulgesetz 2005 (HG 2005) lautet auszugsweise:
Im Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:
2. Ordentliche Studien sind die Bachelorstudien und die Masterstudien sowie die Erweiterungsstudien.
24. Außerordentliche Studien sind die Hochschullehrgänge, der Besuch einzelner Lehrveranstaltungen aus wissenschaftlichen Fächern und Studien zur Herstellung der Gleichwertigkeit gemäß § 68 Abs. 4.
25. Hochschullehrgänge dienen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung.
26. Außerordentliche Studierende sind die Studierenden, die zu den außerordentlichen Studien zugelassen sind.
Umfang der Studien im Sinne des Europäischen Systems zur Anrechnung von Studienleistungen
§ 37 HG 2005:
Der Umfang der Studien ist im Sinne des Europäischen Systems zur Anrechnung von Studienleistungen (European Credit Transfer System - ECTS, 253/2000/EG, Amtsblatt Nr. L 28 vom ) in ECTS-Anrechnungspunkten anzugeben. Mit diesen Anrechnungspunkten ist der relative Anteil des mit den einzelnen Studienleistungen verbundenen Arbeitspensums zu bestimmen, wobei das Arbeitspensum eines Jahres 1500 Echtstunden zu betragen hat und diesem Arbeitspensum 60 Anrechnungspunkte zugeteilt werden.
Ordentliche Studien
§ 38 HG 2005
(1) An den Pädagogischen Hochschulen sind nach Maßgabe des Bedarfs folgende Studien mit folgendem Arbeitsaufwand einzurichten:
1. Bachelorstudium (im Umfang von 180 ECTS-Anrechnungspunkten) und Masterstudium (im Umfang von 120 ECTS-Anrechnungspunkten) für das Lehramt Primarstufe, … …
Hochschullehrgänge
§ 39 HG 2005
(1) An den Pädagogischen Hochschulen sind Hochschullehrgänge zur Fort- und Weiterbildung
1. von Lehrerinnen und Lehrern sowie
2. in allgemeinen pädagogischen Professionsfeldern der Betreuung von Kindern und Jugendlichen nach den inhaltlichen Vorgaben der zuständigen Bundesministerin oder des zuständigen Bundesministers oder mit deren oder dessen Ermächtigung zur Wahrung der regionalen Erfordernisse nach den inhaltlichen Vorgaben der Bildungsdirektionen einzurichten.
(2) Es sind Hochschullehrgänge zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern für die Freizeit an ganztägigen Schulformen (Hochschullehrgänge für Freizeitpädagogik) sowie Hochschullehrgänge zur Qualifikation für die Erteilung von Lernhilfe an ganztägigen Schulformen (für Erzieherinnen und Erzieher für die Lernhilfe) einzurichten, deren Arbeitsaufwand jeweils 60 ECTS-Anrechnungspunkte beträgt.
Zulassung zu außerordentlichen Studien
§ 52f HG 2005
(1) Die Zulassung zu den außerordentlichen Studien setzt den Nachweis der allfälligen im Curriculum eines Hochschullehrganges geforderten Voraussetzungen voraus.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Strittig ist, ob die Tochter im (gesamten) Rückforderungszeitraum eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 absolvierte.
Die ein ordentliches Studium betreffenden Regelungen des § 2 Abs. 1 lit. b 2.Satz und ff FLAG 1967 sind hier nicht anzuwenden, da die Tochter der Bf den Hochschullehrgang als außerordentliche Studentin betrieb.
Unter Studium iSd § 2 Abs 1 lit. b ist nur eine auf Grund der einschlägigen Studienvorschriften durchgeführte Ausbildung an einer in § 3 StudFG 1992 genannten Einrichtung zu verstehen. Dazu zählen allerdings nicht Universitätslehrgänge (und damit auch nicht Hochschullehrgänge), da die näheren, den Besuch einer Einrichtung iSd § 3 StudFG besonders regelnden Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit b nur von ordentlichen Studien sprechen (; Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 55).
Ein Hochschullehrgang stellt grundsätzlich kein ordentliches Studium dar.
Die hochschulrechtliche Unterscheidung zwischen ordentlichem Studium und außerordentlichem Hochschullehrgang beantwortet nicht die Frage, ob ein Hochschullehrgang als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit. b Satz 1 FLAG 1967 oder als Berufsfortbildung anzusehen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 "alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird" (vgl. ; ). Somit kann auch ein Hochschullehrgang Berufsausbildung iSd FLAG 1967 sein, auch wenn dieser hochschulorganisatorisch wie hier (auch) zur Weiterbildung konzipiert ist.
"Noch nicht berufstätig" ist so zu verstehen, dass die auszubildende Person noch nicht in dem Beruf tätig ist, für den sie sich ausbildet. Eine gewisse teilweise Berufstätigkeit etwa zur Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums ist aber nicht schädlich.
Die Abgrenzung ist hier über die zeitliche Inanspruchnahme der Studierenden zu sehen.
Jede Berufsausbildung iSd FLAG 1967 weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch der zeitliche Umfang. Die Berufsausbildung muss die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch nehmen (ständige Rechtsprechung, ).
Die Lehre (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 40) geht von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 dann aus, wenn bei kursmäßigen Ausbildungen oder bei Maturaschulen ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kursbesuch und Vorbereitungszeit außerhalb des Kurses von mindestens 30 Stunden anfällt. Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ; ; ).
Es kann auch bei einem Hochschullehrgang eine Berufsausbildung gegeben sein, wenn die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht wird, das Ablegen von Prüfungen erforderlich ist, diese auch tatsächlich in angemessener Zeit abgelegt werden und eine Ausbildung für ein spezielles Berufsziel erfolgt (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 45, Seite 98).
Der Hochschullehrgang, den die Tochter erfolgreich abschloss, befähigt sie zur Erzieherin für die Lernhilfe und die schulische Tagesbetreuung, geht also bei ihr über eine Berufsfortbildung hinaus.
Pro Semester waren ca. 20 ECTS zu absolvieren, was einem Echtstundenaufwand von 500 Stunden entspricht.
Gemäß § 54 Abs. 1 UG 2002 und § 37 HG 2005 beträgt der relative Anteil des mit den einzelnen Studienleistungen verbundenen Arbeitspensums in einem Jahr 1.500 Echtstunden und werden diesem Arbeitspensum 60 Anrechnungspunkte zugeteilt. Ein ECTS-Anrechnungspunkt entspricht somit einem Arbeitspensum von 25 Echtstunden (vgl. ; ).
Aus dem vorgelegten Curriculum für den Lehrgang (Seite 11) ergibt sich die Summe von 1.450 Stunden für Präsenzstudienanteil und Selbststudienanteil, dazu kommen 50 Stunden für die Abschlussarbeit, was einem durchschnittlich veranschlagten Zeitbedarf von 500 Echtstunden (=20 ECTS) pro Semester entspricht.
Berücksichtigt man ca. zumindest drei bis 4 Monate Ferien pro Studienjahr, so kann von einem durchschnittlichen wöchentlichen Mindestaufwand von 25 Stunden und mehr ausgegangen werden.
Dazu kommen auch noch die glaubhaft gemachten Praktika in Praxisschulen, die ebenso mit einem entsprechenden zeitlichen Aufwand verbunden waren (wie Anreise, Vor- und Nachbereitung). Weiters ist laut Curriculum der Nachweis für einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs notwendig.
Zudem hatte die Tochter laut Nachweisen zu den Lehrveranstaltungen fast durchgehend Beurteilungen mit "Sehr Gut", die in freier Beweiswürdigung darauf schließen lassen, dass die Ausbildung mit besonderem Fleiß und Ernst betrieben wurde, was auch in der Regel einen höheren Zeiteinsatz wahrscheinlich macht.
Auch im Vergleich zu den Anforderungen eines (ordentlichen) Universitätsstudiums, das den Nachweis von zumindest 16 ECTS proStudienjahr laut § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 voraussetzt, um den Familienbeihilfenanspruch zu wahren, wäre es unverhältnismäßig, bei einem Nachweis von durchschnittlich 20 ECTS im Semester, dem Lehrgang, der für den Beruf der Erzieherin für die Lernhilfe befähigt, die Eignung einer Berufsausbildung abzusprechen.
Vergleichsweise umfasst das Bachelorstudium Lehramt, das 8 Semester dauert, 240 ECTS, also 30 ECTS pro Semester (bei angenommener Beendigung in der Mindeststudienzeit).
Das BFG gelangt in freier Beweiswürdigung und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zum Schluss, dass für die beschwerdegegenständliche Zeit von 4/2021 bis 12/2021 (gerade) noch von einer Berufsausbildung der Tochter der Bf ausgegangen werden kann und die Familienleistungen daher zustehen.
Der 60 ECTS umfassende Hochschullehrgang für drei Semester erfüllt nach Ansicht des BFG die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967.
Zum Rückforderungzeitraum ab 1/2022 bis 6/2022:
Mit 1/2022 hat die Tochter eine Teilzeitbeschäftigung von 15 Wochenstunden begonnen.
Es handelte sich dabei um kein Pflichtpraktikum (laut Angaben der Bf im Vorlageantrag im Gegensatz zur Annahme in der BVE).
Für den Lehrgang waren nur mehr die mit 2 ECTS bewertete Abschlussarbeit und ein Begleitseminar zur Abschlussarbeit mit 1 ECTS ausständig, sonstige Prüfungen wurden keine mehr absolviert.
In diesem Zeitraum kann somit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Berufsausbildung die überwiegende Zeit der Tochter in Anspruch nahm, es bestand daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr.
Die Rückforderung erfolgte daher für diese 6 Monate zurecht und war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung berücksichtigt die ständige Rechtsprechung des VwGH und beruht auf der Lösung von Sachverhaltsfragen, eine ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100391.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at