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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2024, RV/2100314/2022

Lehre mehrmals unterbrochen, nicht abgeschlossen, keine Nachweise für behauptete Erkrankung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***SenV***, ***Ri***, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Mag. Renate Kahlbacher, Wiener Straße 35a, 8605 Kapfenberg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung der für das Kind ***1***, geb. xx.xx.1999, für die Zeiträume September 2017 bis März 2018 und September 2018 bis März 2021 ausgezahlten Familienbeihilfe und der entsprechenden Kinderabsetzbeträge (Gesamtrückforderungsbetrag 8.747,80 €), SV-Nr. ***SV-Nr***, in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für das im Spruch genannte Kind gelangte das Finanzamt Kenntnis davon, dass dieses Kind ab als Arbeiter beschäftigt ist, ein Lehrabschlusszeugnis konnte nicht vorgelegt werden, da der Sohn die Lehre abgebrochen habe.

Als Nachweis wurden die Bestätigung des Malermeisters ***2*** über die Auflösung des Lehrverhältnisses während der Probezeit (Lehrverhältnis vom bis ) und der Arbeitsvertrag mit der Fa. ***3*** ab als Arbeiter vorgelegt. Ergänzend wurde von der Bf. bekannt gegeben, dass der Sohn von September 2018 bis keiner Tätigkeit nachgegangen sei.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 für die Zeiträume von September 2017 bis März 2018 und von September 2018 bis März 2021 die Familienbeihilfe in Höhe von 6.528,60 € sowie iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 Kinderabsetzbeträge in Höhe von 2.219,20 €, gesamt 8.747,80 €, zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin in den Zeiträumen von September 2017 bis März 2018 und von September 2018 bis März 2021 in keiner Berufsausbildung befunden habe.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde und brachte begründend vor, dass sie nicht gewusst habe, dass man eine Änderung des Tätigkeitsbereiches seines Kindes melden müsse. Ihr Sohn sei als Lehrling bei zwei Firmen tätig gewesen, danach sei er zwei Jahre zu Hause gewesen ohne einer Tätigkeit nachzugehen, da es sein gesundheitlicher Zustand nicht zugelassen habe. Er sei wegen psychischer Probleme nicht zum Arzt gegangen.
Seit sei der Sohn bei der Firma ***3*** tätig.
Die Bf. ersucht auch die Covid 19-Krise im Rückforderungszeitraum zu berücksichtigen und um einen dementsprechenden Nachlass, da sie nicht in der Lage sei den Rückforderungsbetrag zu bezahlen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde unter Hinweis auf die anzuwendende Rechtslage ab mit der Begründung, dass der Sohn der Bf. lediglich vom 6.6. - und vom - als Lehrling tätig gewesen sei. Es könne daher nur für diese Zeiträume Familienbeihilfe anerkannt werden. Weitere Berufsausbildungszeiträume seien nicht genannt worden und es wurde darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Zahlungserleichterungen gestellt werden könne.

Daraufhin stellte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und brachte ergänzend vor:
"Der Sohn der BF ist am xx.xx.1999 geboren. Er wurde daher am xx.xx.2017 volljährig.
Er hat die Schule abgebrochen aus psychischen Gründen und versuchte am eine Lehre zu beginnen, welche er am abgebrochen hat. Die psychischen Probleme wurden immer schlimmer und pflegte der Sohn der BF überhaupt keine Sozialkontakte mehr und war für nichts zugänglich. Die BF war bemüht, ihren Sohn behandeln zu lassen, er lehnte jedoch jeglichen Arztbesuch und jegliche Therapie ab. Er war aggressiv gegenüber der BF und sperrte sich zu Hause ein. Sämtliche Versuche der BF den Sohn wieder in die Spur zu bringen, blieben erfolglos. Er lebte bei der Mutter und hatte sie mit den psychischen, massiven pubertären Problemen des Kindes zu kämpfen.
Nachdem die BF am die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2015 bis November 2020 erhalten hat vom Finanzamt
***4***, ging sie davon aus, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag bis zu diesem Zeitraum gewährt werden.
Sie hat daher die bezogene Familienbeihilfe gutgläubig verbraucht.
[…]
Nachdem der Sohn endlich seit einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, ist der BF durchaus klar, dass sie von Juli 2020 bis März 2021 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu refundieren haben wird. Dies hat sie erst im Rahmen des Erhalts des Rückforderungsbescheides vom durch Erkundigungen in Erfahrung bringen müssen.
Die BF als alleinerziehende Mutter und Kleinverdienerin trifft natürlich dieser Rückforderungsanspruch äußerst hart.
Die BF beantragt daher die Entscheidung durch den Senat am Bundesfinanzgericht.
[…]
Ungeachtet obiger Ausführungen erhielt die BF auch noch die Mitteilung des Finanzamtes
***4*** im Jahr 2020, wonach die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag covidbedingt weiterhin bis März 2021 gewährt werden und ging sie davon aus, dass ursprünglich bis November 2020 die Beihilfen gewährt wurden und covidbedingt dann bis März 2021 verlängert wurden."

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wird ausgeführt, dass der Sohn der Bf. als Arbeiterlehrling vom 1.6. - und vom - und vom - beschäftigt gewesen sei. Im Zeitraum September 2017 bis März 2018 und ab September 2018 habe er keine Berufsausbildung gemacht.
Lt. dem beigelegten SV-Datenauszug vom war der Sohn der Beschwerdeführerin im beschwerdeggst. Zeitraum ab mit Unterbrechungen als arbeitssuchend gemeldet, Arbeitslosengeld hat er tageweise im Juli und August 2019 bezogen.

Die Senatsentscheidung wurde in der Sitzung am getroffen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Beschwerdeführerin ist am xx.xx.1999 geboren und hat somit am xx.xx.2017 das 18. Lebensjahr vollendet.

Der Sohn der Bf. war in den Monaten Juni bis August 2017 und dann erst wieder in den Monaten April bis August 2018 als Arbeiterlehrling beschäftigt. Im Zeitraum September 2017 bis März 2018 und ab September 2018 hat er keine Berufsausbildung absolviert. Die Lehre wurde nicht abgeschlossen.

Nachweise über die behauptete psychische Erkrankung des Sohnes wurden nicht vorgelegt.

Seit Juli 2020 ist der Sohn der Beschwerdeführerin als ungelernter Arbeiter tätig.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde bzw. der Beschwerdeführerin.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Außer Streit steht nach dem Vorbringen im Vorlageantrag die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum von Juli 2020 bis März 2021.

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]
[…]
d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 2 Rz 35).

Es besteht kein Zweifel, dass insbesondere die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis eine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt (s , mwN). Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen: zum einen die praktische Ausbildung im Betrieb (in der Regel 75 bis 80 % der Lehre), und zum anderen die Ausbildung in der Berufsschule (so genanntes "duales System" der Lehrausbildung).
Als Grundlage dient das BerufsausbildungsG, BGBl 1969/142 (BAG) und die im § 8 BAG normierte Ermächtigung des BMWJF (nunmehr: Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), für die einzelnen Lehrberufe durch Verordnung Ausbildungsvorschriften zu erlassen.
Lehrverhältnis und Lehrvertrag bilden die Grundlage der dualen Ausbildung. Die Dauer eines Lehrverhältnisses (zwei bis vier Jahre) ist grundsätzlich vom jeweiligen Lehrberuf abhängig und ist dem Lehrvertrag (§ 12 Abs. 2 Z 4 BAG) zu entnehmen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 2 Rz 45).

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörden in freier Beweiswürdigung zu beantworten haben ().

Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt der Familienbeihilfen(FB)-Anspruch nicht bestehen, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist.
Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten ( mwN); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 2 Rz 38).

Dabei ist aber zu beachten, dass der VwGH seine ständige Rechtsprechung, wonach die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist, auch auf die Berufsausbildung anwendet (): Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die FB sei, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 entnehmen lasse, der Monat. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind könne somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 2 Rz 41).

Im vorliegenden Fall war der Sohn der Beschwerdeführerin lt. der Finanzamtsdatenbank als Arbeiterlehrling vom 06.06. - und vom 02.04. - und vom 10.7. - beschäftigt. In diesen Monaten stand er somit in einer Berufsausbildung und die Bf. hat für ihren Sohn die Familienbeihilfe rechtmäßig bezogen.

In den Zeiträumen von September 2017 bis März 2018 und von September 2018 bis März 2021 befand sich der Sohn jedoch in keiner Berufsausbildung, die begonnene Lehrausbildung wurde von ihm nicht abgeschlossen.

Deshalb wurde vom Finanzamt die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Zeiträume September 2017 bis März 2018 und September 2018 bis März 2021 rückgefordert, in diesen Zeiträumen hat der Sohn der Bf. seine Lehrausbildung unterbrochen bzw. nach September 2018 nicht wieder aufgenommen. Ab Juli 2020 war er als (ungelernter) Arbeiter beschäftigt.

Für die Zwischenzeit nach einer abgebrochenen Lehre bis zum Beginn eines neuen Lehrverhältnisses besteht nach dem FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da sich das Kind in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung befindet. § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ist nur für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung anwendbar, jedoch nicht für die Zeit zwischen der Beendigung eines Lehrverhältnisses und dem Beginn eines anderen Lehrverhältnisses.

Zum Vorbringen in der Beschwerde wird darauf hingewiesen, dass der Bezieher der Familienbeihilfe in der Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe darauf aufmerksam gemacht wird, dass Änderungen der Verhältnisse, die nach Gewährung der Familienbeihilfe eingetreten sind und die bewirken, dass der Anspruch auf die gewährte Familienbeihilfe erlischt und damit kein Bezug der Familienbeihilfe mehr gegeben ist, umgehend dem Wohnsitzfinanzamt bekannt zu geben sind.
Mit diesem Hinweis wird der Bezieher der Familienbeihilfe ausdrücklich darüber informiert, dass ihn eine Verpflichtung trifft, Tatsachen oder Änderungen, die Einfluss auf den Anspruch und damit auf die Auszahlung der Familienbeihilfe haben, dem Finanzamt ohne zeitliche Verzögerung mitzuteilen.

Zum weiteren Beschwerdevorbringen, der Sohn habe aus gesundheitlichen Gründen (psychische Probleme) zwischendurch keiner Tätigkeit nachgehen können, konnten von der Beschwerdeführerin keine Nachweise über eine psychische Erkrankung vorgelegt werden, da der Sohn keinen Arzt aufgesucht habe. Damit kann aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden, dass während der Unterbrechung bzw. nach Abbruch der Lehre tatsächlich eine Erkrankung des Sohnes vorgelegen ist, die ihn an der Fortsetzung der Berufsausbildung gehindert habe.
Jedenfalls hat er die Lehre nach dem Abbruch im August 2018 in der Folge weder fortgesetzt noch abgeschlossen, sondern im Juli 2020 eine Tätigkeit als ungelernter Arbeiter begonnen.
Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann auch nicht mehr gesprochen werden, wenn wie hier die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird.
Außerdem hat der Sohn in den Monaten Juli und August 2019 Arbeitslosengeld bezogen, d.h. eine Erkrankung kann nicht vorgelegen sein, da er nach dem ALVG während des Bezuges des Arbeitslosengeldes dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss.

Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Bestimmungen im Zsh. mit der Covid-19-Krise § 2 Abs. 9 und § 15 FLAG 1967 liegen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor, da der Sohn der Bf. ab März 2020 keine Berufsausbildung iSd FLAG absolvierte. Zum Zeitpunkt des Abbruchs der Lehre Ende August 2018 war das Covid-19-Virus noch nicht bekannt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. I 118/2015 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Aus § 26 Abs. 1 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von FB an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat und nicht ob er die bezogene Familienbeihilfe gutgläubig verbraucht hat, Alleinerzieher ist oder der Sohn pubertäre Probleme hatte.

Die Familienbeihilfe wurde in den Zeiträumen von September 2017 bis März 2018 und von September 2018 bis März 2021 - wie oben dargestellt - zu Unrecht bezogen und vom Finanzamt zu Recht rückgefordert.

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließend darf informativ auf § 26 Abs. 4 FLAG 1967 hingewiesen werden, wonach die Oberbehörde ermächtigt ist, in Ausübung des Aufsichtsrechts die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Beihilfenbezuges abzusehen. Eine derartige Maßnahme fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für Familie. Es liegt an der Beschwerdeführerin, sich mit einer entsprechenden Anregung an dieses Ministerium zu wenden. Es muss aber beachtet werden, dass es sich dabei um eine Maßnahme des Aufsichtsrechtes handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Weiters wird auf die Möglichkeit hingewiesen, beim Finanzamt einen Antrag gemäß § 212 BAO auf Zahlungserleichterung und gemäß § 236 BAO auf Nachsicht einzubringen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde sowie das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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