Vorsteuererstattungsantrag: Zurückweisungsbescheid - unrichtige Angabe des Erstattungszeitraumes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin *** in der Beschwerdesache der Bescherdeführerin, mit Adresse, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, IZD-Tower (Postfach 89), 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Vorsteuererstattung 9 - 12/2021, Steuernummer XXX, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang (chronologisch)
Am (Antragsdatum = Einbringungsdatum im Ansässigkeitsstaat) wurde von der Bf. mittels Vorsteuererstattungsantrag für den Zeitraum 7-9/2021 die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von € 263.245,60 begehrt.
Mit Bescheid vom wurden die beantragten Vorsteuern in voller Höhe bewilligt.
Am (Antragsdatum) wurde ein Vorsteuererstattungsantrag mit dem Erstattungszeitraum 9-12/2021 eingebracht, mit dem die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von € 342.794,85 beantragt wurden.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom auf Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl.Nr. 222/2009 für den Zeitraum 9-12/2021 mit der Begründung, dass der Erstattungszeitraum ungültig sei, zurückgewiesen.
Am (Antragsdatum ) wurde ein weiterer Antrag auf Erstattung (derselben) Vorsteuerbeträge - erneut - für den Zeitraum 9-12/2021 eingebracht, welcher mit Bescheid vom mit derselben Begründung zurückgewiesen wurde wie der "erste" diesbezügliche Antrag. Der Erstattungszeitraum sei ungültig.
Mit Beschwerde vom beantragte die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter die Aufhebung des Bescheides vom wegen Rechtwidrigkeit des Inhalts sowie Festsetzung der abziehbaren Vorsteuern analog zu dem eingereichten Antrag mit € 342.794,85. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf. am einen Antrag auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum von 7/2021 bis 9/2021 gestellt habe und am fristgerecht einen (weiteren) Antrag auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum von 09/2021 bis 12/2021.
Der betreffende Antrag habe nur Unterlagen mit dem Datum der steuerpflichtigen Leistungserbringung für den Zeitraum von 10/2021 bis 12/2021 enthalten. Die mit einem anderen Datum der steuerpflichtigen Leistungserbringung (außerhalb des Zeitraums 10-12/2021) ausgestellten Steuerdokumente seien im Antrag nicht enthalten gewesen.
Antragsgegenstand seien Vorsteuern aus Rechnungen für den Kauf von Treibstoff für Lkw.
Der streitgegenständliche Antrag habe einen Tippfehler bei der Bezeichnung des Zeitraums enthalten für den der Antrag gestellt worden sei. In der Kopfzeile des Antrags sei angegeben worden, dass der Antrag für den Zeitraum vom 9-12/2021 eingereicht werde.
Im Antrag für 9-12/2021 vom seien alle gesetzlich vorgeschriebenen Angaben ordnungsgemäß angeführt worden. Es sei nur ein formaler Fehler in der Kopfzeile des Antrags passiert, da der Erstattungszeitraum mit 10-12/2021 angegeben werden sollte. Der abgelehnte Antrag habe nur Rechnungen, deren Datum der steuerpflichtigen Leistungserbringung in den Zeitraum 10-12/2021 fallen, enthalten. Es bestehe keinen Zweifel, dass die Leistungen nicht doppelt zu berücksichtigen seien.
Es werde beantragt, den ablehnenden Bescheid vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts zur Gänze aufzuheben und durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, mit dem der Antrag des Bf. auf Erstattung der in Österreich für den Zeitraum 10-12/2021 in ordnungsgemäßen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer in Höhe von € 342.794,85 als Vorsteuer stattgegeben werde, um den Grundsatz der Umsatzsteuerneutralität zu wahren sowie die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/9/EG einzuhalten.
Die (abweisende) Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom mit Bescheidspruch "Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom " wurde mit Bescheid vom (ersatzlos) gemäß § 299 (1) BAO amtswegig aufgehoben. Begründend wurde von der Abgabenbehörde ausgeführt, dass die Beschwerde vom gegen den "ersten" Zurückweisungsbescheid vom gerichtet war. Gegen den Bescheid vom sei keine Beschwerde eingebracht worden.
In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom abgesprochen und diese mit der Begründung abgewiesen, dass es laut § 2 ErstattungsVO BGBl. Nr. 279/1995 idgF mit Ausnahme eines Jahresantrages für einen Zeitraum nur einen Erstattungsantrag geben darf und ein "Tippfehler" mit der Möglichkeit des Jahresantrages noch zu korrigieren gewesen wäre, wovon jedoch nicht Gebrauch gemacht worden sei.
Dagegen wurde fristgerecht der Vorlageantrag erhoben und die Anträge gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit b BAO auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gestellt.
Vom Vertreter der Bf. wurde auf den fehlerhaften Bescheidspruch der Beschwerdevorentscheidung vom "Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom ", mangels Vorliegens eines Bescheides vom und die diesbezügliche Zustellproblematik (welche für das gegenständliche Verfahren nicht relevant ist), hingewiesen, welcher - wie oben ersichtlich - von der Abgabenbehörde aufgehoben wurde.
Begründend wurde hinsichtlich des gegenständlichen Verfahrens zusammengefasst vorgebracht, dass die Bf. am rechtzeitig den Antrag auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 9-12/2021 über das tschechische elektronische Portal eingebracht habe. Der Antrag vom enthalte alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG festgelegten Angaben, somit gelte der Erstattungsantrag gemäß Art. 15 der Richtlinie als vollständig vorgelegt.
Tschechien habe den Erstattungsantrag an Österreich als Mitgliedstaat der Erstattung übermittelt, nachdem es die gemäß Art. 18 der Richtlinie 2008/9/EG vorgesehene Überprüfung durchgeführt habe. Es sei naheliegend, dass aus tschechischer Sicht die Vollständigkeit des Erstattungsantrages gegeben war und folglich keine Mängel hinsichtlich Vollständigkeit oder Zulässigkeit der Angaben gemäß Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG, wie zB ein ungültiger Erstattungszeitraum, im Mitgliedstaat der Ansässigkeit festgestellt worden seien.
Es werde auf die ) in der Rechtssache "CHEP Equipment Pooling NV" und vom (C-371/19) in der Rechtssache "Kommission/Deutschland" verwiesen. Die Angabe des Erstattungszeitraumes für 9-12/2021 verhindere keinesfalls den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen für die Ausübung des Erstattungsanspruches erfüllt seien. Die Abweisung (gemeint Zurückweisung) ohne Aufforderung zur Erbringung von Nachweisen sei rechtswidrig. Entsprechend der zuvor genannten Urteile sei die Finanzverwaltung verpflichtet, wenn Zweifel bestehen, diese aufzuklären, auch wenn es sich nur um "Tippfehler" handele.
Der Erstattungszeitraum entspreche den Anforderungen der Richtlinie sowie der Verordnung. Der Zeitraum betrage 4 Monate und decke den restlichen Zeitraum des Jahres ab. Die vorangegangenen Anträge entsprechen den jeweiligen Quartalen und wurde der September 2021 sowohl im Antrag für das Quartal 7-9/2021 als auch für den Zeitraum 9-12/2021 angeführt.
Dem in den Richtlinien der Finanzverwaltung in Rz 2837 zum Erstattungszeitraum angeführten Ausführungen werde entgegengehalten, dass in diesem Fall mit dem Wort "Überschneidung" nur von "ein und demselben Zeitraum" die Rede sein kann. Eine Überschneidung von unterschiedlichen Zeiträumen sei nicht gemeint. Tippfehler können auch einer sorgfältigen Person unterlaufen.
Im Artikel von Dr. Barbara Wisiak im BFG Journal 2022, 196 werde ausgeführt, dass ein zur Geltendmachung vergessener Vorsteuern zusätzlicher Jahresantrag, der sämtliche Quartale umfasst, für die bereits ein Antrag gestellt bzw. Vorsteuern vergütet wurden, in der Erstattungsverordnung weder ausdrücklich vorgesehen noch ausdrücklich verboten sei.
Wenn das Finanzamt Österreich den streitgegenständlichen Erstattungsantrag nicht zumindest als einen neuen Antrag für den weiteren Erstattungszeitraum werte, so sei er zumindest als Ergänzungsantrag betreffend das Jahr 2021 zu werten. Dies vor allem da die Vorsteuern nicht doppelt geltend gemacht worden seien. Der Antrag beinhalte nur erbrachte Leistungen im Zeitraum 10-12/2021.
Der formale Fehler in der Kopfzeile des Antrages hätte als ein behebbarer Mangel des Antrags gewertet werden müssen. Dies sei unter Berücksichtigung des § 85 Abs. 2 BAO geboten. Das Finanzamt habe die 4-monatige Bearbeitungsfrist verstreichen lassen, ohne einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Entsprechend dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer sowie dem Grundsatz der guten Verwaltung, sei der Unternehmer darauf hinzuweisen. Das Recht auf Vorsteuerabzug dürfe nicht durch überhöhte formelle Anforderungen beeinträchtigt werden. Es werde auf Artikel 20 und 19 Abs 2 der Richtlinie 2008/9/EG verwiesen. Das Finanzamt Österreich hätte entsprechende Rechnungen anfordern müssen, um festzustellen, dass die Rechnungen lediglich den Zeitraum 10-12/2021 betreffen und somit keine Vorsteuern mehrfach geltend gemacht worden seien.
Es werde der Antrag auf Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem der Antrag des Steuerpflichtigen auf Erstattung der in Österreich für den Zeitraum 9-12/2021 in ordnungsgemäßen, im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2021 ausgestellten, Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer iHv € 342.794,85 als Vorsteuer stattgegeben werde, gestellt. Beiliegend wurden sämtliche Bescheide des bisherigen Vorsteuererstattungsverfahrens, die im Vorlageantrag oben erwähnten 2 EuGH-Erkenntnisse, der oben erwähnte Artikel des BFG Journal, 2 Erkenntnisse des BFG ( und ), die Verordnung über die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern und der Ausdruck der Umsatzsteuerrichtlinien übermittelt.
Im Vorlagebericht wurde von der Abgabenbehörde in der Stellungnahme ausgeführt, dass die Abgabenbehörde außer Streit stellt, dass im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 9-12/2021 nur Rechnungen enthalten waren, die den Zeitraum 10-12/2021 betreffen. Strittig sei jedoch, ob die dennoch erfolgte Antragstellung für den (laut Angaben der Bf. falschen) Zeitraum 9-12/2021 iZm den nur für den Zeitraum 10- 12/2021 vorliegenden Rechnungen die Abgabenbehörde in die Lage versetzt hätte, inhaltlich über diesen abzusprechen und diesen nicht aufgrund einer Zeitraumüberschneidung zurückzuweisen. Pro zulässigem Zeitraum könne nur ein Antrag eingebracht werden.
Vorsteuererstattungsanträge seien elektronisch über ein standardisiertes System einzureichen. Die Überprüfung auf "Tippfehler" liege beim Antragsteller im Rahmen der kaufmännischen Sorgfaltspflicht. Es liegt auch kein Anwendungsfall für die Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens gemäß § 85 (2) BAO vor. Dem Vorliegen eines Formalfehlers sei es immanent, dass eine weitere (inhaltliche) Überprüfung durch die Finanzverwaltung gerade nicht erfolgen könne, zumal bei Vorliegen eines solchen - unabhängig vom Willen des Anbringens - von dieser keine anderslautende Entscheidung getroffen werden könne. Im Jahresantrag könnten noch nicht beantragte Vorsteuerbeträge jedenfalls berücksichtigt werden. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch seitens der Bf. nicht Gebrauch gemacht und könne dieses Versäumnis aber nicht dadurch "saniert" werden, der Abgabenbehörde eine unrichtige rechtliche Beurteilung hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Antrages vorzuwerfen. Die Beschwerde sei als unbegründet abzuweisen.
Der Antrag auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Schreiben vom zurückgenommen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist eine tschechische Gesellschaft mit Sitz in X, die als Transport- und Logistikanbieter agiert. Ein Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich ist nicht vorhanden.
Die Bf. beantragt mehrmals pro Jahr, so auch für das gegenständliche Jahr 2021, für verschiedene Zeiträume die Erstattung von Vorsteuern auf elektronischem Weg über das von ihrem Ansässigkeitsstaat, die Tschechische Republik, eingerichtete Onlineportal.
Am (Antragsdatum = Einbringungsdatum im Ansässigkeitsstaat) wurde von der Bf. mittels Vorsteuererstattungsantrag für den Zeitraum 7-9/2021 die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von € 263.245,60 begehrt und mit Bescheid vom 10.1.202 wurden diese in voller Höhe von der Abgabenbehörde bewilligt.
Am (Antragsdatum) wurde von der Bf. mittels Vorsteuererstattungsantrag für den Erstattungszeitraum 9-12/2021 die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von € 342.794,85 über das elektronische Portal begehrt.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Vorsteuererstattung vom (= Datum zu welchem der Antrag elektronisch bei der Abgabenbehörde eingelangt ist) mit der Begründung, dass der Erstattungszeitraum ungültig ist, zurückgewiesen.
In der Beschwerde wurde beantragt, dem Antrag der Bf. auf Erstattung der in Österreich für den Zeitraum 10-12/2021 in ordnungsgemäßen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer in Höhe von € 342.794,85 als Vorsteuer stattzugeben.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt und dem Vorbringen des Bf..
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.
In der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer wurde ein eigenes Verfahren geschaffen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 579/2020 (kurz "Erstattungsverordnung"). Schon aus dem Titel dieser Verordnung ergibt sich, dass mit ihr aufgrund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren, als die im § 21 Abs. 1 UStG 1994 vorgesehene Veranlagung der Umsatzsteuer vorgesehen ist.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Erstattungsverordnung lauten:
§ 1. Berechtigte Unternehmer
(1)Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§20 und 21 Abs.1 bis 5 UStG1994 nach Maßgabe der §§2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1.keine Umsätze im Sinne des §1 Abs.1 Z1 und 2 und Art.1 UStG1994 oder
2.nur steuerfreie Umsätze im Sinne des §6 Abs.1 Z3 UStG1994 oder
3.nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs.1 zweiter Unterabsatz UStG1994) oder
4.im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß §25a, Art.25a, §25b UStG1994 oder eine Regelung gemäß Art.358 bis 369k der Richtlinie2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen,ausgeführt hat.
(2)Abs.1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs.1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.
§ 2. Erstattungszeitraum
Erstattungszeitraum ist nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Erstattungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt. In dem Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Erstattungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen.
§ 3 Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer
(1) Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Anforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist. […]
§ 115 BAO lautet.
(1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.
§ 279 BAO lautet:
(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
Rechtliche Würdigung:
Der gegenständliche rechtzeitige Antrag wurde für die in § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 579/2020, genannten Mindestfrist von 3 Monaten gestellt und enthielt die in § 3 der Erstattungsverordnung (mit Verweis auf Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom ) festgelegten Angaben.
Der Antrag ist nichts anderes als ein Anbringen im Sinn des § 85 Abs. 1 BAO. Hier gilt jedoch der Grundsatz, dass Einschränkungen des Gegenstandes eines Anbringens zulässig sind. Anträge zur Geltendmachung von Rechten sind bis zur Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung von der Partei zurücknehmbar (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 115 BAO Rz 3) bzw. einschränkbar ( mwN) außer es ergibt sich Gegenteiliges aus spezialgesetzlichen Regelungen.
Der Abgabenbehörde ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass aus § 2 der Erstattungsverordnung nach der Verwaltungspraxis für einen gewählten Erstattungszeitraum nur ein Antrag gestellt werden kann.
Angesichts der zuvor zitierten Rechtsprechung, besteht für das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall kein Zweifel, dass die Bf. bereits in der Beschwerde den ursprünglichen Vorsteuererstattungsantrag 9-12.2021 auf 10-12/2021 eingeschränkt hat. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Vorbringen der Bf. in der Beschwerde und dem darin gestellten Antrag.
Inhaltliche Mängel iSd § 85 Abs 2 erster Satz BAO liegen nur bei Fehlen gesetzlich geforderter inhaltlichen Angaben vor. Die gesetzlich geforderten Antragsvoraussetzungen liegen - wie oben angeführt - vor.
Die Partei kann bloße Versehen (Schreibfehler) ihrer Eingabe berichtigen ().
Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist - im Hinblick auf § 115 BAO - die Absicht der Partei zu erforschen. Es kommt nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. ).
Es liegt ein (eingeschränkter) Antrag für den Zeitraum 10-12/ 2021 der Bf. vor, bei welchem auszuschließen ist, dass Beträge für das Jahr 2021 doppelt erfasst werden und ist unter Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie über diesen folglich inhaltlich abzusprechen.
Zum Antrag des Bf. im Vorlageantrag auf Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem der Antrag der Bf. auf Erstattung der in Österreich für den Zeitraum 9-12/2021 in ordnungsgemäßen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer iHv € 342.794,85 als Vorsteuer stattgegeben werde, ist auszuführen:
Hat die belangte Behörde über einen Antrag aus formalen Gründen mit Zurückweisung entschieden, so ist "Sache" des Verfahrens etwa nur die Frage. Das meritum dieses Verfahrens ist nur die Zurückweisungssache, der Zurückweisungsgrund und der Zurückweisungsbescheid. § 279 BAO bietet keine Grundlage dafür, in ein Verfahren zur Beurteilung und Entscheidung des Gegenstandes einzugehen, dessen Sacherledigung durch den behördlichen Formal-(Zurückweisungs-)Bescheid nicht zugelassen wurde (vgl. Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) § 279 BAO RZ 9).
Das Eingehen in die Sachfrage, die durch den Formalbescheid zur Sachbehandlung in einem Sachverfahren nicht zugelassen wurde, würde eine Beschwerdeentscheidung über einen Gegenstand zur Folge haben, über den von der belangten Behörde noch nicht entschieden worden ist, somit würde das Verwaltungsgericht funktionell unzuständig entscheiden und sogar eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu verantworten haben (vgl zB bereits ).
Es ist in einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes unzulässig, einen Zurückweisungsbescheid in ein abweisendes Erkenntnis abzuändern (vgl. ). Diesfalls hat eine ersatzlose Bescheidaufhebung durch das Verwaltungsgericht zu erfolgen (vgl. Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) § 279 BAO RZ 16).
Im gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde über den (eingeschränkten) Antrag auf Vorsteuererstattung 10-12/2021 des Bf. meritorisch entscheiden wird.
Der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom wird aufgehoben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen die Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, da zur Frage, ob im Erstattungsverfahren bei elektronisch eingereichten Erstattungsanträgen für den Erstattungszeitraum nachträglich vorgenommene Einschränkungen, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100180.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at