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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2024, RV/7104045/2018

Haftungsbescheid - Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt FA) vom betreffend Haftungsinanspruchnahme gemäß §§ 9 iVm 80ff BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben und die Haftung auf den Betrag von 4.986,13 Euro eingeschränkt.

Die Höhe der einzelnen haftungsrelevanten Abgabenschuldigkeiten ist dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Mit Haftungsvorhalt vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer (in der Folge abgekürzt Bf) mit, dass beabsichtigt sei, ihn für diverse Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag sowie diverse Nebengebühren im Zeitraum von 2013 bis 2016) der X GmbH (in der Folge Gesellschaft) im Gesamtausmaß von 15.345,84 Euro als Haftungsverpflichteten in Anspruch zu nehmen. Der Rückstand bestehe infolge Nichtentrichtung der näher aufgeschlüsselten Abgabenschulden der Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Bf war.

In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte der Bf dem Finanzamt am zusammengefasst mit, dass die Bezahlung sämtlicher Verbindlichkeiten aus dem Vermögen der Firma nicht möglich gewesen sei, da die Firma über kein Vermögen verfügt habe. Durch den Wegfall des wichtigsten Kunden und dem daraus resultierenden Einnahmenverlust ab Mitte 2014 sei es zunehmend schwieriger geworden, konstant alle Verbindlichkeiten und Abgaben zu zahlen, da keine laufenden Einnahmen mehr vorhanden gewesen seien.

Es sei aber immer sorgfältig darauf geachtet worden, alle Verbindlichkeiten möglichst gleichmäßig zu bedienen und vor allem die Abgabenschuld beim Finanzamt zu reduzieren bzw nicht höher werden zu lassen. Es sei immer ein möglichst hoher Anteil der vorhandenen Mittel für die Zahlung der Abgabenschulden verwendet worden. Zum Teil seien auch die übrigen Lieferanten deutlich weniger bedient worden als das Finanzamt.

In weiterer Folge nahm das Finanzamt mit dem verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheid vom den Bf als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9 iVm 80ff Bundesabgabenordnung (BAO) für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Gesamtausmaß von 11.155,51 Euro in Anspruch:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Umsatzsteuer 11/2013 353,73

Umsatzsteuer 01/2014 3.856,99

Dienstgeberbeitrag 03/2014 169,34

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2014 15,05

Dienstgeberbeitrag 04/2014 147,29

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2014 13,09

Umsatzsteuer 03/2014 1.254,72

Dienstgeberbeitrag 05/2014 147,29

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2014 13,09

Dienstgeberbeitrag 12/2014 33,49

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2014 15,58

Umsatzsteuer 05/2015 437,00

Umsatzsteuer 06/2015 2.406,42

Umsatzsteuer 09/2015 1.508,65

Umsatzsteuer 10/2015 439,08

Umsatzsteuer 11/2015 336,52

Umsatzsteuer 03/2016 8,18

Summe11.155,51

Zur Begründung verwies die Behörde im Wesentlichen auf die einschlägigen Gesetzesbestimmungen bzw die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Ebenfalls mit - dem hier nicht verfahrensgegenständlichen - Haftungsbescheid vom wurde die zweite Geschäftsführerin der Gesellschaft als Haftungsverpflichtete gemäß §§ 9 iVm 80ff BAO für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Gesamtausmaß von 5.961,59 Euro in Anspruch genommen:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Umsatzsteuer 11/2013 353,73

Umsatzsteuer 01/2014 3.856,99

Dienstgeberbeitrag 03/2014 169,34

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2014 15,05

Dienstgeberbeitrag 04/2014 147,29

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2014 13,09

Umsatzsteuer 03/2014 1.245,72

Dienstgeberbeitrag 05/2014 147,29

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2014 13,09

Summe5.961,59

Gegen die Haftungsbescheide vom erhoben beide Haftungsverpflichtete, dh der Bf und die zweite Geschäftsführerin gemeinsam, mit Eingabe vom fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragten die ersatzlose Aufhebung der Haftungsbescheide.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die beiden Haftungspflichtigen jeweils zu unterschiedlichen Zeiten bzw teilweise gemeinsam Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen seien. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, insbesondere durch den Wegfall von großen Kunden bzw der Uneinbringlichkeit einer Forderung bei einem Kunden habe am der Konkursantrag gestellt werden müssen.

Der Haftungsbescheid für die zweite Geschäftsführerin beziehe sich auf den Zeitraum 11/2013 bis 05/2014, da die Haftungspflichtige zu diesem Zeitraum als Geschäftsführerin, gemeinsam mit dem Bf, tätig gewesen sei. In dieser Zeit sei die zweite Geschäftsführerin für die Finanzgebarungen der Gesellschaft zuständig gewesen und habe die Zahlungen durchgeführt, auch jene der Steuern und Abgaben. Eine doppelte Inanspruchnahme der Geschäftsführer im Wege der Haftung komme daher nicht in Frage, da bei Vorliegen einer Ressortverteilung vorrangig dem zuständigen Geschäftsführer etwaige Haftungsbeträge vorzuschreiben wären (zB ). Der Bf sei über den gesamten Zeitraum den der Haftungsbescheid umfasst, nämlich von 11/2013 bis 03/2016, Geschäftsführer gewesen.

Es sei richtig, dass, wie im Haftungsbescheid angeführt, die Umsatzsteuer und Lohnabgaben nur teilweise beglichen wurden. Unrichtig sei allerdings, dass die beiden Haftungsverpflichteten ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sind. Im gegenständlichen Zeitraum seien laufend Zahlungen entrichtet worden, dies sei aus den laufenden Buchungsmitteilungen ersichtlich.

Aufgrund sachlichen Irrtums seien nicht alle Zahlungen mit Verrechnungsweisung versehen worden, weshalb sie der jeweils ältesten Steuerschuld zugeordnet wurden und nicht der gewidmeten.

Zudem sei eine Befriedigung aller Forderungen aufgrund fehlender Mittel nicht möglich gewesen. Gemäß der Gleichbehandlungspflicht seien die Geschäftsführer bemüht gewesen, soweit wie möglich alle Gläubiger zu bedienen und somit auch die Tilgung der Abgabenschulden anteilig zu erledigen. Da eine gänzliche Entrichtung mangels ausreichender Liquidität nicht möglich gewesen sei, ergab sich der aushaftende Betrag, wobei es im Ergebnis nicht relevant sei, ob die Zahlungen mangels Verrechnungsweisung nicht entsprechend zugeordnet wurden.

Mit Ergänzung vom zur Beschwerde vom legten die beiden Haftungspflichtigen eine Aufstellung vor, die sowohl eine Darstellung der liquiden Mittel zu den Fälligkeitsdaten der einzelnen Beträge umfasste als auch die Quoten zu den jeweiligen Stichtagen darstellte, mit denen aushaftende Verbindlichkeiten beglichen worden seien.

Daraus sei ersichtlich, dass die Verbindlichkeiten beim Finanzamt im Gegensatz zu den Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten immer mit höheren Quoten bedient worden seien. Weiters sei ersichtlich, dass die beiden Geschäftsführer immer bemüht gewesen seien, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Überdies ließe sich aus der Aufstellung auch erkennen, dass einige Beträge der Umsatzsteuervoranmeldungen nur noch teilweise unberichtigt aushaften würden; in diesen Fällen habe die Finanzbehörde bereits teilweise die Beträge erhalten und sei somit zumindest mit den Quoten der Lieferanten bedient worden. In diesem Zusammenhang werde auf die Kommentare in der Aufstellung sowie die jeweiligen Buchungsmitteilungen verwiesen.

Manche Beträge in der Aufstellung des Haftungsbescheides seien in der angegebenen Form nicht nachvollziehbar, da sie mit den Buchungsmitteilungen und den Voranmeldungen nicht übereinstimmen würden. Es sei versucht worden, das in der Aufstellung bzw den Kommentaren darzustellen.

Das Finanzamt erledigte die Beschwerde mit der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung vom und schränkte die Haftungsbeträge im Summe von 11.155,51 Euro auf 5.193,92 Euro (rechnerisch richtig 5.184,92 Euro) ein.

Abgabenart Zeitraum Betrag

Dienstgeberbeitrag 12/2014 33,49

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2014 15,58

Umsatzsteuer 05/2015 437,00

Umsatzsteuer 06/2015 2.406,42

Umsatzsteuer 09/2015 1.508,65

Umsatzsteuer 10/2015 439,08

Umsatzsteuer 11/2015 336,52

Umsatzsteuer 03/2016 8,18

Summe laut BVE5.193,92

Summe richtig5.184,92

Dabei folgte das Finanzamt dem Einwand, dass für den Zeitraum von 11/2013 bis 04/2014 für einen Betrag iHv 5.961,59 Euro die zweite Geschäftsführerin für die Abfuhr der Abgaben verantwortlich war und schränkte den Haftungsbescheid um diese Abgaben von 11.155,51 Euro auf 5.193,92 Euro (rechnerisch richtig 5.184,92 Euro) ein.

Weiters führte das Finanzamt aus, dass bereits seit dem Jahr 2013 Abgabenrückstände der Gesellschaft bestanden hätten, die in Raten zurückbezahlt werden sollten. Es seien auch wiederholt Vereinbarungen mit den Vollstreckungsorganen getroffen worden, die teilweise auch eingehalten worden seien.

Infolge des Umstandes, dass die vereinbarten Raten nicht termingerecht einbezahlt worden seien bzw Umsatzsteuern zwar gemeldet, jedoch nicht entrichtet worden seien, habe sich der Rückstand nur kurzfristig verringert, habe aber nicht zur Gänze bezahlt werden können. Dies habe letztlich zur Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin geführt.

Zur Frage der Gläubigergleichbehandlung bzw dessen Nachweis hielt das Finanzamt fest, dass von der beschwerdeführenden Partei lediglich Buchungsmitteilungen von geleisteten Zahlungen übermittelt worden seien, die auch auf dem Finanzamtskonto ersichtlich gewesen seien. Es fehle aber eine konkrete Aufstellung der Verbindlichkeiten in den Jahren von 2014 bis 2015, obwohl offensichtlich mit den Umsatzerlösen jene Zahlungen (Wareneinkäufe gegen Barzahlung, Kfz-Kosten, Treibstoff- und Stromkosten) geleistet worden seien, die notwendig waren, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die gemeldeten Umsatzsteuern seien zum Zeitpunkt der Fälligkeit auch nicht anteilig entrichtet worden, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen gewesen sei.

Dem Hinweis auf fehlende Verrechnungsweisungen müsse entgegnet werden, dass laufend Ratenvereinbarungen zur Abstandnahme von Exekutionsmaßnahmen getroffen worden seien.

Darüber hinaus sei vereinbart worden, dass die Selbstbemessungsabgaben zusätzlich (Anmerkung: gemeint zu den vereinbarten Ratenzahlungen) gesondert entrichtet werden. Wenn die Zahlungen als Selbstberechnungsabgaben gewidmet worden wären, hätte es auch keine Ratenzahlungen auf die ältesten Rückstände gegeben.

Mit fristgerechter Eingabe vom beantragte der Bf unter Verweis auf das bisherige Vorbringen die Vorlage der Beschwerde vom an das Bundesfinanzgericht.

Am legte das Finanzamt als nunmehr belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die abweisende Erledigung iSd Beschwerdevorentscheidung vom .

Mit Vorhalt vom ersuchte der zuständige Richter den Bf um Präzisierung seines Vorbringens durch rechnerische Darlegung jener Beträge, deren Entrichtung zu den im Haftungszeitraum gelegenen Fälligkeitszeitpunkten der einzelnen Abgabenschuldigkeiten in Gegenüberstellung mit den im zeitlichen Nahbereich fällig werdenden sonstigen Verbindlichkeiten und unter Berücksichtigung der Zug um Zug Geschäfte der Gesellschaft dem Gebot der Gleichbehandlung aller Forderungen jeweils entsprochen hätte. Der Bf teilte daraufhin mit, dass die Buchhaltungsunterlagen der Primärschuldnerin bei einem Wasserschaden vernichtet worden seien.

Die beantragte mündliche Verhandlung fand am vor dem Bundesfinanzgericht statt. Im Rahmen dieser Verhandlung teilte der Vertreter des Finanzamtes mit, dass bei der Ausfertigung des Haftungsbescheides vom sowie der Beschwerdevorentscheidung vom ein Rechen- bzw Schreibfehler passiert sei und die Haftungsbeträge für die Umsatzsteuer Mai und Juni 2015 wie folgt zu lauten hätten:

  • Umsatzsteuer 05/2015: 2.406,42 Euro

  • Umsatzsteuer 06/2015: 582,92 Euro

Der Bf brachte in der Verhandlung vor, dass keine Buchhaltungsunterlagen mehr vorhanden seien, da sie bei einem Wasserschaden in seinem Privathaus im April 2023 vernichtet wurden. Der Bf legte dazu Korrespondenzunterlagen iZm dem Wassereintritt im Keller vor. Im Übrigen konnte der Bf zu den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen (Aufstellungen der Bank- und Kassastände, Zahlungen an Lieferanten in Prozent, Offene Posten-Liste etc) keine näheren Angaben machen, da diese glaublich von seiner Ehegattin bzw Schwiegermutter erstellt worden seien.

Der Vertreter des Finanzamtes hielt zum Sachverhalt fest, dass die vorliegenden Unterlagen keinen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung darstellen würden und verwies auf diverse Unstimmigkeiten, insbesondere in Bezug auf die prozentmäßig angegebene Höhe der Lieferantenzahlungen zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Die X GmbH wurde mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom gegründet und am 21. Mail 2008 unter der Firmenbuchnummer xxxxxxy im Firmenbuch eingetragen. Gegenstand und Zweck des Unternehmens war die Betreibung von Telefonmarketing, die Erbringung von Dienstleistungen eines Callcenters, sowie Schulungen und Training.

Mit Beschluss des zuständigen Gerichtes vom wurde der Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen und die zahlungsunfähige Gesellschaft infolgedessen aufgelöst. Am wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Der Bf war im Zeitraum von bis Geschäftsführer und anschließend Liquidator der Gesellschaft.

Im Zeitraum von bis war Frau AB weitere Geschäftsführerin der Gesellschaft und in dieser Funktion mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides am bestanden gegenüber der Gesellschaft offene Abgabenansprüche iHv insgesamt 16.232,52 Euro.

Mit dem angefochtenen Haftungsbescheid wurde der Bf für unberichtigt aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft iHv insgesamt 11.155,51 Euro in Anspruch genommen. Betroffen waren Abgabenansprüche hinsichtlich der Umsatzsteuer, dem Dienstgeberbeitrag bzw dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag im Zeitraum von November 2013 bis März 2016. Die Fälligkeitstage der betroffenen Abgaben lagen zwischen dem und dem .

Unter Ausschluss der Zeiträume, in denen die zweite Geschäftsführerin mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten befasst war, lagen der Beschwerdevorentscheidung vom die folgenden Abgabenschuldigkeiten zugrunde:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Dienstgeberbeitrag 12/2014 33,49

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2014 15,58

Umsatzsteuer 05/2015 437,00

Umsatzsteuer 06/2015 2.406,42

Umsatzsteuer 09/2015 1.508,65

Umsatzsteuer 10/2015 439,08

Umsatzsteuer 11/2015 336,52

Umsatzsteuer 03/2016 8,18

Summe laut BVE5.193,92

Nach Berichtigung offenkundiger Schreib- und Rechenfehler handelte es sich um die folgenden Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Dienstgeberbeitrag 12/2014 33,49

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2014 15,58

Umsatzsteuer 05/2015 2.406,42

Umsatzsteuer 06/2015 582,91

Umsatzsteuer 09/2015 1.508,65

Umsatzsteuer 10/2015 439,08

Umsatzsteuer 11/2015 336,52

Umsatzsteuer 03/2016 8,18

Summe richtig5.330,83

Die Buchhaltungsunterlagen der Primärschuldnerin wurden im Rahmen eines massiven Wassereintritts in den Keller des Privathauses des Bf im April 2023 vernichtet. Es existieren keine Kopien der Finanzbuchhaltung. Aufgrund der vorgelegten Dokumente konnte aber festgestellt werden, dass im Zeitraum ab Jänner 2016 keine Lieferantenzahlungen mehr erfolgten. Zum Zeitpunkt der (Nicht-)Eröffnung des Insolvenzverfahrens im August 2016 war die Gesellschaft erwiesenermaßen zahlungsunfähig.

Festgestellt werden konnte weiters, dass die zuletzt entrichteten Ratenzahlungen der Gesellschaft an die Abgabenbehörde vom Juli 2015 über 1.000 Euro und vom September 2015 über 2.000 Euro in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit den haftungsrelevanten Abgaben standen.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen waren im Wesentlichen unstrittig und gründeten sich auf die vorgelegten Akten, insbesondere auf die inhaltlichen Ausführungen des Bf und der belangten Behörde sowie die Einsichtnahme des Richters in den elektronischen Steuerakt und die Urkundensammlung des Firmenbuchs.

Vom Bf wurde im erstinstanzlichen Verfahren die Buchungsmitteilungen des
Finanzamtes im relevanten Zeitraum und eine Offene Posten-Liste Sachkonten und Lieferantenkonto per vorgelegt. Zusätzlich wurden zwei Aufstellungen über die offenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der einzelnen Abgaben samt Bank- und Kassaständen sowie die geleisteten Zahlungen an Lieferanten (in Prozent) zu diesen Zeitpunkten übermittelt.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht erfolgte keine weitere Ergänzung dieser Angaben.

Aus den vorgelegten Aufstellungen konnte in Verbindung mit den Daten aus dem elektronischen Steuerakt - insbesondere den laufenden elektronischen Umsatzsteuervoranmeldungen - festgestellt werden, dass die Gesellschaft ab Mitte des Jahres 2014 laufend Liquiditätsprobleme hatte. Es konnte vom Richter auch nachvollzogen werden, dass die Gläubiger der Gesellschaft im Jahr 2016 gar nicht mehr bedient wurden. Diese Feststellung stimmt im Übrigen mit den Angaben in den vorgelegten Aufstellungen überein und kann angesichts der laufend negativen bzw sinkenden Bank- und Kassastände als erwiesen betrachtet werden.

Es wurde aber kein vollständiger Liquidationsstatus vorgelegt, zumal sowohl Angaben zur Einnahmenseite (offene und bezahlte Forderungen der Gesellschaft gegenüber ihren Debitoren) als auch zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten fehlten. Darüber hinaus waren die Angaben zu den Zahlungen an die Lieferanten in Prozent, aus denen sich grundsätzlich die Gläubigergleichbehandlung bzw ein allfälliger Quotenschaden ermitteln ließe, widersprüchlich. Beispielsweise wurde für den Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuer 10/2015 per Lieferantenzahlungen iHv 5,40% bzw 42,73% angegeben. Diese Differenzen, die auch andere Fälligkeitszeitpunkte betrafen, konnten im Verfahren nicht aufgeklärt werden. Es konnte auch nicht eruiert werden, ob sich die angegebenen Prozentsätze auf bestimmte Zeitpunkte oder Zeiträume, die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten oder lediglich auf die laufenden neuen Verbindlichkeiten iZm Zug-um-Zug Geschäften bezogen.

Rechtsgrundlagen

Im vorliegenden Fall gelangten die folgenden rechtlichen Bestimmungen zur Anwendung:

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind die Stellung als Vertreter der Gesellschaft, eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an dieser Pflichtverletzung sowie die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Unbestritten ist, dass dem Bf als vertretungsbefugtem Geschäftsführer der abgabepflichtigen Gesellschaft im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die alleinige Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Mit Erlassung des Haftungsbescheides am bestanden Abgabenschulden der Gesellschaft iHv insgesamt 16.232,52 Euro.

Mit Beschluss des zuständigen Gerichtes vom wurde der Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Damit steht die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin fest.

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung (zB , 91/13/0038; , 96/14/0076). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (sogenannter Gleichbehandlungsgrundsatz; ).

Es ist die Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat (vgl ). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl ).

Betreffend die Verschuldensfrage obliegt dem Vertreter kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (sogenannte qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast laut ; , 97/13/0236; , 99/14/0120).

Zur - laut Beschwerdevorentscheidung vom verbleibenden - streitgegenständlichen Haftung betreffend den Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag für den Zeitraum Dezember 2014 sowie die Umsatzsteuer für die Zeiträume Mai, Juni, September, Oktober, November 2015 und März 2016 war auf die erwähnte einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Vertreter, wenn der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende Mittel) verfügt, bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln darf als die übrigen Schulden, zu verweisen. Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht besteht die Haftung gemäß § 9 BAO nur anteilig, nämlich mit jenem Teilbetrag, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre.

Voraussetzung ist die Vorlage eines Liquiditätsstatus in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag.

Die Behauptungslast und auch die Beweislast für die Gläubigergleichbehandlung zu den einzelnen Fälligkeitsterminen der einzelnen Abgaben obliegen dem Haftungsverpflichteten. Dass er allenfalls fachlich dazu nicht in der Lage gewesen sein mag, oder dass er die dazu erforderlichen Unterlagen nicht mehr zur Verfügung gehabt hätte, ändert daran nichts ().

Im konkreten Fall entsprachen die vorgelegten Unterlagen des Bf unzweifelhaft nicht den Anforderungen an einen Liquiditätsstatus iSd höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung durch eine detaillierte rechnerische Darstellung wurde vom Bf nicht erbracht. Im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte dahin gestellt bleiben, aus welchen Gründen der erforderliche Nachweis nicht erbracht werden konnte.

Der Vollständigkeit halber war darauf hinzuweisen, dass die Behörde bzw das Gericht nicht gehalten war, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung der Gläubiger zu schließen ().

Wird eine Abgabe aber nicht entrichtet, weil der Vertreter überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (zB ; , 99/15/0249).

Diese Tatsache traf auf die Abgabenschulden betreffend die Umsatzsteuer November 2015 und März 2016, deren Fälligkeitszeitpunkte im Jahr 2016 lagen, zu. Die betroffenen Beträge waren dementsprechend aus der Haftungssumme auszuscheiden.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung der nicht den Abgabenvorschriften entsprechenden Entrichtung der Abgaben der Primärschuldnerin durch den Bf konnte das Finanzamt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () davon ausgehen, dass diese Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf als Haftungspflichtigen für die verbleibenden Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft zu Recht.

Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist im gegenständlichen Fall die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind ().

Zu Ermessenübung war im konkreten Fall zu bemerken, dass unbestritten ist, dass der Bf im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden einziger Geschäftsführer der Gesellschaft war. Er war somit der einzig in Betracht kommende Haftende iSd §§ 9 iVm 80ff BAO. Die Abgabenschulden waren bei der Gesellschaft uneinbringlich. Die belangte Behörde ist daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens grundsätzlich nicht rechtswidrig vorgegangen (vgl ). Daran vermag auch der Hinweis des Bf auf bestehende private Schulden bzw die Unterhaltspflicht für ein Kind nichts zu ändern.

Im Ergebnis war der Beschwerde daher im nachstehenden Ausmaß teilweise stattzugeben.

Abgabenart Zeitraum Betrag

Dienstgeberbeitrag 12/2014 33,49

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2014 15,58

Umsatzsteuer 05/2015 2.406,42

Umsatzsteuer 06/2015 582,91

Umsatzsteuer 09/2015 1.508,65

Umsatzsteuer 10/2015 439,08

Summe4.986,13

Da keine Gründe vorlagen, die für eine weitere Reduzierung der Haftungsbeträge bzw gegen die Inanspruchnahme des Bf als Haftenden gemäß §§ 9 iVm 80 BAO sprachen, war die Beschwerde darüber hinaus als unbegründet abzuweisen.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Erkenntnis der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftungsinanspruchnahme folgte. Eine ordentliche Revision war daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104045.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at