Rückforderung von Familienbeihilfe bei der sich in Berufsausbildung befindlichen Bezieherin wegen Eheschließung und Unterhaltsverpflichtung durch den Ehegatten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Juni und Juli 2022, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.), geb. am 2000, studiert seit September 2021 an der Pädagogischen Hochschule Wien und ist seit TT.05.2022 verheiratet. Ihr Ehemann absolviert seit Juni 2021 die polizeiliche Grundausbildung und bezieht Familienbeihilfe. Im Juni 2022 bezog er ein Nettoeinkommen iHv 2.655,71 Euro, im Juli 2022 iHv 1.840,63 Euro.
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für die Monate Juni und Juli 2022 bezogenen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 mit der Begründung zurück, dass für verheiratete oder geschiedene Kinder kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn der (frühere) Ehepartner Unterhalt zu leisten habe (§ 5 Abs. 2 FLAG 1967). Da die Bf. seit TT.05.2022 verheiratet sei, bestehe Unterhaltspflicht durch ihren Ehegatten, weshalb der Familienbeihilfenanspruch ab entfalle.
Die Bf. brachte in ihrer Beschwerde vom vor, dass sich ihr Ehepartner noch in Ausbildung (Polizeischule) befinde und er nicht in der Lage sei, der Unterhaltspflicht nachzukommen. Er beziehe selbst auch Familienbeihilfe, was dies nochmals unterstreiche. Aus diesem Grund erhebe sie das Rechtsmittel der Beschwerde. Sie beantrage gemäß § 212a BAO die Einhebung des in Streit stehenden Betrages bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzen, da sie glaube, dass der Beschwerde stattgegeben werde. Sie beantrage, die Situation zu berücksichtigen und einen neuen Bescheid auszustellen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 5 Abs. 2 FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder bestehe, deren Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten sei. Für Kinder, die verheiratet seien, bestehe daher nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der Ehegatte des Kindes nach seinen Lebensumständen nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn der Ehegatte selbst keine oder nur geringfügige Einkünfte habe. Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ergäben sich aus dem Zivilrecht, insbesondere aus § 94 ABGB.
Maßgebend für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei in erster Linie seine wirtschaftliche Lage, wobei sein hier relevantes Einkommen die Summe aller ihm tatsächlich zufließenden Mittel sei, also sämtliche tatsächlich erzielten Einkünfte - welcher Art immer.
Zu prüfen sei noch, ob die Einkünfte des unterhaltsverpflichteten Ehegatten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen (vgl. ).
Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürfen.
Der Maßstab für die Kosten der bescheidensten Lebensführung sei laut Rechtsprechung des OGH das Existenzminimum nach der geltenden Existenzminimumverordnung. Das Existenzminimum orientiere sich an den für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Ausgleichszulagenrichtsätzen des § 293 ASVG.
Der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende betrage gemäß § 293 ASVG im Jahr 2022
€ 1.030,49 monatlich.
Im Monat Juni 2022 habe der Ehegatte der Bf. ein Nettoeinkommen von € 2655,71, im Juli 2022 € 1.840,63 bezogen.
Die Einkünfte hätten somit den Ausgleichszulagenrichtsatz von € 1.030,49 überstiegen, wodurch die Unterhaltspflicht des Ehegatten gegenüber der Bf. als Ehegattin begründet werde.
Es bestehe daher für den rückgeforderten Zeitraum Juni 2022 bis Juli 2022 kein Eigenanspruch an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.
Die Bf. wiederholt im Vorlageantrag vom im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen und bringt weiters vor, dass sie als Studentin ebenfalls ein Anrecht auf Familienbeihilfe habe. Vor ihrer Hochzeit, als ihre Mutter noch für sie unterhaltspflichtig gewesen sei, habe sie ebenfalls Familienbeihilfe erhalten. Sie frage sich, wieso sich dies jetzt ändern sollte, noch dazu, wo ihr Ehemann ein deutlich geringeres Einkommen habe und wie bereits erwähnt, selbst Familienbeihilfe beziehe. Sie habe sich mit dem Finanzamt telefonisch in Verbindung gesetzt und dort sei man der Meinung, dass möglicherweise ihr Mann den Antrag für sie stellen müsse, da er die gesamten Kosten im Haushalt und für sie trage. Aus diesem Grund sende sie dem Finanzamt nochmals das Antragsformular, wo nun ihr Mann Antragssteller sei, falls das das Problem sei. Sie sei beim Finanzamt gewesen, um die Situation persönlich zu erklären, falls es Missverständnisse gebe, jedoch sei ihr gesagt worden, dass das Finanzamt dafür nicht zuständig sei. Sie bitte dringendst, den speziellen Fall nochmals gründlich zu betrachten und alle Faktoren zu berücksichtigen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. studiert seit September 2021 an der Pädagogischen Hochschule Wien.
Sie ist seit TT.5.2022 verheiratet.
Der Ehegatte der Bf. begann im Juni 2021 mit der polizeilichen Grundausbildung. Sein Nettoeinkommen lag in den Monaten Juni und Juli 2022 über dem Ausgleichszulagenrichtsatz von € 1.030,49.
Er bezog in den Monaten Juni und Juli 2022 für sich selbst Familienbeihilfe.
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Familienbeihilfenakt und ist unstrittig.
Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 5 Abs. 2 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat diese entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Nach § 33 Abs. 3, 3. Satz EStG 1988 ist bei zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträgen § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Rechtliche Würdigung:
Der eindeutige Gesetzeswortlaut "... wenn ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist" kann nur so verstanden werden, dass jeder Unterhalt vom Ehegatten den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließt.
Die Verehelichung eines Kindes soll nur dann mit dem Verlust der Familienbeihilfe verbunden sein, wenn der Unterhalt für das verheiratete Kind von seinem Ehegatten zu leisten ist ().
Eine Eheschließung bewirkt nicht den völligen Verlust des Unterhaltsanspruches gegen die Eltern, sondern nur dessen Subsidiarität (vgl zB :
"Den Ausführungen des Rekursgerichtes ist zuzustimmen: Dieses ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern für ein verheiratetes Kind gegenüber der Ehegattenunterhaltspflicht nur subsidiär ist, also nur dann und insoweit zum Tragen kommt, als der in erster Linie unterhaltspflichtige Ehepartner nicht in der Lage ist, seiner Unterhaltsverpflichtung nachzukommen (vgl Pichler inRummel ABGB 2 Rz 12 zu § 140;Schwimann Rz 110 zu § 140)."
Der Verwaltungsgerichtshof erstellte zum Erkenntnis vom , Ra 2022/16/0025, folgenden Rechtssatz:
"Der Gesetzgeber hatte für die Stammfassung des FLAG die klare Absicht, verheiratete Kinder von der Familienbeihilfe gänzlich auszuschließen. Demnach endete die finanzielle Belastung der Eltern für das Kind mit dessen Vermählung. Durch die Heirat ging die Unterhaltsverpflichtung des Kindes auf den Ehegatten über und konnte daher einen Anspruch der Eltern auf Familienbeihilfe nicht mehr begründen. Nach der Novellierung infolge Aufhebung des § 5 Abs. 3 FLAG durch das Erkenntnis VfSlg. 8.793/1980 räumte das Gesetz für verheiratete oder geschiedene Kinder oder Vollwaisen einen Anspruch auf Familienbeihilfe ein, sofern nicht deren Ehegatte oder der frühere Ehegatte Unterhalt zu leisten haben. In diesem Zusammenhang kommt es - anders als bei der Leistung des Unterhalts durch die Eltern - auf die Pflicht verheirateter und geschiedener Ehegatten zur Unterhaltsleistung an (vgl. , und )." (vgl. hierzu auch ).
Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/16/0077) kommt es dabei, anders als bei Unterhaltsleistungen der Eltern, nicht darauf an, dass der überwiegende Unterhalt geleistet wird. Den Bestimmungen des § 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist nicht zu entnehmen, dass der Ehegatte im Rahmen seiner Unterhaltsplichten, Unterhalt überwiegend, in einer bestimmten Höhe und/oder Ausmaß zu leisten hat.
Notwendiger bzw. notdürftiger Unterhalt des Ehegatten
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Ehegatte der Bf. im Monat Juni 2022 ein Nettoeinkommen von € 2.655,71 und im Juli 2022 ein Nettoeinkommen von € 1.840,63 bezog.
Zu prüfen ist demnach, ob die Einkünfte des Ehegatten höchstens zur Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse ausreichen oder ob die Einkünfte des Ehegatten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen, was seine Unterhaltspflicht begründen würde und somit den Anspruch auf Familienbeihilfe für die Bf. ausschließen würde.
Es ist sachgerecht, sich bei der Höhe der "bescheidensten Bedürfnisse" an den zivilrechtlichen Begriffen "notwendiger bzw notdürftiger" Unterhalt zu orientieren. Diese wiederum orientieren sich nach der Judikatur am "Existenzminimum", das die Ausgleichszulagenrichtsätze des § 293 ASVG als Basis hat.
Das Existenzminimum (der Ausgleichszulagenrichtsatz) reicht schon nach dem Wortsinn aus, um die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse abzudecken und wird auch rechtlich in diesem Sinn verstanden (zB im Unterhaltsrecht, im Pensionsrecht und im Exekutionsrecht, siehe dazu zB ELGZ Wien 44 R 464/02i, EFSlg 100.944, zu § 68a EheG):
"Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürfen. Dieser als absolutes Minimum angesehene Betrag ergibt sich aus §§ 293 f ASVG. Mit dem Betrag für alleinstehende Personen nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG stimmt nunmehr auch gemäß § 291a Abs. 1 EO der unpfändbare Freibetrag (Existenzminimum) überein."
Da es bei dieser Beurteilung ausschließlich um die eigenen Unterhaltsbedürfnisse des Ehegatten der Tochter geht, kann nur der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende herangezogen werden. Dieser betrug im Jahr 2022 € 1030,49. Sobald dieser durch Einkünfte gedeckt ist, hat der Ehegatte Unterhalt an seine Gattin zu leisten (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BFG, so zB , , s. auch ).
Der VwGH führt dazu aus (Erk. v. , 88/13/0124):
" ... Für die Frage des Anspruches derselben auf Familienbeihilfe ist entscheidend, ob und inwieweit der Ehegatte dem Kinde den notwendigen, sich aus den Erfahrungswerten des täglichen Lebens entsprechend dem Alter und dem Berufsstand der Ehegatten ergebenden Unterhalt zu leisten in der Lage ist. Stünde dieser Ehegatte selbst noch in Berufsausbildung und wäre er daher auch noch nicht selbsterhaltungsfähig, dann wäre die Fortdauer der elterlichen Unterhaltspflicht und damit der Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben. Bezieht jedoch der Ehegatte des noch in Berufsausbildung stehenden, nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes Einkünfte, dann ist zu prüfen, ob er auf Grund derselben den notwendigen Unterhalt für seinen noch in Berufsausbildung stehenden Gatten zu leisten vermag. Ist dies zu bejahen, begründen freiwillige Unterhaltsgewährungen der Eltern des noch nicht selbsterhaltungsfähigen Ehepartners keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Reichen dagegen die Einkünfte des Gatten höchstens zur Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse aus, so wird seine Unterhaltspflicht gegenüber dem nicht selbsterhaltungsfähigen Ehegatten verneint werden müssen, weshalb die Unterhaltspflicht der Eltern desselben fortbesteht und diese bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - insb auch des Umstandes, dass die Eltern die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend tragen - Anspruch auf Familienbeihilfe haben. ..." (vgl. GZ. RV/0836-L/04).
Zusammenfassend wird festgestellt:
Der Ehegatte der Bf. bezog im Monat Juni 2022. ein Nettoeinkommen von € 2655,71 und im Juli 2022 ein Nettoeinkommen von € 1.840,63.
Der notwendige Unterhalt orientiert sich an den Ausgleichsrichtsätzen des § 293 ASVG.
Somit lag sein Einkommen über dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende gemäß § 293 ASVG, welches im Jahr 2022 € 1.030,49 monatlich betrug.
Nach dem dargestellten Sachverhalt reichen die Einkünfte des Ehegatten der Bf. somit über die Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinaus, was die Unterhaltspflicht gegenüber der Bf. begründet.
Das Finanzamt hat somit zu Recht von der Bf. die für die Monate Juni und Juli 2022 bezogenen Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge zurückgefordert.
Angemerkt wird, dass dem Bundesfinanzgericht bei seiner Entscheidung kein Ermessen eingeräumt ist.
Aus diesem Grund war die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Entscheidung liegt keine derartige Rechtsfrage zugrunde. Zum Einen lässt sich die Entscheidung direkt aus dem Gesetz ableiten, zum Anderen gibt es bereits eine ständige Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 293 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100647.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at