Kinderabsetzbetrag und Familienbonus Plus
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung Folge gegeben. Die Höhe der Bemessungsgrundlagen und der festgesetzten Einkommensteuer sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2019 elektronisch beim Finanzamt ein. Er machte darin unter anderem den Alleinverdienerabsetzbetrag und den ganzen Familienbonus Plus sowie Kosten für auswärtige Berufsausbildung für seine drei Kinder geltend.
Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2019 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 56.851,57 mit EUR -9.955,00 fest. Dabei berücksichtigte es weder den Alleinverdienerabsetzbetrag, noch den Familienbonus Plus oder die Kosten für auswärtige Berufsausbildung der Kinder. Die Begründung dazu lautet auszugsweise: "… Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 besteht Anspruch auf den Familienbonus Plus nur für ein Kind, für das Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (somit österreichische Familienbeihilfe) gewährt wird. Für die mit ihrer Mutter im gemeinsamen deutschen Haushalt lebenden Kinder wird derzeit aber unstrittig keine österreichische Familienbeihilfe bezogen, und die Leistung derselben oder einer Ausgleichs-/Differenzzahlung steht jenem Elternteil zu, mit dem das Kind im ausländischen gemeinsamen Haushalt lebt (also der Kindesmutter). Da aber die (in Deutschland lebende) Kindesmutter bis zum heutigen Tag keinen Antrag auf Ausgleichszahlung in Österreich gestellt hat, besteht derzeit kein Anspruch (auch nicht dem Grunde nach) auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung), weshalb auch kein Anspruch auf den Familienbonus Plus in Österreich besteht.
Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht Personen in eheähnlicher Gemeinschaft nur unter diesen Voraussetzungen zu:
• Die Partnerschaft besteht im Kalenderjahr länger als 6 Monate
• Einer der Partner bezieht für ein Kind länger als 6 Monate den Kinderabsetzbetrag, der gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird.
Da Sie laut Aktenlage ab Ende Februar 2019 getrennt leben, kann der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden.
Wir berücksichtigen die beantragten Kosten für die auswärtige Berufsausbildung für Ihre drei Kinder nicht als außergewöhnliche Belastung. Der Grund: Schulen und Ausbildungsstätten minderjähriger Kinder, die nicht mehr als 25 km vom Wohnort entfernt sind, gehören zum Einzugsbereich des Wohnortes. …"
In seiner Beschwerde vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung des Familienbonus Plus. Ihm und seiner Exfrau habe im Kalenderjahr 2019 Kindergeld bzw. ein Kinderfreibetrag zugestanden. Dieser Anspruch auf Kindergeld müsse dem Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich aus europarechtlichen Gründen gleichgestellt werden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 56.851,57 mit EUR -14.455,00 fest. Dabei berücksichtigte es den Familienbonus Plus für drei Kinder in Höhe von insgesamt EUR 4.500,00.
In seinem Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Kinderabsetzbeträgen in Höhe von 58,40 * 12 * 3 = 2.102,40 EUR, da die Mutter seiner Kinder in Deutschland das Kindergeld als Barleistung bezogen habe und bei ihm "ein entsprechender Kinderfreibetrag im Rahmen der Veranlagung zur deutschen Einkommensteuer berücksichtigt" worden sei. Er sei aus europarechtlichen Gründen wie ein Steuerpflichtiger, der in Österreich Familienbeihilfe bezogen hat, zu behandeln.
Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, dem Begehren des Vorlageantrages keine Folge zu geben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2015 bis 2019 als Universitätsprofessor an der Universität ö_Ort nichtselbständig beschäftigt. Er ist Vater dreier Kinder, und zwar einer 2007 geborenen Tochter, eines 2009 geborenen Sohnes und einer 2012 geborenen Tochter.
Der Haupt- und Familienwohnsitz des Beschwerdeführers ist in d_Ort gelegen. In den Jahren 2015 bis 2019 hatte der Beschwerdeführer einen weiteren Wohnsitz an zwei Adressen in ö_Ort.
Der Beschwerdeführer lebte bis April 2016 in aufrechter Ehe mit seiner Gattin zusammen. Nach der Trennung von seiner Gattin im April 2016 wurde die Ehe im Februar 2019 geschieden. Im Jahr 2019 lebte der Beschwerdeführer am Familienwohnsitz in d_Ort im gemeinsamen Haushalt mit seiner neuen Lebensgefährtin und deren Kindern.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2019 den gesetzlichen Unterhalt für seine drei Kinder geleistet. Seine drei Kinder lebten im Jahr 2019 überwiegend bei ihrer Mutter. Die nunmehr geschiedene Gattin des Beschwerdeführers und Mutter der Kinder bezog im Jahr 2019 das (deutsche) Kindergeld.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2019 keine Familienbeihilfe für seine drei Kinder bezogen.
Diese Umstände ergeben sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers und den bei den Verwaltungsakten befindlichen Nachweisen.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
§ 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I 135/2022 lautet: "Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden."
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 idF BGBl I 135/2022 lautet: "Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a)bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
b)nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
2.(entfallen gemäß BGBl I 135/2022)
3.Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a)Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
-Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
-beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b)Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
-Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
-beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
c)Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
4. …"
Der Beschwerdeführer begehrt zunächst die Zuerkennung des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 EStG 1988. Der Kinderabsetzbetrag soll gemeinsam mit der Familienbeihilfe die Unterhaltspflichten gegenüber haushaltszugehörigen Kindern steuerlich berücksichtigten (vgl. § 2 Abs. 2 FLAG; Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 17.A., Rz 20 zu § 33). Die drei Kinder des Beschwerdeführers haben im Streitjahr nicht seinem Haushalt, sondern jenem ihrer Mutter, die auch Bezieherin des der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbaren deutschen Kindergeldes war, angehört. Da der Beschwerdeführer keine Familienbeihilfe und auch keine dieser vergleichbare ausländische Beihilfe bezogen hat, kommt die Berücksichtigung des Kinderabsetzbetrages nicht in Betracht (vgl. den gerade anders gelagerten Sachverhalt des Erk ).
Was die Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seine drei Kinder angeht, ist das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung dem einschlägigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FamLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FamLAG 1967 gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (). Dem Beschwerdeführer war daher der Familienbonus Plus für seine drei Kinder zu gewähren.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)
In diesem Erkenntnis war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die rechtliche Würdigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. folgt sie der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100337.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at