zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2024, RV/7100005/2014

Von "Nichtbescheiden" abgeleitete Einkommensteuerbescheide

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hallas & Partner, Praterstraße 38, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2002 und 2004, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der mittlerweile verstorbene Beschwerdeführer (Bf.) war im Streitjahr 2002 u.a. an der ***Fa1*** KG, St.nr. ***StrNr1***, sowie an der ***Fa2*** GmbH & Mitges., St.nr. ***StrNr2***, beteiligt.

Außerdem war er im Streitjahr 2004 u.a. an der ***Fa3*** GmbH & Co KG, St.nr. ***StrNr3***, beteiligt.

Am erließ das Finanzamt an den adressierten, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2004. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die Änderungen gem. § 295 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamts Wien 1/23 zu Steuernummer ***StrNr2*** (***Fa2***) vom erfolgt sei.

Gegen diese (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2004 erhob der Bf. mit Schriftsatz vom Berufung (nunmehr: Beschwerde).

Darin wurde lediglich vorgebracht, dass die bekämpften Bescheide von Feststellung"bescheiden" abgeleitet worden seien, denen nach der jüngsten Judikatur des VwGH (E , 2011/15/0024; , 2012/15/0031) keine Bescheidqualitiät zukomme und die daher keine abgeänderte Festsetzung an Einkommensteuer nach sich ziehen könnten.

Die belangte Behörde legte die Berufung (nunmehr: Beschwerde) dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat (nunmehr: Bundesfinanzgericht) zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 295 Abs. 1 BAO weist folgenden Wortlaut auf:

"§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Einkommensteuer 2002 und 2004

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das Finanzamt am an den Bf. adressierte, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2004 erlassen hat.

Die Grundlage des angefochtenen Einkommensteuer-Abänderungsbescheids für 2002 bildete u.a. die am vom Finanzamt 1/23 erlassene, als Feststellungs"bescheid" gemäß § 188 BAO intendierte Erledigung, die jedoch rechtlich unwirksam war, sohin einen Nichtbescheid darstellte (s. BFG, GZ RV/7102722/2013).

Der angefochtenen Einkommensteuer-Abänderungsbescheids für 2004 wurde u.a. von einer am vom Finanzamt Klagenfurt erlassenen, als Feststellungs"bescheid" gemäß § 188 BAO intendierte Erledigung vom betreffend die ***Fa3*** GmbH & Co KG, St.nr. ***StrNr3***, abgeleitet, die ebenso rechtlich unwirksam war und sohin einen "Nichtbescheid" darstellte.

Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 252 Abs. 1 BAO sollen Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Bescheidbeschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.

Eine solche Abweisung setzt jedoch voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 252 Tz 3, mit Verweis auf ).

Festzuhalten ist, dass mit Beschluss vom , GZ. RV/7102722/2013 das Bundesfinanzgericht ausgesprochen hat, dass es sich bei der als Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO intendierten Erledigung vom für das Jahr 2002 betreffend die ***Fa2*** AG & Mitges., St.nr. ***StrNr2*** um einen "Nichtbescheid" handelt.

Ebenso hat das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , GZ. RV/4100236/2012, ausgesprochen, dass es sich bei der als Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO intendierten Erledigung vom für das Jahr 2004 betreffend die ***Fa3*** GmbH & Co KG, St.nr. ***StrNr3*** um einen "Nichtbescheid" handelt.

Wird ein Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO erlassen (wie im vorliegenden Fall die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2004 vom ), obwohl der hierfür herangezogene Grundlagenbescheid ins Leere gegangen ist (hier: die als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO intendierten Erledigungen der Finanzämter, die beide "Nichtbescheide" darstellen; somit rechtlich nicht existent waren), hat eine aufhebende Erledigung der gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide gerichteten Bescheidbeschwerde zu erfolgen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 295 Tz 13).

Somit war der Bescheidbeschwerde Folge zu geben und die angefochtenen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2004 waren aufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. aus der ständigen Judikatur des VwGH, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100005.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at