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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2024, RV/7100612/2024

Zuflussprinzip bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Luise Wohlmayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang und Sachverhalt

A/1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) betreibt als Einzelunternehmer die Erzeugung und den Vertrieb von elektronischen Geräten. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmen/Ausgabenrechnung gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2022 erklärte er Warenerlöse von insgesamt EUR 156.391 netto sowie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von EUR 51.979,43. Den Jahresabschluss 2022 versah der Bf. mit dem Hinweis, dass sich der Gewinn in 2022 aus einer Gewinnverschiebung eines größeren Auftrages im Jahr 2021 durch die EA-Rechnung ergebe.

Mit Einkommensteuerbescheid vom nahm das Finanzamt eine erklärungsgemäße Veranlagung vor, ermittelte den Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Abzug des Gewinnfreibetrages mit EUR 47.479,43 und setzte die Einkommensteuer mit EUR 12.546 fest.

A/2. Dagegen erhob der Bf. Beschwerde mit der Begründung, er habe im Oktober 2021 einen großen Auftrag im Volumen von etwa 70% seines Umsatzes erhalten. Der Bestellwert habe etwas mehr als EUR 60.000 betragen, wie aus der beiliegenden Bestellung hervorgehe. Er habe noch 2021 Material eingekauft. Wegen der Corona-Pandemie seien aber wesentliche Teile nicht angeliefert worden, daher habe er Waren im Wert von mehr als EUR 52.621 nicht ausliefern können. Diese Waren seien erst im Juni 2022 ausgeliefert worden, wie die beiliegende Rechnung bescheinige.

Daher sei in 2022 ein Gewinn von EUR 52.000 entstanden, während der Gewinn in 2021 nur EUR 1.500 betragen habe. Durch die Einnahmen/Ausgabenrechnung sei eine Abgrenzung einzelner Belege normalerweise nicht möglich. Er ersuche daher, ob es in diesem Sonderfall möglich wäre, den Gewinn über zwei Jahre gemittelt zu versteuern.

A/3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit dem Verweis auf das Zufluss/Abflussprinzip als unbegründet ab.

In seinem Vorlageantrag monierte der Bf., dass die Abweisung sein Gerechtigkeitsempfinden bei der Besteuerung schwer verletze. Laut Auskunft eines Finanzbeamten gebe es über 400 Ausnahmen. Er würde erwarten, dass sein Fall auch zu den Ausnahmen gehöre, durch die eine Steuergerechtigkeit entstünde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der vorstehend angeführte Sachverhalt geht aus den vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Akten hervor und ist unstrittig. Strittig ist ausschließlich die Frage, ob im gegenständlichen Fall ein im Jahr 2022 erzielter Gewinn teilweise in einer anderen Periode versteuert werden kann.

B. Rechtliche Beurteilung

B/1. Die Einnahmen/Ausgabenrechnung nach § 4 Abs 3 EStG 1988 ist eine vereinfachte Gewinnermittlung im Wege einer Geldflussrechnung. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Betriebsvermögensvergleich und der Einnahmen/Ausgabenrechnung liegt im Zeitpunkt der Erfassung der Geschäftsfälle. Die Einnahmen/Ausgabenrechnung stellt zugeflossene Einnahmen und abgeflossene Ausgaben gegenüber, mit einigen Durchbrechungen des Zu- und Abflussprinzips, etwa im Zusammenhang mit Anlagevermögen, bei bestimmten Vorauszahlungen oder bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben (siehe dazu Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Tz 178 und Tz 187).

Die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben ist im § 19 EStG 1988 geregelt. § 19 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 108/2022 lautet:

(1) Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Abweichend davon gilt:
1. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.
2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:
- Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c, das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG und das Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG,
- das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld, das Umschulungsgeld gemäß § 39b AlVG und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen,
- Nachzahlungen im Insolvenzverfahren sowie
- Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4, mit Ausnahme der in § 3 Abs. 2 genannten Bezüge.
3. Bezüge gemäß § 79 Abs. 2 gelten als im Vorjahr zugeflossen. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln.

(2) Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Abs. 1 zweiter Satz. Rückzahlungen von Einnahmen gemäß Abs. 1 Z 2 erster und zweiter Teilstrich gelten in dem Kalenderjahr als abgeflossen, für das der Anspruch bestand bzw. für das sie getätigt wurden. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt.

(3) Vorauszahlungen von Beratungs-, Bürgschafts-, Fremdmittel-, Garantie-, Miet-, Treuhand-, Vermittlungs-, Vertriebs- und Verwaltungskosten müssen gleichmäßig auf den Zeitraum der Vorauszahlung verteilt werden, außer sie betreffen lediglich das laufende und das folgende Jahr.

B/2. Als Anwendungsbereich für den § 19 EStG ergeben sich neben den außerbetrieblichen Einkünften, den Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 bei den betrieblichen Einkunftsarten.

Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann, sobald er also die volle Verfügungsmacht über sie erhält (E , 82/13/0266, 1985, 199; E , 92/15/0048, 1993, 537). Einnahmen sind daher dem Stpfl zugeflossen, wenn sie auf sein Bankkonto gutgeschrieben oder von seinem Bevollmächtigten in Empfang genommen worden sind. Bei Barzahlung erfolgt der Zufluss mit Übergabe des Geldbetrages (Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 19 Tz 8, 30).

B/3. Im vorliegenden Fall sind die gegenständlichen Betriebseinnahmen dem Bf. unstrittig im Jahr 2022 zugeflossen. Es kam bei der Abwicklung eines großen Auftrages auf Grund von Lieferschwierigkeiten wegen der Corona-Pandemie zu einem Auseinanderfallen von Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen in verschiedene Gewinnperioden.

Dieser Effekt mag nicht erwünscht sein, ist aber die geradezu typische Folge des Zufluss/Abflussprinzips. Für derartige Fälle sieht das Gesetz keine Ausnahme vom Zuflussprinzip vor.

Bei der vereinfachten Gewinnermittlungsart des § 4 Abs 3 EStG erfolgt keine periodengerechte Erfassung der einzelnen Betriebsvorfälle, sondern eine solche, bei der grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses der Betriebseinnahmen und der tatsächlichen Leistung der Betriebsausgaben für die Ermittlung des Gewinnes maßgebend ist. Darin liegt schon deswegen keine "Unbilligkeit", weil es dem Steuerpflichtigen freisteht, seinen Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG 1988 zu ermitteln ().

Die vom Bf. geforderte periodengerechte Besteuerung kann also nur durch eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs 1 EStG 1988 erreicht werden.

Aus diesem Grund konnte der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

C. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und folgt der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100612.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at