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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2024, RV/7103935/2022

Werbungskosten - doppelte Haushaltsführung: Keine doppelte Haushaltsführung bei Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., vertreten durch Z.Z. GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Adr.StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, xxx, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer [in Folge: Bf.] brachte am die Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für 2020 elektronisch durch seine steuerliche Vertretung ein. In einer Beilage wurde u.a. mitgeteilt, dass der Bf. ab mit Y.Y. GmbH & Co KG ein lokales Dienstverhältnis in Österreich eingegangen sei. Unter Punkt "Ansässigkeit: - - Österreich" wurde ausgeführt, dass der Bf. während der Tätigkeit in Österreich seinen Wohnsitz in Rumänien beibehalte und einen weiteren Wohnsitz in Österreich begründe. Aufgrund der engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich wechsle der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich. Österreich sei daher als Ansässigkeitsstaat gemäß Art 4 DBA Österreich-Rumänien zu qualifizieren. Als abkommensrechtlichem Ansässigkeitsstaat stehe Österreich das Besteuerungsrecht an seinem Welteinkommen zu. Rumänien habe lediglich das Recht, bestimmte Einkunftsquellen aus Rumänien zu besteuern.
Im Punkt "Werbungskosten" wurden als Kosten für doppelte Haushaltsführung Wohnung / Apartment ein Betrag iHv. 15.210,48 Euro, für Einrichtung ein Betrag iHv. 3.533,77 Euro und für Strom/Gas ein Betrag iHv. 1.040,79 Euro, gesamt 19.785,04 Euro (Kz 723) ausgewiesen.

Die belangte Behörde erließ am den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 und setzte die Einkommensteuer iHv. -4.751,00 Euro (Gutschrift) fest. Begründend wurde u.a. ausgeführt: Da der Mittelpunkt des Lebensinteresses seit 2012 in Österreich liege - die ganze Familie sei seitdem in Österreich gemeldet - seien die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt worden. Die Tatsache alleine, dass der Bf. seinen Wohnsitz in Rumänien beibehalten habe, begründe keinen Anspruch darauf. Diese Tatsache sei dem § 20 EStG private Lebensführung zuzuordnen.

Der Bf. brachte nach gewährten Fristverlängerungen durch seine steuerliche Vertretung mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingegangen am , Beschwerde ein. Darin führte er unter "Wohnsitz in Rumänien" und "Wohnsitz in Österreich" aus, dass der ehemalige Familienwohnsitz an der Adresse Adr.Ausl in Rumänien gelegen sei. Dieser Wohnsitz werde während der Tätigkeit in Österreich beibehalten. Am Beschäftigungsort verfüge der Bf. über eine Wohnung an der Adresse Adr.Bf.alt. Der Wohnsitz in Österreich sei 1085 km vom Wohnsitz in Rumänien entfernt.
Gemäß der Begründung im Bescheid vom seien die Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht gewährt worden, da sich der Bf. und seine Familie nach der Annahme des Finanzamtes seit 2012 durchgehend in Österreich aufhalte und somit die vorübergehende doppelte Haushaltsführung nicht anzuwenden sei. Es sei jedoch zu beachten, dass der Bf. im Zeitraum von 2012 bis 2016 bereits erstmalig in Österreich tätig gewesen sei, er und seine Familie sich jedoch per 2016 in Österreich abgemeldet hätten und wieder nach Rumänien zurückgekehrt seien. Der damalige österreichische Wohnsitz sei aufgegeben worden und die Familie des Bf. habe sich im Zeitraum von 2016 bis 2019 durchgehend in Rumänien befunden, wo sie über ihren einzigen Wohnsitz verfügt hätte. Der Wohnsitz in Österreich sei per 2016 vollständig aufgegeben worden. Der Bf. und seine Gattin seien in dem genannten Zeitraum (2016-2019) auch wieder lokal in Rumänien angestellt gewesen. Die Tochter des Bf. habe in diesem Zeitraum wieder die Schule "Theoretische Lyzeum Alexandru Vlahuta" in Rumänien besucht. Familie N. habe von bis einschließlich lediglich einen Wohnsitz in Rumänien gehabt und sei dort zur Gänze lokalisiert gewesen.
Folglich seien die folgenden Vorschriften zur Geltendmachung der Kosten der doppelten Haushaltsführung anwendbar:
Doppelte Haushaltsführung (KZ 723): Der Bf. sei für Y.Y. GmbH & Co KG in Österreich tätig und habe seinen Wohnsitz in Rumänien während der Tätigkeit in Österreich beibehalten. Gemäß Rz 346 LStR sei von einer angemessenen Frist zur Wohnungsbeschaffung auszugehen, die sich nach den Möglichkeiten der Beschaffung eines Familienwohnsitzes im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes orientiere. Die Frist für verheiratete Personen sei gemäß Lohnsteuerrichtlinien mit 2 Jahren angesetzt. Die Voraussetzungen für die Gewährung der vorübergehenden doppelten Haushaltsführung gemäß Rz 344 LStR seien daher erfüllt und die Unzumutbarkeit der kurzfristigen Verlegung des Familienwohnsitzes gemäß Rz 345 LStR liege vor.
Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen würden, dass er am Beschäftigungsort (Österreich) wohnen müsse und die tägliche Rückkehr zum ehemaligen Familienwohnsitz (Rumänien) nicht zugemutet werden könne, seien als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen. Daher seien die Mehraufwendungen für einen zweckentsprechenden Wohnsitz in Österreich als Kosten der doppelten Haushaltsführung anzuerkennen.
Die Mietkosten seien auf einen zweckmäßigen Wohnsitz von 55m2 gekürzt worden, obwohl der Bf. mit seiner Gattin und der gemeinsamen Tochter in der Wohnung in Österreich wohne.
Als Beilagen wurden angefügt:
Beilage 1: Beilage zur Steuererklärung
Beilage 2: Aufstellung Kosten DHH iHv. 19.785,04 Euro
Beilage 3: Mietvertrag
Beilage 4: und 5: Liste der Einrichtungsgegenstände: Auflistung und Rechnungen
Beilage 6: Belege zu den Einrichtungsgegenständen und Stromkosten
Beilage 7: Bestätigung Y.Y. - Rumänien vom , dass der Bf. im Zeitraum von bis bei Y.Y. GmbH & CO KG ***, in Rumänien unselbständig tätig gewesen ist
Beilage 8: Schulbestätigung des Lyzeums Alexandru Vlahuta
Beilage 9: Rechnungen btr. Übersiedlungskosten nach Rumänien und Kommunikation mit der Relocation Agentur im Jahr 2016 über die Auflösung des österreichischen Wohnsitzes sowie die Rückkehr nach Rumänien.
Beilage 10: Abmeldung des Internetanschlusses sowie die Abmeldung der GIS zum

Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten immer nur so lange vorliegen könnten, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt worden sei (Ausnahme befristete Entsendung). Die ganze Familie des Bf. habe den Familienwohnsitz seit 12/2019 in Österreich. Die Beibehaltung des zweiten Wohnsitzes im Ausland sei daher privat veranlasst. Es würden keine Voraussetzungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten vorliegen.

Nach mehreren Fristverlängerungen brachte der Bf. durch seine steuerliche Vertretung mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , den Antrag die Beschwerde gem. § 264 Abs. 1 BAO dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen ein (Vorlageantrag). Neben den bereits im Zuge des Beschwerdeschreibens vorgebrachten Argumenten wurde ergänzend ausgeführt, dass die vollständige und sofortige Aufgabe des Familienwohnsitzes in Rumänien nicht möglich gewesen sei, da die Tochter noch die Schule besucht habe und eine Schulalternative in Österreich gesucht worden sei. Weiters hätte der gesamte Haushalt nicht sofort nach Österreich übertragen werden können. Die Übersiedlung des Haushaltes sei in Etappen erfolgt, weshalb auch die Lohnsteuerrichtlinien eine generelle Verlegungsfrist von 2 Jahren (Rz 346 LStR) für Eheleute festlegen würden. Die zügige Verlegung des Wohnsitzes sei zusätzlich durch den Beginn der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 gehemmt worden, da es aufgrund der Lockdowns nur erschwert, wenn überhaupt, möglich gewesen sei, zwischen Österreich und Rumänien zu pendeln. Die beigelegten Flugtickets würden die einzigen Flugreisen nach Rumänien zeigen, die noch kurz vor Eintritt der Pandemie im Februar 2020 durchgeführt worden sei. Danach sei es Herrn Dr N. und seiner Familie nicht mehr möglich gewesen, zum Familienwohnsitz in Rumänien zu reisen, um die notwendigen Haushaltsgegenstände nach Österreich zu bringen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der vorübergehenden doppelten Haushaltsführung gemäß Rz 344 LStR seien daher erfüllt und die Unzumutbarkeit der kurzfristigen Verlegung des Familienwohnsitzes gemäß Rz 345 LStR liege vor.
Neben bereits mit der Beschwerde vorgelegten Mietvertrag und Stromkostenaufzeichnungen wurden Aufstellungen der Werbungskosten und der geringfügige Wirtschaftsgüter, Belege über die Einrichtungsgegenstände, das Anlageverzeichnis und die Flugtickets dem Vorlageantrag beigelegt.

Die belangte Behörde legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht unter Verweis auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung die Abweisung der Beschwerde, da die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen würden.

Das Bundesfinanzgericht forderte mit Schreiben vom vom Bf. den Dienstvertrag vom und drei in der Beschwerde zwar angeführte, jedoch im Akt des Bundesfinanzgerichts nicht vorliegende Unterlagen an.

Nach Fristerstreckung reichte die steuerliche Vertretung mit Eingabe vom , eingegangen beim Bundesfinanzgericht am , die angeforderten Unterlagen nach.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist rumänischer Staatsbürger und war vom bis mit Hauptwohnsitz in 1090 Wien gemeldet [BFG-Akt OZ 15: ZMR Bf.].
Dieser Wohnsitz wurde mit aufgegeben und zog der Bf. mit seiner Gattin und seiner Tochter nach Rumänien zurück [BFG-Akt OZ 25: Stellungnahme , Beilage S. 16: Kündigungsschreiben Wohnung ; OZ 25: Stellungnahme , Beilage S. 20-46: E-Mail Korrespondenz mit der Übersiedlungsagentur; OZ 25: Stellungnahme , Beilage S. 47: Abmeldung GiS und S. 48: Abmeldung des Internetanschlusses].

Für den Zeitraum bis war der Bf. in Bukarest für die Y.Y. GmbH & Co KG tätig und hatte seinen Wohnsitz in Rumänien [BFG-Akt OZ 4: Beschwerde, S. 74: Bestätigung Fa. Y.Y.; OZ 25: Stellungnahme , Beilage S. 49 und 50: Schulbesuchsbestätigungen Tochter].

Ab ist der Bf. mit Y.Y. GmbH & Co KG ein lokales Dienstverhältnis in Österreich eingegangen und war im Beschwerdejahr 2020 in Österreich ansässig. Laut Dienstvertrag wurde gem. Pkt. 2, nach einer einmonatigen Probezeit und einer auf vier Monate befristeten Zeit, das Dienstverhältnis in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeführt [BFG-Akt OZ 25: Stellungnahme , Beilage S. 4-15: Dienstvertrag].

Laut zentralem Melderegister [ZMR] hatte der Bf. für den Zeitraum bis den Hauptwohnsitz in Adr.Wien, und ab in Adr.Bf.alt, gemeldet [BFG-Akt OZ 15: ZMR Bf.].
Die Gattin des Bf. und die Tochter des Bf. hatten laut ZMR ebenso ab den Hauptwohnsitz in Adr.Bf.alt, gemeldet [BFG-Akt OZ 16 und 17: ZMR Gattin und Tochter]
Zufolge Pkt. 08 des Mietvertrags hat das befristete Mietverhältnis mit Übergabe/Übernahme des Mietgegenstandes, spätestens jedoch mit , begonnen [BFG-Akt OZ 8: Vorlageantrag, S. 9: Beilage Mietvertrag].

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im Akt einliegenden Unterlagen, insbesondere auf die Abfragen im zentralem Melderegister, dem Dienstvertrag, dem Mietvertrag, der Bestätigung der Y.Y. GmbH & Co KG vom , der Schulbesuchsbestätigungen der Tochter und der Korrespondenz btr. Umzuges von Österreich nach Rumänien im Jahr 2016.
Die genannten Urkunden und Schriftstücke stellen Beweismittel gem. § 166ff BAO dar und liegen diese der rechtlichen Würdigung des Bundesfinanzgerichts zugrunde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Beschwerdegegenständlich ist die Frage ob dem Bf. im Beschwerdejahr Werbungskosten aus dem Titel der vorübergehenden doppelten Haushaltsführung iHv. 19.785,04 Euro zustehen. Die belangte Behörde verneinte dies im Erstbescheid mit der Begründung, dass sich der Bf. und seine Familie seit 2012 durchgehend in Österreich aufhalte, in der Beschwerdevorentscheidung damit, dass die Familie den Familienwohnsitz seit 12/2019 in Österreich habe und die Beibehaltung des zweiten Wohnsitzes im Ausland daher privat veranlasst sei.
Demgegenüber vertritt der Bf. die Meinung, dass die Voraussetzungen laut Rz 344 bis 346 LStRl gegeben seien.

A. Ansässigkeit:

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (, Rn 22).

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Der Bf. hat im Beschwerdejahr seinen Wohnsitz in Österreich, er ist - im Verfahren unbestritten - in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl III Nr. 29/2006) lautet auszugsweise:

Artikel 4:
(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Ortes ihrer Eintragung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes:
a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen); ...

Nach Art 4 Abs. 2 lit a DBA-Rumänien gilt daher eine Person, die in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. , mwN).

Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (, mwN).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen ().

Unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich für das Beschwerdejahr 2020 festhalten:

Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Interessen des Bf. lag im Beschwerdejahr an seinem Dienstort in Wien, wo er für die Firma Y.Y. GmbH & Co KG ab Oktober 2019 tätig wurde. Hinsichtlich der stärksten persönlichen Bindung geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass diese zu seiner Ehegattin und seinem Kind besteht. Dies zeigt sich auch darin, dass diese ihm bereits im November 2019 nach Österreich nachgefolgt sind und sie seitdem dort ihren gemeinsamen Wohnsitz haben. Der Bf. hat daher ab dem Zuzug seiner Gattin und seines Kindes den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nach Österreich verlagert und ist ab November 2019 im Sinn des Art 4 DBA Rumänien in Österreich ansässig. Ab diesem Zeitpunkt steht Österreich das Besteuerungsrecht an seinem Welteinkommen zu.

B. Werbungskosten aus dem Titel der (vorübergehende) doppelten Haushaltsführung:

Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des Familienwohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs. 1 EStG 1988 ().

Demgegenüber dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 die für den Haushalt von Steuerpflichtigen und für den Unterhalt ihrer Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung von Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit der Steuerpflichtigen erfolgen ().

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen und gilt somit vorerst als privat veranlasst. Lediglich - wie oben ausgeführt - unvermeidbare Mehraufwendungen, die Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass sie am Beschäftigungsort wohnen müssen und ihnen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl. , mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, kann die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ihre Ursache sowohl in der privaten Lebensführung haben (vgl. , mwN), als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seiner Ehegattin bzw. Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. , mwN) und ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN).

  • Zur Begründung der Nichtanerkennung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung laut Erstbescheid vom :

Die belangte Behörde verweigerte den Werbungskostenabzug des Bf. mit der Begründung, dass sich der Bf. mit seiner Familie seit 2012 durchgehend in Österreich aufgehalten habe und den Mittelpunkt des Lebensinteressens in Österreich gehabt habe.
Wie jedoch aus der Bestätigung der Y.Y. GmbH & Co KG vom ersichtlich, war der Bf. in Rumänien im Zeitraum bis für die Firma Y.Y. GmbH & Co KG in Rumänien tätig und hatte seinen Lebensmittelpunkt in Bukarest [BFG-Akt OZ 4: Beilage Beschwerde, S. 74]
Dies entspricht auch den Daten des aus dem zentralen Melderegister. Demnach war der Bf. für den Zeitraum Ende Dezember 2016 bis Anfang Oktober 2019 nicht in Österreich gemeldet.
Die Versagung des Werbungskostenabzugs aus diesem Grund erfolgte daher zu Unrecht.

  • Zur Begründung der Nichtanerkennung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung laut Beschwerdevorentscheidung:

Unbestritten ist, dass der Wohnort in Rumänien vom Tätigkeitsort in Österreich (Y.Y. GmbH & Co KG Wien) des Bf. so weit entfernt ist, dass eine tägliche Rückkehr nicht möglich ist.

Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung können immer nur so lange vorliegen, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt wurde und kein Fall der "vorübergehende doppelte Haushaltsführung" gegeben ist (vgl. Ebner in Jakom EStG17, § 16 Rz 56, "Doppelte Haushaltsführung").

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. zB ).

Wie unter A. festgestellt - und im Übrigen zwischen den Verfahrensparteien auch unbestritten -, hat der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. mit November 2019 aufgrund der engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach Österreich gewechselt.
Da die Ehefrau und das gemeinsame Kind mitübersiedelten wurde die Verlegung des Familienwohnsitzes mit November 2019 an den Beschäftigungsort, dh, nach Österreich, vollzogen.
Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lag der Familienwohnsitz im Beschwerdejahr 2020 somit in Österreich.

Von einer Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich wäre jedoch dann nicht auszugehen, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. , mwN).
Ist es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten, angesichts einer absehbar befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort den gewählten Familienwohnsitz aufzugeben, dann ändert es an dieser Unzumutbarkeit nichts, wenn die Familie des Steuerpflichtigen ihn auf die Dauer seiner Entsendung an den Beschäftigungsort begleitet ().
Eine lediglich abstrakte Möglichkeit der Versetzung an einen anderen Dienstort bei einem unbefristete Dienstvertrag hingegegn reicht nicht aus die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. ).

Im Beschwerdefall wurde - nach Ablauf der einmonatigen Probezeit und dem viermonatigen befristeten Arbeitsverhältnis - ein unbefristeter Dienstvertrag abgeschlossen. Es liegt daher kein Fall einer von vornherein befristeten Beschäftigung vor.

Zum Argument des Bf., dass bei verheirateten Steuerpflichtigen die Kosten einer doppelten Haushaltsführung in den ersten zwei Jahre jedenfalls anzuerkennen seien ist auszuführen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob Steuerpflichtigen zuzumuten ist, ihren Wohnsitz in den Nahbereich der Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. , mwN) und aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN).
Die Diktion "ob Steuerpflichtigen zuzumuten ist, ihren Wohnsitz in den Nahbereich der Arbeitsstätte zu verlegen" setzt aber voraus, dass der Familienwohnsitz tatsächlich noch nicht in den Nahbereich des Arbeitsplatzes verlegt wurde. Nur dann kommt in einem vorübergehenden Zeitraum eine Anerkennung der doppelten Haushaltsführung in Betracht.

Da im vorliegenden Fall der Familienwohnsitz bereits im Jahr 2019 nach Österreich verlegt wurde und daher im Jahr 2020 am Ort der Berufsausübung gelegen ist, sind Mehraufwendungen für doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten im Sinne des
§ 16 Abs. 1 EStG 1988 anzuerkennen.

Gem. § 278 Abs. 1 Satz 2 BAO ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerde war daher, unter entsprechender Änderung der Begründung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom , abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist in seiner Entscheidung der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA RO (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Rumänien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 29/2006
Verweise













ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103935.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at