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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2024, RV/7102170/2024

Inkassotätigkeit ist keine Vermittlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Bruno Hübscher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Stephansplatz 4/VIII, 1010 Wien, über die Beschwerden vom und vom gegen folgende Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich), ergangen zu Steuernummer ***BF1StNr1***,

1. Bescheid gemäß § 201 BAO vom betreffend Wettgebühr für Mai 2011,

2. Bescheid gemäß § 201 BAO vom betreffend Glücksspielabgabe für Mai 2011 und

3. Bescheid vom über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen betreffend Glücksspielabgabe für Mai 2011

zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) ist seit 1999 im Firmenbuch unter der FNd mit dem Sitz in Wien eingetragen.

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt gegenüber der Bf die Wettgebühr gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 1 GebG und die Glücksspielabgabe gemäß § 57 Abs. 1 GSpG, jeweils für Mai 2011, fest. Weiters setzte das Finanzamt mit Bescheid vom einen Säumniszuschlag (betreffend die festgesetzte Glücksspielabgabe) fest. Die Bf habe für einen ausländischen Buchmacher (B s.a.) Inkassotätigkeiten bei österreichischen Wettvermittlern durchgeführt und sei aufgrund dieser Tätigkeit - infolge der Weiterleitung der Spieleinsätze und -gewinne über ein Treuhandkonto an die B s.a. - selbst als Vermittlerin gemäß § 28 Abs. 3 GebG bzw. § 59 Abs. 5 GSpG anzusehen. Als solche sei sie als Abgabenschuldnerin heranzuziehen, weil die Wettgebühr und die Glücksspielabgabe bisher weder selbst berechnet noch entrichtet worden seien.

Die dagegen erhobenen Berufungen (nunmehr Beschwerden), in denen sich die Bf u.a. gegen die Annahme der Vermittlereigenschaft wendete, wurden vom Finanzamt - betreffend die Berufung gegen die Festsetzung des Säumniszuschlags nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung und Einbringung eines Vorlageantrags - dem (damaligen) unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit dem Erkenntnis vom , RV/7101536/2013, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Dagegen wurde ordentliche Parteienrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der VwGH hat mit dem Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0002, der Revision stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Kraft ausdrücklicher Anordnung in § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung befunden hat.

Das zuständige Verwaltungsgericht hat das ex tunc zurückgesetzte Beschwerdeverfahren zu Ende zu führen, also die bei ihm anhängige Beschwerde neu zu erledigen. Dabei ist es im betreffenden Fall an die Rechtsanschauung des VwGH gebunden (vgl. Schick in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor dem VwGH (2015) Seite 261).

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird bezüglich des näheren Verfahrensablaufes und des festgestellten Sachverhaltes auf die Entscheidung des BFG und auf das Erkenntnis des VwGH verwiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Im Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision für zulässig erklärt und wie folgt begründend ausgeführt:

"Die maßgebliche Bestimmung des Gebührengesetzes 1957 (GebG) in der im Revisionsfall anwendbaren Fassung der Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (GSpG-Novelle 2008), BGBl. I Nr. 54/2010, lautete:

"§ 28

[...]

(3) Zur Entrichtung der Gebühr bei Wetten im Sinne des § 33 TP 17 Abs. 1 Z 1 sind die Personen, die gewerbsmäßig Wetten abschließen oder vermitteln, zur ungeteilten Hand verpflichtet. Die Gebühr ist von diesen Personen unmittelbar zu entrichten (§ 31 Abs. 3). Als Vermittlung im Sinne dieser Bestimmung gilt jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Wetteinsätzen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen der Wette auf andere Art und Weise.

[...]."

Die maßgebliche Bestimmung des Glücksspielgesetzes (GSpG) in der im Revisionsfall anwendbaren Fassung der Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (GSpG-Novelle 2008), BGBl. I Nr. 54/2010, lautete:

"Entstehung und Entrichtung der Abgabenschuld

§ 59

[...]

(2) Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 sind

1. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57:

- der Konzessionär (§ 17 Abs. 6);

- bei Fehlen eines Berechtigungsverhältnisses der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler (Abs. 5) sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand.

[...]

(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand

a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;

b) bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).

(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise.

[...]."

Die Verpflichtung des Vermittlers, die Gebühr bei Wetten und (damals) Glücksspielen unmittelbar zu entrichten, wurde in § 28 Abs. 3 GebG mit dem Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz - ABÄG, BGBl. I Nr. 105/2005, erstmalig eingeführt. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. Begründung zum Initiativantrag 652/A 22. GP) war der Hintergrund dieser Änderung die damalige Rückläufigkeit der Wetteinsatzgebühren und Gewinnstgebühren für Sportwetten. Diese sei darauf zurückzuführen gewesen, dass einerseits immer mehr Kunden direkt zu "Off-Shore"-Anbietern ausgewichen seien und andererseits, dass heimische Unternehmen zunehmend Wetten nicht selbst angenommen, sondern gewerbsmäßig ins Ausland vermittelt hätten, wofür damals keine Gebührenpflicht bestanden habe. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, sollte u.a. der Gebührentatbestand "insoweit verbreitert [werden] als auch die Vermittlung von Wetteinsätzen ins In- und Ausland der Gebührenpflicht" unterliegen sollte. Ausgeführt wurde weiters, dass "Bank- und Postdienstleistung durch Kreditinstitute bzw. durch Postdienstleister [...] für sich alleine noch keine Vermittlung im Sinne des Gebührengesetzes" darstellen und daher auch keine Gebührenpflicht auslösen würde.

Im Zuge der Neuregelung der Glücksspielabgaben in den §§ 57 ff GSpG mit der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, wurde in § 59 GSpG der Vermittler als Abgabenschuldner (bzw. Gesamtschuldner) vorgesehen und - entsprechend der Regelung in § 28 Abs. 3 GebG - als Vermittlung jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise definiert.

Eine abstrakte Definition der vom - im vorliegenden Revisionsfall strittigen - Begriff der "Vermittlung" umfassten Tätigkeiten ist weder im GebG noch im GSpG vorhanden. Die in den genannten Bestimmungen explizit angeführten Tätigkeiten der Annahme und Weiterleitung der Wett- bzw. Spieleinsätze oder der Gewinne sowie der Mitwirkung am Zustandekommen der jeweiligen Verträge sind rein demonstrativer Natur (arg.: "gilt jedenfalls" bzw. "gelten jedenfalls") und sehen daher keine abschließende Regelung der Vermittlungstätigkeit vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit dem Begriff der Vermittlung im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Wettunternehmen beschäftigt und diesbezüglich ausgesprochen, dass sich die Vermittlungstätigkeit einer gesetzlichen Definition entzieht, weil die an sie zu stellenden Anforderungen je nach Geschäftszweig und Lage des Falles sehr variieren. Es ist jedoch selbstverständlich, dass der Begriff "vermitteln" bedeutet, zwei potentielle Vertragspartner zusammenzubringen und zum Geschäftsabschluss zu bewegen (vgl. Ra 2017/02/0078, mwN; ebenso Blum in Bergmann/Pinetz, GebG2, § 28 Rz 18, wonach die Tätigkeit der "Vermittler" darauf gerichtet sein müsse, an dem Abschluss einer Wette mitzuwirken).

Das Vermitteln von Wettkunden erfordert nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ein Tätigwerden des Vermittlers zur Zuführung von Wettkunden an Buchmacher (bzw. Totalisateure), das typischerweise durch eine Provision für jede abgeschlossene Wette honoriert wird. Die Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher (bzw. Totalisateure) ist daher eine der Tätigkeit der Buchmacher (bzw. Totalisateure) vorgeschaltete Tätigkeit (vgl. Ra 2017/02/0084, mwN; vgl. B 1316/2012-13; , G 258/2016-13, G 317/2016-5).

Vor dem Hintergrund der - den angeführten Gesetzesmaterialien zu entnehmenden - Entstehungsgeschichte der revisionsgegenständlichen Bestimmungen des GebG und des GSpG ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Erfassung der "Vermittler" als Gebühren- bzw. Abgabenschuldner einen von diesem Begriffsverständnis abweichenden Personenkreis hätte erfassen wollen. Diese Sichtweise findet auch in den explizit angeführten, jedenfalls als Vermittlung geltenden Tätigkeiten Bestätigung, ist doch die Mitwirkung - jeglicher Art - am Zustandekommen des jeweiligen Vertrages - schon begrifflich - eine dem Vertragsabschluss vorgeschaltete Tätigkeit, ebenso wie die Annahme von Wett- bzw. Spieleinsätzen, deren - unmittelbare oder mittelbare - Weiterleitung an den Wettunternehmer automatische Folge der Annahme ist, steht dem Vermittler doch regelmäßig nur ein bestimmter Anteil daran zu (vgl. dazu erneut Ra 2017/02/0078, wonach der Vermittler im Namen des Buchmachers - oder Totalisateurs - die Wetteinsätze einnimmt und einen allfälligen Gewinn in dessen Namen auch wieder auszahlt).

Die Tätigkeit von Personen, die nicht im Vorfeld des Vertragsabschlusses zwischen Wettunternehmern und Wettkunden befasst waren und auch nicht auf den Vertragsabschluss hingewirkt - etwa aus Eigeninteresse, aufgrund der ihnen im Fall des Vertragsabschlusses zustehenden Provision - haben, kann daher nicht mehr als "Vermittlung" im Sinne der genannten Bestimmungen des GebG und des GSpG angesehen werden, mag auch die "Weiterleitung" der Wett- bzw. Spieleinsätze an den Wettunternehmer nach Vertragsabschluss - und Ermittlung des Wettergebnisses - vom reinen Gesetzeswortlaut erfasst sein. Eine gegenteilige Sichtweise hätte schließlich zur Folge, dass beispielsweise auch ein Kreditinstitut, bei dem der Wettunternehmer Geschäftskonten zwecks Abwicklung der Wetttätigkeit unterhält, als "Vermittler" anzusehen und damit Schuldner der Wettgebühr bzw. Glücksspielabgabe wäre. Dass ein derartiges Verständnis dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechen würde, kann im Hinblick auf die Materialien zum ABÄG, BGBl. I Nr. 105/2005 (Initiativantrag 652/A 22. GP), wonach die Dienstleistungen der Kreditinstitute keine Vermittlungstätigkeit darstellen sollen, ausgeschlossen werden.

Die Revisionswerberin ist nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes erst nach Abschluss der jeweiligen Verträge und auch nach allfälliger Auszahlung der Gewinne an die Wettkunden (durch die Wettvermittler), lediglich durch das (monatliche) Inkassieren der verbleibenden Beträge bei den für die B s.a. tätigen Wettvermittlern, tätig geworden. Nach dem Gesagten ist diese isolierte Tätigkeit - mangels Tätigwerden der Revisionswerberin im Vorfeld der jeweiligen Vertragsabschlüsse - allerdings keine "Vermittlung" im Sinne der genannten Bestimmungen des GebG und des GSpG."

Damit hat das Höchstgericht klargestellt, dass die von der Bf ausgeübte Inkassotätigkeit nicht als Vermittlung iSd § 59 Abs. 5 GSpG bzw. § 28 Abs. 3 GebG anzusehen ist.

Die Bf war daher im Streitzeitraum nicht Abgabenschuldnerin der Glücksspielabgabe und der Wettgebühren. Sie war sohin auch nicht verpflichtet Selbstberechnungen durchzuführen und die Abgaben an das Finanzamt abzuführen. Damit entfällt auch die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, da sich das Bundesfinanzgericht in der gegenständlichen Beschwerdesache auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2022/16/0002, stützen konnte.

Im Revisionsfall liegt somit bereits aus diesem Grund eine klare bzw. geklärte Rechtslage vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102170.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at